XII ZB 377/24
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES XII ZB 377/24 BESCHLUSS in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja JNEU:
nein BGB §§ 204 Abs. 2 Satz 1, 212 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2; ZPO § 767 a) Der erneute Beginn der Verjährung infolge einer Vollstreckungshandlung gilt nach § 212 Abs. 2 BGB als nicht eingetreten, wenn die Zwangsvollstreckung aus dem zugrundeliegenden Titel nach § 767 ZPO mangels hinreichender Bestimmtheit der Tenorierung rechtskräftig für unzulässig erklärt worden ist (Fortführung von BGHZ 122, 287 = NJW 1993, 1847).
b) Innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung hat der Gläubiger in analoger Anwendung des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB die Möglichkeit, durch weitere Maßnahmen zur Rechtsverfolgung den Verjährungseintritt zu verhindern (Fortführung von BGHZ 122, 287 = NJW 1993, 1847).
BGH, Beschluss vom 19. Februar 2025 - XII ZB 377/24 - OLG Köln AG Aachen ECLI:DE:BGH:2025:190225BXIIZB377.24.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 29. April 2024 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen Gründe: I.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Vollstreckungsabwehrantrag, mit dem der Antragsteller die Verjährung übergegangener Kindesunterhaltsansprüche einwendet, die zugunsten des Antragsgegners tituliert sind.
Der Antragsteller ist Vater zweier Kinder, für die der Antragsgegner (ein Jobcenter) im Zeitraum von Januar 2008 bis August 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbrachte. Durch ein rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 1. September 2008 wurde der Antragsteller verpflichtet, Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht an den Antragsgegner zu zahlen. Nach Erlass dieses Urteils ergriff der Antragsgegner verschiedene Maßnahmen zur Vollstreckung der titulierten Unterhaltsansprüche.
Am 26. Februar 2020 wandte sich der Antragsteller mit einem (ersten) Vollstreckungsabwehrantrag gegen die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Versäumnisurteil. Durch rechtskräftigen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. Juni 2021 wurde die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil wegen Unbestimmtheit der Tenorierung für unzulässig erklärt. Daraufhin beantragte der Antragsgegner am 15. Juli 2021 in einem weiteren Verfahren die Feststellung des vollstreckungsfähigen Inhalts des Versäumnisurteils. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 2. September 2022 wurde festgestellt, dass der Antragsteller aus diesem Urteil ab dem 1. August 2008 zur Zahlung des Mindestunterhalts für beide Kinder abzüglich des hälftigen Kindergeldes an den Antragsgegner verpflichtet ist.
Nachdem der Antragsgegner am 13. Oktober 2022 den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt hatte, hat der Antragsteller den vorliegenden Vollstreckungsabwehrantrag gestellt und die Einrede der Verjährung erhoben. Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt dieser sein Begehren weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil sei durch den Beschluss vom 22. Juni 2021 (nur) wegen der nicht hinreichend bestimmten Tenorierung für unzulässig erklärt worden. Eine Entscheidung über die Durchsetzbarkeit der titulierten Ansprüche, insbesondere über die Berechtigung der auch seinerzeit schon erhobenen Verjährungseinrede des Antragstellers, sei dagegen in diesem Beschluss nicht getroffen worden. Auch im Beschluss vom 2. September 2022 sei nicht über die vom Antragsteller erneut erhobene Verjährungseinrede entschieden worden. Die Rechtskraft jenes Beschlusses erschöpfe sich vielmehr in der tenorierten Feststellung des vollstreckungsfähigen Inhalts des Versäumnisurteils. Daher sei - anders als vom Amtsgericht angenommen - nunmehr im vorliegenden Verfahren über die Frage der Verjährung der titulierten Unterhaltsansprüche zu entscheiden.
