5 StR 553/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 553/24 BESCHLUSS vom 11. Februar 2025 in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2025:110225B5STR553.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2025 gemäß § 206a Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte S. im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20. Dezember 2023, soweit es den Angeklagten S.
betrifft,
aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
bb) im Strafausspruch aufgehoben,
c) das vorbenannte Urteil, soweit es beide Angeklagten betrifft, in den Aussprüchen über die Einziehung des Wertes des aus den Taten Erlangten mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die – hinsichtlich des Angeklagten S.
verbleibenden – Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten S. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Daneben hat es gegen beide Angeklagten die Einziehung des Wertes des aus den Taten Erlangten angeordnet.
Gegen ihre Verurteilungen richten sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte B. beanstandet zudem das Verfahren und begehrt die Aussetzung des Revisionsverfahrens. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Das Verfahren ist – soweit es den Angeklagten S.
betrifft – im Fall II. Tat 1 der Urteilsgründe gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Dem weiteren Verfahren steht insoweit ein dauerndes Verfahrenshindernis entgegen,
weil durch den Strafbefehl des Landgerichts Coburg vom 11. November 2020 Strafklageverbrauch eingetreten ist. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
Das Landgericht hat den bei der Tat zu Ziffer II.1 eingetretenen Strafklageverbrauch missachtet:
Es hat in seinen Urteilsgründen festgestellt, dass die zum Weiterverkauf vorgesehene am 21. April 2020 in Coburg sichergestellte Menge von 153,6 Gramm Methamphetamin aus der tatgegenständlichen, am gleichen Tag kurz nach 17 Uhr in D. entgegengenommenen Lieferung von 750 Gramm Methamphetamin entstammte (vgl. UA S. 12, 28, 52 f.). Eingedenk dessen bilden beide Mengen eine Bewertungseinheit. Entgegen der Rechtsauffassung der Strafkammer und der Staatsanwaltschaft ist damit insgesamt Strafklageverbrauch − nicht nur im Hinblick auf die bereits vom Landgericht Coburg abgeurteilte Teilmenge − eingetreten (vgl. hierzu nur Patzak/Fabricius/Patzak BtMG, § 29 Rn. 542).
Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend:
Die Annahme des Strafklageverbrauchs in diesen Fällen entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2024 – 2 StR 480/23 Rn. 19 ff.; vom 18. Mai 1994 – 2 StR 169/94,
NStZ 1994, 495; jeweils mwN). Soweit das Landgericht unter Berufung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 22. März 2019 – 4 OLG 13 Ss 491/18B) angenommen hat, es sei „Entklammerung“ vorzunehmen, weil es dem Gerechtigkeitsprinzip widerspreche, wenn die Aburteilung einer Teilmenge von 15 % der gehandelten Betäubungsmittel den Strafklageverbrauch hinsichtlich der Gesamtmenge nach sich zöge, hat es verkannt, dass in der zitierten Entscheidung in Tatmehrheit stehende Delikte verklammert wurden; hier liegt infolge von Bewertungseinheit indes materiell-rechtlich Tateinheit und – mangels ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führender Umstände – auch eine einheitliche prozessuale Tat im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO vor (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2018 – 3 StR 651/17, NStZ 2019, 511; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 264 Rn. 11 mwN).
2. Die teilweise Verfahrenseinstellung führt zu der sich aus der Beschlussformel ergebenden Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der für diese Tat verhängten Einzelstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie der Gesamtfreiheitsstrafe. Der Senat hat zudem auch die – für sich genommen revisionsgerichtlich nicht zu beanstandende – Einzelstrafe für Fall II. Tat 2 der Urteilsgründe von fünf Jahren aufgehoben. Denn das Landgericht hatte aus den beiden Einzelstrafen eine „fiktive“ Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten gebildet und wegen der vollständigen Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Coburg und der daraus resultierenden Unanwendbarkeit des § 55 StGB im Wege eines Härteausgleichs auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erkannt. Ob wiederum – und wenn ja in welchem Umfang – ein Härteausgleich vorzunehmen ist, ist eine Frage, die mangels möglicher Gesamtstrafenbildung nunmehr vom Tatgericht gegebenenfalls schon bei der Bemessung der Einzelstrafe für den verbleibenden Fall II. Tat 2 der Urteilsgründe zu berücksichtigen ist.
Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von dem der Aufhebung zugrundeliegenden Rechtsfehler nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können deshalb bestehen bleiben.
3. Die Einziehungsanordnungen hinsichtlich beider Angeklagten halten der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.
9 Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, der Angeklagte B.
habe
„Crystal im Wert von 253.000,00 EUR erworben bzw. veräußert“ und der Angeklagte S. habe „Crystal im Wert von 67.900,00 EUR erworben.“ Damit hat die Strafkammer im Ergebnis auf das Erlangen der Betäubungsmittel an sich abgestellt, nicht aber auf das Erlangen etwaiger Verkaufserlöse. Dass den Angeklagten Erlöse in der genannten Höhe zugeflossen sind, lässt sich dem Urteil – auch im Gesamtzusammenhang – nicht entnehmen. Zwar könnte sich zu einzelnen Taten die Zahlung von Teilbeträgen ergeben; eine abschließende Entscheidung durch den Senat ist aber nicht veranlasst, weil weitergehende Feststellungen möglich erscheinen, die eine Einziehung in der erkannten Höhe zulassen würden. Um dem neuen Tatgericht eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen, hat der Senat insoweit auch die zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ohne Erfolg. Zu der von dem Angeklagten B.
erhobenen Verfahrensbeanstandung, das Landgericht Dresden sei zu Unrecht von einer Verwendbarkeit der Daten aus der französischen EncroChat-Infiltration ausgegangen, weil die Zweckumwidmung der Daten für ein deutsches Strafverfahren mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht möglich sei, bemerkt der Senat über die Ausführungen des Generalbundesanwalts hinaus ergänzend:
Die Rüge ist bereits nicht zulässig erhoben. Um die von der Revision aufgeworfene Frage beurteilen zu können, ob es eine Rechtsgrundlage gibt, die „den verfassungsrechtlichen Bedingungen der hypothetischen Datenneuerhebung genügt und das Eingriffsgewicht der Erhebungsmaßnahme berücksichtigt“, hätte es des konkreten Vortrags zur Beweisgewinnung in Frankreich bedurft; daran fehlt es.
Die Rüge wäre auch unbegründet, denn Rechtsgrundlage für die Datenanforderung und anschließende Verwendung im Strafverfahren ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA iVm § 161 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Urteile vom 30. Januar 2025 – 5 StR 528/24; vom 13. Februar 2025 – 5 StR 491/23); bereits zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen der Verwendungsbeschränkung aus § 100e Abs. 6, § 100b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b StPO vor, die zwar nicht unmittelbar anwendbar ist, die der Senat zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber auch im Rahmen der Prüfung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA fruchtbar macht (BGH, Urteile vom 30. Januar 2025 – 5 StR 528/24; vom 13. Februar 2025 – 5 StR 491/23; vgl. zur Verhältnismäßigkeit insoweit BVerfG, Beschluss vom 1. November 2024 – 2 BvR 684/22, NStZ-RR 2025, 25, 29).
Cirener Gericke Köhler Ri’inBGH Resch ist im Urlaub und kann nicht unterschreiben.
Cirener von Häfen Vorinstanz: Landgericht Dresden, 20.12.2023 - 14 KLs 424 Js 50988/20