3 Ni 37/11 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 37/11 (EP) (Aktenzeichen)
…
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 9. Juli 2013 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 0 959 132 (DE 697 36 564)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie des Richters Guth, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg und des Richters Dipl.-Chem. Dr. Jäger für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 0 959 132 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten:
„1. Verfahren zum Nachweis eines Nucleinsäuremoleküls einer Tandemverdopplungsmutante, das humane FMSartige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert, wobei das Nucleinsäuremolekül eine Nucleotidsequenz entsprechend: einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist, umfassend die Schritte: a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nucleinsäurefragment, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a).
2. Verfahren zum Nachweis eines Nucleinsäuremoleküls mit einer Nucleinsäuresequenz entsprechend einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von humanem FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist, umfassend die Schritte: (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nucleinsäurefragment, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a).
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei Schritt (b) ausgeführt wird durch Vergleichen des amplifizierten Nucleinsäurefragments, erhalten in Schritt (a), mit einer Sequenz, die von einer normalen FLT3 abgeleitet ist, wobei auf diese Weise die Anwesenheit einer Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran nachgewiesen wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3 wobei in Schritt (b) eine Längenmutation als Index für die Tandemverdopplungsmutation verwendet wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4 wobei die Gen-Amplifikationsreaktion in Schritt (a) mit einem Primerpaar ausgeführt wird, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: SEQ ID NOs: 26 und 27, SEQ ID NOs: 30 und 31 und SEQ ID NOs: 32 und 33.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5 wobei die Tandemverdopplungsmutation nicht in einem Gen einer normalen Testperson gefunden wird.
7. Kit für ein Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei der Kit Primer für die Amplifikation einer Region, die Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FLT3Gens umfasst.
8. Kit nach Anspruch 7, wobei diese Primer ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus: SEQ ID NOs: 26 und 27, SEQ ID NOs: 30 und 31 und SEQ ID NOs: 32 und 33.
9. Verwendung einer blutbildenden Stammzelle, die ein Nucleinsäuremolekül exprimiert, das ein humanes Tandemverdopplungsmutations-FLT3-Polypeptid codiert, und einer Zelle, die das normale FLT3 exprimiert, zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung blutbildender Stammzellen, wobei dieses Nucleinsäuremolekül eine Tandemverdopplungsmutation ohne Verschiebung des Leserasters in einer Juxtamembran-Nucloetidsequenz hat, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist.“
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin ¼ und die Beklagte ¾.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist Inhaberin des am 13. Oktober 1997 als internationale Patentanmeldung WO 1998/017808 angemeldeten, die Priorität der japanischen Patentanmeldung 29732996 vom 18. Oktober 1996 in Anspruch nehmenden und u. a. für die Bundesrepublik Deutschland vor dem europäischen Patentamt in der regionalen Phase erteilten europäischen Patents 0 959 132 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 697 36 564 geführt wird. Das Streitpatent, das beschränkt gemäß Hauptantrag und mit mehreren Hilfsanträgen verteidigt wird, betrifft eine „Nukleinsäure, die für eine Rezeptor-Proteinkinase kodiert" und umfasst in der in englischer Sprache erteilten Fassung 20 Patentansprüche, die in der deutschen Übersetzung folgendermaßen lauten:
„1. Nucleinsäuremolekül einer Tandemverdopplungsmutante, das FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert, wobei das Nucleinsäuremolekül eine Nucleotidsequenz hat entsprechend: (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3.
2. Nucleinsäuremolekül mit einer Nucleinsäuresequenz entsprechend: (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3.
3. Nucleinsäuremolekül, das fähig ist zur spezifischen Hybridisierung unter stringenten Bedingungen an ein Nucleinsäuremolekül entsprechend: (a) einer Tandemverdopplungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder (b) einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 in der Nucleinsäure nach Anspruch 1.
4. Polypeptid, das von dem Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder dem Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 codiert wird.
5. Zelle, die das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 oder das Polypeptid nach Anspruch 4 exprimiert.
6. Antikörper, der spezifisch ist für das Polypeptid nach Anspruch 4.
7. Verfahren zum Nachweis des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2, umfassend die Schritte. (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nucleinsäurefragment, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a).
8. Verfahren nach Anspruch 7, wobei Schritt (b) ausgeführt wird durch Vergleichen des amplifizierten Nucleinsäurefragments, erhalten in Schritt (a), mit einer Sequenz, die von einer normalen FLT3 abgeleitet ist, wobei auf diese Weise die Anwesenheit einer Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran nachgewiesen wird.
9. Verfahren nach Anspruch 7 oder 8, wobei in Schritt (b) eine Längenmutation als Index für die Tandemverdopplungsmutation verwendet wird.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 9, wobei die Gen-Amplifikationsreaktion in Schritt (a) mit einem Primerpaar ausgeführt wird, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: SEQ. ID NOs: 26 und 27, SEQ. ID NOs: 30 und 31 und SEQ ID NOs: 32 und 33.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 bis 10, wobei die Tandemverdopplungsmutation nicht in einem Gen einer normalen Testperson gefunden wird.
12. Kit für ein Verfahren gemäß einem der Ansprüche 7 bis 11, wobei der Kit Primer für die Amplifikation einer Region, die Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FLT3-Gens umfasst.
13. Kit nach Anspruch 12, wobei diese Primer ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus: SEQ ID NOs: 26 und 27, SEQ ID NOs: 30 und 31 und SEQ ID NOs: 32 und 33.
14. Verwendung einer blutbildenden Stammzelle, die ein Nucleinsäuremolekül exprimiert, das ein Tandemverdopplungsmutations-Polypeptid codiert, und einer Zelle, die das normale FLT3 exprimiert, zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung blutbildender Stammzellen.
15. Verwendung nach Anspruch 14, wobei dieses Nucleinsäuremolekül eine Tandemverdopplungsmutation in einer Juxtamembran-Nucleotidsequenz hat.
16. Verwendung einer blutbildenden Stammzelle, die das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 oder das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 oder das Polypeptid nach Anspruch 4 exprimiert, und einer Zelle, die das normale FLT3 exprimiert, zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung blutbildender Stammzellen.
17. Verwendung des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2 für die Herstellung eines Arzneimittels zur Regulation der Proliferation, der Immunantwort oder der Signalinformationsübertragung einer Blutzelle oder einer blutbildenden Stammzelle.
18. Verwendung des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2 oder des Polypeptids nach Anspruch 4 für die Herstellung von Material, das zur pathologischen Beurteilung des myelodysplastischen Syndroms (MDS) oder von Leukämie verwendet wird.
19. Arzneimittel umfassend das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 1 und/oder das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 2 und/oder das Nucleinsäuremolekül nach Anspruch 3 und/oder das Polypeptid nach Anspruch 4 und/oder den Antikörper nach Anspruch 6 und, gege- benenfalls, einen pharmazeutisch verträglichen Träger und/oder Verdünnungsmittel.
20. Kit zum Nachweis des Polypeptids nach Anspruch 4, wobei der Kit den Antikörper nach Anspruch 6 umfasst." Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht geltend, das Streitpatent sei nicht rechtsbeständig, da es sich bei den Gegenständen der Ansprüche 1 bis 6 um eine nicht patentierbare Entdeckung nach Art. 52 (2) a) handle, die nach Art. 52, 53 i. V. m. Regel 29 Abs. 2 EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossene Teile des menschlichen Körpers beträfen. Die Ansprüche 7 bis 11 lehrten ferner ein gemäß Art. 53 c) EPÜ nicht patentierbares Diagnostizierverfahren am menschlichen Körper. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Streitpatents nicht neu (Art. 54) und beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56). Sie macht ferner den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit nach Art. 138 (1) b) sowie der unzulässigen Erweiterung nach Art. 138 (1) c) geltend. Sie stützt ihr Vorbringen im Wesentlichen auf folgende Dokumente:
K2 DE 697 36 564 T2 (Übersetzung der Streitpatentschrift) K3 F. Birg et al., Blood, 1992, 80, 2584 bis 2593 K4 O. Rosnet et al., Blood, 1993, 82, 1110 bis 1119 K5 F. Birg et al., Leukemia and Lymphoma, 1994, 13, 223 bis 227 K6 N. DaSilva et al., Leukemia, 1994, 8(5), 885 bis 888 K7 U. Dehmel et al., Leukemia, 1996, 10, 261 bis 270 K8 O. Rosnet et al., Leukemia, 1996, 10, 238 bis 248 K9 O. Rosnet et al., Acta Haematol., 1996, 95, 218 bis 223 K10 M. Nakao et al., Leukemia, 1996, 10, 1911 bis 1918 K11 Ursprünglich eingereichte Anspruchsfassung K12 Ursprünglich eingereichte Beschreibungsseiten 1 bis 34 K18 R. Namikawa et al., Stem Cells, 1996, 14, 388 bis 395 K23 G.I.Yakovlev et al., Eur. J. Biochem., 1992, 204, 187 bis 190 K24 H. Kiyoi et al., Leukemia, 1997, 11, 1447 bis 1452 K25 M.T.Rossner et al., Cell Growth & Differentiation, 1994, 5, 549 bis 555 K26 Expert Opinion on patent EP 0 959 132 B1 von H. Phillip Koeffler M.D. vom 9. Mai 2013 K27 Questions for Expert Witness K28 Englische Übersetzung der Japanese Patent Application No. 8-297329 vom 18. Oktober 1996 K29 S. Schnittger et al., Genes, Chromosomes & Cancer, 2012, 51,
bis 924 K31 DE 693 30 027 T2 K33 F.C. Zeigler et al., Blood, 1994, 84 (8), 2422 bis 2430.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Alternative a) der Patentansprüche 1 bis 3 beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung, da eine Tandemverdoppelungsmutation in allgemeiner Form auf Proteinebene ursprünglich nicht offenbart sei. Zudem gehe die Alternative b) der Patentansprüche 1 bis 3 über die Offenbarung der Erstunterlagen hinaus, da die Tandemverdoppelungsmutation danach in Exon 12 und damit vollständig in einem für die Tyrosinkinase codierenden Bereich (TKD-1) liegen könne, während ursprünglich nur Mutationen unter Beteiligung der für die Juxtamembran codierenden Region offenbart seien. Nachdem das Nachweisverfahren ursprünglich nur auf codierende Sequenzen angewendet worden sei, seien die Verfahrensansprüche 7 bis 11 durch ihren Rückbezug auf Patentanspruch 2, der auch nicht codierende Nucleinsäuremoleküle umfasse, unzulässig erweitert. Zudem sei der in diesen Verfahren vorgesehene Nachweis anhand der Exons 11 und 12 ursprünglich nicht offenbart. Die Patentansprüche 14 und 15 seien unzulässig erweitert, weil sich in den ursprünglichen Unterlagen keine Stütze für die darin enthaltene Zweckangabe „zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung blutbildender Stammzellen“ finde. Auch für die im Patentanspruch 16 genannte „Blutzelle“ finde sich in den ursprünglichen Unterlagen keine Stütze. Patentanspruch 17 gehe aufgrund der darin genannten Herstellung eines nicht näher defi- nierten Markers über die ursprüngliche Offenbarung hinaus und auch das Arzneimittel des Patentanspruchs 18 finde in den ursprünglichen Unterlagen keine Stütze.
Sofern das Verfahren nach Patentanspruch 7 einen exakten Nachweis der Tandemverdoppelungsmutation erfordere, sei das Verfahren zudem nicht ausführbar, da im Streitpatent nicht offenbart sei, wie dieser Nachweis erfolgen solle.
