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X ZR 27/21

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 27/21 URTEIL in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 28. März 2023 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2023:280323UXZR27.21.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2023 durch die Richter Dr. Deichfuß, die Richterinnen Dr. Kober-Dehm, Dr. Marx und Dr. Rombach sowie den Richter Dr. Rensen für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 19. Januar 2021 wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin wird das genannte Urteil abgeändert. Das europäische Patent 1 441 142 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 441 142 (Streitpatents), das am 22. Januar 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität einer britischen Patentanmeldung vom 25. Januar 2003 angemeldet worden ist und eine Scheibenbremse betrifft.

Patentanspruch 1, auf den weitere acht Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

A disc brake caliper comprising a housing (124) and a force transmission device (105) for a disc brake operable to move a friction element (102) of the brake into engagement with a rotary brake disc (4) along a first axis in response to a loading from a thrust member, the device being restrained from movement transverse to the first axis proximate a first end (150) engageable with the thrust member, characterized in that the force transmission device is guided only by the housing at the first end, and in that a second end (174) is engageable with the friction element.

Patentanspruch 10 schützt eine Scheibenbremse, die einen Scheiben3 bremssattel nach einem der Ansprüche 1 bis 9 umfasst.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise in acht geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt soweit sein Umfang über die mit Hilfsantrag 2 verteidigte Fassung hinausgeht und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Klägerin begehrt weiterhin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise nunmehr in elf geänderten Fassungen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Dagegen hat die Berufung der Klägerin Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft einen Scheibenbremssattel und eine Scheibenbremse mit einem solchem Sattel.

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents umfasst ein Scheibenbremssattel eine Kraftübertragungsvorrichtung. Diese übertrage mittels Stößeln oder Kolben die Betätigungskraft auf Reibelemente der Bremse. Typischerweise umfasse eine Kraftübertragungsvorrichtung auch einen Mechanismus, mit dem der Verschleiß des Reibelements kompensiert werden könne (Abs. 2).

Herkömmliche Kraftübertragungsvorrichtungen wiesen verschiedene Nachteile auf. So gebe es eine große Anzahl von Oberflächen, bei denen Metall an Metall gleite, was die Effektivität reduziere. Die Bearbeitung, die notwendig sei, um eine enge Passung zwischen den Stößelschäften und dem Gehäuse der Kraftübertragungsvorrichtung herzustellen, sei verhältnismäßig teuer. Zudem seien die Stößelköpfe individuelle Komponenten, die sicher an den Stößelschäften angebracht werden müssten, wozu üblicherweise Halte- oder Sprengringe verwendet würden, was die Anzahl der Teile erhöhe. Obwohl Gusseisen-Rückenplatten für Reibelemente inzwischen häufiger verwendet würden, sei es teuer, sie so zu bearbeiten, dass sie flach seien und damit die Last der Kraftübertragungsvorrichtung angemessen auf die Rückenplatte verteilt werde (Abs. 3).

2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, eine Scheibenbremse mit einer Kraftübertragungsvorrichtung bereitzustellen, bei der die genannten Probleme vermieden oder zumindest reduziert werden (Abs. 4).

3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent einen Scheibenbremssattel vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

0 A disk brake caliper comprising Scheibenbremssattel umfassend a housing (124) and ein Gehäuse (124) und a force transmission device (105). eine Kraftübertragungsvorrichtung (105).

The force transmission device Die Kraftübertragungsvorrichtung

2a is operable to move a friction ele- kann zum Bewegen eines Reibelement (102) of the brake into en- ments (102) der Bremse in Eingriff gagement with a rotary brake disc mit einer Drehbremsscheibe (4) be(4) tätigt werden,

2b along a first axis in response to a und zwar entlang einer ersten loading from a thrust member,

Achse in Reaktion auf eine Belastung durch ein Schubglied,

is restrained from movements wird an einer Bewegung quer zur transverse to the first axis proxi- ersten Achse nahe einem ersten mate a first end (150) engageable Ende, das mit dem Schubglied in with the thrust member,

Eingriff gebracht werden kann, gehindert

4a is guided only by the housing (124) wird nur durch das Gehäuse (124)

at the first end (150) and am ersten Ende geführt und

4b a second end (174) is engageable ein zweites Ende (174) kann mit with the friction element dem Reibelement in Eingriff gebracht werden.

