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10 W (pat) 85/14

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 85/14 Verkündet am 27. Oktober 2015

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 10 2005 030 829 …

BPatG 154 05.11 hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Großmann und Dipl.-Ing. Richter beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten: - Patentansprüche 1 bis 11 gemäß neuem Hauptantrag - Beschreibungsseiten 2, 3, 5, 6 und 10 gemäß dem früheren Hilfsantrag 1 aus dem Schriftsatz vom 4. August 2015 sowie Beschreibungsseiten 1, 4, 7, 8, 9 und 11 gemäß den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, - Zeichnungen gemäß Patentschrift.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Gegen das am 1. Juli 2005 angemeldete Patent 10 2005 030 829, dessen Erteilung am 10. Dezember 2009 veröffentlicht worden ist, ist am 3. März 2010 Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 1.26 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat am Ende der Anhörung vom 9. Februar 2012 beschlossen, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Die Patentabteilung hat in ihrem Beschluss ausgeführt, dass das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Des Weiteren sei das Verfahren nach Anspruch 1 neu gegenüber der D1 und werde auch nicht in Verbindung mit D2 oder D3 nahe gelegt; dies gelte auch für den Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 7.

Im Einspruchsverfahren sind dabei insbesondere die vorgenannten Druckschriften D1: BG-Infoblatt: Zugangssicherung – Alternative Lösung zum Muting, Best.-Nr. 455, Druckvermerk 04/2004, Seiten 1 bis 4 D2: DE 100 39 142 A1 D3: DE 103 29 881 A1 (= P2 aus dem Prüfungsverfahren).

herangezogen worden; des Weiteren ist auf die im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften P1: DE 199 46 476 A1 P2: DE 103 29 881 A1 P3: DE 102 16 122 A1 P4: DE 43 05 559 A1 P5: DE 295 00 873 U1 P6: DE 201 03 828 U1 verwiesen worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. In ihrer Beschwerdebegründung vom 21. Januar 2013 stellt sie erneut die Ausführbarkeit in Frage und hält das Verfahren bereits durch die D1 selbst, zumindest aber in Verbindung mit der D3 für nahegelegt.

Auf den Ladungszusatz des Senats hin, in dem auf eine offensichtliche Unrichtigkeit in den erteilten Ansprüchen hingewiesen worden war, hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 4. August 2015 zusätzlich zum Hauptantrag noch neugefasste Ansprüche und Beschreibungsseiten gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 eingereicht.

Die Einsprechende ist weiterhin der Auffassung, dass die Ausführbarkeit des Patents nicht gegeben sei, da die Zeitdifferenz gemäß dem Anspruchswortlaut keine eindeutige Korrelation mit dem zu bestimmenden Überstand aufweise; ferner seien die Zahlenbeispiele in den Ausführungsbeispielen widersprüchlich und stützten auch nicht die Auslegung der Patentabteilung. Des Weiteren sei die Verfahrensweise bei der D3 im Wesentlichen identisch mit der des Streitpatents und die Abweichungen beträfen nur dem Fachmann bekannte Maßnahmen, die eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen könnten. Im Übrigen würden der Patentgegenstand sowie dessen Schutzbereich durch Streichung des Faktors „cos α“ in der Formel unzulässig erweitert.

Die Patentinhaberin tritt dem entgegen und führt nach Erläuterung der patentgemäßen Funktionsweise aus, dass die D3 keine dahingehenden Hinweise liefere.

Die Beschwerdeführerin und Einsprechende beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 1.26 des DPMA vom 27. April 2012 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 11 gemäß einem neuen Hauptantrag überreicht und beantragt,

das Patent mit diesen Patentansprüchen,

mit den Beschreibungsseiten 2, 3, 5, 6, und 10 gemäß dem früheren Hilfsantrag 1 aus dem Schriftsatz vom 4. August 2015, mit den Beschreibungsseiten 1, 4, 7, 8, 9 und 11 gemäß den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sowie den Zeichnungen gemäß Patentschrift beschränkt aufrecht zu erhalten.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

