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XII ZB 250/15

BUNDESGERICHTSHOF XII ZB 250/15 BESCHLUSS vom 16. September 2015 in der Unterbringungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

nein BGHR:

ja FamFG § 37 Abs. 2, § 321 Abs. 1 Satz 2, § 329 Abs. 2 Satz 1 a) Der Gutachter in einer Unterbringungssache muss schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 691/12 - FamRZ 2013, 1725).

b) Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649).

BGH, Beschluss vom 16. September 2015 - XII ZB 250/15 - LG Itzehoe AG Itzehoe Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Itzehoe vom 28. April 2015 und der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 30. April 2015 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 25 Abs. 2 GNotKG). Die außergerichtlichen Kosten der Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt (§ 337 Abs. 1 FamFG in entsprechender Anwendung).

Gründe: I.

Die 79jährige Betroffene leidet an einer schizomanischen Störung bei teilweise ausgeprägtem paranoiden Wahn- und Beziehungserleben mit assoziativer Lockerung und Affektlabilität, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Seit September 2010 steht sie unter rechtlicher Betreuung.

Auf Antrag des Betreuers hat das Amtsgericht am 17. März 2015 die Unterbringung der Betroffenen zwecks Heilbehandlung bis längstens zum 28. April 2015 genehmigt. Durch Beschluss vom 28. April 2015 hat es die weitere Unterbringung bis längstens zum 19. Mai 2015 genehmigt.

Dagegen hat der Verfahrenspfleger Beschwerde eingelegt, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Der Rechtsbeschwerdeantrag richtet sich ausdrücklich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des amtsgerichtlichen und des landgerichtlichen Beschlusses. Die Rechtsbeschwerde hat zwar daneben auch beantragt, den landgerichtlichen Beschluss aufzuheben. Weil das Verfahren indes durch Zeitablauf erledigt ist und hier eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommt, ist eine zusätzliche Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses ausgeschlossen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 6 mwN).

2. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall der - hier vorliegenden - Erledigung der Unterbringungsmaßnahme aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 FamRZ 2014, 649 Rn. 7 mwN). Nachdem es sich bei der angefochtenen Entscheidung nicht um eine einstweilige Anordnung handelt, steht § 70 Abs. 4 FamFG der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht entgegen.

3. Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht haben die Betroffene in ihren Rechten verletzt, was nach der in der Rechtsbeschwerdeinstanz entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 62 Abs. 1 FamFG (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 8 mwN) festzustellen ist.

a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Unterbringung sei gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB zulässig. Die Betroffene erlebe aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ein antriebsgesteigertes, denkgestörtes maniformes Syndrom mit derzeit starker Tendenz zur unmittelbaren Selbstschädigung. Nach den eingeholten Sachverständigengutachten sei eine stationäre Behandlung zur Neueinstellung der von der Betroffenen benötigten Neuroleptika dringend notwendig. Unbehandelt sei davon auszugehen, dass sich der aktuelle Zustand weiter chronifiziere und dann mit einem zunehmenden Residualsyndrom zu rechnen sei, was die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken würde. Es bestehe bei ihr keine Krankheitseinsicht und keine Behandlungsbereitschaft. Die Unterbringung zwecks Heilbehandlung sei verhältnismäßig, um eine erneute Exazerbation bei der Betroffenen zu vermeiden.

b) Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie sind - wie die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zu Recht rügt - verfahrensfehlerhaft ergangen.

Gemäß § 329 Abs. 2 Satz 1 FamFG gelten für die Verlängerung der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme die Vorschriften für die erstmalige Anordnung oder Genehmigung entsprechend. Das bedeutet, dass sämtliche Verfahrensgarantien für die Erstentscheidung uneingeschränkt auch im Verlängerungsverfahren gelten, insbesondere die zwingende Anhörung des Betroffenen gemäß § 319 FamFG sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum (Fort-)Bestehen der Unterbringungsvoraussetzungen gemäß § 321 FamFG (Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 329 Rn. 10; SchulteBunert/Weinreich/Dodegge FamFG 4. Aufl. § 329 Rn. 8).

aa) § 321 Abs. 1 FamFG ordnet im Hinblick auf die mit der Unterbringung einhergehenden erheblichen Eingriffe in die Freiheitsrechte des Betroffenen zwingend die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Dadurch soll eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung zur Feststellung der medizinischen Voraussetzungen einer Unterbringung sichergestellt werden (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 14 mwN).

Gemäß § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG hat der Sachverständige den Betroffenen vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen, wobei er vor der Untersuchung des Betroffenen bereits zum Sachverständigen bestellt sein und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnet haben muss, damit der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, sinnvoll ausüben kann (Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 691/12 FamRZ 2013, 1725 Rn. 8 mwN).

Dem wird das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten nicht gerecht. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass weder aus den gerichtlichen Feststellungen noch aus der Akte ersichtlich wird, dass der Betroffenen die Bestellung ihrer behandelnden Ärztin zur gerichtlichen Sachverständigen vor Beginn der Begutachtung bekannt gegeben worden ist. Darüber hinaus kann dem mündlich erstatteten Gutachten nicht entnommen werden, dass die Sachverständige die Betroffene überhaupt auf ihre Funktion als solche hingewiesen und dass sie die Betroffene zum Zwecke der Gutachtenerstattung gesondert untersucht hat. Denn die Bestellung zur Sachverständigen ist erst im Anhörungstermin unmittelbar vor der Abgabe der gutachterlichen Stellungnahmen erfolgt.

bb) Weiterhin rügt die Rechtsbeschwerde zutreffend, dass das Sachverständigengutachten der Betroffenen nicht bekannt gegeben worden ist.

Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut grundsätzlich auch dem Betroffenen persönlich im Hinblick auf dessen Verfahrensfähigkeit (§ 275 FamFG) zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 Abs. 1 FamFG abgesehen werden (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 16 mwN).

Auch diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren nicht gerecht. Das Gutachten ist mündlich in Abwesenheit der Betroffenen erstattet worden. Aus der Gerichtsakte lässt sich nicht ersehen, dass sein Inhalt der Betroffenen in vollem Umfang bekannt gegeben worden ist, so dass diese zu den getroffenen Indikationen und möglichen Behandlungsalternativen keine Nachfragen stellen konnte und keine Möglichkeit hatte, durch die Erhebung von Einwendungen und Vorhalte an die Sachverständige eine andere Einschätzung der Sachverständigen zu erreichen. Ebenso wenig enthält das Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass die Betroffene durch dessen Bekanntgabe an sie Gesundheitsnachteile entsprechend § 288 Abs. 1 FamFG zu befürchten hätte.

c) Die Betroffene ist durch diese Verfahrensmängel in ihrem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 22 ff.). Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Dose Nedden-Boeger Schilling Botur Günter Vorinstanzen: AG Itzehoe, Entscheidung vom 28.04.2015 - 82 XVII 390/10 LG Itzehoe, Entscheidung vom 30.04.2015 - 4 T 118/15 -

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Häufigkeit Paragraph
3 321 FamFG
2 37 FamFG
2 70 FamFG
2 288 FamFG
1 1906 BGB
1 62 FamFG
1 74 FamFG
1 275 FamFG
1 319 FamFG
1 329 FamFG
1 337 FamFG
1 2 GG
1 25 GNotKG

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