Die Nukleinsäuremoleküle der Patentansprüche 1 bis 3 seien gegenüber der Entgegenhaltung K3 nicht neu. Da das Streitpatent die Priorität wegen seiner unzulässigen Erweiterung nicht wirksam in Anspruch nehmen könne, handle es sich auch bei der vor dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlichten Druckschrift K10 bzw. K24 um neuheitsschädlichen Stand der Technik. Die Nucleinsäuremoleküle gemäß den Patentansprüchen 1 bis 3 beruhten gegenüber den Dokumenten K3, K4 und K5 zudem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gelte ebenso für die Gegenstände der Patentansprüche 4 bis 6 sowie 7 bis 11. Entsprechendes gelte auch für die Hilfsanträge, die zudem Unklarheiten enthielten.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das europäische Patent 0 959 132 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hauptantrags gemäß Schriftsatz vom 1. Juli 2013, hilfsweise die Fassung eines der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Hilfsanträge I bis III erhält.
Die Patentansprüche gemäß Hauptantrag entsprechen denen der erteilten Fassung mit dem Unterschied, dass das Nucleinsäuremolekül im Patentanspruch 3 nach Hauptantrag zusätzlich durch das Merkmal „das eine Tandemverdoppelung aufweist“ gekennzeichnet wird, der erteilte Patentanspruch 15 unter Anpassung der Nummerierung der folgenden Ansprüche gestrichen wird und der Patentanspruch 14 des Hauptantrags folgenden Wortlaut erhält:
„14. Verwendung einer blutbildenden Stammzelle, die ein Nucleinsäuremolekül exprimiert, das ein Tandemverdopplungsmutations-FLT3-Polypeptid codiert, und einer Zelle, die das normale FLT3 exprimiert, zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung blutbildender Stammzellen, wobei dieses Nucleinsäuremolekül eine Tandemverdopplungsmutation in einer Juxtamembran-Nucleotidsequenz hat.“
Gemäß Hilfsantrag I wird der Patentanspruch 17 gemäß Hauptantrag gestrichen, die Nummerierung der folgenden Patentansprüche angepasst und im neuen Patentanspruch 17 wird klargestellt, dass es sich um einen Antikörper nach Anspruch 6 handelt.
Gemäß Hilfsantrag II lauten die Patentansprüche 1 bis 3, 7 und 8 wie folgt:
„1. Nucleinsäuremolekül einer Tandemverdopplungsmutante, das humane FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert, wobei das Nucleinsäuremolekül eine Nucleotidsequenz hat entsprechend: einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist.
2. Nucleinsäuremolekül mit einer Nucleinsäuresequenz entsprechend: einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von humanem FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist.
3. Nucleinsäuremolekül, das eine Tandemverdopplung aufweist und fähig ist zur spezifischen Hybridisierung unter stringenten Bedingungen an ein Nucleinsäuremolekül entsprechend: einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von humanem FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters in der Nucleinsäure nach Anspruch 1, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist.
7. Verfahren zum Nachweis eines Nucleinsäuremoleküls einer Tandemverdopplungsmutante, das humane FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert, wobei das Nucleinsäuremolekül eine Nucleotidsequenz hat entsprechend: einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters, die als Längenmutation nachweisbar ist, umfassend die Schritte: (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nucleinsäurefragment, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a).
8. Verfahren zum Nachweis eines Nucleinsäuremoleküls mit einer Nucleinsäuresequenz entsprechend einer Tandemverdopplungsmutation in der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von humanem FLT3 ohne Verschiebung des Leserasters, die als Längenmutation nachweisbar ist, umfassend die Schritte: (a) Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nucleinsäurefragment, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3)-Gens umfasst und eine Tandemverdopplungsmutation in der Juxtamembran hat, amplifiziert wird, welches im FLT3Gen gefunden werden kann; (b) Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdopplungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus Schritt (a).“
Patentanspruch 15 entspricht Patentanspruch 14 gemäß Hilfsantrag I mit dem Unterschied, dass das Nucleinsäuremolekül dadurch gekennzeichnet wird, dass es eine Tandemverdoppelungsmutation ohne Verschiebung des Leserasters in einer Juxtamembran-Nucleotidsequenz hat, die durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist und für ein humanes Tandemverdopplungsmutations-FLT3-Polypeptid codiert. Die übrigen Patentansprüche gemäß Hilfsantrag II entsprechen - zum Teil mit Anpassungen - denen gemäß Hilfsantrag I.
Der Hilfsantrag III entspricht Hilfsantrag II mit dem Unterschied, dass in die Patentansprüche 7 und 8 jeweils nach dem Passus „ohne Verschiebung des Lese- rasters, die…“ das folgende Merkmal eingefügt wird: „durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und“.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Zur Stützung ihres Vorbringens verweist die Beklagte auf folgende Dokumente:
NiB1 Leukemia & Lymphoma Society, „Acute Myeloid Leukemia“, Revised 2011, 1 bis 54 NiB2 L.M. Kelly und D.G. Gilliland, Annu. Rev. Genomics Hum. Genet., 2002, 3, 179 bis 198 NiB3 K. W. Pratz und M. J. Levis, Curr Drug Targets, 2010, 11 (7), 781 bis 789 NiB4 H. Kiyoi et al., Int. J. Hematology, 2005, 82, 85 bis 92 NiB5 J. W. Vardiman et al., Blood, 2009, 114, 937 bis 951 NiB6 NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology, „Acute Myeloid Leukemia“, Version 2.2012 NiB7 V. Ponziani et al., Leukemia, 2006, 20, 2074 bis 2076 NiB8 S. Meshinchi et al., Blood, 2008, 111, 4930 bis 4933 NiB9 S. Yokota et al., Leukemia, 1997, 11, 1605 bis 1609 NiB10 K. Spiekermann et al., Blood, 2002, 100, 3423 bis 3425 NiB11 S. Meshinchi und F. R. Appelbaum, Clin. Cancer Res., 2009,
15, 4263 bis 4269 NiB12 D. Rousset et al., J Mol Evol, 1995, 41, 421 bis 429 NiB13 F. Agnès et al., Gene, 1994, 145, 283 bis 288 NiB14 C. Lavagna et al., J. Biol. Chem., 1995, 270 (7), 3165 bis NiB15 T. McClanahan et al., Blood, 1996, 88, 3371 bis 3382 NiB16 A. Imbert et al., Cytogenet Cell Genet, 1994, 67, 175 bis 177 NiB17 O. Rosnet et al., 1992, 173 bis 179 (Literaturstelle unbekannt) NiB18 N. Maroc et al., 1992, 909 bis 918 (Literaturstelle unbekannt) NiB19 G.Meierhoff et al., Leukemia, 1995, 9, 1368 bis 1372 NiB20 O. deLapeyrière et al., Differentiation, 1995, 58, 351 bis 359 NiB21 O. Rosnet und D. Birnbaum, Critical Reviews in Oncogenesis, 1993, 4 (6), 595 bis 613 NiB22 NCBI database, Report for ID CCDS31953.1 NiB23 EPA, Examination Report Application No. 97 943
188.9 - 2403 vom 5.9.2003 NiB24 Ki Y. Chung et al. Blood, 2005, 105, 77 bis 84, NiB25 L. M. Kelly und D. G. Gilliland, Annu. Rev. Genomics Hum.
Genet., 2002, 3, 179 bis 198 NiB26 D. Small, American Society of Hematology, 2006, 178 bis NiB27 J.W. Vardiman et al. Blood, 2009, 114, 937 bis 951, NiB28 K. Pratz und M. Levis, Leuk Lymphoma, 2008, 49 (5), 852 bis 863 NiB29 K. M. Murphy et al., J Mol Diagn, 2003, 5 (2), 96 bis 102 NiB30 UCLAToday, „Healthy year for UC med centers, but challenges loom“, Internetausdruck vom 1. Juli 2013, 1 bis 2 NiB31 Schreiben von Invivoscribe vom 31. Januar 2011 an W. W.
Grody NiB32 Sachverständigengutachten von Prof. Alexander Morley vom
28. Juli 2013 NiB33 Arbeitsanweisung AA-M-006-04 bzgl. Fragmentanalyse der Münchner Leukämie Labor GmbH, Version 4 vom 30. Januar 2012, Seite 1 und 8 NiB34 Molekulargenetischer Befund v. 28. Juli 2012 der MHP Münchner Hämatologie Praxis NiB35 Römpp Lexikon - Biotechnologie, 1992, GeorgThieme Verlag, Stuttgart, S. 222 und 223.
Die Beklagte ist der Meinung, die Isolierung der patentgemäßen Nukleinsäuren erfolge unter Anwendung eines technischen Verfahrens und die patentgemäße Lehre zeige eine Verbindung zwischen dem Auftreten von Tandemduplikationen im FLT3-Gen, dem Auftreten von Leukämien und einer schlechten Prognose unzweifelhaft auf, so dass es sich dabei keinesfalls um eine Entdeckung handle.
Der Antikörper des Patentanspruchs 6 werde, wie die Zelle nach Patentanspruch 5 oder das Polypeptid nach Patentanspruch 4, durch verfahrenstechnische Maßnahmen erhalten, so dass es sich bei den Stoffen der Patentansprüche 4 bis 6 nicht um vom Patentschutz ausgeschlossene Teile des menschlichen Körpers handle und das Verfahren gemäß den Patentansprüchen 7 bis 11 lehre kein vom Patentschutz ausgeschlossenes Diagnostizierverfahren, da dabei alle Verfahrensschritte in vitro durchgeführt würden.
Das Verfahren nach Patentanspruch 7 könne nach Ansicht der Beklagten darüber hinaus mit bekannten verfahrenstechnischen Maßnahmen durchgeführten werden und sei daher ausführbar. Nachdem dem Fachmann Verfahren zur Herstellung spezifischer Antikörper bekannt seien, gehe auch die Bereitstellung der spezifischen Antikörper nach Patentanspruch 6 nicht über das allgemeine Können und Wissen des Fachmanns hinaus.
Des Weiteren seien sämtliche von der Klägerin beanstandeten Merkmale in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, so dass die Anspruchsfassungen nach Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen I bis III auch keine unzulässigen Erweiterungen aufweisen würden.
Der Gegenstand des Streitpatents sei zudem neu, weil eine Korrelation der in der K3 beschriebenen 3,9 bis 4,0 kb-Transkripte mit den erfindungsgemäßen Tandemduplikationen im menschlichen FLT3-Gen zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents nicht bekannt gewesen sei. Die Nukleinsäuremoleküle der Patentansprüche 1 bis 3 beruhten zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die in K3 beschriebene 3,9 bis 4,0 kb-Mutante nicht mit einem Krankheitsbild in Verbindung gebracht werde und damit für den Fachmann keine Veranlassung bestanden habe, diese Mutante näher zu untersuchen. Auch eine Kombination der K3 mit dem Dokument K4 und/oder K5 lege die patentgemäßen Nukleinsäuremoleküle nicht nahe. Die beanspruchten Verfahren seien ebenfalls neu und erfinderisch, da in den bekannten Verfahren des Standes der Technik keine Tandemduplikation im FLT3-Gen amplifiziert und nachgewiesen werde.
Entscheidungsgründe I.
Die auf die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ), der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ), der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ) sowie der Patentierungsverbote von Art. 52 Abs. 2 Buchst. a) EPÜ, Art. 52, 53 EPÜ i. V. m. Regel 29 Abs. 2 und Art. 53 Buchst. c) EPÜ gestützte Klage ist zulässig.
Soweit die Beklagte das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 83 Rdn. 45 m. w. Nachw.; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 81 Rdn. 132).
Die Klage hat auch im Übrigen in der Sache überwiegend Erfolg.
1. Das Streitpatent betrifft Nucleinsäuremoleküle, die für FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codieren und eine Tandemverdoppelungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 oder in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 enthalten. Das Streitpatent betrifft ferner davon abgeleitete Nucleinsäuren, Polypeptide, Zellen, Antikörper, Kits und Arzneimittel sowie Verfahren zum Nachweis der Nucleinsäure- moleküle (vgl. K2, Abs. [0012] i. V. m. Patentansprüchen 1 bis 7, 12, 14 und 16 bis 20).