„Verfahren zum Betrieb eines Lichtgitters mit folgenden Verfahrensschritten: - Aussenden einer Mehrzahl von linear nebeneinander beabstandeten und parallel zueinander verlaufenden Lichtstrahlen (2) mittels einer sich linear erstreckenden Sendeeinheit (4), - Empfangen dieser Lichtstrahlen (2) mit einer sich parallel zur Sendeeinheit (4) erstreckenden Empfangseinheit (6), wodurch zwischen der Sende- und Empfangseinheit (4, 6) ein Schutzfeld (10) definiert wird, - Anordnen des Schutzfeldes (10) in einem Winkel (α) zu einer Bewegungsrichtung (16) von in das Schutzfeld (10) eindringender Objekte (12), wobei der Winkel (α) zwischen 45° und 135° liegt, ausgenommen 90°, so dass die Lichtstrahlen (2, 2‘, 2“) nach Unterbrechung eines vorhergehenden Lichtstrahls (2, 2‘) sequentiell nacheinander von dem Objekt (12) unterbrochen werden, wobei das Objekt senkrechte Eintrittsflächen aufweist, - Bestimmen einer Zeit (t) mit der einer der Lichtstrahlen (2, 2‘, 2“) nach Unterbrechung eines vorhergehenden Lichtstrahls unterbrochen wurde,

- Bestimmen der Geschwindigkeit (v) des Objektes (12) aus der sequentiellen Unterbrechung,

- Bestimmen wenigstens einer Ausdehnung mit einem Überstand (s) von in Bewegungsrichtung (16) wenigstens einem hervorstehenden Teil (32) des Objekts (12) nach der Formel s = v * t,

- Vergleichen der erfassten Ausdehnung mit zuvor abgespeicherten Referenzwerten,

- Erzeugen eines Schaltsignals in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses.“

Der nebengeordnete Anspruch 7 lautet in der geltenden Fassung:

„Lichtgitter mit: - einer Sendeeinheit (4) zum Aussenden einer Mehrzahl von linear nebeneinander beabstandeten und parallel zueinander verlaufenden Lichtstrahlen (2), - einer Empfangseinheit (6) zum Empfangen dieser Lichtstrahlen (2), die parallel zur Sendeeinheit (4) angeordnet ist, wodurch zwischen der Sende- und Empfangseinheit (4, 6) ein Schutzfeld (10) definiert wird, - wobei die Sende- und die Empfangseinheit (4, 6) in einem Winkel (α) zwischen 45° und 135° nicht aber in einem Winkel (α) von 90° zu einer Bewegungsrichtung (16) des Objektes (12) angeordnet sind, wobei das Objekt senkrechte Eintrittsflächen aufweist, - einer Auswerteeinheit (18) zum Bestimmen einer Zeit (t) mit der einer der Lichtstrahlen (2, 2', 2") nach Unterbrechung eines vorhergehenden Lichtstrahls (2, 2') unterbrochen wurde,

- zum Bestimmen der Geschwindigkeit (v) des Objektes (12) aus einer sequentiellen Unterbrechung der Lichtstrahlen (2, 2', 2") und zum Bestimmen wenigstens einer Ausdehnung mit einem Überstand (s) von in Bewegungsrichtung (16) wenigstens einem hervorstehenden Teil (32) des Objekts (12) nach der Formel s = v * t,

- einer Vergleichseinheit (20) zum Vergleichen der erfassten Ausdehnung mit zuvor abgespeicherten Referenzwerten und einer Schalteinheit (22) zum Erzeugen eines Schaltsignals in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses.“

Hieran schließen sich jeweils die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6 bzw. 8 bis 11 an, die folgendermaßen lauten:

„2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass mit dem erzeugten Schaltsignal eine gefahrbringende Bewegung einer Maschine (24) gestoppt wird.

3. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Winkel (α) gemessen wird.

4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Winkel (α) konfiguriert und/oder abgespeichert wird.

5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Ausdehnung nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters bestimmt wird.

6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zur Erhöhung einer Sicherheitsstufe des Lichtgitters (1) eine zweikanalige redundante Auswertung der Unterbrechung der Lichtstrahlen (2, 2', 2") durchgeführt wird.

8. Lichtgitter nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass mit der Schalteinheit (22) eine gefahrbringende Bewegung einer Maschine (24) gestoppt wird.

