Paragraphen in I ZR 161/23
Sortiert nach der Häufigkeit
Häufigkeit | Paragraph | |
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3 | 103 | GG |
1 | 16 | VOB |
1 | 544 | ZPO |
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BUNDESGERICHTSHOF I ZR 161/23 BESCHLUSS vom 26. September 2024 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2024:260924BIZR161.23.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2024 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterinnen Dr. Schwonke und Dr. Schmaltz und den Richter Odörfer beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2023 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I. Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen mit Schwerpunkt im Ver1 kehrswegebau.
Die Klägerin betreibt ein Transportunternehmen. Die Beklagte beauftragte 2 sie mit Schreiben vom 30. Juni 2009 mit dem Abtransport von Erdmassen, die bei der Herstellung des Tunnels S.
im Rahmen des Neubaus der Bahnstrecke E. -Eb. anfielen. In dem Auftragsschreiben heißt es:
Grundsätzlich werden die vom Auftragnehmer erbrachten Transportleistungen nach m³ fester Masse abgerechnet. Grundlage der Abrechnung ist die Massenermittlung des Auftraggebers.
Für Abschlagszahlungen erhält der Auftragnehmer die Tunnelaufmaße. In den Bereichen, die eine Abrechnung nach Profilen nicht ermöglichen, erfolgt die Vergütung nach Wagenmaß als feste Masse. Diese Variante kommt nur auf Anordnung durch die örtliche Bauleitung zur Abrechnung. Dabei werden die Fahrzeuge vor Ort vermessen.
ECLI:DE:BGH:2024:260924BIZR161.23.0
… Die Schlusszahlung erfolgt gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B.
Im zum Vertrag gehörenden Leistungsverzeichnis heißt es:
FÜR ALLE POSITIONEN GILT: Abrechnungsgrundlage ist feste Masse nach Aufmaß des Auftraggebers. Dies ergibt sich aus Tunnelsollprofil x Länge x theoretischer Mehrausbruch (derzeit auf 7,5% festgelegt). Der Mehrausbruch wird entsprechend der örtlichen Vermessung angepasst.
Sodann sind im Leistungsverzeichnis einzelne Teilstrecken aufgeführt. Für jede Teilstrecke ist ein Volumen in der Einheit Kubikmeter (m³) - keine Masse genannt. Zudem ist jede Teilstrecke mit einem Preis versehen. Der Preis bildet dabei das Produkt aus dem angegebenen Volumen und einem pro Kubikmeter angegebenen Preis.
Die Verträge zwischen der Hauptauftraggeberin, der D. P. 5 GmbH, und der von dieser beauftragten Streithelferin der Beklagten sowie zwischen der Streithelferin und der von jener unterbeauftragten Beklagten sehen demgegenüber die Abrechnung allein nach Soll-Maßen vor.
Die Klägerin erbrachte die geschuldeten Transportleistungen bis zum An6 fang des Jahres 2012 vollständig. Die Klägerin stellte der Beklagten 56 Abschlagsrechnungen, auf die die Beklagte Zahlungen leistete. Unter dem 15. März 2012 stellte sie der Beklagten eine 57. Abschlagsrechnung, die auszugsweise lautet:
Pos. 70.01.0050: NA7, ZWL - Dep. I. , 3,5 km - 919.630 m³ x 1,80 = 1.655.334 €
Pos. 70.01.0055: Selbstverladung, 868.330 m³ x 0,45 = 390.748,40 €
Die Klägerin hat am 22. Oktober 2012 Stufenklage erhoben. Sie hat in der 7 ersten Stufe beantragt, die Beklagte zu verurteilen, eine prüffähige Massenermittlung zu erstellen und an die Klägerin herauszugeben. In der zweiten Stufe hat die Klägerin von der Beklagten die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Massenermittlung und auf der dritten Stufe die Zahlung des danach noch abzurechnenden Betrags begehrt.