Der Antragsgegner habe nach Erlass des Versäumnisurteils fortlaufend - zuletzt durch den Vollstreckungsantrag vom 19. November 2019 und den daraufhin ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 5. Dezember 2019 - Maßnahmen zur Vollstreckung ergriffen, die nach Maßgabe des § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB jeweils zu einem Neubeginn der dreijährigen Verjährungsfrist für die titulierten künftigen Unterhaltsansprüche (§§ 197 Abs. 2, 195 BGB) geführt hätten. Zwar sei die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil durch den Beschluss vom 22. Juni 2021 für unzulässig erklärt worden. Dies habe jedoch nicht rückwirkend zu einem Wegfall des durch den Erlass des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses vom 5. Dezember 2019 eingetretenen Verjährungsneubeginns geführt. Denn nach § 212 Abs. 2 BGB gelte der erneute Beginn der Verjährung infolge einer Vollstreckungshandlung nur dann als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung auf Antrag des Gläubigers oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben worden sei. Hier sei die Zwangsvollstreckung auf Antrag des Antragstellers, mithin des Schuldners und nicht des Gläubigers, für unzulässig erklärt worden, und die zweite Alternative des § 212 Abs. 2 BGB sei ebenfalls nicht erfüllt. Denn ein Mangel der gesetzlichen Voraussetzungen sei nur anzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Vollstreckung schlechthin fehlten, was etwa bei einer Aufhebung der Vollstreckungsklausel (und anschließend der Vollstreckungshandlung) wegen mangelnder Bestimmtheit des Titels nicht der Fall sei. Vorliegend sei zwar nicht die Vollstreckungsklausel, sondern der Unterhaltstitel in Wegfall geraten. Aber bei Vornahme der Vollstreckungshandlung habe der Titel noch vorgelegen und es sei auch nicht von vornherein erkennbar oder offensichtlich gewesen, dass die Vollstreckung daraus später für unzulässig erklärt werden würde. Daher sei die Verjährungsfrist am 5. Dezember 2019 erneut in Gang gesetzt worden. Durch den Antrag des Antragsgegners auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 13. Oktober 2022 habe die Verjährung wiederum neu begonnen. Daher seien die titulierten Unterhaltsansprüche nicht verjährt und der Vollstreckungsabwehrantrag des Antragstellers unbegründet.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Die Annahme des Beschwerdegerichts, dem hiesigen Vollstreckungsabwehrantrag stehe nicht die Rechtskraft einer anderen Entscheidung entgegen, wird von der Rechtsbeschwerde als ihr günstig nicht angegriffen und ist auch nicht zu beanstanden.
b) Es begegnet ferner keinen Rechtsbedenken, dass das Beschwerdegericht den nach Erlass des Versäumnisurteils fortlaufend gestellten Vollstreckungsanträgen des Antragsgegners und den daraufhin vorgenommenen Vollstreckungshandlungen, zuletzt in Form des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 5. Dezember 2019, zunächst nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB jeweils verjährungsunterbrechende Wirkung beigemessen hat (vgl. BGHZ 122, 287
= NJW 1993, 1847, 1848 zu § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB aF). Auch dies zieht die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel.
c) Im Ergebnis ebenfalls zutreffend hat das Beschwerdegericht verneint, dass infolge des Beschlusses vom 22. Juni 2021, durch den die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil rechtskräftig für unzulässig erklärt worden ist, eine Verjährung der titulierten Unterhaltsansprüche eingetreten ist.
aa) Nach § 212 Abs. 2 Alt. 2 BGB gilt der erneute Beginn der Verjährung infolge einer Vollstreckungshandlung dann als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird. Diese am 1. Januar 2002 im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung in Kraft getretene Vorschrift hat die Regelung des § 216 Abs. 1 Alt. 2 BGB aF - unter sprachlicher Anpassung - übernommen (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 121).
bb) Zu den gesetzlichen Grundvoraussetzungen für eine Vollstreckung zählt nach § 704 ZPO insbesondere ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil. Ein solcher Titel bestand hier in Form des Versäumnisurteils vom 1. September 2008. Zwar ist die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch den rechtskräftigen Beschluss vom 22. Juni 2021 für unzulässig erklärt worden. Dies hat vorliegend aber entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht nach § 212 Abs. 2 Alt. 2 BGB rückwirkend zu einem Wegfall der verjährungsunterbrechenden Wirkung der Vollstreckungsmaßnahmen geführt.