Ein Ausführungsbeispiel zeigen die Figuren 3 bis 5 der Streitpatentschrift:

4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung: 15 a) Der Scheibenbremssattel umfasst ein Gehäuse und eine Kraftübertragungsvorrichtung. 16 Bei der Kraftübertragungsvorrichtung handelt es sich um ein Vorrichtungselement, das geeignet ist, an seinem einen Ende die von einem Schubglied ausgeübte Kraft aufzunehmen und diese durch eine Bewegung entlang einer ersten Achse an seinem zweiten Ende an ein Reibelement abzugeben, das dadurch so bewegt werden kann, dass es in Eingriff mit der Bremsscheibe gelangt. Die erste Achse bestimmt sich mithin dadurch, dass sie auf die Bremsscheibe zuläuft und parallel zu deren Rotationsachse verläuft. 17 Die Kraftübertragungsvorrichtung ist damit funktional definiert. Weitere Vorgaben sind dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Die Kraftübertragungsvorrichtung kann einteilig oder mehrteilig ausgebildet sein. Im Ausführungsbeispiel besteht sie aus zwei parallel angeordneten Stößeln und einer Einstelleinrichtung, die den Verschleiß des Bremsbelags ausgleichen soll.

b) Die Kraftübertragungsvorrichtung weist zwei Enden auf.

Nach Merkmal 3 ist das erste Ende der Kraftübertragungsvorrichtung dadurch bestimmt, dass es mit dem Schubglied "in Eingriff" (engageable with the thrust member) gebracht werden kann. Aus Merkmal 4b ergibt sich, dass das zweite Ende der Kraftübertragungsvorrichtung das Ende ist, das mit dem Reibelement "in Eingriff" (engageable with the friction element) gebracht werden kann.

c) Das Patentgericht hat angenommen, die Kraft müsse durch ein festes Schubglied in die Kraftübertragungsvorrichtung eingeleitet werden. Eine Vorrichtung, bei der der Schub durch ein Fluid eingeleitet werde, entspreche nicht den Vorgaben von Merkmal 2b.

Dieser Auffassung tritt der Senat nicht bei. Patentanspruch 1 umfasst auch den Fall, dass die Kraftübertragungsvorrichtung mit einem Fluid beaufschlagt und von diesem Schub ausgeübt wird.

Das Patentgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass das Schubglied als solches nicht Gegenstand des Streitpatents ist. Merkmal 2b ist jedoch zu entnehmen, dass die Kraftübertragungsvorrichtung die Eignung aufweisen muss, den von einem Schubglied ausgehenden Schub aufzunehmen und an das Reibelement weiterzuleiten. Schubglied im Sinne des Streitpatents sind damit die Vorrichtungselemente, die geeignet sind, Schub in das erste Ende der Kraftübertragungsvorrichtung einzuleiten.

Für die patentgemäße Lehre ist unerheblich, wie der Kontakt zwischen dem Schubglied und der Kraftübertragungsvorrichtung erfolgt. Der in der maßgeblichen Verfahrenssprache verwendete Begriff "engageable" legt ein weites Verständnis von der Art des "Eingriffs" zugrunde. Dieser Begriff ist nicht auf einen (gar formschlüssigen) Eingriff beschränkt, sondern fordert nur einen unmittelbaren Kontakt zwischen Schubglied und Kraftübertragungsvorrichtung.

Dieses Verständnis steht auch im Einklang mit den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1. Der Begriff "engageable" wird ebenfalls in Merkmal 2a verwendet, wo ein Formschluss zwischen Reibelement und Bremsscheibe gerade nicht in Betracht kommt.

Zwar zeigt das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 eine pneumatische Bremse. Sie lässt eine Betätigungseinrichtung 13 (rotary actuating member) mit Walzen 15 und 16 (cylindric rollers) erkennen, über die der Schub auf die Stößel 17 und 18 - und damit die Kraftübertragungsvorrichtung - übertragen wird (Abs. 8). Bei Betätigung der Bremse wird Schub von den Walzen 15 und 16 auf die Einstellschäfte 22 und 23 (adjuster shafts), die zur Kraftübertragungsvorrichtung zählen, ausgeübt. Diese werden dadurch entlang einer ersten Achse in Richtung des Reibelements bewegt.

