19 W (pat) 6/17
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 6/17
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 103 23 077.7 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. März 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dr.-Ing. Kapels beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 05 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juli 2011 aufgehoben und das Patent mit der Nummer 103 23 077 erteilt:
BPatG 152 08.05 Bezeichnung: Kraftfahrzeug mit Heckklappe Anmeldetag: 22. Mai 2003 Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 5 vom 30. März 2009,
Beschreibungsseiten 1, 1a und 2 vom 30. März 2009, Beschreibungsseite 3 vom Anmeldetag 22. Mai 2003, Beschreibungsseite 4 vom 30. März 2009, Beschreibungsseite 5 vom Anmeldetag 22. Mai 2003 Blatt Zeichnung, Figur 1 vom 30. August 2011.
Gründe I.
Die Patentanmeldung 103 23 077.7 mit der Bezeichnung „Kraftfahrzeug mit Heckklappe“ ist am 22. Mai 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse E 05 F – hat die Anmeldung mit Beschluss vom 7. Juli 2011 mit der Begründung zurückgewiesen, das Kraftfahrzeug nach dem geltenden Anspruch 1 sei mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 30. August 2011.
Sie beantragt sinngemäß,
1. den Beschluss vom 7. Juli 2011 aufzuheben und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags zu beschließen,
2. hilfsweise, die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags 1 zu beschließen,
3. weiter hilfsweise, die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags 2 zu beschließen.
Dabei setzen sich die Unterlagen gemäß Hauptantrag wie folgt zusammen:
Patentansprüche 1 bis 5 aus der Eingabe vom 30. März 2009, Beschreibungsseiten 1, 1a und 2 vom 30. März 2009, Beschreibungsseite 3 vom Anmeldetag 22. Mai 2003, Beschreibungsseite 4 vom 30. März 2009, Beschreibungsseite 5 vom Anmeldetag 22. Mai 2003, neue Zeichnung, Figur 1 vom 30. August 2011.
Die Unterlagen gemäß Hilfsantrag 1 setzen sich wie folgt zusammen:
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 30. August 2011, Patentansprüche 2 bis 5 aus der Eingabe vom 30. März 2009, Beschreibungsseiten 1, 1a vom 30. März 2009, Beschreibungsseite 2 vom 30. August 2011, Beschreibungsseiten 3 vom Anmeldetag 22. Mai 2003, Beschreibungsseiten 4 und 5 vom 30. August 2011, neue Zeichnung, Figur 1 vom 30. August 2011.
Die Unterlagen gemäß Hilfsantrag 2 setzen sich wie folgt zusammen:
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 vom 30. August 2011, Patentansprüche 3 bis 5 aus der Eingabe vom 30. März 2009 als Patentansprüche 2 bis 4, Beschreibungsseiten 1, 1a vom 30. März 2009,
Beschreibungsseite 2 vom 30. August 2011, Beschreibungsseiten 3 vom Anmeldetag 22. Mai 2003, Beschreibungsseiten 4 und 5 vom 30. August 2011, neue Zeichnung, Figur 1 vom 30. August 2011.
Der geltende Patentanspruch 1 vom 30. März 2009 (Hauptantrag) lautet:
Kraftfahrzeug (1) mit einer Heckklappe (2), die in einem automatisch ablaufenden Bewegungsvorgang elektromotorisch bewegt wird, wobei der maximale Öffnungswinkel () der Heckklappe (2) benutzerabhängig vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Heckklappe (2) in einem Einstellmodus manuell in eine bestimmte Öffnungsposition bewegt wird, und dass diese Öffnungsposition durch Betätigung eines Einzelelements als maximaler Öffnungswinkel () der Heckklappe (2) abgespeichert wird, dass das zum Abspeichern des maximalen Öffnungswinkels () der Heckklappe (2) vorgesehene Einstellelement (3, 5, 6) entweder im Bereich der Heckklappe (2) des Kraftfahrzeugs (1) angeordnet ist oder als elektronischer Schlüssel ausgebildet ist.
In der Beschreibungseinleitung vom 30. September 2009 (Seite 2, 1. Absatz) ist angegeben, der Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, ein Kraftfahrzeug mit Heckklappe anzugeben, bei dem eine komfortable und benutzerfreundliche Bedienung der Heckklappe ermöglicht wird.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Erteilung eines Patents gemäß Hauptantrag.
