AnwZ (Brfg) 60/19
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 60/19 BESCHLUSS vom 9. November 2020 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Zulassung als Syndikusrechtsanwältin ECLI:DE:BGH:2020:091120BANWZ.BRFG.60.19.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, den Richter Prof. Dr. Paul und die Richterin Grüneberg sowie den Rechtsanwalt Dr. Wolf und die Rechtsanwältin Merk am 9. November 2020 einstimmig gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 130a Satz 1 VwGO beschlossen:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9. September 2019 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beigeladene ist seit 1995 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Schreiben vom 8. März 2018 beantragte sie bei der Beklagten, sie für ihre am 1. Januar 2018 aufgenommene Tätigkeit bei der Fa. B. GmbH als Syndikusrechtsanwältin zuzulassen. Ihren eigenen Angaben zufolge bearbeitet die Beigeladene in einem Umfang von 20 bis 30 % ihrer Tätigkeit Schadenfälle von Kunden ihrer Arbeitgeberin, und zwar in unmittelbarem Kontakt zu diesen.
Die Beklagte erteilte für diese Tätigkeit mit Bescheid vom 19. Juni 2018 die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2018 zurück.
Die Klägerin hält die Erteilung insbesondere deshalb für rechtswidrig, weil die Beigeladene entgegen § 46 Abs. 5 BRAO nicht ihre Arbeitgeberin in deren Rechtsangelegenheiten berate und vertrete, sondern in Angelegenheiten von Kunden der Arbeitgeberin tätig werde.
Die auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 19. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2018 gerichtete Klage ist erstinstanzlich ohne Erfolg geblieben. Nach Auffassung des Anwaltsgerichtshofs wird die Beigeladene in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin tätig, da diese durch Maklervertrag i.V.m. § 59 Abs. 3 VVG gegenüber ihren Kunden berechtigt und verpflichtet sei, im Verhältnis zum jeweiligen Versicherer Rechtsberatung und Rechtsvertretung zu leisten.
Mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin die von ihr vertretene Rechtsauffassung weiter und beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2018 aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene hat ebenfalls keinen Antrag gestellt, verteidigt aber die erstinstanzliche Entscheidung.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 112e Satz 2 BRAO, § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Sachverhalt ist geklärt; Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Auslegung von § 46 Abs. 5 BRAO hat der Senat - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - in seinem Beschluss vom 16. August 2019 (AnwZ (Brfg) 58/18, NJW 2019, 3453) und dem Urteil vom 22. Juni 2020 (AnwZ (Brfg) 23/19, NJW 2020, 2966) ebenfalls bereits einer Klärung zugeführt. Die Verfahrensbeteiligten wurden zu einer Entscheidung im Beschlusswege angehört und haben ihr nicht widersprochen.
III.
Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Bescheids der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids.
1. Eine Zulassung ist nach § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BRAO nur zu erteilen, wenn die Tätigkeit der Beigeladenen § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht. Daran fehlt es hier, weil die Beigeladene auch Kunden ihres Arbeitgebers rechtlich beraten hat (§ 46 Abs. 5 BRAO).
a) Nach § 46 Abs. 5 BRAO beschränkt sich die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Senats handelt es sich hierbei nicht lediglich um eine Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts, sondern um eine echte Tatbestandsvoraussetzung für die Zulassung (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 2019 - AnwZ (Brfg) 38/17, NJW-RR 2019, 946 Rn. 12 mwN).
b) Eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers stellt keine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers dar, selbst wenn sich dieser zu einer Beratung des Kunden verpflichtet hat (vgl. Senat, Urteile vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff. und vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 58/17, AnwBl. Online 2019, 57 Rn. 11). Dementsprechend ist derjenige, der bei Kunden seines Arbeitgebers zur Bearbeitung von deren Schadenfällen eingesetzt wird, nicht in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers tätig (vgl. Senat, Beschluss vom 16. August 2019 - AnwZ (Brfg) 58/18, NJW 2019, 3453 Rn. 29 ff.). Soweit die Beigeladene mithin im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung Kunden in deren Schadenfällen beraten hat, hat sie keine Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers, sondern solche dieser Kunden wahrgenommen.
c) Die rechtliche Beratung von Kunden des Arbeitgebers steht nach § 46 Abs. 5 BRAO einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegen, auch wenn die Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers die Tätigkeit des Antragstellers prägt und dieser - wie die Beigeladene im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung - nur in untergeordnetem Umfang dessen Kunden berät. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils des Anwaltsgerichtshofs entschieden hat, schließt jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus (BGH, Urteil vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 23/19, NJW 2020, 2966 Rn. 24 ff.; offen gelassen noch im Senatsurteil vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 Rn. 93; für einen Ausschluss nur prägender Tätigkeiten Offermann-Burckart, NJW 2018, 3109 f.).
2. Auf die seitens der Klägerin erhobene Rüge der mangelnden Bestimmtheit des Zulassungsbescheids kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 BRAO.
Grupp Paul Grüneberg Wolf Merk Vorinstanzen: AGH Stuttgart, Entscheidung vom 09.09.2019 - AGH 28/18 I -