7 Ni 11/17 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 11/17 (EP) (Aktenzeichen)
…
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 9. August 2018
…
In der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BPatG:2018:090818U7Ni11.17EP.0 betreffend das europäische Patent 2 663 710 (DE 50 2012 001 846)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, des Richters Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Dr. Schnurr, des Richters Dipl.-Ing. Dr. Großmann und des Richters Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Klage richtet sich gegen den deutschen Teil des europäischen Patents 2 663 710, das aus der internationalen Anmeldung PCT/IB2012/050147 (veröffentlicht als Druckschrift WO 2012/095806 A1, Anlage K1b) hervorgegangen ist und die Priorität der deutschen Voranmeldung 10 2011 000 158 vom 14. Januar 2011 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent ist in deutscher Verfahrenssprache mit der Bezeichnung „Verstellbare Vertikalaussteifung für einen abstellbaren Schiebeflügel“ erteilt worden und wird im Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 50 2012 001 846.3 geführt. Es umfasst zwölf Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Patentanspruch 1 mit Unteransprüchen 2 bis 8 stellt eine verstellbare Vertikalaussteifung unter Schutz; Patentanspruch 9 mit Unteransprüchen 10 bis 12 betrifft ein Verfahren zur Beeinflussung einer Vertikalaussteifung.
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 9 haben folgenden Wortlaut:
1. Verstellbare Vertikalaussteifung für einen Flügel (1) einer Abstellschiebetür oder eines Abstellschiebefensters, welche Vertikalaussteifung einen Bolzen (7, 7'), ein Tragprofil (6) und eine Stelleinrichtung (8, 8') aufweist, wobei der Bolzen (7, 7') zumindest formschlüssig mit dem Tragprofil (6) für den horizontalen Holm (1a) des Flügels so verbunden ist, dass der Bolzen (7, 7') einen Abstand (X, b, a1, a2) zumindest vom vertikalen Holm (1b) des Flügels (1) erhält oder aufweist, und der Bolzen (7, 7') an seinem oberen Ende (7a, 7*) zumindest einen Durchbruch (7c, 8b) zum Durchführen der Stelleinrichtung (8, 8', 8a) aufweist, mit welcher auf das obere Ende (7a, 7*) des Bolzens der Vertikalaussteifung (6; 7, 7') ein verstellbarer Druck ausübbar ist und das Tragprofil (6) zur unverschieblichen Anbringung an einem unteren Eckbereich von horizontalem (1a) und vertikalem (1b) Flügelholm eine Öffnung (6a) zum spielfreien Einstecken eines unteren Endabschnitts (7b, 7b') des Bolzens (7, 7') aufweist, wobei zwischen der Einstecköffnung (6a) und einer dazu parallelen Fläche (E) des Tragprofils (6), die zur Anlage an den unteren Eckbereich der Flügelholme (1a, 1b) angepasst und geeignet ist, ein Abstand (e) vorgesehen ist, und ein darüber liegender Abschnitt des Bolzens über die Stelleinrichtung (8; 8a) in Richtung senkrecht zum vertikalen Flügelholm oder zur parallelen Fläche (E) des Tragprofils (6) nach Außen oder nach Innen verstellbar ist zur Veränderung eines Winkels (α) zwischen einem oberen Abschnitt des Bolzens (7, 7') und einer Fläche des Flügelholms oder der Fläche (E) des Tragprofils (6).
9. Verfahren zur Beeinflussung einer Vertikalaussteifung nach einem der Ansprüche 1 - 8, wobei der Bolzen (7, 7') mit dem Trageprofil (6) am horizontalen Holm (1a) des Flügels so verbunden ist, dass der Bolzen (7, 7') einen Abstand (X, b) vom vertikalen Holm (1b) des Flügels aufweist, und der Bolzen an seinem oberen Ende (7a, 7*) den zumindest einen Durchbruch (7c, 8b) mit einer Stelleinrichtung (8, 8a) aufweist, und auf das obere Ende des Bolzens der Vertikalaussteifung (7, 7') mit der Stelleinrichtung ein verstellbarer Druck ausgeübt wird, der die Vertikalaussteifung verändert.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8 und 10 bis 12 wird auf die Streitpatentschrift EP 2 663 710 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der unzureichenden Offenbarung und der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) bis c) EPÜ) geltend.
Als unzureichend offenbart und daher für den Fachmann nicht ausführbar sieht die Klägerin die in Patentanspruch 1 enthaltene Lehre an, der zufolge der Bolzen (7, 7‘) zumindest formschlüssig mit dem Tragprofil (6) für den horizontalen Holm (1a) des Flügels verbunden sein müsse. Unter einer „zumindest formschlüssigen“ Verbindung verstehe die Streitpatentschrift (vgl. Absatz [0013], Satz 3) auch die einstückige bzw. unmittelbare Anbringung des Bolzens am Tragprofil. Dies stehe jedoch in Widerspruch zu dem weiteren Merkmal, wonach das Tragprofil (6) eine Öffnung zum Einstecken des Bolzens aufweisen müsse. Aus demselben Grund sei auch das (mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogene) Verfahren nach Patentanspruch 12 nicht ausführbar; dort werde nämlich die Einstückigkeit von Bolzen und Tragprofil verlangt.
Patentanspruch 4 enthalte eine weitere nicht ausführbare Lehre, weil die Textpassage „...und an ihrem unteren Ende abgeflachte Eingriffsabschnitte (13) zur Verankerung der Montageplatte in dem Tragprofil (6). oder mehreckiger Bolzen...“ wegen dem Punkt nach „Tragprofil (6)“ keinen Sinn ergebe.
Unzulässig erweitert sei der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 4, weil dort allgemein von einem „mehreckigen Bolzen“ und nicht, wie nach dem Wortlaut des ursprünglich eingereichten Anspruchs 4, lediglich von einem „im Querschnitt mehreckigen Bolzen“ die Rede sei.
Auch der Verfahrensanspruch 9 sei unzulässig erweitert, weil er auf alle vorhergehenden Ansprüche 1 bis 8 rückbezogen sei, während in der ursprünglichen Anmeldung klar zwischen den Vorrichtungs- und Verfahrensansprüchen unterschieden werde. So sei etwa die Durchführung des Verfahrens mit einem im Querschnitt mehreckigen Bolzen gemäß Patentanspruch 3 nicht ursprünglich offenbart.