Die Zellproliferation (Zellvermehrung) und Zelldifferenzierung (Zellreifung) wird in den Zellen durch verschiedene Reize streng reguliert. Diese Reize entstehen durch bestimmte Wachstumsfaktoren, indem diese an für sie spezifische Rezeptoren auf der Zelloberfläche binden. Zu diesen Rezeptoren gehören auch solche, die in einem extrazellulären Proteinabschnitt eine Bindungsstelle für den Wachstumsfaktor besitzen und in einem intrazellulären Proteinabschnitt einen Abschnitt aufweisen, der als Tyrosinkinase wirkt. Tyrosinkinaseaktivität bedeutet dabei, dass der Rezeptor in diesem Bereich eine enzymatische Aktivität aufweist, die dafür sorgt, dass Phosphatgruppen von Molekülen, wie dem phosphathaltigen ATP, auf spezielle Zielsubstanzen, wie die in vielen Proteinen enthaltene Aminosäure Tyrosin übertragen werden. Rezeptoren mit diesen Eigenschaften werden als Rezeptor-Tyrosin-Kinasen (RTK) bezeichnet. Aufgrund struktureller Eigenschaften und Aminosäuresequenz-Homologien werden die RTKs in vier verschiedene Typen (I bis IV) unterteilt. Von den RTKs ist bekannt, dass sie nicht nur in natürlichen zellulären Prozessen eine entscheidende Rolle spielen, sondern auch bei der Entwicklung und dem Fortschreiten zahlreicher Krebsarten von Bedeutung sind. Zu den Typ III RTKs zählt u. a. die fms-ähnliche Tyrosinkinase 3 (kurz FLT3), die in der Literatur auch als fötale Leberkinase 2 (kurz FLK2) oder STK-1 bezeichnet wird. Bei den RTKs vom Typ III erfolgt durch Bindung des Wachstumsfaktors an die extrazelluläre Region eine Verdoppelung des Rezeptorproteins, was in der Folge zu einer Aktivierung dessen Tyrosin-Kinase-Domäne führt. Dadurch wird der Rezeptor selbst phosphoryliert und damit als Rezeptor-Tyrosin-Kinase aktiviert. Die „Vorstufe“ des FLT3-Rezeptor-Proteins, die sog. FLT3-mRNA, wurde in lymphatisch leukämischen Zellen und leukämischen Myelocyten nachgewiesen. Der FLT3-Ligand und damit diejenige Verbindung, die an die Ligandenbindungsstelle des FLT3-Rezeptors bindet, wird nahezu in allen leukämischen Zellen beobachtet. Der Zusammenhang zwischen der Expression des FLT3-Gens und der Entstehung von Leukämien liegt damit auf der Hand. Unbekannt ist allerdings noch, in welcher Weise die Expression der FLT3-mRNA mit der Pathologie der lymphati- schen Leukämie und der myeloischen Leukämie verbunden ist. Bisher wurde zwar die menschliche FLT3-cDNA kloniert und die Aminosäuresequenz des FLT3-Proteins bestimmt. Dennoch sind die Struktur und Funktion von FLT3 während der Differenzierung der blutbildenden Stammzellen sowie die malignen Veränderungen in leukämischen Zellen bisher noch nicht gut untersucht (vgl. K2, Abs. [0002 bis 0011]).
2. Davon ausgehend liegt dem Streitpatent gemäß den Angaben in der Streitpatentschrift die technische Aufgabe zugrunde, eine für das FLT3-Gen codierende Nucleinsäure bereitzustellen, die aufgrund genetischer Veränderungen als Marker bei der Diagnose und Prognose leukämischer Erkrankungen verwendet werden kann (vgl. K2, Abs. [0012 und 0014]).
3. Die Aufgabe wird durch mehrere Nucleinsäuremoleküle mit den in den nebengeordneten Patentansprüchen 1 bis 3 nach Hauptantrag genannten Merkmalen gelöst:
Patentanspruch 1:
1. Nucleinsäuremolekül einer Tandemverdoppelungsmutante,
1.1 das FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) codiert und 1.2 eine Nucleotidsequenz aufweist, die 1.3.1. eine Tandemverdoppelungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3, oder 1.3.2 eine Tandemverdoppelungsmutation in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 besitzt.
Patentanspruch 2:
2. Nucleinsäuremolekül mit einer Nucleinsäuresequenz, die
2.1 eine Tandemverdoppelungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 aufweist oder
2.2 eine Tandemverdoppelungsmutation in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3.
Patentanspruch 3:
3. Nucleinsäuremolekül, das eine Tandemverdoppelung aufweist und
3.1 unter stringenten Bedingungen zur spezifischen Hybridisierung an ein Nucleinsäuremolekül fähig ist, welches
3.2 eine Tandemverdoppelungsmutation in der Aminosäuresequenz der Juxtamenbran von FLT3, oder
3.3 eine Tandemverdoppelungsmutation in der Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 in der Nucleinsäure nach Anspruch 1 aufweist sowie durch ein von diesen Nucleinsäuren abgeleitetes Polypeptid gemäß Patentanspruch 4, durch eine die patentgemäßen Nucleinsäuremoleküle nach Anspruch 1 oder 2 bzw. das Polypeptid nach Anspruch 4 exprimierende Zelle gemäß Patentanspruch 5, durch einen für das Polypeptid nach Anspruch 4 spezifischen Antikörper gemäß Patentanspruch 6, durch ein Kit gemäß den Patentansprüchen 12 und 19 sowie durch ein Arzneimittel gemäß Patentanspruch 18.
Die Aufgabe wird ferner gelöst durch das im Patentanspruch 7 nach Hauptantrag beanspruchte Verfahren, das folgende Merkmale aufweist:
7. Verfahren zum Nachweis des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 1 oder des Nucleinsäuremoleküls nach Anspruch 2, umfassend die Schritte:
7.a 7.a.a 7.a.b 7.a.c 7.b Durchführung einer Genamplifikationsreaktion mit einer Nucleinsäureprobe von einem Menschen, wobei ein Nucleinsäurefragment amplifiziert wird, welches im FLT3-Gen gefunden werden kann und das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3) Gens umfasst und eine Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran aufweist; Nachweis der Anwesenheit der Tandemverdoppelungsmutation in dem Nucleinsäurefragment aus der Genamplifikationsreaktion.
4. Der zuständige Fachmann ist vorliegend als Team zu definieren, das aus einem Molekularbiologen mit praktischer Erfahrung in der Tumorbiologie sowie einem Mediziner mit Erfahrung in der Behandlung hämatologischer Erkrankungen besteht (vgl. BGH GRUR 2010, 123, 125 Tz. 27 - Escitalopram; BGH GRUR 2007, 404, 406 Tz. 26 - Carvedilo lII).
II.
Die Klage hat insoweit Erfolg, als sich sowohl die mit Hauptantrag verteidigte Anspruchsfassung aufgrund der in ihr enthaltenen Alternative b) der Stoffansprüche 1 bis 3 sowie des darin formulierten Verwendungsanspruchs 17 als auch die mit den Hilfsanträgen I bis III verteidigten Anspruchsfassungen, die in den Stoffansprüchen 1 bis 3 nach wie vor die Alternative b) aufweisen, als unzulässige Erweiterungen des Inhalts der Anmeldung i. S. v. Art. 138 Abs. 1 lit c EPÜ darstellen.
1. Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei Beschreibung und Zeichnungen mit heranzuziehen sind. Der Inhalt der Patent- anmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt, wobei auch zum Offenbarungsgehalt gehört, was der Fachmann aus den Zeichnungen als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Auflage, § 34 Rn. 329). Der Patentanspruch darf deshalb nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht als zur Erfindung gehörend erkennen ließ (vgl. BGH GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II; BGH GRUR 2010, 509, 511 - Hubgliedertor I; GRUR 2010, 513, 514 - Hubgliedertor II). Dies ist vorliegend jedoch der Fall.
Mit den Stoffansprüchen 1 bis 3 nach Hauptantrag sollen Nucleinsäuremoleküle unter Schutz gestellt werden, die für eine Tandemverdoppelungsmutante der FMS-artigen Tyrosinkinase 3 (FLT3) codieren (vgl. Patentanspruch 1), oder eine solche Tandemverdoppelungsmutation einschließen, unabhängig davon, ob die Nucleinsäuremoleküle für FLT3 codierende oder nicht codierende Eigenschaften aufweisen (vgl. Patentanspruch 2) oder fähig sind, an eine Tandemverdoppelungsmutation von FLT3 unter stringenten Bedingungen zu hybridisieren (vgl. Patentanspruch 3), wobei die Tandemverdoppelungsmutation in den Nucleinsäuremolekülen der Stoffansprüche 1 bis 3 gemäß der Alternative b) die Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3 betreffen muss.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die geltenden Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hauptantrag aufgrund der darin genannten Alternative b) gegenüber dem Inhalt der vorliegend als Dokument K12 bezeichneten ursprünglichen Anmeldung keine unzulässige Erweiterung aufweisen, weil die darin ursprünglich offenbarte Lehre nicht auf Tandemverdoppelungen in der Juxtamembran beschränkt sei. Aus Sicht der Beklagten, müsse lediglich ein Teil der duplizierten Sequenz in der Juxtamembran liegen, wie dies auch bei der streitpatentgemäßen, als M155 bezeichneten Probe der Fall sei. Demnach müsse die duplizierte Sequenz zwar aus der Juxtamembran stammen, der Ort der Insertion könne sich jedoch auch auf Exon 12 erstrecken. Nur solche ursprünglich offenbarten Tandemverdoppelungsmutationen würden nach Ansicht der Beklagten auch von der Alternative b) der Stoffansprüche 1 bis 3 umfasst.