9. Lichtgitter nach einem der vorhergehenden Ansprüche 7 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass zur Winkelerfassung ein Winkelgeber (26) vorgesehen ist.

10. Lichtgitter nach einem der vorhergehenden Ansprüche 7 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass Konfigurationsmittel (28) und ein Speicher (30) für Winkelwerte vorhanden sind.

11. Lichtgitter nach einem der vorhergehenden Ansprüche 7 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Auswerteeinheit (18) zur Erhöhung einer Sicherheitsstufe des Lichtgitters (1) zweikanalig redundant ausgebildet ist.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig.

Die Beschwerde hat insoweit auch Erfolg, als sie zu einer beschränkten Aufrechterhaltung des Patents führt.

1. Die geltenden Unterlagen weisen keine unzulässige Erweiterung auf.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist in der geltenden Anspruchsfassung in der Weise beschränkt worden, dass die in das Schutzfeld eindringenden Objekte senkrechte Eintrittsflächen aufweisen müssen. Dieses Merkmal ist in Absatz [0025], Zeilen 13 f. der Offenlegungsschrift ursprünglich offenbart. Die Beschränkung ist aus technischer Sicht zwingend erforderlich, da schräge Eintrittskanten zu einem falschen Ergebnis bei der Ermittlung der Objektgeschwindigkeit „v“ und damit auch beim Überstand „s“ führen würden.

Des Weiteren ist in der Formel zur Berechnung des Überstandes „s = cos α * v * t“ der Faktor „cos α“ gestrichen worden. Dabei handelt es sich um die Behebung einer offensichtlichen Unrichtigkeit, die für den Fachmann klar erkennbar ist. Als Fachmann wird im vorliegenden Fall ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Sicherheitssystemen zur Absicherung von Gefahrenbereichen angesehen. Bei diesem gehört es zum physikalischen Grundlagenwissen, dass bei der vorliegenden Bewegungsgleichung der zurückgelegte Weg (bzw. der entsprechende Überstand) „s“ sich aus dem Produkt von Geschwindigkeit „v“ und der hierfür benötigten Zeit „t“, d. h. „s = v * t“, ergibt, wobei die Geschwindigkeit und der Weg/Überstand die gleiche Orientierung aufweisen (siehe Figuren 3 und 4, Bewegungspfeil „v“ und Überstand „s“). Diese Berichtigung führt entgegen der Auffassung der Einsprechenden auch zu keiner unzulässigen Erweiterung, da der eigentliche Verfahrensschritt, den Überstand über die Beziehung von Geschwindigkeit und Zeit zu ermitteln, gleich geblieben ist und lediglich ein konstanter Faktor, der sich auf die grundsätzliche Verfahrensweise nicht auswirkt, rechnerisch richtiggestellt worden ist (s. a. Schulte/Moufang, Patentgesetz, 9. Auflage, § 38 PatG, Rdn. 36, 37).

Der nebengeordnete Anspruch 7 ist in identischer Weise gegenüber der erteilten Fassung abgeändert worden. Die Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 11 entsprechen denen der erteilten Fassung und weisen wie die geänderten Beschreibungsseiten, die an die geltende Anspruchsfassung angepasst und hinsichtlich der Zahlenwerte in den Ausführungsbeispielen richtiggestellt worden sind, ebenfalls keine unzulässige Erweiterung auf.

2. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann es ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).