Das Landgericht hat mit Teilurteil die Klage auf den ersten beiden Stufen 8 abgewiesen. Es hat angenommen, hinsichtlich der Kalotte (oberer Bereich des Tunnels) sei der Auskunftsanspruch erfüllt. Die Beklagte habe Tunnel-Scans zur Verfügung gestellt, auf deren Grundlage eine Bestimmung des Ist-Ausbruchs möglich sei. Hinsichtlich der Strosse (mittlerer Bereich des Tunnels) und der Sohle (unterer Bereich des Tunnels) bestehe ein Auskunftsanspruch nicht. Insoweit hätten die Parteien keine Abrechnung auf Grundlage des Ist-Ausbruchs, sondern auf Grundlage des Soll-Ausbruchs vereinbart. Gegen dieses Teilurteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Das Berufungsgericht hat mit einem ersten Berufungsurteil vom 11. Juni 9 2019 die Berufung der Beklagten verworfen und auf die Berufung der Klägerin hinsichtlich der zweiten Stufe (eidesstaatliche Versicherung) das erstinstanzliche Teilurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Die gegen die Abweisung des Auskunftsanspruchs (erste Stufe) gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte zwar dem Grunde nach ein Anspruch auf Verschaffung einer Massenermittlung zu, wie sich aus der Vereinbarung der Parteien über die Vergütung der Klägerin ergebe. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hätten sich die Parteien nicht nur für die Kalotte, sondern für alle Tunnelbereiche auf eine Abrechnung nach tatsächlich erbrachter Leistung verständigt. Der Auskunftsanspruch sei jedoch hinsichtlich der Kalotte erfüllt; insoweit habe die Beklagte der Klägerin insbesondere Tunnel-Scans überlassen. In Bezug auf Strosse und Sohle habe die Klägerin keinen Anspruch auf Durchführung und Überlassung eines konkreten Aufmaßes in Form von Tunnel-Scans mehr. Es stehe nach durchgeführter Beweisaufnahme fest, dass die Beklagte in der unrichtigen Annahme, gegenüber der Klägerin in Bezug auf Strosse und Sohle nicht zu einem konkreten Aufmaß verpflichtet zu sein, hiervon keine TunnelScans gefertigt habe und sie deshalb solche Scans nicht an die Klägerin herausgeben könne. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag eine konkrete Berechnung der von ihr abgefahrenen Massen auch ohne ein konkretes Aufmaß in Bezug auf Strosse und Sohle vornehmen könne, weil ihr eine hinreichende Datengrundlage in Bezug auf die Anzahl der von ihr durchgeführten Fahrten, das Gewicht der von ihr bewegten Massen und die Umrechnungsfaktoren von aufgelockertem zu festem Material zur Verfügung stehe.
Unter dem 21. Februar 2020 erstellte die Klägerin eine als solche bezeich10 nete Schlussrechnung über einen Betrag in Höhe von 2.671.904,03 €. Mit Schreiben an die Beklagte erläuterte die Klägerin die Schlussrechnung dahingehend, dass die abgerechneten Mengen sich aus der Anzahl der von ihr durchgeführten Fahrten (91.963 Fahrten zu Position 70.01.0050 und 86.833 Fahrten zu Position 70.01.0055), multipliziert mit jeweils 10 m³ je Fahrt, ergäben. So errechnete sie Volumina von 919.630 m³ beziehungsweise 868.330 m³.
Die Beklagte nahm bei der Rechnungsprüfung eine Massenermittlung vor 11 und gelangte zu dem Ergebnis, dass auf die Position 70.01.0050 lediglich
765.532,429 m³ - dies entspricht einem Mehrausbruch von 11 % - und bezogen auf die Position 70.01.0055 lediglich 714.232,429 m³ anzusetzen seien, so dass auf die Schlussrechnung ein Betrag von 2.259.307,77 € geschuldet sei. Sie leistete entsprechende Teilzahlungen an die Klägerin.
Die Klägerin begehrt nunmehr die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung 12 eines Betrags von 412.596,24 € (richtig: 412.596,26 €) nebst Zinsen, der sich aus der Differenz zwischen ihrer Schlussrechnung und dem von der Beklagten für zutreffend erachteten Betrag ergibt.