Den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit stützt die Klägerin auf folgende Publikationen und Dokumente:
K2 deutsche Gebrauchsmusterschrift 87 09 299 U1 K3 österreichische Patentschrift 224879 K4 europäische Patentanmeldung 1 132 562 A2 K5 europäische Patentanmeldung 1 391 576 A1 K6 Lueger, Lexikon der Technik - Band 1, Grundlagen des Maschinenbaus (1960), Seite 203, zum Stichwort „Hebel“ K7 japanische Patentanmeldung 2000-54737 A mit englischer Maschinenübersetzung K7a K8 europäische Patentanmeldung 0 619 410 A1 K9 deutsche Offenlegungsschrift 34 16 784 A1 K11 deutsche Gebrauchsmusterschrift 87 04 662 U1 K12 Meyers Lexikon – Technik und exakte Naturwissenschaften,
Band 3 (1970), Seiten 2300 f., zum Stichwort „Schraube“
K13 Wikipedia Internet-Lexikon (Stand: 21. Juli 2009) zum Stichwort „Feststellschraube“
K14 Anlagenkonvolut zum Ergänzungsset Roto Patio 160 S NT Beschlagsystem mit K14a Einbauanleitung vom Juni 2010 K14b Rechnung für den Druck der Einbauanleitung vom 12.
August 2010 K14c Lieferschein und Rechnung (Empfänger VBH Deutschland GmbH) vom 7. September 2010 K14d Lieferschein und Rechnung (Empfänger V…-
… GmbH) vom 14. Dezember 2010 K14e Lieferschein und Rechnung (Empfänger …
J… GmbH & Co. KG) vom 13. Januar 2011 K14f Konstruktionszeichnung Nr. 214659_0_Z01 der H… GmbH betr. Verstärkungsteil Atrium HKS200
(Datumsangabe 27.11.08)
K14g DVD mit Video zur Demonstration der Installation des Ergänzungssets Roto Patio 160 S NT K15 japanische Patentanmeldung 2001-32632 A mit englischer Maschinenübersetzung Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber K2 und K3. Überdies beruft sich die Klägerin auf eine nach ihrer Auffassung neuheitsschädliche Vorbenutzung in Gestalt des Ergänzungssets Patio 160 S, zu deren Nachweis sie das Anlagenkonvolut K14 vorlegt und den bis Juni 2010 bei der Klägerin als Konstrukteur „Produktentwicklung Schiebesysteme“ tätigen Dipl.-Ing. (BA) … I… als Zeugen benennt.
Außerdem sei der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann am Prioritätstag ausgehend von K2 oder K4 bzw. durch Zusammenschau der Schriften K4 mit K5, K7 oder K15 bzw. K8 mit K9 nahegelegt gewesen.
Auch die Unteransprüche 2 bis 4, 6 bis 8 und die Verfahrensansprüche 9 bis 12 enthalten nach Auffassung der Klägerin nichts Patentfähiges.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 2 633 710 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen.
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 20. März 2018 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf deren Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Das Streitpatent hält den von der Klägerin auf mangelnde Patentfähigkeit, unzureichende Offenbarung und unzulässige Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) bis c) EPÜ) gestützten Angriffen stand.
I.
1. Die vorliegende Erfindung betrifft nach ihrer Beschreibung in der Streitpatentschrift (dort Absatz (0001]) eine Vertikalaussteifung für den Flügel einer Schiebetür oder eines Schiebefensters. Der untere horizontale Flügelholm sei dabei mit mindestens einem auf einer Laufschiene am Blendrahmen mit seinen Rollen aufsitzenden Laufwagen über einen Ausstellarm verbunden. Beim Öffnen des Flügels entstehe ein entsprechendes Drehmoment, das mit der Last des Flügels in der Offenstellung (= Parallelabstellung) eine erhebliche Torsionswirkung auf den unteren Holm erzeuge.
Eine Vertikalaussteifung erfordere eine Eckverstärkung im Laufwerkbereich des Flügels, welche der Torsion des unteren Flügelholms, die den Kraftaufwand beim Schließen des Flügels erheblich erhöhe, entgegenwirke (Beschreibung Absatz [0002]).
Eckverstärkungen dieser Art seien bereits bekannt, z. B. aus den (von … …) europäischen Patentanmeldungen 1 132 562 A1 (die dazugehörige A2-Schrift liegt hier als Entgegenhaltung K4 vor) und 1 391 576 A1 (K5). Diese bekannten Aussteifungen hätten eine feste, gleichbleibende Beziehung zum Flügel, wenn sie montiert seien. Das bedeute, dass die entstehende Torsion bei verschiedenen Flügelmaterialien - wie Kunststoff, Holz und Metall oder unterschiedlichen Flügelgewichten, z. B. auf Grund des Gewichtes der Scheibe, nicht gleichmäßig und vergleichbar aufgefangen werden könne (Beschreibung Absatz [0003]).
Aufgabe der Erfindung sei die Schaffung einer Vertikalaussteifung, die verstellbar sei, so dass sie an verschiedenen Holmen mit sich anpassender Wirkung eingesetzt werden könne, unabhängig davon, wie die Holme des Fensterflügels konstruiert und aus welchem Material sie gefertigt seien (Beschreibung Absatz [0005]).
2. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß durch eine Vertikalaussteifung mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 und ein Verfahren gemäß Patentanspruch 9 gelöst werden. Die Merkmale gemäß Patentanspruch 1 können (in Anlehnung an einen Vorschlag der Beklagten) wie folgt gegliedert werden:
M1 Verstellbare Vertikalaussteifung für einen Flügel (1) einer Abstellschiebetür oder eines Abstellschiebefensters,
M2 welche Vertikalaussteifung M2.1 M2.2 M2.3 einen Bolzen (7, 7'), ein Tragprofil (6) und eine Stelleinrichtung (8, 8') aufweist,
M3 wobei der Bolzen (7, 7')
M3.1 M3.2 M3.3 zumindest formschlüssig mit dem Tragprofil (6) für den horizontalen Holm (1a) des Flügels so verbunden ist, dass der Bolzen (7, 7') einen Abstand (X, b, a1, a2) zumindest vom vertikalen Holm (1b) des Flügels (1) erhält oder aufweist, und der Bolzen (7, 7') an seinem oberen Ende, (7a, 7*) zumindest einen Durchbruch (7c, 8b) zum Durchführen der Stelleinrichtung (8, 8', 8a) aufweist,
M4 mit welcher Stelleinrichtung (8, 8', 8a) auf das obere Ende (7a, 7*) des Bolzens der Vertikalaussteifung (6, 7, 7') ein verstellbarer Druck ausübbar ist und M5 das Tragprofil (6)
M5.1 M5.2 zur unverschieblichen Anbringung an einem unteren Eckbereich von horizontalem (1a) und vertikalem (1b) Flügelholm eine Öffnung (6a) zum spielfreien Einstecken eines unteren Endabschnitts (7b, 7b') des Bolzens (7, 7') aufweist, wobei zwischen der Einstecköffnung (6a) und einer dazu parallelen Fläche (E) des Tragprofils (6), die zur Anlage an den unteren Eckbereich der Flügelholme (1a, 1b) angepasst und geeignet ist, ein Abstand (e) vorgesehen ist,
M6 und ein darüber liegender Abschnitt des Bolzens über die Stelleinrichtung (8; 8a) in Richtung senkrecht zum vertikalen Flügelholm oder zur parallelen Fläche (E) des Tragprofils (6) nach Außen oder nach Innen verstellbar ist M7 zur Veränderung eines Winkels (α) zwischen einem oberen Abschnitt des Bolzens (7, 7') und einer Fläche des Flügelholms oder der Fläche (E) des Tragprofils (6).
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Maschinenbauingenieur (FH) mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Tür- und Fensterbeschläge.
4. Nach dem Verständnis dieses Fachmanns betrifft die vorliegende Erfindung den Flügel einer Schiebetür bzw. eines Schiebefensters, bei dem durch seitliches Verschieben des Flügels die Tür- oder Fensteröffnung freigegeben wird. Im geschlossenen Zustand sitzt der Flügel wie gewohnt in seinem Rahmen. Um ihn seitlich verschieben zu können, wird er zunächst senkrecht zu seiner Fläche aus dem Rahmen nach außen bewegt, so dass er sich vor dem Rahmen befindet und seitlich verschoben werden kann. Für die translatorische Bewegung aus dem geschlossenen Zustand in den vom Rahmen abgerückten Zustand ist der Flügel auf kurzen Hebelarmen, den Ausstellarmen 5, gelagert. Im geschlossenen Zustand liegen diese Ausstellarme parallel zum Flügel, im ausgestellten Zustand sind sie aus dieser Lage verschwenkt. Zur Durchführung dieser Bewegung sind die Ausstellarme 5 sowohl an den Laufwägen 4 als auch an den Tragprofilen 6 schwenkbar gelagert.
Auf der Seite, auf der ein Ausstellarm sich auf den Laufwagen abstützt, können nur Kräfte in vertikaler Richtung übertragen werden. Der Ausstellarm muss deshalb an dem Tragprofil so gehalten werden, dass er nicht nach oben oder unten ausweichen kann. Bei geöffnetem Flügel, also bei ausgeschwenktem Ausstellarm, treten dabei die größten Kräfte im Tragprofil auf, da das Gewicht des Flügels den größten Abstand zur Laufschiene hat und das Produkt aus Flügelgewicht und Abstand zwischen der Wirkungslinie des Flügelgewichts und der Laufschiene, das Versatzmoment, den maximalen Wert annimmt. Das Versatzmoment muss vollständig vom Tragprofil aufgenommen werden. Dadurch entstehen große Drehkräfte, durch die der untere, horizontale Holm des Flügels näherungsweise um seine Längsachse gedreht wird. Diese Verdrehung wird zwar durch die feste Verbindung des unteren Holms mit den senkrecht zu ihm verlaufenden Profilen des Flügels weitgehend verhindert. Da diese Verbindungsstelle aber nur endlich steif ist, kommt es bei schweren Flügeln zu einer gewissen Verdrehung des unteren Holms gegenüber den senkrechten Profilen.
Ein verformter Zustand des Holms bei einem ausgestellten Flügel ist in Figur 3 der Streitpatentschrift dargestellt. Das Flügelgewicht F1 wird an der Stelle auf den Rahmen übertragen, die mit dem Bezugszeichen 3a markiert ist. Der seitliche Versatz zwischen der Gewichtskraft und der Kraftübertragungsstelle dreht den schraffiert dargestellten Holm 1a im Gegenuhrzeigersinn. Kern der Erfindung ist der Bolzen 7, der als Hebel den Holm in die entgegengesetzte Richtung drehen soll, so dass er wieder die unverformte Lage einnimmt. Verstellt wird der als Hebel wirkende Bolzen 7 mit der Schraube 8, die in den senkrechten Holm 1b eingeschraubt wird und dabei den Hebel 7 im Uhrzeigersinn dreht, mit der Folge, dass der horizontale Holm 1a wieder in eine Position gebracht werden kann, in der er unverdreht erscheint und damit der Ausstellarm wieder horizontal verläuft (siehe Figur 4 der Streitpatentschrift).
5. Ausgehend von diesem Verständnis interpretiert der Fachmann die einzelnen Merkmale des Patentanspruchs 1 wie folgt:
a) Der in M1 verwendete Gattungsbegriff „Vertikalaussteifung“ bringt zum Ausdruck, dass durch die beanspruchte Vorrichtung eine Aussteifung in vertikaler Richtung erzielt werden soll. Vorrichtungen zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Verformungen in anderer als in vertikaler Richtung entsprechen nicht dem anspruchsgemäßen Verwendungszweck.
b) Die in M1 geforderte „Verstellbarkeit“ der Vertikalaussteifung steht im Zusammenhang mit den nachfolgenden Merkmalen, in denen die Verstellmittel (Bolzen, Tragprofil und Stelleinrichtung, vgl. Merkmalsgruppen M2, M3, M5) und deren Wirkungsweise (vgl. M4, M6, M7) im Einzelnen angegeben sind, und wird auch nur insoweit beansprucht.