Dieser Sichtweise kann sich der Senat nicht anschließen, denn die Benennung einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12, wie in der Alternative b) der Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hauptantrag vorgesehen, reicht nach Ansicht des Senats als Definition dafür, dass der Ursprung und/oder der Ort der Insertion der Tandemverdoppelung in der Juxtamembran liegen muss, nicht aus. Deren Beteiligung an der Tandemverdoppelungsmutation ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil der patentgemäßen Lehre. Zum einen geht aus der in der Streitpatentschrift sowie in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbarten Definition der Tandemverdoppelung unmittelbar und eindeutig hervor, dass die Tandemverdoppelung eine FLT3-Nucleotidsequenz betrifft, in der ein vollständiger Abschnitt oder ein Teilabschnitt einer Nucleinsäure, die eine Juxtamembran codiert, einmal oder mehrere Male in der gleichen Ausrichtung wiederholt wird (vgl. K2, Abs. [0020]; K12, S. 10, Z. 14 bis 17). Zum anderen lehren sowohl die Streitpatentschrift als auch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen an mehreren Stellen, dass die Tandemverdoppelung eine Nucleotidsequenz betrifft, die für die Juxtamembran des FLT3-Gens codiert (vgl. K2, Abs. [0018, 0021, 0022, 0042 und 0069]; K12, S. 9, Z. 23 bis S. 10, Z. 1, S. 11, Z. 17 bis 23, S. 12, Z. 13 bis 16, S. 19, Z. 17 bis 22 und S. 31, Z. 12 bis 15). Dabei wird den Angaben in der Beschreibung der Streitpatentschrift bzw. der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen zur Folge der für die Juxtamembran codierende Bereich durch 18 Basenpaare auf der 3`-Seite des Exons 10 und 117 Basenpaare auf der 5`-Seite des Exons 11 definiert. Die Region umfassend 16 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 11 sowie Exon 12 wird dagegen mit der Codierung eines Teilabschnitts der Tyrosinkinase-Domäne in Verbindung gebracht (vgl. K2, Abs. [0030]; K12, S. 14, Z. 13 bis 16 und 20/21). Daraus ergibt sich, dass der Ursprung und/oder der Ort der Insertion der Tandemverdoppelung in einem Bereich liegen muss, der durch 18 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 10 und 117 Basenpaare auf der 5´-Seite von Exon 11 festgelegt wird, da andernfalls die durch die Lehre des Streitpatents vorgesehene Beteiligung der für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Nucleotidsequenz an der Tandemverdoppelung nicht gewährleistet ist. In Anbetracht dessen werden auch in den streitpatentgemäßen Beispielen 1 und 2 Tandemverdoppelungsmutationen beschrieben, die diese Voraussetzung erfüllen. So wird für die fünf im Beispiel 1 der Streitpatentschrift bzw. der ursprünglichen Offenbarung untersuchten Fälle festgestellt, dass die in diesen Proben nachgewiesenen Längenmutationen auf Tandemverdoppelungen in den Nucleotidsequenzen der Juxtamembran des FLT3-Gens zurückgehen. Nachdem diese Feststellung auch für den als M155 bezeichneten Fall gilt, bei dem die Tandemverdoppelung 46 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 11 und die ersten 16 Basenpaare von Exon 12 umfasst, muss folglich ein Teil der 46 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 11 mit dem für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Bereich im Exon 11 übereinstimmen (vgl. K2, Abs. [0069]; K12, S. 31, Z. 9 bis 22). Für die Fälle des Beispiels 2 wird ebenfalls bestätigt, dass deren Mutationen in der Juxtamembran des FLT3-Gens liegen und keine Mutationen in der für die Domäne der Tyrosinkinase codierenden Nucleotidsequenz gefunden wurden (vgl. K2, Abs. [0072 bis 0074]; K12, S. 33, Z. 6 bis 22). In Kenntnis dessen lässt auch die in der Beschreibung der Streitpatentschrift sowie in den ursprünglich eingereichten Unterlagen getroffene Aussage, dass die nach der patentgemäßen Lehre amplifizierten Fragmente eine im Leseraster liegende Tandemverdoppelung im Exon 11 oder den Exons 11 bis 12 besitzen, keine andere Lesart zu. Nach der im Streitpatent sowie den Erstunterlagen offenbarten technische Lehre ist es somit erforderlich, dass Ursprung und/oder Ort der Insertion der streitpatentgemäßen Tandemverdoppelung in der für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Nucleinsäuresequenz und damit in dem durch 18 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 10 und 117 Basenpaare auf der 5`-Seite von Exon 11 definierten Bereich liegen. Eine solche Einschränkung sieht die Alternative b) der Stoffansprüche 1 bis 3 im Hauptantrag entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung allerdings nicht vor. Die darin allgemein genannte Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 schließt vielmehr auch solche Nucleinsäuremoleküle mit ein, bei denen weder der Ursprung noch der Ort der Insertion der Tandemverdoppelung in dem für die Juxtamembran von FLT3 codierenden Teil des Exons 11 liegt. Denn nachdem - wie bereits zuvor ausgeführt - Abschnitte des Exons 11 und Exons 12 nicht für die Juxtamembran codieren, kann die Tandemverdoppelungsmutation bei diesen Nucleinsäuremolekülen vollständig in einem für die angrenzende Tyrosinkinasedomäne codierenden Bereich auftreten. Derartige Nucleinsäuremoleküle schließt die in der Streitpatentschrift sowie in den Anmeldeunterlagen ursprünglich offenbarte technische Lehre allerdings nicht mit ein. Demzufolge umfasst die Alternative b) der Stoffansprüche 1 bis 3 nach Hauptantrag Nucleinsäuremoleküle, die die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht als zur Erfindung gehörend erkennen ließ. Die Patentansprüche 1 bis 3 nach Hauptantrag sind daher unzulässig erweitert und unterliegen damit der Nichtigkeit.
Durch den direkten oder indirekten Rückbezug auf den Patentanspruch 1 und/oder 2 sind auch die Patentansprüche 4 bis 13 und 15 bis 19 gemäß Hauptantrag unzulässig erweitert.
1.1 Unabhängig von den Stoffansprüchen 1 bis 3 erweist sich auch der Verwendungsanspruch 17 gemäß Hauptantrag als unzulässig erweitert. Dem Wortlaut des Patentanspruchs 17 zur Folge wird damit die Verwendung der patentgemäßen Nucleinsäuremoleküle zur Herstellung eines nicht näher definierten Markers unter Schutz gestellt, der wiederum zur pathologischen Beurteilung des myelodysplastischen Syndroms (MDS) oder von Leukämie eingesetzt wird. Die Verwendung der patentgemäßen Nukleinsäuremoleküle zur Herstellung eines nicht näher definierten Markers wird allerdings weder in der Streitpatentschrift noch in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart. In der Streitpatentschrift sowie den ursprünglichen Anmeldeunterlagen findet sich lediglich der Hinweis, dass die patentgemäßen Nucleinsäuremoleküle selbst als Marker für das myelodysplastische Syndrom (MDS), welches auch im Vorstadium von Leukämie auftritt, eingesetzt werden (vgl. K2, Abs. [0052]; K12, S. 23, Z. 5 bis 9). Im erteilten Patentanspruch 18 des Streitpatents, nicht aber in den ursprünglich eingereichten Unterlagen, wird zwar zusätzlich auf die Verwendung der streitpatentgemäßen Nucleinsäuremoleküle zur Herstellung von Material hingewiesen, das zur patholo- gischen Beurteilung des myelodysplastischen Syndroms oder von Leukämie verwendet wird. Allerdings lässt der im Patentanspruch 18 allgemein verwendete und in der Streitpatentschrift nicht näher definierte Begriff „Material“ nicht unmittelbar und eindeutig erkennen, ob es sich dabei um Marker handelt oder um biochemische Stoffe wie amplifizierte Nucleinsäurefragmente oder exprimierte Proteine, die selbst erst mit spezifischen Markern wie Antisense-DNA oder Antikörpern nachgewiesen werden müssen. Nachdem sich dem Fachmann somit weder aus der Streitpatentschrift noch aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen ohne weiteres, d. h. unmittelbar und eindeutig, eine Verwendung der patentgemäßen Nucleinsäuremoleküle zur Herstellung eines Markers erschließt, kann eine solche Verwendung nicht zum Gegenstand eines Patentanspruches gemacht werden (vgl. BGH GRUR 2010, 910, Ls. und Rn. 46 - Fälschungssicheres Dokument).
1.2 Obwohl der Verwendungsanspruch 17 des Hauptantrags in den Hilfsanträgen I bis III ersatzlos gestrichen wurde, sind die Anspruchsfassungen der Hilfsanträge I und II wegen unzulässiger Erweiterung nach wie vor nicht gewährbar und auch die Anspruchfassung des Hilfsantrags III erweist sich aufgrund unzulässiger Erweiterung teilweise als nicht gewährbar.
In der Anspruchsfassung des Hilfsantrags I sind die Stoffansprüche 1 bis 3 gemäß Hauptantrag in unveränderter Form enthalten. Demzufolge erweisen sich auch die Stoffansprüche 1 bis 3 des Hilfsantrags I sowie die direkt oder indirekt darauf rückbezogenen Patentansprüche 4 bis 13 und 15 bis 18 aus den bereits zuvor unter Punkt II.1. genannten Gründen als unzulässig erweitert.
In den jeweiligen Stoffansprüchen 1 bis 3 der Hilfsanträge II und III wurde gegenüber dem Hauptantrag lediglich die Alternative a) gestrichen, die FMS-artige Tyrosinkinase 3 (FLT3) als „human“ gekennzeichnet und hinsichtlich der Tandemverdoppelungsmutation dahingehend definiert, dass diese „ohne Verschiebung des Leserasters, durch Primer der SEQ ID NO: 26 und SEQ ID NO: 27 amplifiziert werden kann und als Längenmutation nachweisbar ist“. Im jeweiligen Stoffanspruch 1 der Hilfsanträge II und III wurde zudem das im Zusammenhang mit der Nucleotidsequenz genannte Merkmal „einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3“ durch das Merkmal „von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3“ ersetzt. Keine dieser Änderungen definiert somit Tandemverdoppelungsmutationen, die mit Veränderungen in der für die Juxtamembran des FLT3Gens codierenden Region einhergehen und damit zwingend in dem durch 18 Basenpaare auf der 3`-Seite von Exon 10 und 117 Basenpaare auf der 5`-Seite von Exon 11 definierten Bereich liegen müssen. Folglich gelten die Ausführungen zum Hauptantrag für die Stoffansprüche 1 bis 3 der Hilfsanträge II und III entsprechend. Die direkt oder indirekt auf die Patentansprüche 1 bis 3 rückbezogenen Patentansprüche 4 bis 6 und 16 bis 19 gemäß Hilfsantrag II bzw. III teilen das Schicksal der Stoffansprüche 1 bis 3.
1.3 Die weiteren Patentansprüche des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge I und II bedürfen keiner weiteren, isolierten Prüfung, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag sowie die Hilfsanträge I und II als jeweils geschlossene Anspruchssätze versteht und das Streitpatent in der gewählten Reihenfolge der Hilfsanträge verteidigt (vgl. BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 1977, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät; BPatG GRUR 2009, 46 - Ionenaustauschverfahren).
Bezüglich des Hilfsantrags III kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte eine Verteidigung des Streitpatents mit diesem nur dann anstrebt, wenn der dortige Anspruchssatz in Gänze gewährbar ist (vgl. BGH GRUR- RR 456, 457 - Installiereinrichtung).
III.
Den Gegenständen der Patentansprüche 7 bis 15 nach Hilfsantrag III, die in der beschränkt aufrecht erhaltenen Anspruchsfassung in die Patentansprüche 1 bis 9 umnumeriert wurden (vgl. Tenor des Urteils, S. 2 bis 5), kann die Patentfähigkeit nicht abgesprochen werden.
1. Das Verbot der Patentierung diagnostischer Verfahren betrifft Diagnosen, die am menschlichen Körper vorgenommen werden, wobei lediglich die Diagnose als geistige Tätigkeit vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Mit einem Nachweisverfahren wie in den Patentansprüchen 7 bis 12 des Hilfsantrags III beschrieben, werden dagegen biochemische Daten erhoben und daraus Laborergebnisse abgeleitet. Erst auf der Grundlage dieser Laborergebnisse kann der behandelnde Arzt anschließend eine Diagnose erstellen. Damit handelt es sich beim Gegenstand der Patentansprüche 7 bis 12 um ein Verfahren, das lediglich für die Diagnose relevante Zwischenergebnisse liefert, so dass es sich bei diesem Verfahren, anders als von der Klägerin angenommen, nicht um ein Diagnostizierverfahren im Sinne des Gesetzes handelt, und das Verfahren daher auch nicht vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Auch die im patentgemäßen Verfahren verwendete Nucleinsäureprobe eines Menschen führt - entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dazu, dass das Verfahren unter das Patentierungsverbot fällt. Denn der Ausschluss greift nur dann, wenn sämtliche Schritte eines Verfahrens am menschlichen Körper durchgeführt werden (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Auflage, § 2a Rdn. 84 und 85). Beim streitpatentgemäßen Verfahren werden jedoch alle Verfahrensschritte in-vitro und damit unabhängig vom menschlichen Körper durchgeführt (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Auflage, § 2a Rdn. 86, Nr. 3 Benkard, EPÜ, 2. Aufl., Art. 53 Rn. 127 ff.). Aufgrund dessen spielt es keine Rolle, dass die vor dem patentgemäßen Verfahren durchgeführte Probennahme eine Interaktion mit dem menschlichen Körper erfordert und ob es sich dabei - wie von der Klägerin vermutet - um ein immanentes Merkmal des streitpatentgemäßen Verfahrens handelt oder nicht. Nachdem die verwendete Nucleinsäureprobe dem menschlichen Körper durch ein technisches Verfahren im Einklang mit der maßgeblichen Rechts- und Sittenordnung entnommen wird, greift auch das Verbot der Patentierung von isolierten Teilen des menschlichen Körpers nicht (vgl. Benkard a. a. O. Anm. 47 f.).