Das Landgericht hat durch Grundurteil den Zahlungsantrag dem Grunde 13 nach für gerechtfertigt erklärt. Außerdem hat es einen Beweisbeschluss verkündet, wonach Beweis erhoben werden solle über die Behauptung der Klägerin, für die Umrechnung der auf Lastkraftwagen transportierten Massen in abrechenbare Kubikmeter sei ein Umrechnungsfaktor von 2,54 zugrunde zu legen. Gegen das Grundurteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 9. Mai 2023 darauf hinge14 wiesen, dass die von der Klägerin gewählte Abrechnung nach Fuhren der vertraglichen Regelung widerspreche. Die der Klägerin übergebenen Unterlagen und Daten seien nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen für eine Abrechnung nach der vertraglichen Regelung geeignet. In einem ersten Schritt habe die Klägerin auf dieser Grundlage abzurechnen. In einem zweiten Schritt habe sie den Mehrausbruch für die jeweiligen Tunnelkilometer darzulegen. Letzteres habe durch Vortrag zu erfolgen, welcher Sollausbruch sich jeweils aus den Ausschreibungsplänen ergebe und wie der Ausbruch tatsächlich bemessen gewesen sei. Anschließend lasse sich aus der Differenz x Länge x Breite das Mehraushubvolumen berechnen, das - wiederum ins Verhältnis zum Sollausbruch gesetzt - den Mehrausbruch für die jeweiligen Bereiche ergebe. Entsprechenden Darlegungen stehe nicht entgegen, dass die Klägerin in Ermangelung eigener Kenntnisse nur Vermutungen anstellen könne.
15 Die Klägerin hat in Reaktion auf diesen Hinweisbeschluss vorgetragen, sie habe die Sollwerte in Kubikmeter ermittelt, die sich aus den Tunnel-Scans und der Auswertung der weiteren von der Beklagten übergebenen Unterlagen errechnen ließen. Hieraus errechne sich - bei Zugrundelegung eines Mehrausbruchsfaktors von 11 % - ein relevantes Volumen von 755.403,804 m³. Sie, die Klägerin, habe sodann im zweiten Schritt die tatsächlich abgefahrenen Massen für die einzelnen Tunnelbereiche berechnet (insgesamt 920.525,869 m³) und den zusätzlichen Mehrausbruch ermittelt. In Strosse und Sohle sowie in einigen weiteren Tunnelbereichen seien daher weitere 25 % Mehrausbruch angefallen. Strosse und Sohle seien um ein Vielfaches tiefer als die Beklagte behaupte. Lege man diese weiteren 25 % Mehrausbruch zugrunde, errechne sich ein Volumen von 920.525,869 m³. Dies entspreche relativ genau den in ihrer Rechnung geltend gemachten 919.630,00 m³. Eine konkretere Berechnung sei mit den vorliegenden Unterlagen nicht möglich.
Das Berufungsgericht hat mit seinem zweiten Berufungsurteil die Klage 16 insgesamt abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Klägerin. Mit der Revision will sie eine Wiederherstellung des landgerichtlichen Grundurteils erreichen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
II. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die 17 Beklagte über die bereits geleisteten Zahlungen hinaus kein weitergehender Anspruch aus dem Vertrag der Parteien über Transportleistungen zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Klägerin habe nicht hinreichend schlüssig dargelegt, dass über die 18 seitens der Beklagten bereits abgerechneten Volumina hinaus tatsächlich ein Mehrausbruch stattgefunden habe, aufgrund dessen weitergehende Zahlungsansprüche jedenfalls hinreichend wahrscheinlich seien. Soweit die Klägerin ihre Abrechnung auf Grundlage der Anzahl der durchgeführten Lkw-Fahrten vorgenommen habe, widerspreche dies der Vereinbarung der Parteien im Leistungsverzeichnis. Der Umstand, dass für Strosse und Sohle keine Tunnel-Scans vorlägen, habe nicht zur Folge, dass die Klägerin nunmehr nach Fuhren abrechnen könne.
Der Sachvortrag der Klägerin, den sie nach dem Hinweisbeschluss des 19 Berufungsgerichts gehalten habe, werde den darin genannten Anforderungen nicht gerecht.
Es bestünden bereits erhebliche Bedenken, ob die Klägerin - im ersten 20 Schritt - nunmehr eine Abrechnung auf Grundlage der übergebenen Unterlagen und Daten vorgenommen habe. Dies könne jedoch im Ergebnis dahinstehen, da der seitens der Klägerin nunmehr angeführte Sollwert in Höhe von insgesamt 755.403,804 m³ zum einen sogar unter dem seitens der Beklagten angenommenen und bereits abgerechneten Wert in Höhe von insgesamt 765.532,265 m³ liege und zum anderen entscheidend - im zweiten Schritt - jedenfalls das Vorbringen der Klägerin betreffend einen etwaigen Mehrausbruch den Anforderungen aus dem Hinweisbeschluss nicht gerecht werde. Es erschöpfe sich in pauschalen Ausführungen, mit denen ein Mehrausbruch von 25 % in Strosse und Sohle sowie aus weiteren Tunnelbereichen und so ein Gesamtvolumen von 920.525,8695 m³ behauptet werde, das relativ genau den in der Rechnung geltend gemachten 919.630,00 m³ entspreche, nebst einer nicht weiter erörterten vorangestellten Tabelle.