(1) Die Rechtsbeschwerde macht allerdings mit Recht geltend, dass die eingetretene Unterbrechung der Verjährung im Falle der bindenden Feststellung der fehlenden Vollstreckungsfähigkeit des vom Gläubiger erwirkten Titels schon nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum früheren Recht „an sich“ rückwirkend als nicht erfolgt anzusehen ist, weil es dann an den gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen fehlt. Eine solche bindende Feststellung ist der Aufhebung der Vollstreckungshandlung gleichzuachten (vgl. BGHZ 122, 287 = NJW 1993, 1847, 1849 zu § 216 BGB aF). Diese Rechtsprechung lässt sich auf die gegenüber der Vorgängernorm nur sprachlich angepasste Vorschrift des § 212 Abs. 2 Alt. 2 BGB übertragen, zumal nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers „die dem früheren Recht eigene Unterscheidung, dass die Unterbrechung nur entfällt, wenn die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung schlechthin fehlen und nicht schon dann, wenn die Vollstreckungshandlung etwa wegen Unpfändbarkeit der Sache oder aufgrund einer Drittwiderspruchsklage aufgehoben wird“, erhalten bleiben sollte (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 121). In den beiden letztgenannten Fällen mangelt es gerade nicht an den Vollstreckungsvoraussetzungen schlechthin, so dass eine Zwangsvollstreckung als solche unzulässig wäre, sondern es wird aus anderen Gründen nur die konkrete Vollstreckungshandlung im Einzelfall aufgehoben (vgl. MünchKommBGB/Grothe 10. Aufl. § 212 Rn. 24). Ist dagegen - wie hier - die Zwangsvollstreckung aus einem Titel mangels Bestimmtheit der Tenorierung rechtskräftig für unzulässig erklärt worden, scheidet eine Vollstreckung aus diesem Titel schlechterdings aus, so dass der Verjährungsneubeginn wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 212 Abs. 2 Alt. 2 BGB grundsätzlich als nicht eingetreten gilt (aA BeckOK BGB/Henrich [Stand: 1. November 2024] § 212 Rn. 16; Soergel/ Hergenröder BGB 14. Aufl. § 212 Rn. 38).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts (vgl. auch OLG Jena NJW-RR 2001, 1648 f.) ist eine hiervon abweichende Beurteilung auch nicht deshalb geboten, weil bei Vornahme der Vollstreckungshandlungen nicht erkennbar oder offensichtlich war, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil zu einem späteren Zeitpunkt für unzulässig erklärt werden würde. Denn nach dem Wortlaut des § 212 Abs. 2 Alt. 2 BGB ist allein der Mangel der gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen - hier die fehlende Vollstreckungsfähigkeit des Titels mangels Bestimmtheit der Tenorierung - für ein Entfallen des Verjährungsneubeginns maßgeblich, worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht hinweist.
(2) Gleichwohl ist hier die Unterbrechungswirkung der Vollstreckungsanträge und Vollstreckungshandlungen (zuletzt des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 5. Dezember 2019) in entsprechender Anwendung des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB erhalten geblieben, weil der Antragsgegner am 15. Juli 2021 - mithin vor Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vom 22. Juni 2021 - die gerichtliche Feststellung des vollstreckungsfähigen Inhalts des Versäumnisurteils beantragt und somit eine Maßnahme zur Rechtsverfolgung ergriffen hat.
(a) Die analoge Anwendung einer Norm erfordert zum einen eine planwidrige Regelungslücke. Zum anderen muss eine Vergleichbarkeit der in Rede stehenden Sachverhalte gegeben sein, also der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. Senatsurteil vom 7. August 2024 - XII ZR 113/22 - NJW-RR 2024, 1432 Rn. 28 mwN). Beides ist hier zu bejahen.