2. Nach Überzeugung des Senats kann das Verfahren des Patentanspruchs 7 nach Hilfsantrag III nicht in der Weise ausgelegt werden, dass der im Schritt b) genannte Nachweis einer Tandemverdoppelungsmutation einen über einen Län- genvergleich hinausgehenden Nachweis etwa in Form der Sequenzierung der DNA erfordere, wie von der Klägerin vorgetragen.
Aus diesen Gründen handelt es sich auch nicht um eine - nicht patentfähige - Entdeckung.
Bei der Auslegung eines Patentanspruchs sind nach etablierter Rechtsprechung Begriffe in den Patentansprüchen regelmäßig so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung versteht (vgl. BGH GURR 2001, 232, Los. und Rn. 39 - Brieflocher). Da der Schutzbereich somit maßgeblich durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird, kann sich folglich auch aus Beschreibung und Zeichnungen kein Schutzbereich ergeben, der von dem abweichen würde, der sich aus dem Inhalt der Patentansprüche unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnungen ergibt (vgl. Schulte/Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 14 Rdn. 21).
Für eine Interpretation des im Patentanspruch 7 gemäß Hilfsantrag III genannten „Nachweises“ ist daher dessen weitere Ausgestaltung in den auf Patentanspruch 7 rückbezogenen Patentansprüchen 9 und 10 gemäß Hilfsantrag III von besonderer Bedeutung. Zumal sich aus Unteransprüchen regelmäßig Anhaltspunkte für das Verständnis eines im Hauptanspruch verwendeten Begriffs ergeben, da Unteransprüche als rückbezogene Ansprüche definitionsgemäß spezielle Ausführungsvarianten des im Hauptanspruch mit allgemeinen Merkmalen umschriebenen Patentgegenstands betreffen. Ein allgemeines Merkmal des Hauptanspruchs ist daher so auszulegen, dass es auch die im Unteranspruch beschriebene bevorzugte Ausgestaltung erfasst (vgl. Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl. § 14 Rdn. 24).
Dieser vom Allgemeinen zum Spezifischen orientierten Systematik folgend, werden in den auf Patentanspruch 7 rückbezogenen Patentansprüchen 9 und 10 verfahrenstechnische Maßnahmen beschrieben, die den vollständigen Nachweis im Schritt b) des patentgemäßen Verfahrens nach Patentanspruch 7 schrittweise näher kennzeichnen. So wird mit den Merkmalen des Patentanspruchs 9 der streitpatentgemäße Nachweis als Sequenzvergleich beschrieben, der wegen des Rückbezuges auf Patentanspruch 7 auf der Basis der darin genannten Sequenzlängen erfolgt, wobei für deren Bestimmung die Länge einer mutierten FLUT-Sequenz mit derjenigen einer nicht mutierten FLUT-Sequenz verglichen wird. Der nachfolgende Patentanspruch 10 gestaltet wiederum den Nachweis des Patentanspruchs 9 weiter aus, indem die mutierte FLUT-Sequenz nun nicht mehr wie im Patentanspruch 9 mit der Wildtyp-FLUT-Sequenz verglichen wird, sondern mit einer als Index verwendeten Längenmutation.
Würde es sich, wie von der Klägerin angenommen, beim Vergleich des Patentanspruchs 9 dagegen um einen Sequenzierschritt handeln, würde eine derartige Auslegung des Patentanspruchs 9 dazu führen, dass der nachfolgende Patentanspruch 10 mit der darin als Index verwendeten Längenmutation nicht mehr dazu geeignet wäre, den Sequenzierschritt des Patentanspruchs 9 näher zu kennzeichnen. In diesem Fall würden die Patentansprüche 7, 9 und 10 von der vorgeschriebenen Systematik, nach der sich die Merkmale in Haupt- und Unteransprüchen vom Allgemeinen zum Spezifischen hin entwickeln, abweichen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn der eindeutige Rückbezug des Patentanspruchs 10 sowohl auf Patentanspruch 7 als auch auf Patentanspruch 9 legt fest, dass auch die Merkmale des Patentanspruchs 10 den vollständigen Nachweis im Schritt b) des patentgemäßen Verfahrens charakterisieren und daher keine, wie von der Klägerin angenommen, indizierenden Schritte oder Zwischenschritte ohne Nachweischarakter betreffen.
Gegen ein Abweichen von der üblichen Systematik und damit gegen eine Interpretation des im Patentanspruch 7 genannten Nachweises als einen über einen allgemeinen Längenvergleich hinausgehenden Nachweis, sprechen auch die Angaben in der Beschreibung der Streitpatentschrift, die erkennen lassen, dass im patentgemäßen Verfahren der Nachweis einer Tandemverdoppelung bereits dann als erbracht angesehen wird, wenn eine Längenmutation festgestellt werden kann. So findet sich in der Streitpatentschrift wiederholt der Hinweis, dass die Anwesen- heit von Tandemverdoppelungen durch einen Vergleich der Längen amplifizierter DNA-Fragmente, die durch Agarosegel-Elektrophorese aufgetrennt und optisch dargestellt werden, nachgewiesen wird (vgl. K2, Abs. [0026 und 0044]). An anderer Stelle wird in der Streitpatentschrift angegeben, dass Tandemverdoppelungen als Längenmutation nachweisbar sind (vgl. K2, Abs. [0020]).
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung bieten auch die in der Streitpatentschrift erwähnten Sequenzanalysen keinen Anlass dafür, den patentgemäßen Nachweis als eine Kombination von Längenvergleich und Sequenzanalyse zu interpretieren. Denn sowohl in den Beispielen als auch im allgemeinen Beschreibungsteil der Streitpatentschrift werden Sequenzanalysen nur als zusätzliche Kontrollen dafür genannt, dass die zuvor nachgewiesenen Längenmutationen im FLT3-Gen tatsächlich auf eine Tandemverdoppelung unter Beteiligung der Juxtamembran des FLT3-Gens zurückzuführen sind und damit der dem Streitpatent zugrunde liegenden technischen Lehre entsprechen (vgl. K2, Abs. [0069, 0072 und 0073]). Damit lässt die Beschreibung der Streitpatentschrift eindeutig erkennen, dass eine Sequenzierung lediglich für das erstmalige Auffinden der patentgemäßen Tandemverdoppelungsmutationen in der Juxtamembran des FLT3Gens erforderlich war, der Nachweis der Tandemverdoppelung in Kenntnis dieser Lehre jedoch durch einen alleinigen Längenvergleich geführt werden kann, sofern hierfür - wie im Verfahren des Patentanspruchs 7 vorgesehen - die für die Juxtamembran des FLT3-Gens codierende Nucleotidsequenz verwendet wird. In Kenntnis der streitpatentgemäßen Lehre wird der Fachmann daher den Nachweis einer Längenmutation als Synonym für den Nachweis einer Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens verstehen, da die Angaben in der Streitpatentschrift keinen Zweifel daran erkennen lassen, dass sich die patentgemäßen Tandemverdoppelungsmutationen als Längenmutationen äußern.
Das von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, Schnittger et al. hätten in ihrem als Dokument K29 vorgelegten Artikel aus dem Jahr 2012 festgestellt, dass etwa ein Drittel der Fälle mit nachgewiesener Längenmutation keine Tandemverdoppelungsmutationen, sondern andere Mutationen auf- weise und damit bewiesen sei, dass ein reiner Längenvergleich im streitpatentgemäßen Nachweisverfahren nicht ausreiche, vermag ebenfalls nicht zu greifen, da diese Erkenntnis zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents noch nicht vorlag und daher bei der Interpretation des im Patentanspruch 7 genannten Nachweises nicht zu berücksichtigen ist (vgl. K29, S. 913, li. Sp., zweiter Abs.).
Die vorangegangenen Ausführungen gelten für das Verfahren des nebengeordneten Patentanspruchs 8 entsprechend, da sich dieses Verfahren vom Verfahren des Patentanspruchs 7 nur dadurch unterscheidet, dass die eingesetzten Nucleinsäureproben Nucleinsäuremoleküle enthalten, die sowohl für die Tyrosinkinase 3 (FLT3) codierende als auch nicht codierende Eigenschaften aufweisen.
Die Auslegung des Patentanspruchs 15 gemäß Hilfsantrag III als eine kombinierte Verwendung, bei der, wie von der Klägerin vermutet, die Durchmusterung auf einen Arzneistoff gleichzeitig mit der Untersuchung und Behandlung von Erkrankungen einhergeht, ist mit der im Streitpatent sowie den Erstunterlagen offenbarten technischen Lehre weder beabsichtigt noch technisch realisierbar und nach Ansicht des Senats auch nicht zutreffend. Aufgrund der Angaben in der Streitpatentschrift und den Erstunterlagen erkennt der Fachmann vielmehr unmittelbar und eindeutig, dass im Patentanspruch 15 des Hilfsantrags III zwei voneinander getrennte Verwendungszwecke angegeben werden, nämlich zum einen die Durchmusterung auf einen Arzneistoff unter Einsatz der darin genannten mutierten und nicht mutierten Zellen und zum anderen die Untersuchung und Behandlung verschiedener Erkrankungen mit Hilfe des darin angesprochenen patentgemäßen Verfahrens, das auf dem Nachweis von amplifizierten Tandemverdoppelungsmutationen in der Juxtamembran von FLT3 basiert (vgl. K2, Abs. [0063 und 0064]; K12, S. 27, Z. 19 bis S. 28, Z. 6).
3. Soweit die Klägerin geltend macht, dass die in den Patentansprüchen 7, 8, 10, 11, 12, 14 und 15 vermittelte Lehre gegenüber der ursprünglichen Offenbarung eine unzulässige Erweiterung aufweise, führt die Klage ebenfalls nicht zum Erfolg.
Die Merkmale des Patentanspruchs 7 gemäß Hilfsantrag III sind aus den erteilten Patentansprüchen 1, 7 und 10 sowie den Absätzen [0020, 0021, 0030, 0066 und 0067] der Streitpatentschrift ableitbar (vgl. K2); sie gehen ferner auf Patentanspruch 15 der Erstunterlagen (vgl. K11) sowie auf die Angaben der Seiten 10 (Zeile 25), 11 (Zeilen 1 und 2 sowie 13 bis 15), 19 (Zeilen 17 bis 25), 20 (Zeilen 1 bis 3), 28 (Zeilen 11 bis 25) und 29 (Zeilen 1 bis 21) in der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung zurück (vgl. K12). Der Patentanspruch 8 basiert auf den erteilten Patentansprüchen 2 und 7 sowie den Absätzen [0020, 0021, 0030, 0066 und 0067] der Streitpatentschrift (vgl. K2); er geht ferner auf den Patentanspruch 15 der Erstunterlagen (vgl. K11) sowie auf die Angaben der Seiten 10 (Zeile 25), 11 (Zeilen 1 und 2, 13 bis 15 und 17 bis 25), 12 (Zeilen 1 bis 16), 19 (Zeilen 17 bis 25), 20 (Zeilen 1 bis 3), 28 (Zeilen 11 bis 25) und 29 (Zeilen 1 bis 21) in der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung zurück (vgl. K12). Die Patentansprüche 9 bis 14 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 8 bis 13; der Patentanspruch 15 geht auf die erteilten Patentansprüche 4, 14 und 15 sowie die Absätze [0020, 0021 und 0043] der Streitpatentschrift zurück (vgl. K2). Die Patentansprüche 9 bis 14 basieren ferner auf den ursprünglichen Ansprüchen 15, 17 und 18 sowie auf den Angaben der Seiten 10 (Zeile 14 bis 17 und 25), 11 (Zeilen 1, 2 und 13 bis 23), 15 (Zeilen 1 bis 3), 20 (Zeilen 7 bis 13 und 22 bis 25), 21 (Zeilen 1 bis 3), 23 (Zeilen 13 bis 22), 27 (Zeilen 19 bis 25), 28 (Zeilen 1 bis 6 und 15 bis 21) und 32 (Zeilen 17 bis 21) der Erstunterlagen (vgl. K11 und K12).
