II ZR 96/24
BUNDESGERICHTSHOF II ZR 96/24 BESCHLUSS vom 30. September 2025 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:300925BIIZR96.24.0 Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. September 2025 durch den Vorsitzenden Richter Born und den Richter Wöstmann, die Richterin B. Grüneberg, den Richter Prof. Sander und den Richter Dr. von Selle beschlossen:
Die Gegenvorstellung der Kläger vom 16. Juli 2025 gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts im Senatsbeschluss vom 8. Juli 2025 wird zurückgewiesen.
Gründe: 1 Die statthafte, innerhalb der analog geltenden sechsmonatigen Frist von
§ 68 Abs. 1 Satz 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2024 - II ZR 168/22, juris, Rn. 1 mwN) eingelegte Gegenvorstellung, mit der die Kläger eine Herabsetzung des durch den Senat auf bis zu 8.200.000 € festgesetzten Gebührenstreitwerts auf 80.000 € begehren, hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Auf die mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgte Beschlussmängelklage der Kläger gegen die am 21. Dezember 2020 unter TOP 4 und TOP 5 gefassten Beschlüsse der zweitbeklagten Kommanditgesellschaft ist das bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des Beschlussmängelrechts für Personenhandelsgesellschaften zum 1. Januar 2024 geltende Recht anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2024 - II ZR 71/23, ZIP 2024, 1778 Rn. 13; Urteil vom 10. Dezember 2024 - II ZR 37/23, ZIP 2025, 308 Rn. 32; jeweils mwN). Danach bestimmt sich der Gebührenstreitwert einer Beschlussmängelklage bei einer - wie hier - gesetzestypischen Kommanditgesellschaft, deren Gesellschafterkreis sich aus zwei Familienstämme zusammensetzt, gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts zu bestimmenden Interesse der klagenden Gesellschafter (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2002 - II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823; MünchKommAktG/Schäfer, 6. Aufl., § 247 Rn. 7; Drescher in Henssler/Strohn, GesR, 5 Aufl., § 247 AktG Rn. 2; BeckOGK AktG/Vatter, Stand 1.6.2025, § 247 Rn. 5).
Soweit sich die Beschlussmängelklage der Kläger gegen die am 21. Dezember 2020 unter TOP 4 und TOP 5 gefassten Beschlüsse der erstbeklagten GmbH richtet, ist der Gebührenstreitwert unter entsprechender Heranziehung von § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 1999 - II ZR 313/97, NJW-RR 1999, 1485; Beschluss vom 10. November 2009 - II ZR 196/08, NZG 2009, 1438 Rn. 3).
2. Ausgehend davon ist die Streitwertfestsetzung der Vorinstanzen hinsichtlich der unter TOP 4 gefassten Gesellschafterbeschlüsse auf 50.000 €, mit der sie die nicht näher erläuterte Wertangabe der Kläger in der Klageschrift übernommen haben, offensichtlich unrichtig.
Maßgeblich für die Festsetzung zu TOP 4 ist gemäß § 3 ZPO das Interesse der Kläger an der Nichtigkeit des unter TOP 4 Nr. 1 gefassten Beschlusses über die Erhebung einer Klage gegen sie auf Feststellung der Beendigung der Verzinsung ihrer auf den Kapitalkonten II der Beklagten zu 2 verbuchten Gesellschafterdarlehen zum 1. Januar 2019, soweit diese durch den Geschäftsführer mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 gekündigt wurden. Abzustellen ist demnach auf das wirtschaftliche Interesse der an der Beklagten zu 2 beteiligten Klägerinnen zu 1 und 3 an der Verhinderung einer Beendigung der bisherigen Verzinsung ihrer gesamten Guthaben auf den Kapitalkonten II, das, da damit ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen bzw. Leistungen in Rede steht, gemäß § 9 ZPO mit dem 3,5fachen Jahresbetrag der andernfalls entfallenden Verzinsung zu berechnen ist.