Die Klägerin führe nicht weiter aus, woher sie die schlichte Behauptung 21 nehme, es seien in Strosse und Sohle sowie aus weiteren Tunnelbereichen weitere 25 % Mehrausbruch angefallen. Ihrem Vorbringen fehle es an jedweden Darlegungen, welche Ausbruchsmenge sich aus den Plänen für die einzelnen Bereiche und - im Vergleich dazu - aus den überreichten Unterlagen (insbesondere den Vortriebsprotokollen, die der Sachverständige insoweit für ohne Weiteres geeignet angesehen habe und aus denen sich im Einzelnen ergebe, an welchem Tag mit welcher Ausbruchsklasse welcher Ausbruch erfolgt sein solle) ergebe, sowie was darüber hinaus in Strosse und Sohle tatsächlich bei welchen Tunnelkilometern tiefer ausgehoben und damit letztlich auch abtransportiert worden sein solle. Angesichts des Streits der Parteien über die Planvorgabe (0,8 m oder 3,5 m Ausbruchtiefe) habe Veranlassung bestanden, zu dem der Klägerin bekannten Sollausbruch vorzutragen und anhand der Vortriebsprotokolle (Ausbruchklassen) darzulegen, zu welchem Ausbruch es demgegenüber tatsächlich in konkreten Abschnitten gekommen sei. Es fehle damit an jeglichen tatsächlichen greifbaren Anhaltspunkten für einen vermeintlichen Mehrausbruch in Strosse und Sohle sowie aus weiteren Tunnelbereichen, zu denen die Beklagte hätte Stellung nehmen und über die gegebenenfalls im Betragsverfahren Beweis und sei es nur bezüglich eines etwaigen Mindestaufwands im Rahmen einer Schätzung hätte erhoben werden können.
III. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
1. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicher23 stellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt daher vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (BGH, Beschluss vom 10. August 2022 - VII ZR 243/19, BauR 2022, 1812 [Rn. 18]; Beschluss vom 1. März 2023 - VII ZR 882/21, BauR 2023, 1154 [juris Rn. 17]).
2. Der Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist schlüssig und er24 heblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatgerichts, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - I ZR 86/21, NJW-RR 2022, 775 [juris Rn. 13] mwN).
Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine un25 mittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrundeliegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhal- tung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2023 - VII ZR 546/21, juris Rn. 21 mwN).
3. Hieran gemessen hat das Berufungsgericht mit seiner Beurteilung, die Klägerin habe nach dem gerichtlichen Hinweis nicht schlüssig vorgetragen, dass über die von der Beklagten bereits abgerechneten Volumina hinaus ein Mehrausbruch im Tunnel stattgefunden habe, aufgrund dessen weitergehende Zahlungsansprüche der Klägerin jedenfalls hinreichend wahrscheinlich seien, das Gehörsrecht der Klägerin verletzt.
a) Die Klägerin hat - neben dem vom Berufungsgericht für nicht ausreichend substantiiert angesehenen Vorbringen zu den tatsächlichen Ausbruchsmengen und zum zusätzlichen Mehrausbruchsfaktor - unter Beweisantritt vorgetragen, eine konkretere Berechnung sei mit den vorliegenden Unterlagen nicht möglich. Die Vortriebsprotokolle seien im Hinblick auf den tatsächlichen Ausbruch nicht aussagefähig, weil sie keine Angaben für die Volumenermittlung enthielten. Der Gerichtssachverständige sei davon ausgegangen, dass zu Strosse und Sohle nicht genügend Angaben vorlägen. Sie, die Klägerin, habe nicht pauschal einen Mehrausbruch angenommen, sondern eine begründete Annahme vorgebracht, die den ausgebrochenen Transportmassen entspreche. Sie habe nur einmal einen als Zeugen benannten Mitarbeiter in den Tunnel schicken dürfen, ohne jedoch Messungen vornehmen zu können. Welcher Ausbruch tatsächlich erfolgt sei, könne sie nur anhand der Beladung der Lkw feststellen. Zu den Positionen 70.01.0055 und 70.01.0050 seien je Fahrt wenigstens 10 m³ Ausbruch transportiert worden, und zwar auf 91.963 Fahrten beziehungsweise 86.833 Fahrten. Für diesen Vortrag hat die Klägerin zum Beweis Zeugen benannt und sich auf ein Sachverständigengutachten berufen.