Entgegen der von der Klägerin geäußerten Bedenken wurden die Patentansprüche 7 und 8 des Hilfsantrags III nicht dadurch unzulässig erweitert, dass darin der in der Streitpatentschrift sowie den ursprünglichen Unterlagen verwendete Ausdruck „Nucleotidsequenz einer Region umfassend Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3“ durch den Passus „Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 von FLT3“ ersetzt wurde. Durch die Streichung des Ausdrucks „einer Region umfassend“ wird nach Ansicht des Senats vielmehr die für das patentgemäße Nachweisverfahren relevante Nucleotidsequenz auf die exakte Sequenz von Exon 11 oder Exon 11 bis 12 beschränkt, da die Einbeziehung weiterer Nucleo- tidsequenzen auf der 3`- und/oder 5`-Seite von Exon 11 und 12 dadurch ausgeschlossen wird. Eine solche Beschränkung wird sowohl durch die Offenbarung der Streitpatentschrift als auch durch den Gesamtinhalt der Erstunterlagen gestützt, da darin jeweils die Aussage getroffen wird, dass die Tandemverdoppelungsmutation innerhalb der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 liegt (vgl. K2, Abs. [0031]; K12, S. 15, Z. 1 bis 3). Die Patentansprüche 7 und 8 des Hilfsantrags III haben auch dadurch, dass darin auf die im Verfahren des ursprünglichen Patentanspruchs 15 (vgl. K11) unter Schritt a) durchgeführte Herstellung einer humanen Nucleinsäureprobe verzichtet wurde, keine unzulässige Erweiterung erfahren. Zum einen erfolgt die Probenherstellung im streitpatentgemäßen Verfahren auf übliche Weise, so dass das Merkmal der Probenherstellung keinen Beitrag zu der in den Patentansprüchen 7 und 8 beschriebenen technischen Lehre leistet. Zum anderen versteht es sich für den Fachmann von selbst, dass für ein Nachweisverfahren zuvor Proben auf eine ihm bekannte Weise hergestellt werden müssen. Demzufolge ist der Verzicht auf die Probenherstellung im Verfahren der Patentansprüche 7 und 8 nicht mit einer Änderung der ursprünglich offenbarten technischen Lehre verbunden und der Gegenstand der geltenden Patentansprüche 7 und 8 reicht damit auch nicht weiter als der Inhalt der ursprünglichen Anmeldung.
In Anbetracht dessen, dass nach der in der Streitpatentschrift sowie in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten technischen Lehre die Tandemverdoppelungsmutation innerhalb der Nucleotidsequenz von Exon 11 oder Exons 11 bis 12 liegt (vgl. K2, Abs. [0031]; K12, S. 15, Z. 1 bis 3) und der Tatsache, dass die Juxtamembran im Falle von FLT3 eine Region einschließt, die von 18 Basenpaaren auf der 3`-Seite von Exon 10 und 117 Basenpaaren auf der 5`-Seite von Exon 11 definiert wird, lassen auch die in den Patentansprüchen 11 und 14 des Hilfsantrags III genannten Primer zur Amplifizierung der zu untersuchenden Nucleinsäuremoleküle mit den SEQ ID NO. 26, 27, 30, 31, 32 und 33, die für die Exons 10 (SEQ ID NO. 26/27), 11 (SEQ ID NO. 30/31) und 12 (SEQ ID NO. 32/33) spezifisch sind, keine unzulässige Erweiterung erkennen (vgl. K2, Abs. [0030] und [0071]; K12, S. 14, Z. 13 bis 21 und S. 32, Z. 17 bis 21).
Nicht zutreffend ist ferner, dass - wie von der Klägerin vorgetragen - das patentgemäße Verfahren ursprünglich nur auf codierende Nucleinsäuremoleküle angewendet worden ist, so dass das Verfahren des Patentanspruchs 8 auch aus diesem Grund über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht. In den ursprünglichen Unterlagen findet sich nämlich zum einen der Hinweis, dass für die streitpatentgemäße Lehre nicht nur die für die Aminosäuresequenz der Juxtamembran von FLT3 codierenden Nucleinsäuremoleküle von Bedeutung sind, sondern auch die wesentlich kürzeren Nucleinäuremoleküle der SEQ ID NOs. 6 bis 15, die aufgrund ihrer verkürzten Sequenz jedoch keine für die Juxtamembran codierenden Eigenschaften aufweisen (vgl. K12, S. 11, Z. 17 bis S. 12, Z. 5). Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass die vollständige Region der Juxtamembran von FLT3 oder nur Teile davon für den Nachweis zu amplifizieren sind (vgl. K12, S. 19, Z. 17 bis 22). Entsprechend werden mit dem im ursprünglich eingereichten Patentanspruch 15 genannten Verfahren im Schritt b) nicht nur Nucleinsäuresequenzen mit einer Tandemverdoppelungsmutation, die für eine Rezeptor-Protein-Kinase codieren, amplifiziert, sondern auch Teilsequenzen davon, die lediglich aus der codierenden Nucleinsäuresequenz stammen müssen (vgl. K11, Anspruch 15). Der im Patentanspruch 8 des Hilfsantrags III vorgesehene Nachweis von codierenden und nicht codierenden Nucleinsäuremolekülen liegt demzufolge im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung und ist daher nicht zu beanstanden.
Auch das Argument der Klägerin, die im Patentanspruch 10 des Hilfsantrags III genannte Verwendung einer Längenmutation als Index für die Tandemverdoppelungsmutation sei ursprünglich nicht offenbart, vermag nicht zu überzeugen. Sowohl der Streitpatentschrift als auch den Erstunterlagen ist nämlich zu entnehmen, dass der Nachweis einer Tandemverdoppelungsmutation durch bevorzugtes Vergleichen der Längen amplifizierter DNA-Fragmente im Verfahren der AgarosegelElektrophorese erfolgen kann. Für diesen Vergleich werden regelmäßig standardisierte Längenmarker verwendet, oder dabei bereits identifizierte Zielsequenzen als Längenstandard eingesetzt (vgl. K2, Abs. [0044]; K12, S. 20, Z. 7 bis 13). Die Merkmale des Patentanspruchs 10 nach Hilfsantrag III geben somit lediglich die bei der Agarosegel-Elektrophorese übliche Vorgehensweise an und sind daher ebenfalls Bestandteil der ursprünglich offenbarten technischen Lehre.
Ursprünglich offenbart ist - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - auch der im Patentanspruch 12 nach Hilfsantrag III beschriebene Sachverhalt, dass eine patentgemäße Tandemverdoppelungsmutation im Gen einer normalen Testperson nicht gefunden wird. Dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung sowie der Streitpatentschrift ist nämlich zu entnehmen, dass im Rahmen der vorliegenden Erfindung blutbildende Stammzellen, die die patentgemäße Tandemverdoppelungsmutation exprimieren, mit Zellen verglichen werden, die das normale FLT3-Gen exprimieren, was allerdings nur dann möglich ist, wenn mutierte Zellen mit den nicht mutierten Zellen einer gesunden, d. h. normalen Testperson verglichen werden (vgl. K2, Abs. [0063]; K12, S. 27, Z. 19 bis S. 28, Z. 2). Diesen ursprünglich offenbarten Vergleichsschritt beschreiben die Merkmale des Patentanspruchs 12 nach Hilfsantrag III und gehen damit nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus.
Ausgehend von dem bereits zuvor unter Punkt III.2 dargelegten Verständnis des Patentanspruchs 15 nach Hilfsantrag III weist auch dieser keine unzulässige Erweiterung auf, da sich für die darin genannte Verwendung der Zellen zur Durchmusterung auf einen Arzneistoff sowie die Verwendung des patentgemäßen Verfahrens zur Untersuchung und Behandlung einer Blutzellerkrankung oder einer Erkrankung blutbildender Stammzellen sowohl in der Streitpatentschrift als auch den Erstunterlagen eine Stütze findet (vgl. K2, Abs. [0063 und 0064]; K12, S. 27, Z. 25 bis S. 28, Z. 6).
4. Das Nachweisverfahren der Patentansprüche 7 und 8 wird bei der zuvor unter Punkt III.2 genannten Auslegung nach Ansicht des Senats in der Streitpatentschrift auch so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann dieses ausführen kann.
So finden sich in der Streitpatentschrift nicht nur Angaben dazu, wie die im Nachweisverfahren der Patentansprüche 7 und 8 eingesetzte Probe aus menschlicher Nucleinsäure isoliert werden kann (vgl. K2, Abs. [0025 bis 0028 und 0040]), sondern auch wie daraus im Schritt a) des patentgemäßen Verfahrens das Nucleinsäurefragment mit einer Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens zu amplifizieren ist (vgl. K2, Abs. [0030 und 0041 bis 0043]). Des Weiteren werden in der Streitpatentschrift verschiedene Techniken wie die Agarosegel-Elektrophorese oder Hybridisierungsreaktionen beschrieben, mit denen das Vorliegen einer Tandemverdoppelung in der untersuchten Nucleinsäure im Schritt b) des Verfahrens nachgewiesen werden kann (vgl. K2, Abs. [0044 und 0046]). Obwohl dem Fachmann schon aufgrund seines allgemeinen Fachwissens die zuvor genannten verfahrenstechnischen Maßnahmen bekannt sind und er für deren praktische Realisierung daher keine näheren Angaben benötigt, werden die Techniken im streitpatentgemäßen Beispiel 1 dennoch näher erläutert (vgl. K2, Abs. [0066 und 0067]). Demzufolge offenbart die Streitpatentschrift genügend Informationen, die dem Fachmann unter zumutbarem Aufwand die praktische Verwirklichung des beanspruchten Verfahrens ermöglichen (vgl. Schulte/Moufang PatG, 8. Auflage § 34 Rdn. 370 und BGH GRUR 2010, 916, Ls. - Klammernahtgerät).
Das weitere Argument der Klägerin, im Streitpatent sei nicht offenbart, wie der Nachweis der Tandemverdoppelung erfolgen solle, so dass mit dem Verfahren der Patentansprüche 7 und 8 die patentgemäße Aufgabe nicht gelöst werde, vermag nicht zu greifen, da dem Fachmann hierfür geeignete Methoden bekannt sind und - wie bereits zuvor ausgeführt - einige davon in der Streitpatentschrift sogar näher erläutert werden.
Nach Ansicht der Klägerin sei die fehlende Ausführbarkeit des streitpatentgemäßen Verfahrens auch darin begründet, dass von einer menschlichen Probe naturgemäß nicht bekannt sei, ob die darin enthaltene, für FLT3 codierende Nucleinsäure eine Tandemverdoppelung aufweise oder nicht, so dass der Nachweis einer solchen Mutation mit diesem Verfahren nicht in jedem Fall gewährleistet sei.
Nach Ansicht der Klägerin müsse das streitpatentgemäße Verfahren daher einen Selektionsschritt enthalten, mit dem mutierte Proben vor dem Nachweisschritt ermittelt werden könnten. Nachdem die Streitpatentschrift einen solchen selektiven Verfahrensschritt jedoch nicht enthalte, sei das beanspruchte Verfahren nicht ausreichend offenbart.
Dieser Sichtweise kann sich der Senat nicht anschließen, denn die Auffassung der Klägerin wird durch den Wortlaut des Patentanspruch 7 selbst widerlegt. Darin wird nämlich ausgesagt, dass die Genamplifikationsreaktion mit Nucleinsäureproben durchgeführt wird, in denen eine Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens gefunden werden kann und daher nicht zwingend gefunden werden muss. Demzufolge schließt das Verfahren der Patentansprüche 7 und 8, wie alle bekannten Nachweisverfahren, auch den negativen Nachweis mit ein.