c) Das Tragprofil (M2.2) nimmt das Flügelgewicht auf, ist an dem unteren horizontalen Flügelholm fest angeordnet und dient zur schwenkbaren Verbindung des Flügels mit einem Ausstellarm, der wiederum mit einem Laufwagen schwenkbar verbunden ist (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0018]). Zudem weist das Tragprofil eine Öffnung zum Einstecken eines Bolzens (7, 7‘) auf (M5.1), wobei diese Öffnung zu der in M5.2 definierten Anlagefläche (E) des Tragprofils einen Abstand (e) einhält.
d) Der Begriff des Bolzens (M2.1) ist funktionell i. S. eines Drehmomenthebels zu verstehen. Er ist langgestreckt und kann verschiedene Querschnittsformen ha- ben, d. h. (entsprechend Patentanspruch 3) kreisförmig oder mehreckig sein; auch eine langgestreckte dicke Platte kann einen „Bolzen“ i. S. d. Streitpatents darstellen (Streitpatentschrift, Absatz [0012]).
e) Die Verbindung des Bolzens (7, 7‘) mit dem Tragprofil (6) ist gemäß M3.1 „zumindest formschlüssig“. Sie kann darüber hinaus auch stoffschlüssig, einstückig oder kraftschlüssig sein (Streitpatentschrift, Absatz [0013]); zur Verwirklichung des Merkmals ist dies jedoch nicht erforderlich.
f) Der Bolzen weist einen Abstand zumindest vom vertikalen Holm des Flügels auf (Merkmal M3.2). Dieser Abstand hat eine entscheidende Bedeutung für die Funktion des Bolzens im Zusammenwirken mit der Stelleinrichtung. Im Ausgangszustand, wie er in Figur 2 dargestellt ist, ist der untere Holm nicht verformt, der Bolzen verläuft auf seiner ganzen Länge ungefähr parallel zum vertikalen Holm. Sein oberes Ende (stegförmiger Abschnitt 7a) kann aufgrund dieses Abstands sowohl vom vertikalen Holm weg nach außen als auch auf den vertikalen Holm zu, nach innen, bewegt werden, wodurch der Bolzen entsprechend schräg gestellt wird. Aufgrund der formschlüssigen Verbindung mit dem Tragprofil führt diese Schrägstellung unmittelbar zu einer Drehung des Tragprofils 6.
g) Gemäß M3.3 besitzt der Bolzen an seinem oberen Ende zumindest einen Durchbruch zum Durchführen der Stelleinrichtung (M2.3), die nach dem Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 2 bis 4 durch die Schraube (8) gebildet wird. Dieser Durchbruch dient zur Erfüllung der dem Bolzen zukommenden Aufgabe eines Drehmomenthebels, der unten eingespannt und oben - in seiner Winkellage oder seinem Abstand gegenüber dem vertikalen Holm - verstellt wird (Streitpatentschrift, Seite 1, Zeilen 51 bis 53).
h) Die Verstellung erfolgt mit Hilfe der Stelleinrichtung, durch die ein verstellbarer Druck auf das obere Bolzenende ausgeübt werden kann (M4). In M6 und M7 ist festgelegt, dass der Bolzenabschnitt, der über dem in das Tragprofil (6) eingesteckten Abschnitt liegt, über die Stelleinrichtung in Richtung senkrecht zum vertikalen Flügelholm oder zur parallelen Fläche (E) des Tragprofils nach außen oder nach innen verstellbar ist, wobei dadurch der Winkel (α) zwischen einem oberen Bolzenabschnitt und einer der genannten Flächen - bzw. der Abstand des oberen Endes des Bolzens von der Oberfläche des vertikalen Flügelholms (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0011]) - verändert werden soll. Die Betätigung der Stelleinrichtung bewirkt ein Drehmoment im Einsteckbereich am Tragprofil und erzeugt ein Rückstell- oder Gegenmoment, was wiederum den horizontalen Holm zu einer Drehung um seine eigene Achse zwingt.
i) Die Merkmale 6 und 7 sind i. S. von Wirkungsangaben zu verstehen. Die einzelnen Elemente der Vertikalaussteifung müssen so ausgebildet und einander so zugeordnet sein, dass die im Anspruch festgelegte Verstellbarkeit des oberen Bolzenabschnitts (und damit der Vertikalaussteifung insgesamt) herbeigeführt und die hierdurch vielseitig einsetzbare Vorrichtung an Fenster und Türen verschiedener Bauart und Materialien angepasst werden kann.
k) Hierbei ist M6 („nach Außen oder nach Innen verstellbar“) so zu verstehen, dass am Bolzen eine Verstellung in beide Richtungen möglich sein muss. Die erfindungsgemäße Vertikalaussteifung wird nämlich - wie insbesondere den Ausführungsbeispielen gemäß Figuren 2 bis 4 der Streitpatentschrift zu entnehmen ist in erster Linie dadurch verwirklicht, dass der obere Bolzen durch die Stelleinrichtung nach innen bewegt wird. Eine Bewegung des Bolzens nach außen ist dementsprechend zur Lockerung der Vertikalversteifung erforderlich.
6. Patentanspruch 4 ist in der erteilten Fassung wie folgt veröffentlicht:
„4. Vertikalaussteifung nach Anspruch 1, bei der eine stabile Montageplatte (9) vorgesehen ist, welche in einem oberen Endbereich Öffnungen (10) für den Durchgriff von Befestigungselementen zum Anbringen der Montageplatte (9) an dem vertikalen Flügelholm (1 b) aufweist und an ihrem unteren Ende abgeflachte Eingriffsabschnitte (13) zur Veranke- rung der Montageplatte in dem Tragprofil (6). oder mehreckiger Bolzen (7') vorgesehen ist, der im oberen Endbereich, etwa mittig zwischen zwei Öffnungen (10) für die Befestigungselemente, eine Gewindebohrung (8b) aufweist, der in der Montageplatte (9) eine Öffnung für den Durchgriff eines Schraubbolzens (8a) zugeordnet ist, wobei der Schraubbolzen (8a) mit einem Kopfteil (8a') in eine daran angepasste Vertiefung (8a") der Montageplatte eingreift.“
Ein Patentanspruch 5 erscheint in der deutschen Fassung nicht (anders als in den englisch- bzw. französischsprachigen Anspruchsfassungen). Die Rückbeziehung des Anspruchs 6 auf Ansprüche 4 oder 5 lässt aber darauf schließen, dass ein Anspruch 5 vorgesehen war.
