XI ZR 176/21
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES XI ZR 176/21 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 24. Mai 2022 Weber Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2022:240522UXIZR176.21.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 3. Mai 2022 eingereicht werden konnten, durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, den Richter Dr. Grüneberg sowie die Richterinnen Dr. Menges, Dr. Derstadt und Ettl für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. März 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Streitwert: bis 65.000 €
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.
Der Kläger erwarb im Juni 2016 einen Gebrauchtwagen Mercedes-Benz zum Kaufpreis von 52.990 €. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 6. Juni 2016 einen Darlehensvertrag über 52.990 €. Das Darlehen sollte in 48 Monatsraten zu je 785,94 € und einer Schlussrate von 21.196 € zurückgezahlt werden. Seite 1 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:
"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz." Mit Anwaltsschreiben vom 25. März 2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und bot der Beklagten das finanzierte Fahrzeug zur Abholung an. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Im Oktober 2019 löste der Kläger das Darlehen vorzeitig vollständig ab, woraufhin ihm die Beklagte eine Zinsrückerstattung in Höhe von 763,93 € gutschrieb.
Mit der Klage hat der Kläger zuletzt (1.) die Zahlung von 58.921,22 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs, (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, und (3.) die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat im Hinblick auf den Zahlungsantrag zu 1 zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren insoweit unter Abzug der Zinsrückerstattung in Höhe von 763,93 € weiter.
Entscheidungsgründe: 5 Die Revision ist unbegründet.
I. 6 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: 7 Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die dem Kläger zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. Im Hinblick auf die erteilte Widerrufsinformation könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Die dem Kläger erteilten weiteren Pflichtangaben unter anderem über den Verzugszins seien ebenfalls nicht zu beanstanden.
II. 8 Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.
Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - XI ZR 179/21, juris Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
III.
Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).
Der vom Kläger mit der Revision verfolgte Klageanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 14 ff.). Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten - was der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2022 (XI ZR 559/20, WM 2022, 418 Rn. 17) entschieden und im Einzelnen begründet hat - auch in Bezug auf die von dem Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erbrachten Zahlungen zu.
Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des Rückgewähranspruchs als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - XI ZR 193/20, BKR 2021, 371 Rn. 18 mwN).
Ellenberger Derstadt Grüneberg Menges Ettl Vorinstanzen: LG Heilbronn, Entscheidung vom 10.10.2019 - 6 O 281/19 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 01.03.2021 - 6 U 604/19 -