Da ein solch negativer Nachweis immer dann zu erwarten ist, wenn wie im Patentanspruch 12 des Hilfsantrags III beschrieben, nicht mutierte Zellen einer gesunden Person als Vergleich herangezogen werden, gehen demzufolge auch die Merkmale des Patentanspruchs 12 nicht über das allgemeine Können und Wissen des Durchschnittsfachmanns hinaus.
IV.
Der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ) im Hinblick auf fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit ist hinsichtlich der Patentansprüche 7 bis 15 gem. Hilfsantrag III ebenfalls nicht begründet.
1. Die Gegenstände der Patentansprüche 7, 8, 13 und 15 sind neu.
1.1 Das mit den Patentansprüchen 7 und 8 nach Hilfsantrag III bereitgestellte Verfahren ist neu, weil in keinem der zitierten Dokumente ein Nachweisverfahren beschrieben wird, das alle im Patentanspruch 7 bzw. 8 genannten Merkmale erfüllt.
Dies gilt auch für die von der Klägerin als neuheitsschädlich erachtete Druckschrift K3. Die Autoren Birg et al. berichten darin über die Ergebnisse einer Studie betreffend das Expressionsmuster des FLT3-Gens in akuten Leukämien vom myeloischen und lymphatischen Typ. Da das FLT3-Gen zu derjenigen Genfamilie gehört, die Typ III Rezeptor-Tyrosinkinasen wie FMS oder KIT codiert, welche sowohl in normalen blutbildenden Vorläuferzellen als auch in myeloisch leukämischen Zellen exprimiert werden, untersuchen Birg et al. in ihrer Studie die FLT3Expression in humanen leukämischen Zellen. Für ihre Untersuchungen wenden sie die sog. Southern- bzw. Northern Blot-Analyse an - eine molekularbiologische Methode, bei der die in der Gelelektrophorese aufgrund ihrer unterschiedlichen Längen aufgetrennten DNA- bzw. RNA-Moleküle auf eine Membran übertragen und dort durch spezifische Sonden nachgewiesen werden (vgl. K3, Titel i. V. m. S. 2584, Abstract und S. 2585, re. Sp., zweiter bis vierter Abs.). Eine Genamplifikationsreaktion, bei der unter Einsatz von Primern sowie eines spezifischen Enzyms kurze, genau definierte Abschnitte einer Nucleinsäure vervielfältigt werden, setzen Birg et al. in ihrer Studie dagegen nicht ein. Demzufolge ist der Druckschrift K3 kein auf der Durchführung einer Genamplifikationsreaktion basierendes Nachweisverfahren, wie im Patentanspruch 7 bzw. 8 angegeben, zu entnehmen.
Zu keiner anderen Sichtweise kann der Vortrag der Klägerin führen, dass eine solche Genamplifikationsreaktion zu dem für das Streitpatent relevanten Zeitrang bereits dem allgemeinen Wissen und Können des Fachmanns zuzurechnen sei und der Fachmann daher eine solche molekularbiologische Methode in der K3 ohne weiteres mitlese. Sämtliche Versuche zum Nachweis der Expression von FLT3 erfolgen in K3 nämlich nach dem Prinzip der spezifischen Sonden-Hybridisierung, bei dem die für das FLT3-Gen spezifischen Sonden nur dann an die aus den untersuchten Zellen isolierte RNA oder DNA binden, wenn diese das ge- suchte FLT3-Gen enthalten, so dass eine Genamplifikationsreaktion für die in K3 beschriebene technische Lehre nicht von Bedeutung ist und der Einsatz einer solchen Reaktion der K3 daher auch nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden kann (vgl. K3, Figuren 1 bis 5 und Tabellen 1 bis 3) (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 2. Ls. und Rn. 25 und 26 - Olanzapin).
Des Weiteren wird in der K3 auch kein Nucleinsäuremolekül offenbart, das wie im Schritt a) des Verfahrens nach Patentanspruch 7 bzw. 8 angegeben, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 des FLT3-Gens umfasst und eine Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran aufweist. In der K3 werden zwar außer der nicht mutierten Wildtyp-mRNA von FLT3 mit einer Länge von 3,7 kb noch weitere mRNA-Transkripte von FLT3 mit einer Länge von 13 kb bzw. 3,9 bis 4,0 kb und damit verlängerte Mutanten von FLT3 offenbart. Genauere Angaben können Birg et al. zu den verschiedenen, von ihnen isolierten mRNA-Transkripten allerdings nicht machen, da sie zum Zeitpunkt ihrer Studie noch nicht über vollständige genomische Klone bzw. cDNA-Klone des FLT3-Gens verfügen (vgl. K3, S. 2590, spaltenübergreifender Abs.). Aus diesem Grund wird in der K3 weder die Art noch die Position der Mutation angegeben, die zur Verlängerung der darin beschriebenen mRNA-Transkripte von FLT3 geführt hat. Nachdem somit, anders als von der Klägerin angenommen, zahlreiche Varianten in Form von Sequenzeinschüben (Insertionen) und/oder Sequenzwiederholungen (Duplikationen) innerhalb der für das FLT3-Gen codierenden Region für die Entstehung der von Birg et al. beobachteten verlängerten mRNA-Transkripte von FLT3 in Frage kommen, sind der K3 - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - keine Nucleinsäuremoleküle zu entnehmen, die - wie im Schritt a) des Verfahrens nach Patentanspruch 7 bzw. 8 angegeben - das Exon 11 oder die Exons 11 bis 12 umfassen und eine Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens aufweisen.
In der ein Jahr nach der Druckschrift K3 veröffentlichten Druckschrift K4 berichten Rosnet et al. über die Klonierung der humanen cDNA der FLT3-Rezeptor-Tyrosinkinase sowie über deren Expression in hämatopoetischen Zellen (vgl. K4, S. 1110, Titel i. V. m. Abstract). Zum Nachweis der Expression von FLT3 in humanen Zellen und Geweben führen Rosnet et al. Genamplifikationsreaktionen durch und stellen die damit erhaltenen Produkte gelelektrophoretisch dar (vgl. K4, S. 1114, li. Sp., letzter Satz bis S. 1115, re. Sp., vorletzter Abs. i. V. m. Fig. 6 und S. 1116/1117, seitenübergreifender Abs.). Tandemverdoppelungsmutationen, wie im Verfahren des Patentanspruchs 7 bzw. 8 angegeben, weisen die Autoren der K4 dabei allerdings nicht nach, denn Ziel ihrer Studie ist es, die Verteilung von FLT3 in den hämatopoetischen Zellen und Geweben des menschlichen Körpers im Detail aufzuzeigen und nicht nach Defekten im FLT3-Gen zu suchen. Ein weiterer Beleg dafür, dass in K4 Mutationen in den für die Juxtamembran des FLT3Gens relevanten Exons 11 bis 12 nicht näher untersucht und beschrieben werden, sind auch die in der Figur 1 der K4 dargestellten Hybridisierungsstellen, an denen sich die in der Studie verwendeten Primer und Sonden anlagern. Die für das 5`Ende der codierenden Region von FLT3 spezifischen Primer sowie die über die gesamte cDNA verteilten Sonden lassen erkennen, dass diese auf den Erhalt von cDNA-Klonen abgestimmt sind und nicht auf den Nachweis von Mutationen in der Juxtamembran des FLT3-Gens, da die Primer und Sonden hierfür in oder um den für die Juxtamembrandomäne codierenden Bereich liegen müssten (vgl. K4, S. 1111, Fig. 1 i. V. m. li. Sp., dritter Abs. bis re. Sp., erster Abs.). Selbst der Einsatz der in den Genamplifikationsreaktionen verwendeten Primer liefert den Angaben in K4 zur Folge keine FLT3-Mutanten mit den in Rede stehenden Tandemverdoppelungsmutationen, da damit lediglich das für die Wildtyp-mRNA von FLT3 typische mRNA-Transkript mit einer Länge von 3,7 kb oder kürzere Teilsequenzen davon amplifiziert werden (vgl. K4, S. 1112, li. Sp., zweiter Abs. i. V. m. Fig. 2 und S. 1116/1117, Fig. 6). Demzufolge offenbart auch die K4 kein Verfahren, bei dem Nucleinsäuremoleküle umfassend das Exon 11 oder die Exons 11 bis 12 des FLT3-Gens mit einer Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran amplifiziert und nachgewiesen werden.
Zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führt auch das Argument der Klägerin, dass sich aus einem Vergleich der in K4 gezeigten Aminosäuresequenz des murinen FLT3 mit der Aminosäuresequenz des humanen FLT3 eine Tandemverdoppelungsmutation in den Positionen 596 bis 599 der humanen Aminosäuresequenz und damit in der Juxtamenbran von FLT3, wie im Patentanspruch 7 bzw. 8 beschrieben, ergebe, denn das Verfahren nach Patentanspruch 7 bzw. 8 ist auf Nucleinsäureproben von einem Menschen und damit auf humane Proben beschränkt. Folglich muss sich die in Rede stehende Tandemverdoppelungsmutation bei einem Vergleich menschlicher Proben ergeben und nicht wie in K4 aus dem Vergleich einer murinen mit einer humanen Probe.
Die Verbindung zwischen leukämischen Phänotypen und der Expression von Typ III Rezeptor-Tyrosinkinasen wie FLT3, FMS oder KIT wird auch in der als Dokument K5 vorgelegten Studie aus dem Jahr 1994 untersucht. Die Autoren suchten dabei zwar auch nach genetischen Veränderungen in den für die Typ III RezeptorTyrosinkinasen codierenden Bereichen. Sie stellen in diesem Zusammenhang aber lediglich fest, dass das humane FMS-Gen durch Punktmutationen in Fällen von akuter myeloischer Leukämie aktiviert wird, schließen aber gleichzeitig aus, dass eine solches Verhalten auch auf die anderen Typ III Rezeptor-Tyrosinkinasen übertragbar ist und weisen daher darauf hin, dass sie in ihrem Labor auch nach aktivierenden Mutationen im FLT3-Gen von akuten leukämischen Zellen suchen (vgl. K5, S. 225/226, seitenübergreifender Abs.). Folglich finden auch in dieser Studie Mutationen betreffend das Exon 11 bzw. die Exons 11 bis 12 des FLT3Gens keine besondere Berücksichtigung, so dass auch die K5 keinen Nachweis von Nucleinsäuremolekülen mit den im Patentanspruch 7 bzw. 8 genannten Tandemverdoppelungsmutationen in der Juxtamembran von FLT3 beschreibt.
Die weiteren Entgegenhaltungen liegen entweder ferner oder sind nachveröffentlicht und können die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 7 bzw. 8 deshalb nicht in Frage stellen. Dies gilt auch für die nach dem für das Streitpatent maßgeblichen Zeitrang veröffentlichten Druckschriften K10 und K24. Da das Verfahren der Patentansprüche 7 und 8 aus den bereits zuvor unter Punkt III.3 ge- nannten Gründen keine unzulässige Erweiterung aufweist, kann hierfür nämlich die Priorität des Streitpatents wirksam in Anspruch genommen werden, so dass es sich bei den Druckschriften K10 und K24 nicht um neuheitsschädlichen Stand der Technik handelt. Die weiteren Entgegenhaltungen wurden in der mündlichen Verhandlung zur Beurteilung der Neuheit auch nicht in Betracht gezogen.
1.2 Auch der Gegenstand des Sachanspruchs 13 sowie des Verwendungsanspruchs 15 ist gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu. Denn wie bereits vorstehend im Bezug auf die Patentansprüche 7 und 8 dargelegt, wird die Amplifizierung eines Nucleinsäuremoleküls, das Exon 11 oder Exons 11 bis 12 umfasst und eine Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran des FLT3Gens aufweist, in keiner der zuvor genannten Entgegenhaltungen offenbart.