In dem Patent wird ein Verfahren zum Betrieb eines Lichtgitters offenbart, bei dem Objekte, die zulässige Abweichungen wie überstehende Teile aufweisen, durch ein Schutzfeld transportiert werden können, ohne dass die Schutzfunktion aktiv wird; Objekte mit zu großen Überständen werden im Gegensatz hierzu erkannt und es wird ein Abschaltsignal erzeugt (vgl. Abs. [0009], letztes Drittel). Hierbei stellen die ersten drei und die letzten beiden, mit Spiegelstrichen gegliederten Merkmalsblöcke in Anspruch 1 Verfahrensschritte dar, die der üblichen Betriebsweise von Lichtgittern entsprechen und dem Fachmann bekannt sind. Demgegenüber ist die im Anspruch aufgeführte Verfahrensweise, mit der ein gegebenenfalls vorhandener Überstand ermittelt werden soll, erläuterungs- bzw. auslegungsbedürftig: Anspruchsgemäß wird der Überstand „s“ eines in Bewegungsrichtung hervorstehenden Teils des Objekts nach der Formel „s = v * t“ bestimmt, wozu die Größen „v“ und „t“ im Vorfeld entsprechend dem Anspruchswortlaut ermittelt werden müssen. Um diese Anweisung verstehen und richtig umsetzen zu können, muss sich der Fachmann im vorliegenden Fall um das richtige Verständnis bemühen, wozu er die Beschreibung und hierbei insbesondere die Ausführungsbeispiele in der Patentschrift heranziehen wird. Der Fachmann erkennt zunächst auf Grund seines physikalischen Grundwissens, dass die Formel zur Berechnung des Überstandes auf einer Bewegungsgleichung beruht. In diesem Zusammenhang kann er beispielsweise der Figur 4 entnehmen, dass der Überstand „s“ in Bewegungsrichtung dem Weg „s“ entspricht, den ein Objekt ohne Überstand 32 (untere Eintrittskante) mit einer Geschwindigkeit „v“ in einer Zeit „t“ zurücklegen müsste, um die Position des hervorstehenden Teils 32 (obere Eintrittskante) zu erreichen. Mit anderen Worten entspricht die Zeit „t“ der Zeitdifferenz seit der Unterbrechung des letzten sequentiell unterbrochenen Lichtstrahls, in der bei einem Objekt ohne Überstand die Unterbrechung des zusätzlich unterbrochenen Lichtstrahls erwartet worden wäre. Hierzu im Einzelnen: Die Figur 4 stellt einen Zeitpunkt bzw. eine Momentaufnahme dar, bei der zusätzlich zu den bisher unterbrochenen Lichtstrahlen 2‘ auf Grund des Überstandes ein weiterer Lichtstrahl 2“ unterbrochen worden ist, wobei dieser zu den bisher unterbrochenen Lichtstrahlen 2‘ nicht benachbart ist

(s. a. Abs. [0032], 4. und 5. Satz); durch den Begriff „zusätzlich“ wird hierbei eine gewisse Gleichzeitigkeit der beiden Unterbrechungen zum Zeitpunkt der Momentaufnahme zum Ausdruck gebracht. Da bei dem patentgemäßen Verfahren Anzahl und Position von unterbrochenen und nicht unterbrochenen Lichtstrahlen erfasst werden (vgl. Abs. [0030], 3. Satz), ist auch bekannt, wie viele Lichtstrahlen durch den Überstand übersprungen worden sind. Aus dieser Anzahl von Lichtstrahlen bzw. -intervallen, die zwischen dem letzten der sequentiell unterbrochenen Lichtstrahlen und dem zusätzlich (durch den Überstand) unterbrochenen Lichtstrahl liegen, kann die Gesamtzeit „t“ aus der Summe der Einzelzeiten pro Lichtstrahl ermittelt werden. Dies geht für den Fachmann insbesondere aus den konkreten Ausführungsbeispielen gemäß der Figur 4 hervor, bei der gemäß Abs. [0032] die Zeit t = 90 ms (= 3 * 30 ms) aus der Anzahl der überbrückten Lichtstrahlintervalle, in Figur 4 drei an der Zahl, und der Zeit pro Lichtstrahl, laut Abs. [0032] 30 ms/Strahl, ermittelt wird; dies gilt entsprechend auch für das Anwendungsbeispiel gemäß Figur 5 i. V. m. Abs. [0033] mit t = 8 * 30 ms = 240 ms. In diesem Sinne ist, wie eingangs bereits angeführt, die Bestimmung der Zeit „t“ gemäß Anspruch 1 so auszulegen, dass darunter die benötigte Zeitdifferenz „t“ für die Strecke „s“ zwischen dem (zusätzlich) unterbrochenen Lichtstrahl 2“ und dem (letzten der bisher) sequentiell unterbrochenen Lichtstrahl 2‘ zu verstehen ist, d. h. die Zeit, in der normalerweise die Unterbrechung an dieser Position zu erwarten gewesen wäre. Die Auslegung der Einsprechenden in der Weise, dass die Zeit aus der Zeitdifferenz zweier aufeinanderfolgender Unterbrechungen ermittelt wird, mag zwar durch den Anspruchswortlaut für sich allein betrachtet gestützt sein, entspricht jedoch nicht dem, wie der Fachmann dieses Merkmal in Verbindung mit dem gesamten Kontext des Patents auslegen würde. Die Bestimmung der Geschwindigkeit „v“ des Objekts erfolgt schließlich anspruchsgemäß aus der sequentiellen Unterbrechung der Lichtstrahlen des Lichtgitters, d.h. nach dem Prinzip einer normalen Lichtschrankenmessung, wobei die sequentielle Unterbrechung aus der in einem Winkel α zur Bewegungsrichtung des Objekts gewählten Anordnung des Lichtgitters resultiert (s. a. Abs. [0009]).