Die Beschwerde verweist darüber hinaus darauf, dass der gerichtliche Sachverständige ausgeführt habe, mangels vollständiger Aufmaßunterlagen könne die Klägerin ihre bestrittenen Leistungen nicht weiter konkretisieren, das heißt, insbesondere nicht weiter die Abweichung des Ist- vom Sollzustand bestimmen. Die vorliegenden Unterlagen enthielten auch keine Angaben zu zusätzlichem Bodenaushub der Sohle, die für eine Abrechnung notwendig wären. Ein tatsächlicher Mehrausbruch in Strosse und Sohle sei - mangels vorhandener Aufmaße (Tunnel-Scans) - nicht zu erfassen; insoweit gebe es keine abrechnungsfähigen Unterlagen der Beklagten. Sollte die Klägerin insoweit abzurechnen haben, seien die erforderlichen Unterlagen, die die Klägerin zur Abrechnung bräuchte, nicht vorhanden. Die Beschwerde macht geltend, die Klägerin habe sich diese ihr günstige Einschätzung des Gerichtssachverständigen stillschweigend zu eigen gemacht.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgezeigte Vortrag der Klägerin biete keine hinreichenden Anhaltspunkte für den behaupteten Mehrvergütungsanspruch, überspannt die Substantiierungsanforderungen offenkundig und verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
aa) Der Annahme einer Gehörsrechtsverletzung steht nicht entgegen, dass die Parteien "grundsätzlich" eine Abrechnung "nach m³ fester Masse" mit einem "Aufmaß des Auftraggebers", also der Beklagten, vereinbart haben.
Eine der Parteivereinbarung entsprechende Abrechnung der tatsächlich abgefahrenen Ausbruchsmengen ist der Klägerin aber - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts - nicht möglich. Das Berufungsgericht ist in seinem Hinweisbeschluss davon ausgegangen, dass ein solches konkretes Aufmaß der Beklagten für Strosse und Sohle fehle und ihr insoweit eine Beweisvereitelung zur Last zu legen sei. Sie habe fahrlässig die ihr obliegende Erstellung des Aufmaßes unterlassen.
bb) Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht überzogene Anforderungen an den Vortrag der Klägerin gestellt. Kann die darlegungs- und beweisbelastete Partei den Umfang ihrer Leistungen nicht entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen präzise ermitteln, genügt sie ihrer Darlegungs- und Beweislast, wenn sie alle ihr zur Verfügung stehenden Umstände mitteilt, die Rückschlüsse hierauf ermöglichen (zu den Darlegungsanforderungen an den Vortrag des Werkunternehmers bei Unmöglichkeit eines Aufmaßes vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - VII ZR 337/02, NJW-RR 2004, 1384 [juris Rn. 22]).
(1) Da die Unmöglichkeit einer vertragsgemäßen Abrechnung in den Ver33 antwortungsbereich der Beklagten fällt, kann das Vorbringen der Klägerin nicht mit der Begründung unberücksichtigt bleiben, es fehlten jedwede Darlegungen, welche Menge in Strosse und Sohle tatsächlich bei welchen Tunnelkilometern ausgebrochen und damit letztlich auch abtransportiert worden sein solle. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, dass die Klägerin mangels der erforderlichen, von der Beklagten bereitzustellenden Unterlagen hierzu nur Vermutungen anstellen kann. Es darf deshalb von der Klägerin keinen Vortrag verlangen, der die Kenntnis der Unterlagen voraussetzt, die die Beklagte nicht vorgelegt hat.
(2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der gerichtliche Sach34 verständige zudem nicht ausgeführt, die von der Beklagten an die Klägerin übergebenen Unterlagen und Daten seien für eine der vertraglichen Regelung der Parteien entsprechende Abrechnung der Vergütung der Klägerin auf der Grundlage der tatsächlich angefallenen Ausbruchsmengen ohne Weiteres geeignet. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall.