Dass dieses Interesse deutlich höher als mit 50.000 € zu bewerten ist, ergibt sich bereits aus der Angabe in der Klageschrift, der zufolge bei der Beklagten zu 2 wegen der streitigen Verzinsung Rückstellungen in Höhe von 3.410.051,43 € (zum 31. Dezember 2019) und von 6.883.000 € (zum 31. Dezember 2020) gebildet wurden. Konkret ergibt sich aus § 3 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags (Anl. LA 2), dass die Klägerinnen zu 1 und 3 mit Hafteinlagen von 118.818,92 € bzw. 116.932,91 € an der Beklagten zu 2 beteiligt waren, und ist dem Senat aus Parallelverfahren der Parteien betreffend denselben Sachverhalt (insbesondere II ZR 191/21 und II ZR 206/21) bekannt, dass sich die zum 31. Dezember 2018 bzw. 31. Dezember 2019 auf ihren Kapitalkonten II verbuchten Guthaben auf 15.418.647,91 € (Klägerin zu 1) bzw. 21.704.634,10 € (Klägerin zu 3) beliefen. Die Kündigung betraf damit für die Klägerin zu 1 einen Betrag von 13.042.269,51 € (= 15.418.647,91 € - (118.818,92 € x 20)) und für die Klägerin zu 3 einen Betrag von 19.365.975,90 € (= 21.704.634,10 € - (116.932,91 € x 20)). Die Verzinsung des Gesamtbetrags von 32.408,245,41 € mit 9 % p.a. beträgt 2.916.742,09 €, womit sich gemäß § 9 ZPO für 3,5 Jahre ein Gesamtwert von 10.208.597,30 € ergibt. Selbst bei Abzug eines 20% Abschlags im Hinblick darauf, dass mit TOP 4 Nr. 1 (nur) die Erhebung einer Feststellungsklage beschlossen wurde, verbleibt ein Gesamtbetrag von 8.166.877,84 €.
Den unter TOP 4 Nr. 2 und Nr. 3 gefassten weiteren Beschlüssen (Beauftragung C:
S: als Prokurist zur Führung des Rechtsstreits und seine vorsorgliche Bestellung gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG als besonderen Vertreter im Zusammenhang mit diesen Prozessen) kommt kein eigener relevanter wirtschaftlicher Wert zu, da es sich um flankierende Beschlüsse zur Umsetzung der unter TOP 4 Nr. 1 beschlossenen Klageerhebung handelt.
3. Für TOP 5 (Beschlüsse betreffend die Erhebung einer Klage gegen den im Laufe des Rechtsstreits verstorbenen Kläger zu 2 wegen der Inanspruchnahme personeller und sachlicher Mittel der Beklagten zu 2 bei einer Patententwicklung) kann mangels Anhaltspunkten für eine abweichende Beurteilung der von den Klägern mit der Klageschrift veranschlagte Wert von 30.000 € übernommen werden.
4. Der Einwand der Kläger, dass die Beklagten ihren (nicht näher erläuterten) Wertangaben in der Klageschrift nicht entgegengetreten seien, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Wertangaben der Parteien sind für das Gericht bei der Festsetzung des Streitwerts nicht bindend, mögen sie auch übereinstimmend erfolgt oder von der gegnerischen Seite unwidersprochen geblieben sein. Streitwertangaben des Klägers in der Klageschrift sind bei der Bewertung zwar in der Regel indiziell zu berücksichtigen. Eine Indizwirkung kommt ihnen aber nicht zu, wenn sich, wie hier betreffend die Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 4, aus den Gesamtumständen ergibt, dass sie das für die Wertfestsetzung maßgebliche Interesse offensichtlich unzutreffend widerspiegeln (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 1977 - I ZR 17/76, juris Rn. 3; Beschluss vom 8. Oktober 2012 - X ZR 110/11, MDR 2012, 1429 Rn. 4; Beschluss vom 24. November 2022 - I ZR 25/22, GRUR 2023, 597 Rn. 12; OLG Hamburg, WRP
2007, 95; OLG Düsseldorf, NJW 2011, 2979, 2980; OLG München, NJW-RR 2018, 575 Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Mai 2024 - I-7 U 14/24, juris Rn. 41; BeckOK Kostenrecht/Jäckel, Stand 1.6.2025, § 61 GKG Rn. 7).
Born Sander Wöstmann von Selle Grüneberg Vorinstanzen: LG Landshut, Entscheidung vom 22.12.2021 - 1 HKO 462/21 OLG München, Entscheidung vom 10.07.2024 - 23 U 448/22 -