Weder aus dem Wortlaut von Patentanspruch 1 noch aus der Beschreibung ergibt sich indessen, dass das Streitpatent auf pneumatische Bremsen begrenzt ist. Die Beschreibung hebt vielmehr hervor, dass die Erfindung auch auf mit Fluid betätigte und auf Festsattelbremsen, und damit auch auf hydraulische Bremsen angewendet werden kann (Abs. 36).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff "thrust member" nur ein festes Bauteil meinen kann, sind nicht ersichtlich. Hiergegen spricht insbesondere, dass die Erfindung nach der Beschreibung auch in anderen als pneumatisch wirkenden Bremsen angewendet werden kann (Abs. 2, 7, 36).

d) Entscheidende Bedeutung kommt den Merkmalen 3, 4a und 4b zu, die in ihrem Zusammenwirken sicherstellen sollen, dass die Kraftübertragungsvorrichtung sich nur in axialer Richtung, entlang der ersten Achse bewegt.

aa) Nach Merkmal 3 wird die Kraftübertragungsvorrichtung an einer Bewegung quer zur ersten Achse gehindert.

Dieses Merkmal ist dahin zu verstehen, dass die Kraftübertragungsvorrichtung - abgesehen von einem gewissen Spiel, das wegen thermisch bedingter Veränderungen der Bauteile erforderlich ist - an jeglicher Bewegung quer zur ersten Achse gehindert ist. Dies soll ein Verkippen oder Verkeilen der Kraftübertragungsvorrichtung im Gehäuse vermeiden.

Diese Hinderung der Bewegung quer zur ersten Achse geschieht nach Merkmal 3 in einem Bereich nahe dem ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung. Dies schließt eine Gestaltung nicht aus, durch die die Kraftübertragungsvorrichtung auch in ihren anderen Bereichen an einer Bewegung quer zur Achse gehindert wird.

bb) Nach Merkmal 4a wird die Kraftübertragungsvorrichtung nur am ersten Ende durch das Gehäuse geführt.

Mit diesem Merkmal grenzt sich das Streitpatent vom Stand der Technik ab, den es dahin beschreibt, dass die Kraftübertragungsvorrichtung über nahezu die gesamte Länge des Gehäuses geführt wird, sich also bei Betätigung der Bremse mit geringem Spiel entlang der ersten Achse hin und her bewegt. Dies erfordert eine aufwendige Bearbeitung der Innenseite des Gehäuses und der Außenfläche des Stößelschafts. Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass die Führung der Kraftübertragungsvorrichtung durch das Gehäuse nach Merkmal 4a auf einen Bereich am ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung beschränkt ist, der zumindest deutlich kleiner ist als die erste Hälfte ihrer axialen Erstreckung.

cc) Wie bereits erwähnt wurde, schließt Patentanspruch 1 nicht aus, dass die Kraftübertragungsvorrichtung auch an ihrem zweiten Ende an einer Bewegung quer zur ersten Achse und damit an einem Verkippen oder Verkeilen gehindert wird. Nach Merkmal 4b wird dies dadurch gewährleistet, dass die Kraftübertragungsvorrichtung an ihrem zweiten Ende mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann. Wie die Beschreibung erläutert, ermöglicht es gerade der Eingriff des zweiten Endes mit dem Reibelement, auf eine längere Führung der Kraftübertragungsvorrichtung im Gehäuse zu verzichten (Abs. 14 und Abs. 26).

Nach dem Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 3 bis 5 kann dies dadurch geschehen, dass der Stößel mit seinem zweiten Ende 174 in die Ausnehmung 166A der Rückplatte 138 und mit einem quadratischen Vorsprung 175 in eine entsprechend geformte Ausnehmung 173 eingreift. Wird das zweite Ende des Stößels in diese Ausnehmungen eingeführt, wird die Kraftübertragungsvorrichtung auch hierdurch an einer Bewegung quer zur Achse gehindert. Der Frage, ob man diese Wirkung - wie in Absatz 14 der Beschreibung des Streitpatents - als "Führung" der Kraftübertragungsvorrichtung bezeichnet, kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass Patentanspruch 1 nicht auf eine formschlüssige Verbindung zwischen dem zweiten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung und dem Reibelement beschränkt ist.

Zwar ist ein solcher Formschluss, wie ausgeführt wurde, im Ausführungsbeispiel gezeigt. In Patentanspruch 1 hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden.