(a) Der gerichtliche Sachverständige hat in seiner Anhörung im Termin zur 35 mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 9. Februar 2017 erklärt, auf Grundlage der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen könne das Tunnel-Sollprofil bestimmt werden, nicht jedoch der Tunnel-Istzustand. Hiervon ausgehend ist das Berufungsgericht in seinem ersten Berufungsurteil zu dem Ergebnis gelangt, nach den Ausführungen des Sachverständigen seien die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Unterlagen geeignet und ausreichend, um eine Abrechnung ohne konkretes Aufmaß in Bezug auf Strosse und Sohle zu erstellen. Eine solche Abrechnungsweise war allerdings nur im Verhältnis der Hauptauftraggeberin zur Streithelferin der Beklagten sowie zwischen der Streithelferin und der von jener unterbeauftragten Beklagten vereinbart.
(b) Nach der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung der Ver36 einbarung der Parteien bemisst sich die von der Beklagten der Klägerin geschuldete Vergütung jedoch nicht nach dem Tunnel-Sollmaß, sondern nach den konkreten Mengen. Insoweit hat der Sachverständige in seiner Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte der Klägerin die für die Abrechnung erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt habe.
(3) Die Klägerin hat auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts zu 37 dem von ihr angenommenen Mehrausbruch vorgetragen. Auf Grundlage der ihr vorliegenden Unterlagen hat sie ein Volumen errechnet, das relativ genau dem in ihrer Rechnung geltend gemachten Volumen entspricht. Hiermit hat sie den von ihr in den Raum gestellten Wert von 25 % - zwar nicht rechnerisch exakt, aber doch grob - plausibilisiert. Auch der beweisbewehrte Vortrag der Klägerin zu den aus der Baustelle abtransportierten Ausbruchsmengen kann angesichts des Fehlens von Abrechnungsunterlagen der Beklagten geeignet sein, Rück- schlüsse auf den Umfang der von der Klägerin erbrachten Leistungen zu ermöglichen, wie das Berufungsgericht in seinem ersten Berufungsurteil bereits erwogen hat.
4. Die Gehörsrechtsverletzung ist entscheidungserheblich. 38 39 a) Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksich39 tigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (zu diesem Maßstab vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - I ZR 88/20, juris Rn. 17; Beschluss vom 11. Januar 2022 - VIII ZR 33/20, NJW-RR 2022, 703 [juris Rn. 25]). Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage damit begründet, dass es an dem von ihm vermissten Vortrag der Klägerin fehle. Die zwischen den Parteien streitige Frage der Verjährung hat es offengelassen.
b) Es ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand auch nicht ausge40 schlossen, dass im Bereich von Strosse und Sohle und weiteren Tunnelbereichen ein Mehrausbruch erfolgt ist, der zu Mehrleistungen der Klägerin geführt hat, die über die von der Beklagten bereits vergüteten Transportleistungen hinausgehen. Soweit die Beschwerdeerwiderung auf von der Klägerin bestrittenes Vorbringen der Beklagten verweist, wonach die vorgelegten Vortriebsprotokolle die tatsächlichen geologischen Verhältnisse im Tunnel zutreffend abbildeten und sich hieraus konkret berechnen lasse, wie viel Kubikmeter Material insgesamt ausgebrochen worden sei und von der Klägerin habe abgefahren werden müssen, hat das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen vor dem Landgericht bestätigen diesen Vortrag der Beklagten nicht.
IV. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen 41 Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
V. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich. Gerichtsgebühren, die 42 sich nach dem Streitwert richten, fallen im Streitfall nicht an, weil die Nichtzulassungsbeschwerde in vollem Umfang Erfolg hat (vgl. Nr. 1243 Fall 2 der Anlage 1 zum GKG; BGH, Beschluss vom 12. März 2007 - II ZR 19/05, NJW-RR 2007,
[juris Rn. 5]).
Koch Schmaltz Löffler Schwonke Odörfer Vorinstanzen: LG Fulda, Entscheidung vom 05.02.2021 - 7 O 73/12 OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 14.11.2023 - 14 U 55/21 -
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3 | 103 | GG |
1 | 16 | VOB |
1 | 544 | ZPO |
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