Die Streitpatentschrift ist insoweit offenbar unrichtig. Entsprechend den englischund französischsprachigen Anspruchsfassungen ist der deutsche Anspruchstext in folgende Patentansprüche 4 und 5 mit nachfolgender Formulierung aufzuteilen:
4. Vertikalaussteifung nach Anspruch 1, bei der……in dem Tragprofil (6).
5. Vertikalaussteifung nach Anspruch 4, bei der ein im Querschnitt kreisförmiger oder mehreckiger Bolzen vorgesehen ist, der im oberen Endbereich……der Montageplatte eingreift.
Der Umstand, dass das Streitpatent in deutscher Verfahrenssprache erteilt wurde, weshalb die deutsche Anspruchsfassung maßgeblich ist, steht einer solchen Korrektur nicht entgegen. Es ist ohne weiteres zu erkennen, dass der (deutschsprachige) Wortlaut des erteilten Anspruchs 4 grammatikalisch und auch nach seinem Sinngehalt fehlerhaft ist, und dass ein Anspruch 5 in der deutschen Textfassung ursprünglich vorhanden war. Ein weiterer Hinweis auf einen eigenständigen An- spruch 5 findet sich in der Beschreibung der Figuren. Absatz [0034] bezieht sich auf die Merkmale vor dem trennenden Punkt, Absatz [0035] auf die danach aufgeführten Merkmale.
Eine Korrektur dieser offenbaren Unrichtigkeiten ist auf Grundlage der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aus dem Erteilungsverfahren möglich und geboten. Danach übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 3. März 2014 dem Europäischen Patentamt einen Satz mit Patentansprüchen 1 bis 12 als Grundlage für den Erteilungsbeschluss. In diesem Anspruchssatz sind die Ansprüche 4 und 5 mit oben genanntem Text enthalten. Bei der Abfassung des Erteilungsbeschlusses kam es dann zu einem redaktionellen Fehler, der sich in der veröffentlichten Fassung des Anspruchs 4 niederschlägt. Dass es sich dabei nicht um eine bewusste und gewollte Abweichung von dem am 3. März 2014 eingereichten Anspruchstext handelt, ist offensichtlich und findet im Vergleich mit der englisch- bzw. französischsprachigen Textfassung seine Bestätigung.
II.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist für den Fachmann ausführbar, weshalb der Patentschrift der Nichtigkeitsgrund mangelnder Offenbarung nicht entgegengehalten werden kann.
1. Dies gilt auch im Hinblick auf die Merkmale 3.1 und 5.1, wonach einerseits der Bolzen (7, 7‘) „zumindest formschlüssig“ mit dem Tragprofil (6) verbunden ist und andererseits das Tragprofil (6) eine Öffnung (6a) zum spielfreien Einstecken eines unteren Endabschnitts (7b, 7b‘) des Bolzens (7, 7‘) aufweist. Das in der Streitpatentschrift beschriebene Ausführungsbeispiel (Absatz [0020] i. V. m. Figur 2) gibt dem Fachmann eine Anleitung, mit deren Hilfe er beide genannten Merkmale ohne weiteres verwirklichen kann.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass nach Absatz [0013] der Streitpatentschrift eine „zumindest formschlüssige“ Verbindung auch im Wege einer stoffschlüssigen oder kraftschlüssigen Verbindung geschaffen und der Bolzen mit dem Tragprofil einstückig ausgestaltet werden kann. Für die Ausführbarkeit einer Erfindung ist es nämlich ausreichend, wenn dem Fachmann ein Weg offenbart wird, der ihm die Ausführung im gesamten beanspruchten Bereich ermöglicht (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 34 Rn. 397). Der beanspruchte Bereich umfasst hier nach dem Anspruchswortlaut lediglich eine „zumindest formschlüssige“, nicht dagegen zwingend eine stoff- oder kraftschlüssige Verbindung bzw. einstückige Ausgestaltung (s. o. I.5.e).
Im Übrigen ist als „zumindest formschlüssig“ i. S. d. Merkmals 3.1 auch eine nach dem Einstecken gemäß M5.1 - durch Schweißen oder Kleben bewirkte einstückige stoffschlüssige Verbindung anzusehen, weshalb der von der Klägerin geltend gemachte Widerspruch zwischen den genannten Merkmalen auch im Falle der Einstückigkeit von Bolzen und Tragprofil nicht besteht.
2. Entsprechendes gilt bzgl. des in den Patentansprüchen 9 bis 12 beanspruchten Verfahrens zur Beeinflussung einer Vertikalaussteifung gemäß den Vorrichtungsansprüchen 1 bis 8. Die in Patentanspruch 12 ausdrücklich beanspruchte Einstückigkeit der Verbindung des Bolzens zum Tragprofil kann der Durchschnittsfachmann - allein auf Grund seines Wissens und Könnens - auf die genannte Weise, d. h durch eine nach dem spielfreien Einstecken des unteren Endabschnitts des Bolzens in eine Öffnung des Tragprofils bewirkte Verschweißung oder Verklebung beider Teile, herstellen.
3. Auch Patentanspruch 4 enthält eine ausführbare Lehre. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass der in der Streitpatentschrift insoweit veröffentlichte Anspruchstext keinen Sinn ergibt, so ist dem entgegenzuhalten, dass dieser Text eine offenbare Unrichtigkeit enthält und in korrigierender Weise gelesen werden muss (s. o. I.6).
III.
Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 kann auch keine mangelnde Patentfähigkeit entgegengehalten werden.
1. Die beanspruchte verstellbare Vertikalaussteifung ist gegenüber dem von der Klägerin als neuheitsschädlich angeführten Stand der Technik als neu anzusehen. Insbesondere ist in keiner der Entgegenhaltungen eine Vertikalaussteifung so gestaltet, dass der Bolzen einen Abstand zumindest vom vertikalen Holm des Flügels erhält oder aufweist (M3.2), und dass zwischen der Einstecköffnung und der dazu parallelen Fläche des Tragprofils, die zur Anlage am Flügelholm angepasst ist, ein Abstand vorgesehen ist (M5.2). Diese beiden Merkmale sind eng miteinander verknüpft und ermöglichen in Verbindung mit der Stelleinrichtung die Verstellbarkeit des Tragprofils (und damit auch des Flügelholms).
a) Die deutsche Gebrauchsmusterschrift 87 09 299 U1 (K2) geht von dem an sich bekannten Prinzip aus, wonach bei Schiebe- und Kippflügeln von Fenstern, Türen und dgl. der den Schwenkzapfen eines Ausstellarmes tragende untere Beschlag als winkelförmiges Tragteil (hier Tragteil 5) ausgebildet ist. Dies entspricht dem im Streitpatent beanspruchten Tragprofil 6. In K2 ist bereits als problematisch beschrieben, dass es bei schweren Flügeln zu einer Verwindung des Querholms kommen kann (Seite 4, zweiter Absatz). Um einer übermäßigen Belastung durch diese Verwindung entgegenzuwirken, wird vorgeschlagen, ein Verstärkungsteil anzubringen, das eine auf eine Fläche des vertikalen Flügelholms aufschraubbare Platte ist, die am unteren Ende eine Steckverbindung zum Aufstecken auf das Tragteil aufweist (siehe K2, Seite 8, Zeilen 4 bis 7). Als vorteilhaft wird angegeben, dass bei schweren Flügeln das Flügelgewicht zu einem erheblichen Teil direkt vom vertikalen Holm auf das Tragteil übertragen wird (Seite 5, vierter Absatz). Des Weiteren ist angegeben, dass durch die starre Verbindung von Tragteil und Verstärkungsplatte Verwindungskräfte, die auf den unteren Flügelholm wirken, auf die Verstärkungsplatte und so auf den vertikalen Flügelholm übertragen werden.
Die Verstärkungsplatte 14 ist durch eine Steckverbindung mit dem Tragteil starr verbunden. Der Steckteil kann als Bolzen ausgebildet sein (Seite 8, Zeilen 4 bis 11) und ist in Figur 4 so dargestellt, dass ein Abstand zwischen der Einstecköffnung und der zur Anlage am unteren Eckbereich des Flügelholms dienenden Fläche vorgesehen ist. K2 zeigt somit zwar eine Gestaltung, die das Merkmal 5.2 des Streitgegenstands vorwegnimmt. Daraus erhält ein Durchschnittsfachmann aber noch keine Anregung, den Bolzen derart zu verlängern, dass er entsprechend dem Merkmal 3.2 auch einen Abstand vom vertikalen Holm aufweist. Vielmehr wird in K2 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verstärkungsplatte flach aufliegend an dem vertikalen Holm festgeschraubt wird (Seite 7, vorletzte Zeile, bis Seite 8, zweite Zeile).
Aus der Druckschrift K2 geht somit auch keine Stelleinrichtung hervor, mit der der Winkel zwischen dem oberen Abschnitt des Bolzens und der Fläche des Flügelholms verändert werden könnte (entsprechend dem Merkmal M7). Sie enthält nur die klare Anweisung, eine Tragplatte auf dem vertikalen Holm aufzusetzen und dort festzuschrauben. Im Weiteren führen auch die Erläuterungen zu einer Verkleidung 16, mit der der Schaftteil 15 zusammen mit dem Tragteil 5 abdeckt wird (Seite 8, vorletzte Zeile, bis Seite 9, dritte Zeile, i. V. m. Seite 9, zweiter Absatz), eher davon weg, eine Verstellbarkeit in Erwägung zu ziehen, da durch sie die Befestigungsschrauben abgedeckt werden sollen und damit nicht mehr zugänglich sind.
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung können deshalb insbesondere die Schrauben 26 nicht als Verstellmittel angesehen werden. K2 vermittelt dem Fachmann die klare Anweisung, mit Hilfe dieser Schrauben die Verstärkerplatte 14 an dem senkrechten Holm bündig zu befestigen. Von einem Montagezustand, bei dem die Befestigungsschrauben 26 nur so weit eingedreht sind, dass die Verstärkungsplatte 14 noch nicht am Holm flach aufliegt, auf eine Verstellbarkeit gemäß Merkmal M6 zu schließen, ist nur bei einer rückschauenden Betrachtung in Kenntnis des Erfindungsgegenstandes möglich. Zudem könnte - selbst wenn das Argument der Klägerin zutreffend wäre - auf diese Weise nur eine Ver- stellbarkeit nach außen ermöglicht werden, nicht aber - wie es Merkmal M6 erfordert (s. o. I.5.k) - eine Verstellbarkeit in beide Richtungen.
b) Die in der österreichischen Patentschrift 224 879 B (K3) dargestellte Vorrichtung dient dazu, räumlich verzogene oder verwundene Platten oder Rahmen in eine Ebene zu spannen (K3, Seite 1, Zeilen 1f.).
aa) Hierfür ist gemäß dem in der Beschreibung von K3 dargestellten Ausführungsbeispiel im Anschluss an die Türanschlagleiste und entlang der Kante des Türrahmens eine Nut eingearbeitet, die mit ihrem einen Ende bis zur anschließenden quer liegenden Türkante reicht. In das Ende der Nut ist ein Vierkantstab aus Metall als Torsionsstab eingelegt und mit zwei Schrauben am Rahmen befestigt. Die freie Stirnfläche dieses Lagerstabes 6 besitzt eine Bohrung 8, in die ein Sechskant eingearbeitet ist. In diese Bohrung wird das als Sechskant-Zapfen ausgebildete Ende eines Torsionsstabes 10 eingesteckt. Das andere Ende 11 des Torsionsstabes ist ebenfalls als Zapfen mit einem Sechskantquerschnitt ausgebildet und reicht bis zur anschließenden Querkante der Tür. In einem Teil dieser Querkante ist auch eine Nut eingearbeitet, in die ein Vierkantstab aus Metall als Spannhebel oder Kantschlüssel 12 des Torsionsstabes 10 eingelegt und mit Schrauben 13 an dem Türrahmen befestigt ist (K3, Seite 1, Zeile 33, bis Seite 2, Zeile 3).
