10 W (pat) 6/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 6/12
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2010 055 799.4-52 wegen Erteilungsbeschluss hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 24. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und den Richter Prof. Dr. Dr. Ensthaler BPatG 152 08.05 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01N des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. November 2011 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe I.
Die Anmelderinnen reichten am 23. Dezember 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Vorrichtung und Verwendung der Vorrichtung zur Messung der Dichte und/oder der Elektronentemperatur und/oder der Stoßfrequenz eines Plasmas“ ein. Für diese Anmeldung nahmen sie die Prorität einer deutschen Voranmeldung vom 6. Oktober 2010 in Anspruch. Mittlerweile befindet sich die Anmeldung im alleinigen Eigentum der Anmelderin zu 1; die entsprechende Umschreibung im Patentregister wurde am 16. April 2013 vorgenommen.
Am 18. November 2011 erlies die Prüfungsstelle einen Erteilungsbeschluss. In diesem wird zum Inhalt des erteilten Patents auf die beigefügte Zusammenstellung der Publikationsunterlagen verwiesen, wobei die dort unter der Spalte „Änderungen“ angegebenen Unterlagen als Beschlussbestandteil beigefügt seien.
In der in Bezug genommenen Anlage ist als Eingangsdatum für die verschiedenen Erteilungsunterlagen (Beschreibung, Ansprüche, Zeichnungen und Zusammenfassung) jeweils der 31. Mai 2011 vermerkt. In der Spalte „Änderungen“ ist jeweils verzeichnet: „Eingabe vom 23.10.2010“, wobei bzgl. der Ansprüche hinzugesetzt ist: „Änderung: PA 10“, und bzgl. der Zusammenfassung: „Anderungen: Seite 1“.
In einer weiteren Anlage zum Erteilungsbeschluss, die mit „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“ bezeichnet ist, sind Patentansprüche 1 bis 11 wiedergegeben, wobei die Ansprüche 2 bis 4 ganz und Anspruch 5 teilweise gestrichen sind und bei Anspruch 10 eine „Nummer 1“ eingefügt ist.
Die Anmelderinnen wiesen mit Schreiben vom 24. November 2011 darauf hin, dass die Publikationsunterlagen für die Patentschrift nicht korrekt wiedergegeben seien. In der Anlage zum Beschluss sei in der Spalte „Änderungen“ jeweils eine Eingabe vom 23. Oktober 2010 angegeben, was nicht stimmen könne, da die Anmeldung per Telefax erst am 23. Dezember 2010 eingereicht worden sei. Zu Grunde zu legen seien die am 23. Dezember 2010 übermittelten Unterlagen. Hinsichtlich der Zeichnungen seien die Figuren maßgeblich, die mit Schreiben vom 15. Februar 2011 eingereicht worden seien.
In einem internen Protokoll vom 29. November 2011 hielt der zuständige Prüfer fest, dass im Erteilungsbeschluss fälschlicherweise nicht auf die Unterlagen der vorliegenden Anmeldung, sondern auf die Unterlagen einer am 23. Oktober 2010 eingereichten Voranmeldung, deren innere Priorität in Anspruch genommen wurde, zurückgegriffen worden sei. Der Prüfer schlug vor, den Beschluss auszusetzen und ihn auf der Grundlage der richtigen Unterlagen zu berichtigen. Dieser Vorschlag wurde jedoch im Patentamt nicht umgesetzt.
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Anmelderinnen gegen den Erteilungsbeschluss. Sie stellen sinngemäß den Antrag,
- den Erteilungsbeschluss vom 18. November 2011 aufzuheben und
- das Patent auf der Grundlage der im vorliegenden Anmeldeverfahren eingereichten Unterlagen zu erteilen.
Zur Begründung nehmen die Anmelderinnen auf ihre Eingabe vom 24. November 2011 Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Erteilungsbeschluss ohne Sachentscheidung aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG). An der Beteiligung der Anmelderin zu 2 am Beschwerdeverfahren hat sich trotz erfolgter Umschreibung nichts geändert (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind die Anmelderinnen durch den angefochtenen Beschluss schon deshalb beschwert, weil dort nicht auf die im vorliegenden Anmeldeverfahren, sondern auf die im Verfahren der Voranmeldung, deren Priorität in Anspruch genommen wird, eingereichten Unterlagen Bezug genommen wird und somit dem Antrag der Anmelderinnen jedenfalls insoweit nicht entsprochen wurde.