(b) Schon zum früheren Recht hatte der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass eine Besonderheit bestehe, wenn die Entscheidung über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung, die einer Aufhebung der Vollstreckungshandlung gleichstehe, erst zu einem Zeitpunkt ergehe, in dem der Anspruch des Gläubigers bereits verjährt wäre, wenn die durch die rechtzeitige Vollstreckungshandlung hervorgerufene Verjährungsunterbrechung als nicht eingetreten gelten würde. Für einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die ursprüngliche Unterbrechungswirkung der Vollstreckungshandlung entsprechend § 212 Abs. 2 BGB aF erhalten bleibe, wenn der Gläubiger vor Ablauf von sechs Monaten nach Erlass der die Zwangsvollstreckung rechtskräftig für unzulässig erklärenden Entscheidung erneut eine verjährungsunterbrechende Maßnahme ergreife (vgl. BGHZ 122, 287 = NJW 1993, 1847, 1849; vgl. auch OLG Köln WM 1995, 597, 600). Dem lag zugrunde, dass ein Gläubiger, der im Vertrauen auf einen bestehenden (vermeintlich vollstreckungsfähigen) Titel in unverjährter Zeit Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung ergriffen hat, schutzwürdig ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Titel mangels Bestimmtheit der Tenorierung doch nicht vollstreckungsfähig ist. Ihm wurde daher zugebilligt, binnen sechs Monaten nach Feststellung der mangelnden Bestimmtheit des Titels eine Maßnahme zur Rechtsverfolgung zu ergreifen, um so die ursprüngliche Unterbrechungswirkung aufrechtzuerhalten.
(c) Zwar hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung die Klageerhebung von einem Unterbrechungsgrund (§ 209 Abs. 1 BGB aF) in einen Hemmungsgrund (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) umgestaltet, so dass die Regelung des § 212 Abs. 2 BGB aF im geltenden Recht keine unmittelbare Entsprechung mehr findet. Soweit Teile des Schrifttums daraus schließen, dass deshalb die Grundlage für die nach früherem Recht befürwortete Analogie entfallen sei (vgl. Erman/Schmidt-Räntsch BGB 17. Aufl. § 212 Rn. 16; NK-BGB/Budzikiewicz 4. Aufl. § 212 Rn. 26; Soergel/Hergenröder BGB 14. Aufl. § 212 Rn. 39; Staudinger/Jacoby BGB [2024] § 212 Rn. 49), vermag dies jedoch nicht zu überzeugen. Denn die Neuregelung der Verjährungsvorschriften hat nicht dazu geführt, dass die bis dahin bestehende planwidrige Regelungslücke entfallen wäre.
Nach dem früheren Verjährungsrecht galt eine Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch Prozessurteil abgewiesen wurde (§ 212 Abs. 1 BGB aF). Allerdings führte in diesen Fällen die neuerliche Erhebung einer Klage binnen sechs Monaten dazu, dass die Verjährung nach § 212 Abs. 2 BGB aF rückwirkend als durch die Erhebung der ersten Klage unterbrochen galt. Zur Begründung seiner Entscheidung, die Klageerhebung im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung von einem Unterbrechungs- in einen Hemmungsgrund umzugestalten, hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass kein Grund bestehe, dem Gläubiger nach dem Ende der „Fortdauer der Unterbrechung“ eine neue Verjährungsfrist zu gewähren. Vielmehr genüge es, dass ihm nach dem Ende der „Fortdauer“ der Rest einer gehemmten Verjährungsfrist zur Verfügung stehe (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 113). Indes bewirke die Vorschrift des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB, dass die Hemmung der Verjährung erst nach Ablauf einer sechsmonatigen Nachfrist ende (vgl. BT-Drucks. 14/6857 S. 44; vgl. auch BT-Drucks. 14/6040 S. 113 und 117). Die Gewährung dieser Nachfrist hielt der Gesetzgeber wegen der durch die Umstellung von der Unterbrechungs- auf die Hemmungswirkung und die dadurch bewirkte geringere Intensität der Einwirkung auf den Lauf der Verjährung für angezeigt. Dem Gläubiger müsse noch eine Frist bleiben, in der er - verschont von dem Lauf der Verjährung - weitere Rechtsverfolgungsmaßnahmen einleiten könne. Die Sechs-Monats-Frist sei ausreichend und in diesem Zusammenhang bereits eingeführt. Schon bisher gelte für den Fall, dass der Berechtigte binnen sechs Monaten erneut Klage erhebe, die Verjährung als durch die erste Klageerhebung unterbrochen (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 117).
