19 W (pat) 28/11
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 28/11 Verkündet am 19. Oktober 2015
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2005 053 548.8-32,
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck und der Richter Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. Matter beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
BPatG 154 05.11 Gründe I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse H 02 K – hat die am 8. November 2005 eingereichte Anmeldung durch Beschluss, verkündet am Ende der Anhörung am 14. Dezember 2010, zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung ist ausgeführt, dass der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 14. Februar 2011. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht und stellt den Antrag,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 02 K des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Dezember 2010 aufzuheben und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2015,
Beschreibung, Seiten 1 bis 5, und Blatt Zeichnungen, Figuren 1a bis 1c und 2, vom Anmeldetag 8. November 2005.
Der geltende Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet (mit einer eingefügten Gliederung):
Elektromotor, umfassend eine Rotorwelle, a) die an ihrem einen axialen Endbereich einfach abgeflacht ausgeführt ist zur lösbaren Verbindung mit einem Lüfterrad, b) wobei hierbei die Rotorwelle im Verbindungsbereich mit einer Abflachung derart ausgeführt ist, dass die duale Kurve des Profils stets denselben Umlaufsinn aufweist wie die Profilkurve, c) wobei am einen axialen Ende des Verbindungsbereichs die Rotorwelle einen Absatz aufweist zur axialen Sicherung des Lüfterrades d) und am anderen axialen Ende des Verbindungsbereichs die Rotorwelle eine Nut zur Aufnahme eines Sicherungsrings zur axialen Sicherung des Lüfterrades aufweist, e) und an der axialen Endfläche, insbesondere Stirnfläche, der Rotorwelle eine Bohrung vorgesehen ist, in der die Spreizwelle eines axial hinter dem Lüfter angeordneten Gebers verbindbar ist, f) wobei die Nabe des Lüfterrads eine einer Abflachung der Rotorwelle entsprechende Abflachung aufweist, g) wobei das Lüfterrad aus Aluminium oder Kunststoffspritzguss gefertigt ist, h) wobei das Lüfterrad neun Lüfterflügel aufweist.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Anmeldung betrifft einen Elektromotor. Die Anmeldung gibt als Stand der Technik Elektromotoren mit Lüfter an, die je nach Ausführung mit Winkelsensoren beziehungsweise Gebern verbindbar sind.
Als Aufgabe wird angegeben, einen Elektromotor weiterzubilden, wobei ein Lüfter und gegebenenfalls ein Geber im oder am Elektromotor vorsehbar sein soll (Beschreibung, Seite 1, Zeilen 10, 11).
Diese Aufgabe soll mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst werden, indem die Motorwelle mit einer Abflachung als Drehsicherung für den Lüfter und einer Bohrung für eine Spreizwelle eines Gebers versehen ist. Darüber hinaus soll der Lüfter neun Flügel aufweisen.
2. Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik (Elektromaschinenbau) mit Erfahrung in der Entwicklung von Elektromotoren als Fachmann.
3. Einzelne Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:
Nach Überzeugung des Senats umfasst der beanspruchte Elektromotor auch den Lüfter. Auch wenn nach der Aufgabenstellung der Lüfter nur „vorsehbar“ sein soll, und auch nach Anspruch 1 der Motor nur die Welle ausdrücklich umfasst, sieht der Fachmann den Lüfter als regelmäßigen und notwendigen Bestandteil des Motors an.
Eine Abflachung (Merkmal a) ist für den Fachmann eben. Einer weiteren Präzisierung über die Beschreibung einer dualen Kurve, die nach Auskunft der Anmelderin nur konkave oder anderweitig unebene Flächen ausschließen soll, bedarf es somit nicht. Sie ist aber auch unschädlich.
Der Verbindungsbereich ist der Bereich, in dem das Lüfterrad auf der Welle aufsitzt und der in axialer Richtung auf der einen (dem Blechpaket zugewandten) Seite durch den Absatz nach Merkmal c, gebildet durch den Übergang von der Abflachung in den rein zylindrischen Bereich der Welle, und auf der anderen Seite durch die Nut nach Merkmal d begrenzt ist.
Die axiale Endfläche und die Stirnfläche nach Merkmal f setzt der Fachmann nach Überzeugung des Senats gleich.
Der Aufbau der Lüfterrades ist lediglich durch die Nabe (Merkmal f), die Lüfterflügel (Merkmal h) und die Materialwahl (Merkmal g) beschrieben. Diese Definition des Lüfters umfasst zur Überzeugung des Senats für den Fachmann auch Lüfterräder mit einer Metallbuchse in der Nabe. Weder offenbart die ursprüngliche Anmeldung unmittelbar und eindeutig, dass es zur Erfindung gehören würde, dass das Lüfterrad einstückig ausgebildet ist, noch ist dies dem geltenden Anspruchswortlaut zu entnehmen.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu (§ 3 PatG).
Die DE 199 24 735 A1 zeigt einen Elektromotor (Anspruch 1), in den wahlweise ein Inkrementalgeber, Resolver, Absolutwertgeber oder ähnliches (Spalte 1, Zeilen 14, 15) als Geber eingebaut werden kann. Nach Figur 2 mit Beschreibung (Spalte 3, Zeilen 35 bis 46, Ansprüche 1, 9, 14) sitzt ein Lüfter 25 auf der Motorwelle 5 und ein Resolver 21 ist über eine Spreizwelle 22, die in eine B-seitige (stirnseitige) Bohrung 23 in der Motorwelle 5 eingebracht wird, mit dieser verbunden.
Mit den Worten des Anspruchs 1 ist damit bekannt ein Elektromotor, umfassend eine Rotorwelle 5 c) wobei am einen axialen Ende des Verbindungsbereichs die Rotorwelle einen Absatz (Durchmesserverkleinerung, sichtbar in Figur 2) aufweist zur axialen Sicherung des Lüfterrades d) und am anderen axialen Ende des Verbindungsbereichs die Rotorwelle eine Nut zur Aufnahme eines Sicherungsrings (sichtbar in Figur 2) zur axialen Sicherung des Lüfterrades aufweist,
e) und an der axialen Endfläche, insbesondere Stirnfläche, der Rotorwelle 5 eine Bohrung 23 vorgesehen ist, in der die Spreizwelle 22 eines axial hinter dem Lüfter angeordneten Gebers 21 verbindbar ist.
Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist dort nicht beschrieben und nicht erkennbar, wie der Lüfter auf der Welle drehgesichert ist. Die von der Anmelderin aufgezeigte gekrümmte Linie im Verbindungs-Endbereich (Zeichnung auf Seite 4 der Eingabe vom 13. März 2007) mag zwar von einer Nut-Feder-Verbindung herrühren. Das ist aber für den Fachmann nach Überzeugung des Senats im Übergang von geschnittener in die nicht geschnittene Darstellung ohne weitere Informationen nicht erkennbar.
Die DE 23 39 773 A1 beschreibt ein Ventilatorlaufrad aus Kunststoff, mit zentrisch eingebrachter, zur Befestigung auf der Antriebswelle 2 dienender Metallbuchse (Seite 1, Absatz 1). Zur Sicherung des Ventilatorlaufrades gegen Verdrehen ist die Sintermetallbuchse 3 in ihrer Innenkontur einer abgeflachten Antriebswelle angepasst, und zur Sicherung gegen Verdrehen gegenüber dem angrenzenden Kunststoffteil sind an der Außenkontur zwei Abflachungen 6, 7 angeordnet (Seite 1, Absatz 3; Seite 2, vorletzter Absatz; Figur 3). Sie zeigt damit mit den Worten des Anspruchs 1:
a) eine Rotorwelle 2, die an ihrem einen axialen Endbereich einfach (bei 8) abgeflacht ausgeführt ist zur lösbaren Verbindung mit einem Lüfterrad,
b) wobei hierbei die Rotorwelle im Verbindungsbereich mit einer Abflachung derart ausgeführt ist, dass die duale Kurve des Profils stets denselben Umlaufsinn aufweist wie die Profilkurve (weil ebenfalls ebene Fläche ohne Krümmungen),
c) wobei am einen axialen Ende des Verbindungsbereichs die Rotorwelle einen Absatz aufweist zur axialen Sicherung des Lüfterrades (Figur 2, Absatz in der Welle bei Bezugszeichen 5)
d) und am anderen axialen Ende des Verbindungsbereichs die Rotorwelle eine Nut zur Aufnahme eines Sicherungsrings 9 zur axialen Sicherung des Lüfterrades aufweist (Seite 2, Zeilen 12 bis 9 von unten),
f) wobei die Nabe des Lüfterrads (die zur Nabe gehörige Metallbuchse 3) eine einer Abflachung der Rotorwelle entsprechende Abflachung 8 aufweist.
In teilweiser Übereinstimmung mit Merkmal g ist das Lüfterrad aus Kunststoff gefertigt (Seite 1, Zeilen 1 bis 3).
Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist dort kein Geber mit Spreizwelle in einer Bohrung angeschlossen.
Keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften zeigt einen Lüfter mit neun Lüfterflügeln.
5. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist deshalb nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG).
Ausgehend von der Vorrichtung nach der DE 199 24 735 A1 hat der Fachmann Anlass, eine geeignete Verdrehsicherung für den Lüfterflügel zur Übertragung der Antriebskraft zu wählen, denn dieser Aspekt ist in der genannten Druckschrift nicht beschrieben oder gezeigt, bedarf aber einer Lösung. Dabei ist dem Fachmann die Verwendung eines abgeflachten Wellenendes als eine besonders einfache und kostengünstige Lösung, sowohl aus seinem allgemeinen Fachwissen, als auch speziell zur Befestigung von Kunststofflüftern nach den Merkmalen a, b, f und g – letzteres in der Variante Kunststoff, wobei der Fachmann davon ausgeht, dass Kunststofflüfter Spritzgussteile sind – aus der DE 23 39 773 A1 bekannt.
Die von der Anmelderin angeführten Nachteile einer Abflachung, die den Fachmann von dieser Verbindungsart abhalten sollen, sieht der Senat nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Verdrehsicherung über Abflachungen (eine passende Dimensionierung vorausgesetzt) unzumutbar unstabil oder nicht haltbar seien, sind weder der Anmeldung noch der DE 23 39 773 A1 zu entnehmen. Sie stellen vielmehr diese Verbindung übereinstimmend als vorteilhaft und praktikabel dar.
Was die Anzahl von neun Lüfterflügeln nach dem verbleibenden Merkmal h anbetrifft, so macht die Anmelderin einen Kombinationseffekt mit der einen (einzigen) Abflachung geltend. Es sei von Bedeutung, dass die Ordnungszahl der durch die eine Abflachung verursachten Schwingungsmoden und die Flügelzahl teilerfremd sei.
Dem kann der Senat nicht folgen. Bereits in der Anmeldung (Beschreibung, Seite 4, Zeilen 7 bis 9) ist ausgeführt, dass die Anzahl neun und die Ausformung der Lüfterflügel derart ausgewählt sind, dass eine möglichst schwingungsarme und geräuscharme Ausführung des Elektromotors mit Lüfter ermöglicht ist. Nach Überzeugung des Senats bestimmt darüber hinaus eine große Zahl von Parametern, wie die Geometrie der Luftführung, die Strömungsgeschwindigkeit, die Materialwahl und vieles mehr, die tatsächliche Geräuschentwicklung. Die Vielzahl und Komplexität der Zusammenhänge machen es unmöglich, abstrakt eine Abhängigkeit der Geräuschentwicklung von einem oder zwei Parametern wie der Flügelzahl und der Anzahl der Abflachungen mit dem Ziel einer Optimierung anzugeben. Der Senat hat auch Zweifel, ob die Art und Anzahl der Abflachung(en) überhaupt einen praktisch relevanten Einfluss auf die Geräuschentwicklung des Lüfters hat. Derartiges ist auch in der Anmeldung nicht angesprochen.
Die Geräuschemission kann nur für eine konkrete Anordnung bestimmt und optimiert werden, was hinsichtlich der Flügelzahl auch mit zumutbarem Aufwand und wenigen Versuchen möglich ist, denn es kommen nur relativ wenige praktisch realisierbare Flügelzahlen in Frage. Diese vom Fachmann ohnehin durchzuführende Auslegung anhand der tatsächlichen Anordnung führt ihn dann auch automatisch zu einer verwendbaren Flügelzahl, wobei die Zahl neun einen realistischen und praktikablen Wert darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1981 – X ZR 55/80, GRUR 1981, 649 – Polsterfüllgut; Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 4, Rdn. 118).
Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit keiner erfinderischer Überlegungen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG). Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck Dr. Scholz Matter Hu