1. Nach den Ausführungen in der Beschreibung ist es bekannt, den Öffnungsvorgang motorisch angetriebener Heckklappen von Kraftfahrzeugen durch eine fest vorgegeben Endposition zu begrenzen. Dies sei jedoch bei bestimmten Randbedingungen im Einsatz von Kraftfahrzeugen nicht geeignet, beispielsweise solle die Heckklappe bei einer Garage mit geringer Bauhöhe wegen der Gefahr der Beschädigung der Heckklappe nicht vollständig geöffnet werden oder der Bediener sei aufgrund seiner Körpergröße nicht in der Lage, die vollständig geöffnete Heckklappe für einen Schließvorgang zu erreichen.
Zur Lösung dieses Problems schlägt die Anmeldung in der von der Beklagten mit dem Hauptantrag beanspruchten Fassung ein Fahrzeug vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
a Kraftfahrzeug (1), b mit einer Heckklappe (2), b1 die in einem automatisch ablaufenden Bewegungsvorgang elektromotorisch bewegt wird, b2 wobei der maximale Öffnungswinkel () der Heckklappe (2) benutzerabhängig vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, c1 dass die Heckklappe (2) in einem Einstellmodus manuell in eine bestimmte Öffnungsposition bewegt wird, c2 und dass diese Öffnungsposition durch Betätigung eines Einstellelements als maximaler Öffnungswinkel () der Heckklappe (2) abgespeichert wird, d dass das zum Abspeichern des maximalen Öffnungswinkels () der Heckklappe (2) vorgesehene Einstellelement (3, 5, 6) d1 entweder im Bereich der Heckklappe (2) des Kraftfahrzeugs (1) angeordnet ist d2 oder als elektronischer Schlüssel ausgebildet ist.
2. Der Fachmann, der als Dipl.-Ing. (FH) der Steuerungs- und Regelungstechnik anzusehen ist, der Steuerkomponenten für die Verwendung in Kraftfahrzeugen entwickelt, versteht die Angaben im Patentanspruch 1 gemäß geltendem Hauptantrag wie folgt:
2.1 Das Merkmal c1 wonach die Heckklappe (2) in einem Einstellmodus manuell (= mit der Hand ausgeführt) in eine bestimmte Öffnungsposition bewegt wird, besagt, dass der momentane Benutzer die Heckklappe von Hand ohne Zwischenschaltung jeglicher Steuer- und/oder Antriebsmittel in die bestimmte Position bringt.
2.2 Der Gegenstand der Erfindung ist zwar als Kraftfahrzeug (Merkmal a) bezeichnet, wobei nur solche mit einer Heckklappe (Merkmal b) angesprochen sind. Die Merkmale b1, c1 und c2, sind dabei zwar als Verfahrensschritte formuliert, der Fachmann liest diese jedoch, da es sich um gegenständliche Inhalte handelt wie folgt:
b1 die in einem automatisch ablaufenden Bewegungsvorgang elektromotorisch bewegbar ist,
c1 dass die Heckklappe (2) in einem Einstellmodus manuell in eine bestimmte Öffnungsposition bewegbar ist,
c2 und dass diese Öffnungsposition durch Betätigung eines Einstellelements als maximaler Öffnungswinkel () der Heckklappe (2) abspeicherbar ist.
2.3 In Merkmal b2 ist angegeben, der maximale Öffnungswinkel () der Heckklappe (2) sei benutzerabhängig vorgebbar. Damit ist aber (noch) nicht gemeint, dass für unterschiedliche Benutzer jeweils ein individueller maximaler Öffnungswinkel eingestellt werden kann. Dies ist erst mit dem geltenden Patentanspruch 5 beansprucht. Der Fachmann versteht daher das Merkmal b2 derart, dass der maximale Öffnungswinkel () der Heckklappe (2) von einem Benutzer einstellbar ist.
