35 W (pat) 11/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 11/12
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 152 08.05
…
betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Beschwerde gegen Kostenfestsetzung)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 15. Juni 2015 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts in Sachen Lö II 104/05 vom 16. August 2012 aufgehoben.
Die der Löschungsantragstellerin von der Löschungsantragsgegnerin zu erstattenden Kosten werden auf
9.131,80 €
(- in Worten: neuntausendeinhunderteinunddreißig 80/100 Euro -)
festgesetzt.
Der festgesetzte Betrag ist ab dem 28. August 2010 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Löschungsantragsgegnerin zu tragen.
Gründe I.
Die Beschwerdegegnerin und Löschungsantragsgegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) war Inhaberin des am 17. April 2003 eingetragenen Gebrauchsmusters … (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „…“, das durch Abzweigung als Anmeldetag den 12. Januar 2000 erhalten hatte. Das Streitgebrauchsmuster war insgesamt mit fünf Löschungsanträgen angegriffen worden. Zu diesen Löschungsanträgen zählte auch der von der Beschwerdeführerin und Löschungsantragstellerin (im Folgenden Antragstellerin), den diese am 11. Juni 2005 eingereicht hatte. Die Antragsgegnerin hat sämtlichen Löschungsanträgen wirksam widersprochen.
Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat am 26. November 2007 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der vier der fünf Löschungsanträge gemeinsam verhandelt wurden. In dieser Verhandlung haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin den Gegenstandswert des Löschungsverfahrens übereinstimmend mit 250.000,-- € angegeben. Mit einem später an Verkündungs statt zugestellten Beschluss vom 13. Dezember 2007 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang gelöscht und der Antragsgegnerin die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens auferlegt. Die von der Antragsgegnerin hiergegen eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben. Den Gegenstandswert dieses Beschwerdeverfahrens hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 13. April 2011 (Az. 35 W (pat) 416/08) auf 1.000.000,-- € festgesetzt.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 13. August 2010 beantragt, die ihr von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 5.000.000,-- € festzusetzen, wobei sie eine 2,5-fache Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2300 geltend gemacht hat. Darüber hinaus begehrte sie die Erstattung der Löschungsantragsgebühr (300,-- €), die der Postund Telekommunikationspauschale (20,-- €), eine Erstattung von Kopierkosten (59,80 €) sowie die eines Abwesenheitsgeldes (60,-- €).
Mit Beschluss vom 16. August 2012 hat Gebrauchsmusterabteilung die der Antragstellerin von der Antragsgegnerin für das patentamtliche Löschungsverfahren zu erstattenden Kosten auf 4.243,80 € festgesetzt, wobei die Abteilung eine 2,0-fache Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2300 auf der Basis eines Gegenstandswertes von 250.000,-- € in Ansatz gebracht hat. Im Übrigen wurden die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten - abgesehen von der geleisteten Löschungsantragsgebühr - antragsgemäß festgesetzt.
Gegen den ihr am 20. August 2012 zugestellten Beschluss richtet sich die am 3. September 2012 beim DPMA eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, mit der diese ihren Kostenerstattungsanspruch auf der Basis des Gegenstandswertes von 1.000.000,-- € weiterverfolgt.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. August 2012 aufzuheben und die ihr von der Antragsgegnerin für das patentamtliche Löschungsverfahren zu erstattenden Kosten auf der Basis eines Gegenstandswertes von 1.000.000,-- € neu festzusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt hingegen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Antragstellerin an die in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I abgestimmte Höhe des Gegenstandswertes von 250.000,-- € gebunden sei. Im Übrigen sei der Vortrag der Antragstellerin auch in der Sache nicht geeignet, einen Gegenstandswert in Höhe von 1.000.000,-- € zu rechtfertigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten vor dem DPMA und auf die Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2012 Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist innerhalb der zweiwöchigen Frist nach § 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. §§ 62 Abs. 2 Satz 4, 73 PatG eingelegt worden. In dieser Frist ist auch die Beschwerdegebühr in Höhe von 50,-- € (Nr. 401 200 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) einbezahlt worden. Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer Beschwerde auch ein zulässiges Ziel, indem sich ihr Begehren sinngemäß darauf richtet, eine Neufestsetzung der von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf der Basis eines höheren Gegenstandswertes zu erreichen.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Vortrag der Antragstellerin ausreichend, um zu deren Gunsten eine Kostenfestsetzung auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 1.000.000,-- € zu erwirken.
a) Im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren erfolgt die Bemessung des Gegenstandswertes gemäß §§ 23, 33 RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO grundsätzlich nach billigem Ermessen, weil eine Wertvorschrift für die Anwaltsgebühren fehlt und der Gegenstandswert auch ansonsten nicht feststeht. Der Gegenstandswert ist hiernach auf der Grundlage der vorgetragenen tatsächlichen Anhaltspunkte nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen. Er richtet sich im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung des Schutzrechts (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 17 GebrMG Rn. 57; § 84 PatG, Rn. 57), wobei Ausgangspunkt der Schätzung der gemeine Wert des Streitgebrauchsmusters zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags ist. Einzubeziehen sind die noch für eine voraussichtliche Restlaufzeit des Gebrauchsmusters zu erwartenden Erträge des Schutzrechts, die insbesondere durch Eigennutzung und Lizenzvergabe erreichbar erscheinen, und die bis zum Beginn des Löschungsverfahrens gegebenenfalls entstandenen Schadenersatzforderungen aus Verletzungshandlungen. Dabei ist die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters zu unterstellen (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 116).
Im vorliegenden Fall muss als gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkt, der bei der Bemessung des gemeinen Wertes des hier Rede stehenden Streitgebrauchsmusters heranzuziehen ist, berücksichtigt werden, dass das Streitgebrauchsmuster insgesamt fünf Löschungsanträge auf sich gezogen hatte. Diese Tatsache lässt sich nur so erklären dass das Streitgebrauchsmuster von den Mitbewerbern der Antragsgegnerin im wirtschaftlichen Verkehr als außerordentlich hinderlich und störend empfunden wurde. Eine derartige Häufung von Löschungsanträgen kommt nur selten vor und weist letztlich zwingend auf einen erheblich über den Durchschnitt liegenden, gemeinen Wert des vorliegenden Streitgebrauchsmusters hin. Auf dieser Grundlage kann der Gegenstandswert des patentamtlichen Löschungsverfahrens auf mindestens 1.000.000,-- € geschätzt werden. Demgegenüber kann der Einwand der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe keine hinreichend konkreten Unterlagen zur Bestimmung des Gegenstandswertes vorgelegt, nicht durchgreifen. Der erkennende Senat sieht jedenfalls keinen Grund, den Gegenstandswert des patentamtlichen Löschungsverfahrens anders als in seinem Beschluss vom 13. April 2011 (Az. 35 W (pat) 416/08) zu beurteilen, der zum Beschwerdeverfahren ergangen ist, das sich an das vorliegende patentamtliche Löschungsverfahren anschloss.
b) Die Antragsgegnerin kann im Übrigen auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die Antragstellerin habe ursprünglich nur einen Gegenstandswert in Höhe von 250.000,-- € beantragt und sei nunmehr an diese Erklärung gebunden. Dem steht entgegen, dass über den Gegenstandswert - ebenso wie beim Gebührenstreitwert in Verletzungssachen - von Amts wegen zu befinden ist und es daher nicht im Belieben der Verfahrensbeteiligten steht, durch übereinstimmende Anträge über den Gegenstandswert zu disponieren (vgl. OLG Düsseldorf, Mitt. 2010, 490, 491 - „Du sollst nicht Lügen!“ - und GRUR-RR 2011, 341 f. - „Streitwertheraufsetzung II“). Der Antragsgegnerin ist zwar insoweit zuzustimmen, als immer dann Zurückhaltung geboten ist, wenn ein Antrag auf Heraufsetzung des Gegenstandswertes von einer Partei erst zu einem Zeitpunkt gestellt wird, nachdem diese endgültig obsiegt hat. Ergibt sich aber später anhand der tatsächlichen Verhältnisse, dass der angenommene Gegenstandswert offensichtlich als zu niedrig eingeschätzt wurde, so ist eine entsprechende Anhebung des Gegenstandswertes angezeigt; ein Vertrauensschutz des Erstattungspflichtigen wird in solchen Fällen nicht anerkannt (vgl. OLG Düsseldorf, Mitt. a. a. O.).
c) Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören die der Antragstellerin erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren (§ 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 62 Abs. 2 PatG). Allerdings gilt bei den einzelnen Rechnungsposten der Antragsgrundsatz, weshalb insoweit kein Anlass für weitere Ausführungen besteht, als sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht dagegen gewandt hat, dass - entgegen ihrem ursprünglichen Festsetzungsantrag - nur eine 2,0-fache Geschäftsgebühr festgesetzt wurde und auch die entrichtete Löschungsantragsgebühr bei der Kostenfestsetzung unberücksichtigt geblieben ist.
Danach errechnen sich die für das patentamtliche Löschungsverfahren entstandenen Kosten, deren Erstattung die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde weiterverfolgt hat und die ihr auf der Grundlage der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Fassung des RVG zustehen, wie folgt:
Gebührentatbestand Gegenstandswert: 1.000.000 € (§§ 2 Abs. 1, 23, 33 RVG)
1. Geschäftsgebühr 2. Pauschale Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 3. Tage- und Abwesenheitsgeld 4. Dokumentenpauschale RVG Satz Betrag VV Nr.
in €
2,0 7002
8.992,00 20,00
7005
60,00 59,80 Gesamtkosten der Antragstellerin:
9.131,80 =======
d) Der Verzinsungsausspruch mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28. August 2010 wurde aus dem streitgegenständlichen Beschluss übernommen, da dieser auch insoweit nicht angefochten wurde.
III.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahren, da sie in vollem Umfang unterlegen ist und die Billigkeit keine andere Kostenverteilung nahelegt (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO).
IV.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Werner Bayer Eisenrauch Me