Um einen verzogenen Türrahmen wieder zurück zu verformen, wird - nach dem Einlegen des Lagerstabes 6 in die Nut der einen Türkante und dem Einschieben des Zapfens des Torsionsstabes 10 in das Lager 8 - das Lager 14 des Spannhebels 12 auf den anderen Zapfen 11 des Torsionsstabes in einem Winkel α zur Türebene aufgesetzt. Dann wird der Kantschlüssel in die Türebene geschwenkt und mit den beiden Schrauben 13 an der Türkante 5 befestigt. Durch das Schwenken des Kantschlüssels in die Türebene und das damit verbundene Drehen des Torsionsstabes wird die Kraft gespeichert, die die verzogene Türkante in die Ebene zurück zieht (K3, Seite 2, Zeilen 8 bis 14).
bb) Die in K3 offenbarte Vorrichtung erfüllt bereits das Merkmal M1 nicht, weil es bei ihr nicht um eine Aussteifung in vertikaler Richtung geht (s. o. I.5.a). Vielmehr soll nach der Lehre von K3 flächigen Verformungen senkrecht zur Ebene der Platten entgegengewirkt werden.
Zudem offenbart K3 kein Tragprofil i. S. v. M2.2, M5.1, da der Lagerstab 6 nicht an einem unteren Eckbereich von horizontalem und vertikalem Flügelholm angebracht ist; eine solche Anbringung kann der Entgegenhaltung - entgegen der von der Klägerin vertretenen Meinung - auch nicht entnommen werden.
c) Mit dem Anlagenkonvolut K14 beruft sich die Klägerin auf eine offenkundige Vorbenutzung des Ergänzungssets Patio 160 S, das die nachträgliche Montage von Verstärkungsteilen 24 an Laufwerken 1.1, 1.2 (s. K14a, Seite 23) erlaubt, um dadurch das Einknicken von Flügelholmen zu beheben bzw. das Einlaufverhalten der Flügel zu verbessern. Das Ergänzungsset zeigt im Wesentlichen den gleichen Aufbau wie das durch K2 bekannte Verstärkungsteil und wird auch genauso wie in K2 beschrieben eingesetzt.
Wie dem Konvolut entnommen werden kann, ist bei dem Ergänzungsset das Verstärkungsteil, das aus einem bolzenförmigen Gebilde und einer damit verbundenen Platte besteht, nur dafür vorgesehen, die Platte so zu verschrauben, dass sie am Pfostenprofil anliegt. Eine Verstellbarkeit i. S. d. Merkmale 1, 4, 6 und 7 ist offensichtlich nicht vorgesehen und wird auch nicht durch den (mit dem Einschrauben der Platte verbundenen) Montagevorgang offenbart.
Die behauptete Vorbenutzung ist daher für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 ebenfalls nicht neuheitsschädlich, weshalb es auf ihren Nachweis nicht ankommt.
d) Die Neuheitsschädlichkeit weiterer Entgegenhaltungen wurde von der Klägerin nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
2. Dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 fehlt auch nicht die erforderliche Erfindungshöhe. Aus keiner der Entgegenhaltungen geht ein Hinweis oder eine Anregung hervor, die Vertikalaussteifung so zu gestalten, dass „der Bolzen (7, 7') einen Abstand (X, b, a1, a2) zumindest vom vertikalen Holm (1b) des Flügels (1) aufweist“ (M3.2) und dass „zwischen der Einstecköffnung (6a) und einer dazu parallelen Fläche (E) des Tragprofils (6)…ein Abstand (e) vorgesehen ist“ (M5.2). Diese beiden Merkmale sind eng miteinander verknüpft und ermöglichen es, den Bolzen zu verstellen, ihn insbesondere stufenlos über die Stellung im unbelasteten, unverformten Zustand hinaus - entgegen den aus der Belastung resultierenden Verformungen - zu schwenken.
a) Aus der Druckschrift K2 geht - wie unter III.1.a dargelegt - keine Stelleinrichtung i. S. d. Streitpatents (M2.3, M4, M6 und M7) hervor. Diese Schrift kann den Fachmann auch nicht dazu anregen, die dortigen Schrauben 26 als variables Verstellmittel einzusetzen, zumal er erkennt, dass eine Lockerung der Schrauben einer Verdrehung des waagrechten Holms nicht entgegenwirken, diese vielmehr sogar noch verstärken würde.
b) Die bereits in Absatz [0003] der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift erwähnte europäische Patentanmeldung 1 132 562 A2 (K4) schlägt zur Lösung der bei Schiebeflügeln mit hohen Flügelgewichten auftretenden Torsionsproblemen vor, die Ecken so zu versteifen, dass die Verformungen minimiert werden (K4, Absätze [0002], [0003]). Die Versteifung besteht - ähnlich wie bei den Verstärkungsteilen gemäß K2 oder des Ergänzungssets Patio 160 S (s. o. III.1.c) aus einem Bolzen (22), der in das (dem Tragprofil (6) entsprechende) Laufwerk (20) eingeführt und mit diesem fest verbunden wird (K4, Absatz [0006]), sowie einer Platte (23) zur Übertragung hoher Kräfte, die aber flächig an der Oberfläche des Flügels anliegen soll (K4, Absatz [0005], letzter Satz). Eine Anregung zu einer Gestaltung gemäß M3.2 und M5.2 ergibt sich daraus nicht, ein Hinweis auf eine Verstellbarkeit gemäß M6 und M7 auch nicht.
c) Auch die europäische Patentanmeldung 1 391 576 A1 (K5) lehrt eine Einrichtung zur Verwindung des unteren Eckbereichs eines abstellbaren Flügels. Dabei wird die Verspannung allerdings nicht allein durch die Spannschraube 26 bewirkt, vielmehr ergibt sie sich erst aus dem Zusammenwirken mit dem speziell ausgestalteten Versteifungselement 20 (s. K5, Figur 3, mit Beschreibung Absätze [0020] bis [0026]).