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte also der Rechtsgedanke des § 212 Abs. 2 BGB aF in das neue Verjährungsrecht übernommen werden. In den Gesetzesmaterialien kommt an keiner Stelle zum Ausdruck, dass durch die Umgestaltung der Wirkungen einer Klageerhebung für Fälle wie den vorliegenden eine Änderung herbeigeführt werden sollte. Vielmehr hatte der Gesetzgeber diese Sonderkonstellation bei der Neuregelung des Verjährungsrechts nicht un- mittelbar vor Augen. Auch wenn ihm die zum früheren Recht ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 122, 287 = NJW 1993, 1847, 1849) hätte bekannt sein können, spielte diese bei der Neufassung ersichtlich keine Rolle. Wenn der Gesetzgeber die bis dahin bestehende planwidrige Regelungslücke bei der Ausgestaltung des neuen Verjährungsrechts nicht im Blick hatte, kann auch nicht angenommen werden, dass diese Lücke nunmehr aufgrund der Neuregelung dem gesetzgeberischen Willen entspricht.
(d) Wäre dem Gesetzgeber die hier vorliegende Sonderkonstellation bewusst gewesen, wäre er zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom Bundesgerichtshof zum früheren Verjährungsrecht angestellten Erwägungen auch unter Geltung des zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Verjährungsrechts weiterhin tragfähig sind (im Ergebnis ebenso Grüneberg/Ellenberger BGB 84. Aufl. § 212 Rn. 12). Denn nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte der Rechtsgedanke des § 212 Abs. 2 BGB aF in das neue Verjährungsrecht übernommen und dem Gläubiger durch § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung eines Verfahrens durch erneute Maßnahmen zur Rechtsverfolgung den Eintritt der Verjährung zu verhindern. In dieser Nachfrist von sechs Monaten sollte (wie schon nach früherem Recht) zum Schutz des Gläubigers keine Verjährung eintreten (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 117), und zwar unabhängig davon, dass die Klageerhebung im reformierten Verjährungsrecht als Hemmungs- und nicht mehr als Unterbrechungsgrund ausgestaltet ist.
Für den Gläubiger eines titulierten Anspruchs hat sich die Situation durch die Reform des Verjährungsrechts also letztlich nicht geändert. Hat er rechtzeitig auf die Vornahme einer Vollstreckungshandlung hingewirkt und dadurch eine Unterbrechung der Verjährung herbeigeführt, ist er schutzwürdig, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Zwangsvollstreckung aus dem Titel mangels hinreichender Bestimmtheit der Tenorierung rechtskräftig für unzulässig erklärt wird. Ihm muss in analoger Anwendung des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB die Möglichkeit verbleiben, innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung durch weitere Maßnahmen zur Rechtsverfolgung den Verjährungseintritt zu verhindern. Würde man dies anders sehen, wäre der Gläubiger eines titulierten Anspruchs gezwungen, noch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, in dem über die Vollstreckungsfähigkeit des Titels entschieden wird, vorsorglich weitere kostenauslösende Maßnahmen zur Rechtsverfolgung zu ergreifen, die sich als überflüssig erweisen würden, sollte der bestehende Titel doch für hinreichend bestimmt erachtet werden.
d) Nach alledem ist der am 5. Dezember 2019 infolge des Erlasses des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingetretene Neubeginn der Verjährung nicht rückwirkend entfallen, so dass der Vollstreckungsantrag des Antragsgegners vom 13. Oktober 2022 in unverjährter Zeit gestellt worden ist und wiederum eine Unterbrechung der Verjährung herbeigeführt hat. Daher sind die übergegangenen Unterhaltsansprüche nicht verjährt.
Guhling Pernice Nedden-Boeger Recknagel Botur Vorinstanzen: AG Aachen, Entscheidung vom 16.05.2023 - 222 F 7/23 OLG Köln, Entscheidung vom 29.04.2024 - II-10 UF 71/23 - Verkündet am: 19. Februar 2025 Pfirrmann, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle