35 W (pat) 411/16
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 411/16 Verkündet am 18. September 2018
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
ECLI:DE:BPatG:2018:180918B35Wpat411.16.0 betreffend das Gebrauchsmuster 200 04 094 (hier: Feststellung der Unwirksamkeit)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richter Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Schutzfähigkeit des Gegenstands des Gebrauchsmusters 200 04 94 (i. F.: Streitgebrauchsmuster).
Das Streitgebrauchsmuster ist am 3. März 2000 angemeldet und am 31. Mai 2000 unter der Bezeichnung „Tunnel-Härtungsgerät“ sowie mit den ursprünglichen Schutzansprüchen 1 – 7 eingetragen worden. Es ist Ende März 2010 nach Ablauf der Schutzdauer erloschen.
Gegen das Streitgebrauchsmuster hatte die E… AG, deren Geschäftsführer Löschungsantragsteller im vorliegenden Feststellungs-Beschwerdeverfahren ist, am 7. Dezember 2007 einen ersten Teil-Löschungsantrag, beschränkt auf die Schutzansprüche 1 – 5 gestellt. Dieses Löschungsverfahren, das nach Ablauf der Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters als Feststellungsverfahren fortgeführt wurde, ist mit dem Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011, Az. 35 W (pat) 403/09 abgeschlossen worden, mit welchem der Senat die Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters nur in dem Umfang festgestellt hat, in welchem es über die Fassung der angegriffenen Schutzansprüche 1 – 5 gemäß einem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichten Hauptantrag und der nicht angegriffenen Schutzansprüche 6 und 7 hinausgeht.
Den nunmehr beschwerdegegenständlichen Feststellungsantrag hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 21. Juli 2011 gestellt. Aus den elektronisch geführten Akten des DPMA ergibt sich mangels entsprechender Unterlagen zwar nicht unmittelbar, wann dieser Feststellungsantrag der Antragsgegnerin zugestellt worden ist. Allerdings besagt eine in den patentamtlichen Akten befindliche Telefonnotiz vom 13. Oktober 2011, dass der Löschungsantrag der Antragsgegnerin selbst (und nicht ihrem damaligen Verfahrensbevollmächtigten) zugestellt werden solle. Ferner findet sich in der elektronischen Akte ein Schreiben des damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 9. Dezember 2011, in welchem ausgeführt wird, dass der nunmehrige Antragsteller einen neuen Feststellungsantrag gestellt haben „soll“ und dieser der Antragsgegnerin nun „so schnell wie möglich“ zugestellt werden solle. Ein Amtsschreiben an die Antragsgegnerin zum Zwecke der Zustellung des Löschungsantrags findet sich in der elektronischen Akte dann erst unter dem Datum 10. Januar 2012, aber ohne weitere Zustellungsnachweise wie z. B. eine Postzustellungsurkunde oder Angaben zur Aufgabe zur Post. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 10. Februar 2012 unter Bezugnahme auf das Amtsschreiben vom 10. Januar 2012 dem Feststellungsantrag widersprochen. Diesen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin per Fax am selben Tag beim DPMA eingereicht.
Nachdem die Gebrauchsmusterabteilung durch Inaugenscheinnahme eines Geräts „Pentalux“ und eines Geräts „Eltrosonic“, die nach dem Vortrag des Antragstellers vor dem Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien, und durch Einvernahme von Zeugen Beweis erhoben hatte, hat sie mit in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2016 verkündetem Beschluss festgestellt, dass das Streitgebrauchsmuster in dem Umfang, in welchem es gemäß dem Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011 für schutzfähig erachtet worden war, von Anfang an unwirksam gewesen sei.