2. Die Gegenstände der Patentansprüche 7, 8, 13 und 15 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgangspunkt zur Lösung der Aufgabe bildet für den Fachmann die von Birg et al. im Jahr 1992 veröffentlichte Druckschrift K3. Aus ihr erhält der Fachmann allerdings lediglich den Hinweis, dass sich insbesondere in den Proben von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) neben der Wildtyp-mRNA von FLT3 noch weitere mRNA-Transkripte von FLT3 finden, die mit 13 kb bzw. 3,9 bis 4,0 kb größer sind als die 3,7 kb lange Wildtyp-mRNA (vgl. K3, S. 2586, spaltenübergreifender Abs. und S. 2590, spaltenübergreifender Abs.). Die Autoren stellen in K3 zwar Vermutungen darüber an, was die Ursache für die Entstehung der verlängerten mRNA-Transkripte von FLT3 sein könnte. Aussagen darüber, wie die Verlängerung im Detail zustande kommt und in welchem codierenden Abschnitt des FLT3-Gens sie auftritt, treffen Birg et al. in K3 allerdings nicht, da sie über die hierfür erforderliche genomische DNA und cDNA von FLT3 noch nicht verfügen. Sie weisen in diesem Zusammenhang lediglich darauf hin, dass an der Bereitstellung der vollständigen genomischen DNA sowie der cDNA von FLT3 gearbeitet werde (vgl. K3, S. 2590, spaltenübergreifender Satz). Damit signalisieren sie dem Fachmann allenfalls, dass eine weitergehende Untersuchung dieser Mutanten von Interesse sein könnte. Mit den in K3 ausführlich beschriebenen Versuchen geben Birg et al. dagegen eindeutig zu erkennen, dass sie mit ihrer Studie das Ziel verfolgen, durch den Nachweis der Expression des FLT3-Gens in leukämischen Zellen auf mRNA Ebene einen relativ spezifischen und unempfindlichen Marker für akute Leukämien zu entwickeln. Damit rücken sie den Zusammenhang zwischen der Expression von FLT3 und dem Auftreten bestimmter leukämischer Phänotypen in den Fokus der Fachwelt (vgl. K3, S. 2590, re. Sp., zweiter Abs. und S. 2591/2592, seitenübergreifender Abs.). Folglich erhält der Fachmann in der K3 weder einen Hinweis darauf, dass verlängerte mRNA-Transkripte von FLT3 mit bestimmten leukämischen Phänotypen in Verbindung stehen, noch, dass Tandemverdoppelungen in der Juxtamembran von FLT3 unter Beteiligung des Exons 11 oder der Exons 11 bis 12 für das Auftreten leukämischer Phänotypen von Bedeutung sind. Die Entgegenhaltung K3 kann das Nachweisverfahren der Patentansprüche 7 und 8 daher nicht nahelegen.
Ausgehend von K3 benötigt der Fachmann somit weitere Informationen, um zur patentgemäßen Lösung, wie sie in den Patentansprüchen 7 und 8 beschrieben wird, zu gelangen. Er wird daher auch die ein Jahr später von Rosnet et al. veröffentlichte Studie, die vorliegend als Dokument K4 bezeichnet wird und an deren Erstellung mehrere Autoren der K3 ebenfalls beteiligt waren, zu Rate ziehen. Schwerpunkt dieser Arbeit sind die Bereitstellung der cDNA sowie der Aminosäuresequenz des humanen FLT3-Gens und weitergehende Untersuchungen zur Expression des FLT3-Gens in humanen hämatopoetischen Zellen (vgl. K4, Titel i. V. m. S. 1110, Abstract). Rosnet et al. gehen in K4 allerdings davon aus, dass spontan auftretende Mutationen in der für die FLT3 Rezeptor-Tyrosinkinase codierenden Region bisher noch nicht beobachtet wurden, da diese vermutlich zu letalen Effekten im humanen Organismus führen (vgl. K4, S. 1110, re. Sp., dritter Abs., vorletzter Satz). Aufgrund der in K4 beschriebenen Experimente gelangen die Autoren jedoch zu der Überzeugung, dass künftig auch Veränderungen des FLT3-Gens im Zusammenhang mit der Entstehung von Leukämien untersucht werden sollten, ohne jedoch in K4 auf genetische Veränderungen des FLT3-Gens näher einzugehen (vgl. K4, S. 1118, li. Sp., dritter Abs.). Demzufolge beinhaltet auch die K4 keine weitergehenden Informationen, die in Richtung der streitpatentgemäßen Lösung weisen würden.
In der 1994 veröffentlichten und vorliegend als Dokument K5 bezeichneten Studie spekulieren die Autoren weiterhin darüber, ob durch bestimmte Veränderungen in den Genen der Typ III Rezeptor-Tyrosinkinasen FMS, KIT und/oder FLT3 Leukämien ausgelöst werden können (vgl. K5, Titel und Abstract). Sie kommen allerdings lediglich zu dem Schluss, dass Punktmutationen als mögliche Ursache für die Aktivierung des FMS-Gens in Betracht kommen. Andererseits stellen sie jedoch fest, dass sie bei den von ihnen durchgeführten Southern-Blot Analysen in den für die Typ III Rezeptor-Tyrosinkinasen FMS, KIT und FLT3 codierenden Genen keine übereinstimmenden genetischen Veränderungen beobachten konnten (vgl. K5, S. 225, re. Sp., zweiter bis letzter Abs.). In Anbetracht dessen weisen sie in K5 darauf hin, dass sie weitere Experimente durchführen werden, bei denen sie gezielt nach aktivierenden Mutationen im FLT3-Gen von akuten leukämischen Zellen suchen (vgl. K5, S. 225/226, seitenübergreifender Satz). Die Druckschrift K5 liefert dem Fachmann, wie schon die bereits zuvor genannten Druckschriften K3 und K4, daher lediglich eine Anregung dafür, nach genetischen Veränderungen im FLT3-Gen zu suchen. Wie diese Mutationen aussehen, ob sie bei der Entstehung von Bluterkrankungen tatsächlich von Bedeutung sind und ob die Mutationen sich als spezifische Marker für leukämische Phänotypen in Nachweisverfahren eignen, geht aus den zitierten Entgegenhaltungen jedoch nicht hervor.
Um zu den in den Patentansprüchen 7 und 8 beschriebenen Nachweisverfahren zu gelangen, die auf dem Nachweis einer Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens unter Beteiligung des Exons 11 oder der Exons 11 bis 12 beruhen, musste der Fachmann daher selbst bei einer kombinierten Betrachtung der Druckschriften K3, K4 und K5 erfinderisch tätig werden, da der Fachmann, anders als von der Klägerin angenommen, die alleinige Vermutung, FLT3-Mutationen finden zu können, nicht von vornherein mit der Erfolgserwartung verbindet, einen im menschlichen Organismus einheitlich auftretenden Mutations- typ zu finden, der sich als verlässlicher prognostischer Marker bei bestimmten leukämischen Erkrankungen des Menschen erweist (vgl. K2, Abs. [0050]) (vgl. BGH GRUR 2009, 743, Ls. Rn. 37 - Airbag-Auslösesteuerung).
An dieser Sichtweise ändern auch die weiteren, von der Klägerin im schriftsätzlichen Vorbringen in Betracht gezogenen Druckschriften K6 bis K9, K18, K23, K25, K31 und K33 nichts. Denn der Inhalt der K6 geht nicht über die Lehre der K3 hinaus (vgl. K6, S. 885, li Sp., Abstract und S. 887, li. Sp., zweiter Abs.) und in der K7 berichten die Autoren lediglich über die von ihnen in humanen leukämischen Zellen beobachteten Effekte, die durch monoklonale Antikörper, die gegen den FLT3-Liganden bzw. Rezeptor gerichtet sind, hervorgerufen werden (vgl. K7, S. 261, li Sp., Abstract). Über ihre Erfahrung mit fünf gegen die extrazelluläre Domäne des FLT3-Rezeptors gerichteten monoklonalen Antikörpern berichten auch die Autoren der K8 (vgl. K8, S. 238, li. Sp., Abstract), während sich die K9 mit der Expression des FLT3-Rezeptors auf Proteinebene sowie mit der durch ihn vermittelten Signalübertragung befasst (vgl. K9, S. 218, Abstract). Die biologische Aktivität des Liganden der FLT3-Rezeptor-Tyrosinkinase auf die Entwicklung menschlicher hämatopoetischer Zellen ist Gegenstand der K18 (vgl. K18, S. 388, Titel i. V. m. Abstract). In der Druckschrift K25 wird lediglich die Funktion der katalytischen Domäne von FLT3 näher untersucht, wobei Mutationen des dafür codierenden Bereichs keine Beachtung finden (vgl. K25, S. 549, li. Sp., Abstract) und auch in der K33 wird mit Hilfe von Antikörpern die Bedeutung der FLT3-RezeptorTyrosinkinase bei der Entwicklung hämatopoetischer Stammzellen untersucht, allerdings ohne dabei auf evtl. Mutationen im FLT3-Gen näher einzugehen (vgl. K33, Titel i. V. m. S. 2422, Abstract). Daraus wird ersichtlich, dass sich auch aus dem weiteren Stand der Technik keine Anstöße oder Anregungen ergeben, die eine Verbindung zwischen dem Auftreten von genetischen Veränderungen im FLT3-Gen mit der Pathologie der lymphatischen oder myeloischen Leukämie nahe legen würden.
Die Druckschriften K23 und K31 liegen weiter entfernt und sind daher ebenfalls nicht in der Lage, Verfahren wie in den Patentansprüchen 7 und 8 angegeben in das Blickfeld des Fachmanns zu rücken. So wird in der K23 eine vergleichende Studie über die kinetischen Parameter bei den durch eine der vier Guanyl-spezifischen RNAsen katalysierten Reaktionen beschrieben (vgl. K23, S. 187, Titel i. V. m. Abstract) und in K31 wird von einer effizienten Methode zur Synthese von Oligonucleotiden gemischter Sequenzen sowie zur Herstellung von Insertionen und Substitutionen in Wildtyp-Sequenzen berichtet (vgl. K31, Ansprüche 1, 2 und 5 i. V. m. S. 14, Z. 23 bis 25).
Der entgegengehaltene Stand der Technik vermittelt daher, entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung, weder eine Anregung dafür, dass der Nachweis von Tandemverdoppelungsmutationen in der Juxtamembran von FLT3 unter Beteiligung des Exons 11 oder der Exons 11 bis 12 für die Beurteilung leukämischer Erkrankungen von Interesse sein könnte, noch werden durch den Stand der Technik Erfolgserwartungen beim Fachmann geweckt, die die patentgemäße Lösung der Patentansprüche 7 und 8 als nahe liegend erscheinen lassen. Das Verfahren der Patentansprüche 7 und 8 beruht damit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Nachdem auch das im Patentanspruch 13 angegebene Kit sowie die Verwendung nach Patentanspruch 15 auf dem Nachweis einer Tandemverdoppelungsmutation in der Juxtamembran des FLT3-Gens unter Beteiligung des Exons 11 oder der Exons 11 bis 12 basieren, gelten die vorangegangenen Ausführungen zu den Patentansprüchen 7 und 8 für die Patentansprüche 13 und 15 entsprechend.
3. Die Patentansprüche 7, 8, 13 und 15 in der gemäß Hilfsantrag III verteidigten Fassung haben daher Bestand. Mit ihnen haben die darauf rückbezogenen, vorteilhafte Ausführungsformen der Patenansprüche 7, 8 und 13 betreffenden Patentansprüche 9 bis 12 und 14 ebenfalls Bestand.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Schramm Guth Dr. Proksch-Ledig Dr. Münzberg Dr. Jäger Cl