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
Der Inhalt eines Patents wird ausschließlich durch den Erteilungsbeschluss bestimmt. Bei Divergenzen zwischen der Patentschrift und dem Erteilungsbeschluss geht der Erteilungsbeschluss vor (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 49 Rn. 44; Busse/Brandt, PatG, 7. Aufl., § 49 Rn. 18; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 49 Rn. 3). Daher müssen die Unterlagen, die der Erteilung zugrunde liegen, in dem Erteilungsbeschluss genau bezeichnet werden (vgl. BPatG, Beschluss vom 20. August 1975 – 4 W (pat) 3/75, BPatGE 18, 27, 29 f. zum Bekanntmachungsbeschluss gemäß § 30 PatG a. F., der hinsichtlich der Wirkung mit dem Erteilungsbeschluss nach § 49 Abs. 1 PatG vergleichbar ist).
Der angefochtene Erteilungsbeschluss wird den Anforderungen an eine eindeutige Bezeichnung der zugrunde gelegten Unterlagen insoweit nicht gerecht, als dort der 31. Mai 2011 als Eingangsdatum angegeben ist. Aus dem ergänzenden Hinweis ergibt sich zwar, dass es sich bei diesem Datum nicht um das eigentliche Eingangsdatum, sondern um das interne Scandatum gehandelt hat. Das Scandatum ist aber nicht geeignet, die maßgeblichen, in Bezug genommenen Anmeldungsunterlagen zu identifizieren. Die Anmelderinnen konnten somit nicht erkennen, dass ein Patent mit den am 23. Dezember 2010 eingereichten Unterlagen erteilt werden sollte.
Auch die weiteren Angaben in der Spalte „Änderungen“, wo jeweils auf eine Eingabe vom 23. Oktober 2010 verwiesen wird, ist zur Kennzeichnung der Erteilungsunterlagen nicht geeignet, da dieses Eingangsdatum vor dem hier maßgeblichen Anmeldetag gelegen hat.
Unsicherheiten bzgl. des Inhalts des Erteilungsbeschlusses ergeben sich auch aus dessen Anlage „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“. Insbesondere ist nicht klar, mit welchem Wortlaut der Patentanspruch 5 erteilt werden und welchen Inhalt die mit „Nummer 1“ bezeichnete Einfügung haben soll. Im Hinblick darauf, dass der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt wird (§ 14 Satz 1 PatG), ist insoweit erforderlich, dass aus dem Erteilungsbeschluss klar und eindeutig hervorgeht, welche Anspruchsfassung der Erteilung zugrunde gelegt worden ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Nachdem der angefochtene Erteilungsbeschluss inhaltliche Unklarheiten aufweist, ist er aufzuheben, ohne dass der Senat in der Sache selbst entscheidet, § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Die Prüfungsstelle wird nunmehr einen neuen Erteilungsbeschluss zu erlassen haben, in dem die der Publikation zugrunde gelegten Unterlagen in eindeutiger Weise zu bezeichnen sind.
III.
Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 80 Abs. 3 PatG. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht.
So liegt der Fall hier. Die Erhebung der Beschwerde und die Entrichtung der Beschwerdegebühr hätten bei angemessener, verfahrensökonomischer Sachbehandlung vermieden werden können (vgl. Schulte, a.a.O., § 73 Rn. 124 ff.). Auf Grund der Eingabe der Anmelderinnen vom 24. November 2011 wäre es Aufgabe des Patentamts gewesen, die Unstimmigkeiten im Erteilungsbeschluss in verfahrensökonomischer Weise – entsprechend dem Prüfervermerk vom 29. November 2011 - im Wege einer Berichtigung analog § 95 Abs. 1 PatG zu korrigieren. Die Erhebung einer gebührenpflichtigen Beschwerde hätte sich dadurch erübrigt.
Rauch Püschel Ensthaler Hu