Zur Begründung führt die Gebrauchsmusterabteilung aus, dass die Rechtskraft des Senatsbeschlusses vom 8. Februar 2011 dem weiteren Feststellungsantrag des jetzigen Antragstellers und einer Sachentscheidung nicht entgegenstehe, da sich die Rechtskraft des genannten Beschlusses nicht auf den jetzigen Antragsteller erstrecke. Dieser habe auch nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt. Auch die Umstellung auf einen Feststellungsantrag sei zulässig, zumal der Antragsteller auch ein eigenes Feststellungsinteresse habe. Die Antragsgegnerin habe rechtzeitig dem Löschungsantrag widersprochen. Die Auffassung des Senats im vorherigen Beschluss, dass der im Verfahren befindliche druckschriftliche Stand der Technik der Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters im Umfang des Beschlusstenors vom 8. Februar 2011 nicht entgegenstehe, werde geteilt. Die Beweisaufnahme habe aufgrund der Aussage der Zeugin B… aber ergeben, dass das Gerät Pentalux im August 1999 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Dieses Gerät nehme den Gegenstand des Streitgebrauchsmusters auch neuheitsschädlich vorweg. Die weiteren Zeugenaussagen hätten weitere Vorbenutzungen zwar nicht belegen können, hierauf käme es aber nicht mehr an.
Zur Zustellung des Beschlusses an die Antragsgegnerin, die mit Amtsschreiben vom 27. April 2018 veranlasst worden ist, ist aus der elektronischen Akte des DPMA ein Empfangsbekenntnis des nach Vertreteränderung für die Antragsgegnerin damals aufgetretenen Verfahrensbevollmächtigten ersichtlich, welches jedoch von diesem nicht datiert wurde. Ersichtlich ist aber ein Faxstempel vom 2. Mai 2016 für die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 28. Mai 2016, per Fax eingereicht am selben Tage, erhobene Beschwerde.
Sie begründet die Beschwerde damit, dass der offenkundigen Vorbenutzung im vorangegangenen Beschwerdeverfahren und im nunmehr beschwerdegegenständlichen Löschungsverfahren eine jeweils unterschiedliche Bedeutung zugemessen worden sei. Das Bundespatentgericht sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Gerät Pentalux, das in Augenschein genommen worden sei, wegen unterschiedlicher Funktionalität und Zweckbestimmung nicht relevant sei und es auf dessen Vorbenutzung nicht ankomme. Die gegenteilige Auffassung der Gebrauchsmusterabteilung sei überraschend und könne von der Antragsgegnerin nicht geteilt werden.
Die Antragsgegnerin stellt den Antrag,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung vom 21. Januar 2016 aufzuheben und den Feststellungsantrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Antragsteller stellt den Antrag,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2018 erklärt, dass die Schutzansprüche 6 und 7 des Streitgebrauchsmusters vom streitgegenständlichen Feststellungsantrag mit umfasst sein sollen. Er trägt des Weiteren vor, mit diesem Feststellungsantrag ein eigenes Feststellungsinteresse geltend zu machen, da er aus dem Streitgebrauchsmuster selber gerichtlich in Anspruch genommen werde. Er hält das Streitgebrauchsmuster für schutzunfähig. Hierzu beruft sich der Antragsteller in erster Linie auf offenkundige Vorbenutzungen. Zum einen sei das Tunnel-Härtungsgerät „Pentalux“ bei den deutschen „Nail- Design-Meisterschaften“ im August 1999 in Berlin verwendet und dort auch als Preis an die Gewinnerinnen zur freien Verwendung vergeben worden. Ferner sei ein ebenfalls die Merkmale des Schutzanspruchs 1 vorwegnehmendes TunnelHärtungsgerät „Eltrosonic“ zwischen dem 25. Februar 1999 und dem 5. Januar 2000 in Deutschland vertrieben worden. Ferner beruft er sich auch auf druckschriftlichen, aus seiner Sicht relevanten Stand der Technik.
Die Antragsgegnerin hat der Auffassung des Antragstellers, dass die Schutzansprüche 6 und 7 des Streitgebrauchsmusters Gegenstand des beschwerdegegenständlichen Löschungsantrags sein sollen, ausdrücklich nicht widersprochen. Zur Frage der Vorbenutzung hat die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 28. Mai 2016 ausdrücklich ausgeführt: „Eine Vorbenutzung wird unsererseits noch nicht einmal bestritten – auch damals nicht“. Bestritten werde lediglich „jegliche schutzeinschränkende Ähnlichkeit in Bezug auf Funktionalität und Zweckbestimmung“. In der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2018 hat sie dazu erklärt, dass die Beschwerdebegründung insoweit so zu verstehen sei, dass nur die Vorbenutzung des Geräts „Pentalux“ unstreitig gestellt werde, nicht aber die Vorbenutzung des Geräts „Eltrosonic“.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine Inaugenscheinnahme der Geräte „Pentalux“ und „Eltrosonic“. Zu den Ergebnissen dieser Inaugenscheinnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2018 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2018, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet. Die Markenabteilung hat in dem angefochtenen Beschluss vom 21. Januar 2016 zu Recht festgestellt, dass das Streitgebrauchsmuster 200 04 094 von Anfang an unwirksam war, weil sein Gegenstand nicht schutzfähig war (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebrMG).
1. Die Antragsgegnerin hat die Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist gemäß §§ 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG, 73 Abs. 2 Satz 1 PatG erhoben.
Auch wenn das Empfangsbekenntnis des seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin nicht datiert ist, sondern lediglich seine Rücksendung an das DPMA gemäß dem entsprechenden Faxstempel auf den 2. Mai 2016 datiert werden kann, ist nicht ersichtlich, dass der angefochtene Beschluss ihm bereits vor dem 28. April 2016 vorlag. Das Anschreiben des DPMA zur Übersendung des Beschlusses trägt das Datum „27. April 2016“; eine Zustellung noch am selben Tag an die Antragsgegnerin ist auszuschließen. Ferner ist dem Antragsteller gemäß seinem Empfangsbekenntnis der angefochtene Beschluss am 2. Mai 2016 zugestellt worden. Es steht nach alledem für den Senat außer Zweifel, dass die Antragsgegnerin ihre Beschwerde innerhalb der vorgenannten Monatsfrist beim DPMA eingereicht hat.
2. Gegenstand des vorliegenden Feststellungs-Beschwerdeverfahrens sind die Schutzansprüche 1 – 5 in der gemäß Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011 als schutzfähig erachteten Fassung sowie die Schutzansprüche 6 und 7 des Streitgebrauchsmusters in der eingetragenen Fassung.
Der Antragsteller hat in seinem Feststellungsantrag vom 21. Juli 2011 das Streitgebrauchsmuster angegriffen, „soweit es im Löschungsbeschwerdeverfahren 35 W (pat) 403/09 für schutzfähig erachtet wurde“, aber sein Löschungsbegehren gegen das Streitgebrauchsmuster ausdrücklich „in vollem Umfang“ gerichtet. Zudem ist lt. Tenor der Senatsentscheidung vom 8. Februar 2011 die Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters festgestellt worden, „soweit es über die folgende Fassung und die nicht angegriffenen Schutzansprüche 6 und 7 hinausgeht“. Die letztgenannten Schutzansprüche sind zwar, weil vom vorherigen Teil-Löschungsantrag nicht umfasst, inhaltlich im seinerzeitigen Senatsbeschluss nicht geprüft worden. Sie sind aber, wie ausgeführt, vom Ausspruch der Schutzfähigkeit im Tenor der genannten Senatsentscheidung mit umfasst. Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist, wie er im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. September 2018 auch klarstellend erklärt hat, nicht nur gegen die Schutzansprüche 1 bis 5 in der geänderten Fassung, sondern auch gegen die ursprünglich eingetragenen Schutzansprüche 6 und 7 gerichtet.
3. Die Antragsgegnerin hat dem beschwerdegegenständlichen Feststellungsantrag rechtzeitig widersprochen (§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GebrMG).
Es fehlt zwar in den patentamtlichen Akten ein Beleg, wann der Feststellungsantrag an die Antragsgegnerin zugestellt worden ist. In den Akten des DPMA findet sich aber das Amtsschreiben, mit dem der Löschungsantrag an die Antragsgegnerin herausgegangen ist, und zwar datiert auf 10. Januar 2012. Folglich kann der Antragsgegnerin der Feststellungsantrag jedenfalls nicht vor diesem Datum zugestellt worden sein. Dann aber ist der nach Aktenlage am 10. Februar 2012 eingegangene Widerspruch gegen den Feststellungsantrag auch rechtzeitig erfolgt.
4. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Zum einen hat der Antragsteller insoweit ein eigenes Feststellungsinteresse. Mit dem Erlöschen des Streitgebrauchsmusters entfällt zwar das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers für die Weiterverfolgung des Löschungsantrags (§§ 15, 16 GebrMG) i. S. e. Popularantrags, so dass das Verfahren in der Sache nur fortgesetzt werden kann, wenn der jeweilige Antragsteller ein eigenes Rechtsschutzinteresse in Bezug auf die von ihm geltend gemachte Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters hat (vgl. BGH GRUR 1983, 725, 728 – Ziegelsteinformling). Im vorliegenden Fall wird der Antragsteller persönlich von der Antragsgegnerin aus dem Streitgebrauchsmuster in einem derzeit ausgesetzten Verletzungsrechtsstreit vor dem LG Frankfurt a.M. für die Vergangenheit gerichtlich in Anspruch genommen, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Hiervon ausgehend hat er auch ein eigenes Rechtsschutzinteresse an der rückwirkenden Feststellung der Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters.
Zum anderen muss der Antragsteller das rechtskräftig entschiedene Löschungsbzw. Feststellungsverfahren zwischen der Antragsgegnerin und der E… AG nicht gegen sich gelten lassen. Der Antragsteller ist zwar Geschäftsführer der E… AG, aber im vorherigen Löschungs- bzw. Feststellungsverfahren nicht selbst Beteiligter. Zudem ist für das Nichtigkeitsverfahren höchstrichterlich entschieden, dass eine Kapitalgesellschaft sich nicht die Rechtskraft eines gegen ihren Alleingesellschafter ergangenen klageabweisenden Urteils entgegenhalten lassen muss (BGH, Urteil vom 29. November 2011, X ZR 23/11 – Rohrreinigungsdüse). In Bezug auf das Verhältnis Kapitalgesellschaft – Geschäftsführer kann im gebrauchsmusterrechtlichen Löschungsverfahren nichts anderes gelten.
5. Der beschwerdegegenständliche Feststellungsantrag ist auch begründet. Denn der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der vom Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011 als schutzfähig erachteten Fassung wird von dem vorbenutzten Gerät „Pentalux“ neuheitsschädlich vorweggenommen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebrMG).
5.1 Die Zugänglichkeit des Geräts „Pentalux“ für die Öffentlichkeit in Deutschland vor dem für das Streitgebrauchsmuster geltenden Anmeldetag ist zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitig. Der Antragsteller hat zu der von ihm geltend gemachten Vorbenutzung des Geräts „Pentalux“ insbesondere in seinem Schriftsatz vom 21. November 2014 eingehend vorgetragen und substantiiert dargelegt, dass dieses Gerät bei den deutschen „Nail-Design-Meisterschaften“ im August 1999 in Berlin verwendet und dort auch als Preis an die Gewinnerinnen zur freien Verwendung vergeben worden sei. Hierüber hat die Gebrauchsmusterabteilung Beweis erhoben und ihre Entscheidung wesentlich auf diese Vorbenutzung gestützt. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerdebegründung undifferenziert erklärt, dass eine Vorbenutzung von ihr nicht bestritten werde. In der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2018 hat sie erklärt, dieses Bestreiten beziehe sich nicht auf das Gerät „Eltrosonic“. Hieraus folgt, dass sie jedenfalls die öffentliche Zugänglichkeit des Geräts „Pentalux“ im August 1999 in Berlin unstreitig gestellt hat.
Auch wenn der Senat aufgrund des im gebrauchsmusterrechtlichen Löschungsbzw. Feststellungsbeschwerdeverfahren gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 87 Abs. 1 PatG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes selbst an einen übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten nicht gebunden ist und z. B. die §§ 288, 290 ZPO grundsätzlich nicht anwendbar sind, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Gerät „Pentalux“ im August 1999 in Berlin der Öffentlichkeit zugänglich war. Der diesbezügliche Sachvortrag des Antragstellers ist substantiiert, in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin hat diesen Sachvortrag unstreitig gestellt. Bei dieser Sachlage besteht für den Senat kein Anlass zu weitergehenden Ermittlungen und Beweisaufnahmen insbesondere durch eine Einvernahme von Zeugen.
5.2 Das Gerät „Pentalux“ nimmt den Gegenstand des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters in der geltenden Fassung neuheitsschädlich vorweg.
5.2.1 Der Anspruch 1 des Streitgebrauchsmusters lautet in der geltenden Fassung mit vom Senat hinzugefügten Merkmalsbezeichnungen „M1“ bis „M7“:
M1 Tunnel-Härtungsgerät zum Aushärten von Fingernagel-Modelage/Verstärkungsmaterialien durch Bestrahlung,
M2 mit einem Gehäuse (1, 5) M3 mit Gehäuseboden (5), M4 das einen Bestrahlungsraum (2) umschließt, M5 der eine Wandöffnung (3)
zum Einführen der Hand einer Benutzerin von außen her M6 sowie einen als Gehäuse-Außenwand ausgebildeten Boden (4) zum Auflegen dieser Hand aufweist, M7 dadurch gekennzeichnet,
dass der Boden (4) der Bestrahlungskammer (2) als Gehäuse-Außenwand ausgebildet und unabhängig vom Gehäuseboden (5) abnehmbar ist.
5.2.2 Als Fachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale der Schutzansprüche des Streitgebrauchsmusters und für die Beurteilung des Standes der Technik, hier des vorbenutzten Geräts „Pentalux“, ankommt, beschäftigte sich auf dem Gebiet des Streitgebrauchsmusters im Anmeldezeitpunkt, wie bereits im Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011 festgestellt, ein Dipl.-Ing. (FH) oder Maschinenbautechniker, der über langjährige Erfahrung in der Konstruktion von Geräten für die Kosmetikindustrie, insbesondere von Geräten zur Bestrahlung von photopolymerisierbaren Verbindungen auf Fingernägeln, verfügt.
5.2.3 Die Merkmale M6 und M7, auf die es zur Beurteilung der Neuheit des Gegenstandes des Schutzanspruchs 1 besonders ankommt, bedürfen der Erläuterung.
In beiden Merkmalen ist ein Boden (4) des Bestrahlungsraums (2) bzw. der Bestrahlungskammer (2) genannt – die Begriffe Bestrahlungsraum und Bestrahlungskammer werden in den Ansprüchen wie auch in der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters synonym benutzt. Aus Merkmal M7, in dem dieser Boden (4) neben dem bereits im Merkmal M3 eingeführten Gehäuseboden (5) genannt und als unabhängig davon bezeichnet wird, geht zunächst hervor, dass es sich bei dem Boden (4) nicht um den Gehäuseboden (5), sondern um einen davon unabhängigen Boden handelt. Daraus, dass zu diesem Boden (4) weiter sowohl im Merkmal M7 als auch im Merkmal M6 angegeben ist, dass er als Gehäuse-Außenwand ausgebildet ist, ergibt sich auch, dass in beiden Merkmalen von demselben Boden die Rede ist.
Dieser Boden (4) muss gemäß dem Merkmal M6 zum Auflegen einer Hand – der Hand einer Benutzerin, siehe Merkmal M5 – geeignet sein, also nach dem Verständnis des Fachmanns dazu eine ausreichend große Fläche bereitstellen.
Der Boden (4) muss weiterhin gemäß dem Merkmal M7 unabhängig vom Gehäuseboden (5) abnehmbar sein. Eine mögliche Ausbildung dieser Abnehmbarkeit kann gemäß der Beschreibung des Ausführungsbeispiels dadurch gegeben sein, siehe den Übergang von Seite 6 auf Seite 7, dass zwischen den Seitenflanken des Bodens (4) und den Seitenkanten einer Aussparung des Gehäusebodens (5) eine Nut-Feder-Verbindung ausgebildet ist, so dass der Boden (4) in das Gehäuse einschiebbar und umgekehrt wie eine Schublade in Richtung der im Merkmal M5 eingeführten Wandöffnung (3) aus dem Gehäuse herausziehbar ist, vergleiche auch die Angaben der Unteransprüche 2 und 4, die mögliche Ausbildungen des Gegenstands des Anspruchs 1 angeben.
Dass der Boden (4) gemäß den Merkmalen M6 und M7 als Gehäuse-Außenwand ausgebildet ist, bedeutet, dass durch Abnehmen des Bodens (4) eine Öffnung im Gehäuseboden entstehen muss – dies schließt insbesondere einen lediglich als Auflage auf dem Gehäuseboden (5) ausgeführten Boden (4) aus. Wie sich aus der Beschreibung des Ausführungsbeispiels ergibt, siehe den letzten Absatz auf Seite 7, ist es insbesondere erfindungsgemäß, wenn die beim Abnehmen des Bodens (4) entstehende Öffnung im Gehäuseboden (5) als Aussparung ausgeführt ist, die bei entferntem Boden (4) so an die Wandöffnung (3) anschließt, dass diese um die Aussparung vergrößert wird. Dabei ergibt sich umgekehrt, dass der Boden (4) im eingeschobenen Zustand die Wandöffnung (3) nach unten hin begrenzt.
5.2.4 Bei dem Gerät „Pentalux“ handelt es sich unbestritten um ein Tunnel-Härtungsgerät zum Aushärten von Fingernagel-Modellage / Verstärkungsmaterialien durch Bestrahlung, mit einem Gehäuse mit Gehäuseboden, das einen Bestrahlungsraum umschließt, der eine Wandöffnung zum Einführen der Hand einer Benutzerin von außen her aufweist, entsprechend den Merkmalen M1 bis M5.
Der Boden des Geräts „Pentalux“ weist zwei Teile auf. Einer davon ist gehäusefest und weist eine näherungsweise halbkreisförmige Öffnung auf, die an die seitliche Wandöffnung anschließt. Dieser Teil des Bodens entspricht dem im Merkmal M3 eingeführten „Gehäuseboden“.
Der andere Bodenteil ist verschiebbar in Längsrichtung des Tunnels. Er besteht zum einen aus einer tellerförmigen Auflage mit an Finger einer Hand angepassten Ausformungen, die somit zum Auflegen einer Hand einer Benutzerin geeignet und eingerichtet ist. Er besteht zum anderen weiter aus einem an die tellerförmige Auflage anschließenden ebenen Teil, der sich beim Einschieben des Bodenteils unter den gehäusefesten Bodenteil schiebt. Im eingeschobenen Zustand des verschiebbaren Bodenteils füllt dessen tellerförmige Auflage die näherungsweise halbkreisförmige Öffnung im festen Bodenteil aus. Er ist somit sowohl als Boden der Bestrahlungskammer wie auch als Gehäuse-Außenwand ausgebildet. Das entspricht dem Merkmal M6.
Einer Bezeichnung des verschiebbaren Bodenteils als „Boden“ entsprechend dem Boden (4) des Streitgebrauchsmusters steht nicht entgegen, dass dieser keine feste Endstellung besitzt, da eine solche nicht Gegenstand des Schutzanspruchs 1 ist. Auch steht nicht entgegen, dass der verschiebbare Bodenteil im Betrieb eingeschoben werden kann, um einen unter dem gehäusefesten Bodenteil angebrachten Schalter zu betätigen. Denn eine solche Funktionalität wird vom Schutzanspruch 1 nicht ausgeschlossen. Vielmehr ist eine Verschiebbarkeit des erfindungsgemäßen Bodens ausdrücklich vorgesehen, wie sich aus dem Absatz im Übergang von Seite 6 auf Seite 7 der Beschreibung und aus den Schutzansprüchen 2 und 4 ergibt.
Auch einer Bezeichnung des verschiebbaren Bodenteils als „als Gehäuse-Außenwand ausgebildet“ steht nicht entgegen, dass der ebene Teil des verschiebbaren Bodenteils sich beim Einschieben unter den Gehäuseboden schiebt, also eine Überlappung des verschiebbaren Bodenteils mit dem gehäusefesten Gehäuseboden entsteht, da eine solche Überlappung vom Schutzanspruch 1 nicht ausgeschlossen wird. Vielmehr weist auch der Boden (4) des erfindungsgemäßen Geräts aufgrund einer Nut-Feder-Verbindung, die an beiden Seiten und an der zum Ende der Aussparung im Gehäuseboden (5) hin zeigenden dritten Seite ausgebildet ist, siehe den Absatz im Übergang von Seite 6 auf Seite 7 der Beschreibung und die Figuren 3 bis 5, ebenfalls Überlappungen mit dem Gehäuseboden (5) auf.
Der ebene Teil des verschiebbaren Bodenteils des Geräts „Pentalux“ weist einen Längsschlitz auf. In diesen greift ein im gehäusefesten Bodenteil angeordneter Zapfen ein, der die Bewegbarkeit des verschiebbaren Bodenteils begrenzt. Der Zapfen kann vom Inneren des Gehäuses aus nach innen gezogen werden und gibt dann den verschiebbaren Bodenteil frei, so dass dieser in Gänze herausge- zogen und von dem Gerät entfernt werden kann. Der verschiebbare Bodenteil ist somit unabhängig vom Gehäuseboden abnehmbar. Das entspricht dem Merkmal M7.
Dem steht auch nicht entgegen, dass an dem verschiebbaren Bodenteil das Geräte-Typenschild angebracht ist. Es kann dahinstehen, ob sich daraus ergibt, dass dieser Bodenteil nicht austauschbar ist, da der Schutzanspruch 1 im Merkmal M7 nicht fordert, dass der Boden austauschbar sein soll, sondern lediglich, dass er abnehmbar ist.
Das Gerät „Pentalux“ weist somit sämtliche Merkmale M1 bis M7 des geltenden Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters auf.
5.3 Mit der nach alledem festzustellenden Schutzunfähigkeit des Gegenstands des Schutzanspruchs 1 fallen auch die abhängigen Unteransprüche 2 – 7. Die Antragsgegnerin hat das Streitgebrauchsmusters aufgrund ihrer Antragstellung, den Feststellungsantrag (insgesamt) zurückzuweisen, als Ganzes verteidigt und auch auf Frage des Gerichts eine eingeschränkte Fassung durch Aufnahme einschränkender Merkmale in den Hauptanspruch oder Aufrechterhaltung einzelner Unteransprüche weder als Hauptantrag noch in Form eines Hilfsantrags in das Verfahren eingeführt, so dass bei dieser Sachlage § 15 Abs. 3 Satz 2 GebrMG zurücktritt (vgl. Bühring, GebrMG, 8. Aufl., § 15, Rn. 75). Insbesondere ist daher eine weitergehende Prüfung der abhängigen Unteransprüche nicht veranlasst.
5.4 Da bereits mit Blick auf das unstreitig vorbenutzte Gerät „Pentalux“ der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters als schutzunfähig zu erachten war, kommt es nicht auf den im Verfahren befindlichen druckschriftlichen Stand der Technik und ebenfalls nicht auf die Frage an, ob und inwieweit der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters durch das weitere, als vorbenutzt dargelegte Gerät „Eltrosonic“ vorweggenommen wurde. Insoweit waren daher auch keine weiteren Ermittlungshandlungen mehr veranlasst.
6. Die Gebrauchsmusterabteilung hat nach alledem zu Recht festgestellt, dass das Streitgebrauchsmuster in dem Umfang, in dem es im Löschungs-Beschwerdeverfahren 35 W (pat) 403/09 für schutzfähig erachtet wurde, von Anfang an unwirksam war. Dabei betrifft diese Feststellung, wie sich aus oben Ziff. 2 ergibt, nicht nur die im vorgenannten Verfahren geänderten Schutzansprüche 1 bis 5, sondern auch die ursprünglich eingetragenen Schutzansprüche 6 und 7.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 ZPO III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Metternich Dr. Krüger Ausfelder Fa