In der maßgeblichen Verfahrenssprache ist lediglich gefordert, dass das zweite Ende mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann (is engageable with the friction element). Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen kann auch hier nicht angenommen werden, dass damit ein Formschluss zwingend gefordert wird.

Gegen ein enges Verständnis von Merkmal 4b spricht schließlich auch der Umstand, dass eine formschlüssige Verbindung erst in Unteranspruch 2 gefordert wird.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gehe nicht dadurch über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus, dass die Fassung in Anspruch 1 der Anmeldung, wonach die Kraftübertragungsvorrichtung in der Nähe des zweiten Endes nicht geführt werde, durch die Merkmale 4a und 4b ersetzt wurde. Bereits aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ergebe sich, dass die Führung der Kraftübertragungsvorrichtung durch das Gehäuse auf einen Bereich nahe deren ersten Ende beschränkt sei und diese Führung eine Bewegung quer zur ersten Achse hindere. Ihnen sei zudem zu entnehmen, dass die Kraftübertragungsvorrichtung im Bereich des zweiten Endes nicht durch das Gehäuse geführt werden dürfe.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei jedoch nicht patentfähig. Er sei durch die US-amerikanischen Patentschriften 4 645 038 (D7) und 5 000 294 (D10) sowie durch die deutsche Patentschrift 25 59 613 (D11) vorweggenommen.

Die Verteidigung des Gegenstands von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1 und 1a sei unzulässig. Dass der Anspruch auch das Reibelement umfasse, führe zu einer Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber der erteilten Fassung, bei der das Reibelement nicht mitbeansprucht werde.

Dagegen sei die Verteidigung von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 zulässig. Sein Gegenstand sei auch patentfähig. Er werde durch das US-amerikanische Patent 747 965 (D15) nicht vorweggenommen. D15 betreffe eine hydraulische Bremse und zeige damit keine Kraftübertragungsvorrichtung, die geeignet sei, mit einem mechanischen Schubglied in Eingriff gebracht zu werden. Auch D7, D10 und D11 seien nicht neuheitsschädlich, da sie jeweils nur einen Stößel aufwiesen.

Dieser Gegenstand beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Er werde weder durch eine Kombination der D15 mit der europäischen Patentanmeldung 1 160 478 (D9) noch durch eine Kombination der D9 mit einer der Entgegenhaltungen D17 bis D21 oder durch sonstigen Stand der Technik nahegelegt.

III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung der Beklagten stand.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung der Beklagten gegen die Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei durch den Stand der Technik vorweggenommen.

1. Es kann offenbleiben, ob die Entgegenhaltungen D7, D10 und D11 neuheitsschädlich sind. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung wird jedenfalls durch die D8 vollständig vorweggenommen.

a) D8 beschreibt eine hydraulisch betätigte Scheibenbremse, bei der auf jeder Seite der Bremsscheibe zwei Zylinder und zwei zylindrische Reibelemente vorgesehen sind.

Der nachstehend abgebildete Ausschnitt aus der Figur 2 der D8 zeigt einen solchen Zylinder 19, der an einer Seite durch die Platte 17 verschlossen ist. In diesem Zylinder ist ein verschiebbarer Kolben 20 druckmitteldicht angeordnet. Der Kolben ist mit einem Schaft 21 versehen, der aus dem Zylinder herausragt. Das Ende des Schafts ist abgerundet und greift in eine entsprechend geformte Ausnehmung der Druckplatte 23 an, an der das Reibungskissen 14 anliegt.

Der Kolben kann durch das Einleiten eines Fluid mit Druck beaufschlagt und im Zylinder in Richtung der Bremsscheibe bewegt werden (Sp. 4 Z. 7-36).

b) Damit zeigt D8 eine aus Kolben und Schaft bestehende Kraftübertragungsvorrichtung, die zum Bewegen eines Reibelements entlang einer ersten Achse in Reaktion auf eine Belastung auf ein Schubglied betätigt werden kann. Dass der Schub nicht durch ein festes Bauteil, sondern durch ein Fluid bewirkt wird, steht der Vorwegnahme der Merkmale 2b und 3, wie oben aufgezeigt wurde, nicht entgegen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Zylinderplatte 17 nicht Bestandteil der Kraftübertragungsvorrichtung. Die Zylinderplatte ist über die Distanzstücke 18 am Bremssattel befestigt (Sp. 4 Z. 7-9). Demgemäß ist die Zylinderplatte 17 zusammen mit dem Zylinder 19 der Teil des Bremssattelgehäuses, in dem sich der Stößel bewegt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Zylinder ein nicht bewegliches Element. Lediglich der Kolben wird bei Betätigung der Bremse bewegt (Sp. 4 Z. 16-17 und Z. 27-36).