Die im Patent enthaltenen Angaben vermitteln somit dem Fachmann so viel an technischer Information, dass er mit seinem Fachwissen und Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Hierbei ist es unschädlich, dass das Patent gewisse Unvollkommenheiten, insb. im Hinblick auf die Bestimmung der Zeit „t“, aufweist, da der Fachmann im vorliegenden Fall mit Hilfe seines physikalischen Grundwissens und durch Nacharbeitung der Ausführungsbeispiele diese mit zumutbarem Aufwand ausgleichen kann (vgl. Schulte/ Moufang, Patentgesetz, 9. Auflage, § 34 PatG, Rdn. 355; BGH GRUR 2010, 916 - Klammernahtgerät).

3. Das zweifellos gewerblich ausführbare Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 ist patentfähig (§§ 1 bis 5 PatG).

3.1 Das Verfahren nach Anspruch 1 ist unbestritten neu, da im gesamten Stand der Technik kein Verfahren bei einem Lichtgitter offenbart wird, bei dem ein Überstand eines eindringenden Objekts über die Beziehung s = v * t ermittelt wird.

3.2 Das Verfahren nach Anspruch 1 ist auch erfinderisch.

Der Kerngedanke des Streitpatents wird darin gesehen, dass die Überwachungsfunktion des Lichtgitters auf die Ermittlung eines Überstandes beschränkt wird, der über die Beziehung „s = v * t“ aus der Objektgeschwindigkeit, die aus der sequentiellen Unterbrechung der Lichtstrahlen des schräg zur Bewegungsrichtung angeordneten Lichtgitters ermittelt wird, und der Zeit, die ein Objekt ohne Überstand bis zu der Position des zusätzlich unterbrochen Lichtstrahls benötigen würde, ermittelt werden kann.

Hierzu kann der gesamte entgegengehaltene Stand der Technik weder Vorbild noch Anregung liefern: Die D3 betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Lichtgitters, bei dem die Unterscheidung von unzulässig eindringenden Objekten gemäß deren Aufgabenstellung unabhängig von der Geschwindigkeit bzw. der zeitlichen Abfolge der Bewegungen erfolgt (Absätze [0005] und [0008]). Dafür wird über einen Positionsgeber die aktuelle Position ermittelt und anschließend für diese Position an Hand eines Vergleichs mit Referenzwerten, die für diese Position hinterlegt sind, entschieden, ob ein zulässiges Objekt vorliegt (vgl. Abs. [0018]). Damit unterscheidet sich dieses Verfahren bereits grundlegend von dem beanspruchten Verfahren dadurch, dass für feste Positionen festgelegte Referenzmuster vorliegen müssen, wohingegen beim Streitpatent unabhängig von der Objektposition sowie an beliebiger Stelle angeordnete Überstände detektiert werden. Der von der Einsprechenden in Abs. [0010] erwähnte Geschwindigkeitsgeber dient bei der D3 anstelle eines Positionsgebers der mittelbaren Bestimmung der Objektposition, wohingegen beim Streitpatent die aus der sequentiellen Unterbrechung der Lichtstrahlen ermittelte Geschwindigkeit zur Bestimmung des Überstandes herangezogen wird. Der Verweis der Einsprechenden auf die Möglichkeit der Geschwindigkeitsermittlung durch die in Abs. [0015] erwähnte schräge Anordnung des Lichtgitters kann ebenso wenig überzeugen, da in der D3 diese Maßnahme ausdrücklich im Hinblick auf eine bessere Erkennung von Kanten und damit nicht zur Geschwindigkeitsermittlung durchgeführt wird. In der D3 fehlt somit auf Grund der speziellen Verfahrensweise eines Referenzmustervergleichs an einer festgelegten Position jeglicher Hinweis oder Veranlassung in Richtung der streitpatentgemäßen Vorgehensweise; auf Grund dessen werden mit dem Geschwindigkeitsgeber bzw. dem schräg zur Bewegungsrichtung angeordneten Lichtgitter bei der D3 auch andere Zwecke als beim Streitpatent beabsichtigt, wobei zudem beim Streitpatent gerade kein zusätzlicher Geschwindigkeitsgeber erforderlich sein soll (siehe Abs. [0003] des Streitpatents).