2.4 Der maximale Öffnungswinkel ist nicht nur vorgebbar, sondern kann auch abgespeichert werden (Merkmal c2). Der Fachmann liest dabei mit, dass sich die Heckklappe beim nächsten automatisch ablaufenden Öffnungsvorgang bis zu dem abgespeicherten maximale Öffnungswinkel öffnet, obwohl dazu in den Patentansprüchen nichts gesagt ist.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß geltendem Hauptantrag gilt unter Berücksichtigung des vorstehend erläuterten fachmännischen Verständnisses als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend:
Aus der Entgegenhaltung DE 100 53 551 A1 (E1) ist hinsichtlich des Gegenstandes des geltenden Patentanspruchs 1 vom 30. März 2009 gemäß geltendem Hauptantrag nicht mehr als Folgendes bekannt (vgl. insb. Figur 7): Ein a Kraftfahrzeug (Figur 1 i. V. m. Spalte 2, Zeile 51 bis 53), b mit einer Heckklappe 1, b1 die in einem automatisch ablaufenden Bewegungsvorgang elektromotorisch bewegbar ist (Spalte 2, Zeilen 66 bis Spalte 3, Zeile 5), b2 wobei der maximale Öffnungswinkel der Heckklappe 1 benutzerabhängig vorgebbar ist (Spalte 3, Zeilen 46 bis 54; Spalte 4, Zeilen 56 bis 59, Spalte 5, Zeilen 29 bis 35, Spalte 8, Zeilen 42 bis 53; Spalte 11, Zeile 68 bis Spalte 12, Zeile 2, Patentanspruch 1), dteil wobei das zum Einstellen des Öffnungswinkels der Heckklappe 1 vorgesehene Einstellelement 19c d1 entweder im Bereich der Heckklappe 1 des Kraftfahrzeugs angeordnet ist d2 oder als elektronischer Schlüssel ausgebildet ist (Spalte 5, Zeilen 29 bis 35, Patentanspruch 8).
Anders als gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag vorgesehen ist, wird dabei die Heckklappe nicht manuell, sondern mittels einer elektrischen Antriebseinheit 5 in eine bestimmte Öffnungsposition bewegt (Spalte 2, Zeilen 66 bis 67), außerdem ist nicht vorgesehen, eine eingestellte Öffnungsposition abzuspeichern, auch wenn dazu prinzipiell geeignete Einstellelemente erwähnt sind.
Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß geltendem Hauptantrag zumindest durch die Merkmale c1 sowie c2 von dem aus der Entgegenhaltung E1 bekannten Kraftfahrzeug und ist damit gegenüber diesem, der Erfindung nächstkommenden Stand der Technik neu.
Es mag zwar noch naheliegen, dass der Fachmann eine Notentriegelung für die Heckklappe vorsieht, damit der Benutzer oder beispielweise Hilfskräfte, im Falle eines Unfalls, die Heckklappe manuell bewegen können; das regt jedoch den Fachmann nicht dazu an, die für einen Notfall vorgesehene Handbetätigung mit dem Abspeichern einer bestimmten Öffnungsposition als maximalem Öffnungswinkel zu verknüpfen.
Die Entgegenhaltung DE 100 19 002 A1 (E3) beschreibt zwar einen Spiegelverstellschalter für ein Kraftfahrzeug, bei dem mittels zweier Schaltelemente 4, 6 sowie zweier Stellmotoren 12, 14 ein Fahrzeugspiegel in eine bestimmte benutzerabhängige Position bewegbar ist (Absatz 0004). Dieser Vorgang ist in der Entgegenhaltung E3 als manuelle Spiegelverstellung bezeichnet (Absatz 0005), obwohl es sich zweifelsfrei um eine elektromotorische Verstellung handelt und lediglich die Betätigung der beiden Schaltelemente 4, 6 eine manuelle ist.
Eine so „manuell“ eingestellte Spiegelposition kann gespeichert und bei Bedarf automatisch wieder eingestellt werden (Absatz 0005).
Ausgehend von der aus der Entgegenhaltung E1 bekannten Heckklappe mag der Fachmann durch einen Spiegelverstellschalter, wie er in der Entgegenhaltung E3 beschrieben ist, angeregt werden, die Öffnungspositionen, die als maximaler Öffnungswinkel der Heckklappe abgespeichert werden sollen, mit der ohnehin vorhandenen elektrischen Antriebseinheit anzufahren und durch Betätigung des Einstellelements zu speichern.
Weshalb der Fachmann jedoch die gemäß Entgegenhaltung E1 beim Verstellen der Heckklappe stets verwendete elektrische Antriebseinheit außer Funktion setzen und stattdessen eine manuelle Einstellung der abzuspeichernden Öffnungsposition vornehmen sollte, ist nicht ersichtlich.
Da auch die anderen im Verfahren berücksichtigten Entgegenhaltungen keine Anregung in diese Richtung geben und zudem keine Vorteile erkennbar sind, die mit dieser Abweichung vom technisch Naheliegenden verbunden wären, gilt diese Maßnahme im Sinne des § 4 PatG als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
Die Gegenstände der Unteransprüche sind Weiterbildungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 und mit diesem patentfähig.
Das Patent war folglich nach dem Hauptantrag zu erteilen. Auf die Hilfsanträge kommt es unter diesen Umständen nicht an.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt. 4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. 5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. 6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Dr. Kapels Ko