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3 StR 48/19

BUNDESGERICHTSHOF StR 48/19 BESCHLUSS vom 16. April 2019 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a.

ECLI:DE:BGH:2019:160419B3STR48.19.1 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 16. April 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. September 2018, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch a) dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist, und b) dahin ergänzt, dass er im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn unter Einbeziehung einer Vorverurteilung eine Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verhängt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs (§ 354 Abs. 1 StPO analog) gemäß 1. a) der Beschussformel sowie - als Teilerfolg nach § 349 Abs. 4 StPO - gemäß 1. b) der Beschussformel. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten M.

A.

und dem strafunmündigen Zeugen H.

am Abend des

24. März 2018 auf offener Straße in B.

dem Zeugen K. Faustschläge gegen Kopf und Oberkörper versetzte. Als der Angeklagte ein Messer aus seiner Hosentasche zog, griff die Nebenklägerin aus Sorge um das Leben des Zeugen K. , ihres Lebensgefährten, in das Geschehen ein. Daraufhin rammte der Angeklagte ihr das Messer mit bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig in den linken Oberbauch. In der Vorstellung, ihr möglicherweise tödliche Verletzungen zugefügt zu haben, rannte er anschließend davon.

Die Jugendkammer hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte, wie ihm mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hannover vom 28. Mai 2018 vorgeworfen worden war, nach dem Stich und vor seiner Flucht erfolglos versuchte, mit dem Messer auch den Zeugen K. zu verletzen.

2. Die auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung lautende Verurteilung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Stattdessen belegen die Feststellungen eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei (tatmehrheitlichen) Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Totschlag.

a) Das Landgericht hat die Konkurrenzen dahin beurteilt, dass die von ihm festgestellten Taten zum Nachteil des Zeugen K. einerseits - gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) - sowie zum Nachteil der Nebenklägerin andererseits - versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 212 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 5, §§ 22, 23 Abs. 1, § 52 StGB) - zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) stehen (s. UA S. 30), wenngleich es eine solche tateinheitliche Begehung von zwei gefährlichen Körperverletzungen im Urteilstenor nicht zum Ausdruck gebracht hat.

b) Diese Rechtsansicht hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen und deren Verletzung sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss sowie engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff, willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 1995 - 3 StR 221/95, BGHR StGB § 1 Entschluss, einheitlicher 11; Beschluss vom 10. Februar 2016 - 2 StR 391/15, BGHR StGB § 1 Entschluss, einheitlicher 1; Urteil vom 1. August 2018 - 3 StR 651/17, juris Rn. 38).

Gemessen daran ist die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin gegenüber derjenigen zum Nachteil des Zeugen K. materiellrechtlich selbständig

(§ 53 StGB). Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte, nachdem er sich aus der körperlichen Auseinandersetzung mit dem Zeugen K. gelöst hatte, ein Klappmesser aus seiner Hosentasche und öffnete es. Die Nebenklä- gerin rannte auf die an der Auseinandersetzung Beteiligten zu und zog den Mitangeklagten M.

A. weg. Erst danach versetzte der Angeklagte ihr den Messerstich aus Verärgerung über ihr Eingreifen

(s. UA S. 9). Soweit die Jugendkammer in der rechtlichen Würdigung ausgeführt hat, "die Verletzungshandlungen" stünden "in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang" (UA S. 30), vermag dies - nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben - keine natürliche Handlungseinheit im Sinne des § 52 StGB zu begründen. Ein Fall, in dem die Annahme realkonkurrierender Einzeltaten willkürlich und gekünstelt erscheint, liegt nicht vor.

c) § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 224/13, StV 2014, 617, 618; KK-Gericke, StPO, 8. Aufl., § 358 Rn. 18 mwN). Allerdings bleibt aufgrund des Verschlechterungsverbots der Strafausspruch - ungeachtet der Frage des Beruhens (s. § 337 Abs. 1 StPO) - unberührt.

Auch § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte dagegen nicht anders hätte verteidigen können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 354 Rn. 16 mwN). Die hier vorgenommene rechtliche Bewertung der Konkurrenzen entspricht derjenigen in der Anklageschrift.

3. Darüber hinaus hat es das Landgericht versehentlich unterlassen (vgl. UA S. 30), den Angeklagten freizusprechen, soweit es sich nicht von der erfolglosen Messerattacke auf den Zeugen K. hat überzeugen können. Die von der Jugendkammer mit Eröffnungsbeschluss vom 26. Juli 2018 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage der Staatsanwaltschaft hatte diese weitere Tat als tatmehrheitlich begangene versuchte gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB) beurteilt, sodass - unabhängig davon, ob die konkurrenzrechtliche Bewertung zutrifft - ein Teilfreispruch geboten war (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012

- 3 StR 321/11, NStZ 2012, 337, 338; Beschluss vom 19. April 2016 - 3 StR 48/16, NStZ-RR 2016, 246). Der Senat hat dies mit der sich aus § 467 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge nachgeholt.

Gericke Spaniol RiBGH Dr. Tiemann ist wegen einer Erkrankung gehindert zu unterschreiben.

Gericke Berg Wimmer

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