Die D1, deren Vorbekanntheit im Verfahren von der Patentinhaberin nicht in Frage gestellt worden ist, offenbart zwei unterschiedliche Verfahren zur Objekterkennung, die sich in der Anordnung des Lichtgitters und in der Auswertung der Lichtstrahlen bzw. der Steuerung unterscheiden.

Bei dem ersten Verfahren ist das Lichtgitter waagrecht angeordnet und es werden in horizontaler Richtung Objektgröße, Geschwindigkeit und Richtung ermittelt und abgespeichert. Objekte wie Palettenfüße werden auf Grund ihrer Abmessungen und ihrer Abstände zueinander erkannt und als zulässig eingestuft, während eine eintretende Person anhand der nicht synchronen Bewegung als ungültiges Objekt erkannt wird. Die Objekterkennung erfolgt somit anhand eines Bewegungsmusters (siehe Seite 2, Abschnitt „Funktionsweise“). Aufgrund der horizontalen Anordnung ist die Erfassung eines Überstandes eines Objekts überhaupt nicht möglich, da das Objekt nur in einer Höhe erfasst wird. Im zweiten Verfahren nach der D1 ist das Lichtgitter gegenüber der Vertikalen geneigt im Zugangsbereich angeordnet und wäre damit grundsätzlich für eine sequentielle Geschwindigkeitsermittlung geeignet. Die Objekterkennung erfolgt jedoch durch eine Mustererkennung des beförderten Objekts, wobei zulässige Objekte ein zusammenhängendes Profil ohne Hinterschneidungen aufweisen müssen (siehe Seite 3, Abschnitt „Funktionsweise“). Eine Berücksichtigung der Objektgeschwindigkeit wird somit nicht offenbart und ist bei dem gewählten Vergleichsprinzip der D1 auch nicht zwingend erforderlich. Damit fehlt bereits eine Voraussetzung für die Ermittlung des Überstands nach der streitpatentgemäßen Formelbeziehung, so dass auch dieses Verfahren nicht zu der patentgemäßen Gestaltung hinführen kann.

Die weiteren zitierten Druckschriften gehen über den vorgenannten Stand der Technik nicht hinaus und können ebenfalls keine Hinweise in Richtung der Bestimmung eines Überstands nach dem streitpatentgemäßen Verfahren liefern.

Das Verfahren nach Anspruch 1 wird damit durch den vorgelegten Stand der Technik, auch in Verbindung mit dem Fachwissen, nicht nahegelegt.

Der Anspruch 1 gemäß neuem Hauptantrag ist somit gewährbar.

4. Die vorangegangenen Ausführungen lassen sich auch auf das Lichtgitter nach Anspruch 7 übertragen, das die entsprechenden Komponenten zur Durchführung des erfinderischen Verfahrens gemäß Anspruch 1 aufweist.

Der Anspruch 7 ist damit ebenfalls gewährbar.

5. Gleiches gilt für die auf vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 und des Lichtgitters nach Anspruch 7 gerichteten Ansprüche 2 bis 6 bzw. 8 bis 11.

III.

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass 1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4 . ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.

Dr. Lischke Eisenrauch Dr. Großmann Richter prö

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