Bei der streitpatentgemäßen Lösung erfolgt die Verwindung dadurch, dass ein im unteren Eckbereich von horizontalem und vertikalem Flügel festgelegter Bolzen (M5.1) unter Ausnutzung der Hebelwirkung am oberen Ende (M3.3, M4) eine Stelleinrichtung aufweist, womit ein Rückstell- bzw. Gegenmoment erzeugt werden kann. Im Gegensatz hierzu lehrt K5, dass sich das Verstärkungselement an seinem oberen Ende und mit einem Absatz an seinem unteren Ende am Innenfalz abstützt, wobei durch die im Eckbereich angeordnete Spannschraube 26 ein Moment aufgebracht wird, das dem gewichtsbedingten (Verformungs-) Moment (siehe Figur 1) entgegenwirkt bzw. die Ecke „zurückbiegt“ (siehe Figur 3). Eine isolierte Übertragung der Spannschraube bzw. Stelleinrichtung 26 von K5 auf K4 würde der Fachmann nicht in Betracht ziehen. Zudem müssten, um zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen, bei K4 noch weitere Änderungen vorgenommen werden. Dies betrifft insbesondere das Vorsehen eines Abstands (Merkmale 3.2, 5.2), der eine Verstellung in Richtung senkrecht zum Flügelholm hin überhaupt ermöglichen würde (M6).
d) Die übrigen Entgegenhaltungen liegen noch weiter ab.
Die japanische Patentanmeldung 2000-54737 A (K7) betrifft die einstellbare Befestigung eines Rahmens auf einem Grundkörper mittels einer speziell gestalteten Schraube.
Die europäische Patentanmeldung 0 619 410 A1 (K8) zeigt eine spezielle Ausgestaltung eines Führungsbeschlags, bei dem die Führungsplatte dadurch schmaler sein kann, dass der Führungszapfen abgeflacht wird.
Die deutsche Offenlegungsschrift 34 16 784 A1 (K9) betrifft die Korrektur eines Verzugs eines Türblatts. Dazu werden durch Spannstangen in den Eckbereichen des Türblatts Gegenkräfte eingeleitet, die durch ihre Eintragung außerhalb der Mittenebene Versatzmomente erzeugen, durch die das Türblatt zurückgebogen wird.
Die deutsche Gebrauchsmusterschrift 87 04 662 U1 (K11) behandelt ein in der Kippstellung von parallelabstellbaren Tür- oder Fensterflügeln auftretendes Problem.
Die japanische Patentanmeldung 2001-32632 A (K15) zeigt eine Anordnung zum Ausrichten eines Türstocks in der Bauwerksöffnung mittels speziell gestalteter Schrauben. Ein Bezug zur Vertikalaussteifung von abstellbaren Flügeln fehlt.
Keine dieser Druckschriften kann für sich oder in Verbindung mit anderen Druckschriften oder dem Wissen und Können eines Durchschnittsfachmanns die Konstruktion einer Vertikalaussteifung mit den Merkmalen M3.2, M5.2 und M6 nahelegen. Insbesondere kann - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch die Zusammenschau von K4 mit K15 keine Anregung zur verstellbaren Ausführung einer Vertikalaussteifung vermitteln.
Somit erweist sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 als patentfähig.
IV.
Entsprechendes gilt hinsichtlich des nebengeordneten Verfahrensanspruchs 9 und der Unteransprüche 2 bis 8 und 10 bis 12, die allein durch den Rückbezug auf Patentanspruch 1 - unabhängig davon, ob ihre jeweiligen zusätzlichen Merkmale einen eigenständigen erfinderischen Gehalt aufweisen - als bestandsfähig anzusehen sind.
Diese Bestandsfähigkeit wird auch nicht durch die weiteren, auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gestützten Angriffe der Klägerin in Frage gestellt.
1. Gemäß dem (richtig verstandenen, s. o. I.6) Patentanspruch 5 ist dort ein mehreckiger Bolzen vorgesehen, während in den Ansprüchen 4 und 6 der ursprünglichen Anmeldung (vgl. WO 2012/095806 A1, Anlage K1b) von einem Bolzen (7, 7‘) mit kreisförmigem oder mehreckigen Querschnitt die Rede ist. Für den Fachmann ist aber ohne weiteres ersichtlich, dass sich das Attribut „mehreckig“ auch im erteilten Patent ausschließlich auf den Querschnitt (und nicht etwa - auch - auf den Längsschnitt) des Bolzens bezieht. So ist in der Beschreibung des Streitpatents, soweit dort die Mehreckigkeit überhaupt angesprochen wird, lediglich von einem „Bolzen 7 mit kreisförmigem oder mehreckigem Querschnitt“ die Rede (Streitpatentschrift, Absatz [0020]). Auch die der Ausführung gemäß Patentanspruch 5 entsprechende Figurenzeichnung 5b lässt nicht erkennen, dass sich die Mehreckigkeit auf etwas anderes als den Bolzenquerschnitt beziehen soll. Es besteht daher kein sachlicher Unterschied zwischen dem erteilten Patentanspruch 5 und dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung. Von unzulässiger Erweiterung kann daher insoweit nicht die Rede sein.
2. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Verfahrensansprüche 9 bis 12. Auch wenn in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen die dortigen Verfahrensansprüche 11 bis 14 selbständig und nicht durch Bezugnahme auf die Vorrichtungsansprüche formuliert sind, gehen die nunmehr beanspruchten Verfahrensschritte aus der ursprünglichen Anmeldung ohne weiteres hervor. Durch den Rückbezug beziehen sich die Verfahrensansprüche nunmehr konkret auf die in den Ansprüchen 1 bis 8 genannten Vorrichtungen, d. h. allein durch den Rückbezug wird der Schutzumfang der Verfahrensansprüche allenfalls verkleinert, keineswegs erweitert.
Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass die Durchführung des Verfahrens mit einem im Querschnitt mehreckigen Bolzen nicht ursprünglich offenbart sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Fachmann die mehreckige Ausbildung des Bolzens auch den Anmeldungsunterlagen entnehmen konnte (vgl. Anlage K1b, Beschreibung Seite 7, Zeile 20 „Polygon-Bolzen“, und Ansprüche 4 und 6), und dass es für ihn keinen Grund für die Annahme gab, dass das z. B. im ursprünglichen Vorrichtungsanspruch 4 und im ursprünglichen Verfahrensanspruch 12 gleichermaßen als „Bolzen (7, 7‘)“ bezeichnete Element eine unterschiedliche Ausbildung haben sollte.
3. Somit ist das Streitpatent im Umfang aller seiner Ansprüche bestandsfähig, weshalb die Klage insgesamt abzuweisen ist.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
VII.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch Küest Dr. Schnurr Dr. Großmann Die Richterin Dr. Schnurr kann urlaubsbedingt nicht unterschreiben Rauch Richter Pr/prö