Der Kolben wird nur über ein kurzes, nahe dem ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung liegendes Stück im Zylinder geführt und damit an einer Bewegung quer zur ersten Achse gehindert. An seinem zweiten Ende kann er mit der Druckplatte, die einen Bestandteil des Reibelements bildet, in Eingriff gebracht werden.

2. Das Patentgericht hat zutreffend entschieden, dass die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung der Hilfsanträge 1 und 1a unzulässig ist, weil sie zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führt.

Der erteilte Anspruch 1 stellt lediglich einen Bremssattel unter Schutz, der ein Gehäuse und eine Kraftübertragungsvorrichtung umfasst. Die Kraftübertragungsvorrichtung kann nach Merkmal 2a zum Bewegen eines Reibelements der Bremse betätigt werden, doch wird das Reibelement damit nicht zum Gegenstand von Patentanspruch 1. Es ist zudem nicht Teil des Bremssattels, sondern, wie dieser, Teil der Bremse.

In der Fassung von Hilfsantrag 1 soll der Bremssattel auch ein Reibelement umfassen. Diese Fassung führt dazu, dass ein Gegenstand, der vom Patent in der erteilten Fassung nicht geschützt ist, nachträglich einbezogen wird. Dies ist nicht zulässig. Entsprechendes gilt für Hilfsantrag 1a.

IV. Dagegen ist die Berufung der Klägerin begründet. Auch in der Fassung der weiteren Hilfsanträge erweist sich der Gegenstand von Patentanspruch 1 als nicht patentfähig.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 lässt sich wie folgt gliedern (Änderungen hervorgehoben):

0 A disk brake caliper comprising 1 a disk brake caliper, comprising a housing (124), 1a a friction element (102) 2 a force transmission device (105). The force transmission device 2a is operable to move a the friction element (102) of the brake into engagement with a rotary brake disc (4) 2b along a first axis in response to a loading from a thrust member 5 comprises two tappets (117, 118) 3 is restrained from movements transverse to the first axis proximate a first end (150) engageable with the thrust member, 4a is guided only by the housing (124) at the first end (150) and 4b a second end (174) is engageable with the friction element. 6 The friction element comprises a backplate (138) 6a wherein the backplate is generally arcuate and 6b having circumferential ends (178, 180), which are locally thickened (T) when compared with the thickness (t) of a main portion of the backplate.

Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass Patentanspruch 1 in dieser Fassung nicht nur auf einen Bremssattel, sondern auf eine Scheibenbremse gerichtet ist, die neben dem Bremssattel auch das Reibelement umfasst.

a) Nach Merkmal 5 umfasst die Kraftübertragungsvorrichtung zwei Stößel.

Wie sich aus der zur Auslegung heranzuziehenden Beschreibung ergibt, ist Anspruch 1 damit auf eine Kraftübertragungsvorrichtung gerichtet, bei der auf einer Seite einer Bremsscheibe zwei Stößel vorhanden sind, die mit einem Reibelement in Eingriff stehen.

b) Nach Merkmal 6a ist die Rückenplatte des Reibelements im Allgemeinen bogenförmig ausgebildet. Eine solche Gestaltung ist beispielhaft in Figur 4 gezeigt.

c) Nach Merkmal 6b weist die Rückenplatte an ihren Umfangsenden lokale Verdickungen verglichen mit der Dicke des Hauptteils der Rückenplatte auf. Dies ist wiederum beispielhaft in Figur 4 zu erkennen, wo an den seitlichen Rändern der Rückenplatte Verdickungen 178 gezeigt sind.

2. Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in dieser Fassung neu ist.

Die D8 nimmt den Gegenstand dieses Anspruchs nicht vollständig vorweg.

a) Wie oben bereits ausgeführt wurde, sind die Merkmale 1 bis 4b in D8 offenbart.

b) Da sich an jeder Platte zwei mit ihr einstückig ausgebildete Zylinder befinden, in denen jeweils ein Kolben mit einem Schaft angeordnet ist, die gemeinsam als Stößel anzusehen sind, ist auch Merkmal 5 offenbart. Wie sich aus den Figuren 1 und 2 der D8 ergibt, können beide Stößel mit der Druckplatte 23 in Eingriff gebracht werden, die zusammen mit dem Reibungskissen 14 ein Reibelement bildet.

c) Dagegen sind die Merkmale 6a und 6b nicht vorweggenommen. Aus D8 ist weder ersichtlich, dass die Druckplatte 23 eine Bogenform aufweist, noch, dass sie an den Umfangsenden Verdickungen zeigt.

3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 ist jedoch ausgehend von der D8 in Verbindung mit der deutschen Offenlegungsschrift 41 27 113 (D17) oder der US-amerikanischen Patentanmeldung 6 367 594 (D21) nahegelegt.

Da sich die D8 mit der Gestaltung des Reibelements nicht befasst, wird der Fachmann, der sich im Prioritätszeitpunkt dieser Entgegenhaltung zuwendet, insoweit im Stand der Technik nach möglichen Gestaltungen suchen. Dabei stößt er auf die D17 und die D21, die jeweils ein Reibelement mit einem im wesentlichen bogenförmigen Bremsbelag und einer entsprechend geformten Rückenplatte beschreiben. Beide Entgegenhaltungen zeigen zudem an den Umfangsenden Verdickungen. Deren Zweck ist in D17 wie in D21 dahin erläutert, dass diese die Führung der Rückenplatte am Bremsträger verbessern (D17 Sp. 3 Z. 22-40, D21 Sp. 3 Z. 9-18).

4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist auch in der Fassung der weiteren Hilfsanträge nicht patentfähig.

a) Nach Hilfsantrag 2a enthält Merkmal 5 zusätzlich die Vorgabe, dass die beiden Stößel parallel zueinander angeordnet sind.

Auch eine solche Gestaltung ist durch D8 bereits vorweggenommen.

b) Hilfsantrag 2b unterscheidet sich von Hilfsantrag 2a nur dadurch, dass das Reibelement nicht vom Gegenstand des Anspruchs 1 erfasst ist.

Demgemäß ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

c) Nach Hilfsantrag 3 ist Anspruch 1 gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 2 um folgende Merkmale ergänzt:

"wherein the backplate comprises location features, each of which can engage with a tappet shaft of one of the tappets,

wherein the disc brake is arranged such that for assembling the backplate in an inner position it has to be first moved in a radially inward direction then in an axial direction away from the brake disc." Die Verteidigung des Gegenstands von Patentanspruch 1 in dieser Fassung ist zulässig. Dass die quadratische Gestaltung der Ausnehmung nicht mit aufgenommen wurde, stellt eine zulässige Zwischenverallgemeinerung dar.

Auch diese Merkmale sind jedoch durch D8 bereits vorweggenommen bzw. nahegelegt.

Wie Figur 2 der D8 zeigt, weist die Druckplatte 23 eine Ausnehmung auf, mit der das entsprechend geformte zweite Ende des Stößelschafts in Eingriff gebracht werden kann.

Bei einer solchen Gestaltung liegt es nahe, bei der Montage der Bremse die Rückenplatte zunächst radial nach innen und dann axial auf den Bremssattel zu bzw. von der Bremsscheibe weg zu bewegen. Da es sich um einen Vorrichtungsanspruch handelt, genügt es ohnehin, wenn die Rückenplatte für das so beschriebene Vorgehen geeignet ist.

Für die Hilfsanträge 3a und 3b, die den Hilfsanträgen 2a und 2 entsprechende Ergänzungen aufweisen, gilt aus den oben aufgezeigten Gründen nichts anderes.

Nach Hilfsantrag 4 weist Patentanspruch 1 über die Merkmale in der Fassung nach Hilfsantrag 2 hinaus folgendes Merkmal auf:

"wherein a pad strap (32) is provided which is positioned and arranged to be removed before the inner friction element (102) and an outer friction element can be removed in a radial direction relative to the brake disc." Das Vorsehen eines solchen Vorrichtungselements geht nicht über handwerkliches Können hinaus und wird bereits in Absatz 3 der Anmeldung zum Streitpatent als wohlbekannt (well known) bezeichnet.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Deichfuß Kober-Dehm Marx Rombach Rensen Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.01.2021 - 4 Ni 4/19 (EP) -

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