35 W (pat) 1/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 1/12
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend das Gebrauchsmuster … (hier: Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr) hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 5. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter Baumgärtner, den Richter Eisenrauch sowie der Richterin Bayer beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152 08.05 Gründe I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „…“.
Nachdem der Beschwerdeführer Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr beantragt hat, ist er mit Schreiben der Gebrauchsmusterstelle vom 30. September 2010, 11. Januar 2011, 2. Februar 2011 und 24. März 2011 aufgefordert worden, Nachweise einzureichen, welche Erfolg versprechenden Verwertungsversuche er im Laufe des letzten Jahres unternommen hat (z. B. schriftliche Zusagen von Firmen), andernfalls müsse mit der Zurückweisung des Antrags gerechnet werden. Der Beschwerdeführer hat in den Antwortschreiben geltend gemacht, dass zunächst eine zutreffende Klassifizierung erfolgen müsse, ohne die eine Verwertung nicht vorankommen könne. Im Schreiben vom 8. März 2011 erklärte der Beschwerdeführer, dass erst jetzt mit der Änderung der IPC eine für ihn vollwertige Zuordnung entstanden sei, das Grundmodell sich noch in Arbeit befinde und ein forcierter Bau des ersten Modells nicht sinnvoll sei, da es für mindestens vier Umrüstungen eingesetzt werden solle. Weiter könne der Prototyp erst dann gefertigt werden, wenn alle seine Arbeiten hierfür abgeschlossen und geschützt seien.
Mit Beschluss vom 19. Oktober 2011, zugestellt am 19. November 2011 hat die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrechterhaltungsgebühr zurückgewiesen. Trotz mehrfacher Aufforderung sei nicht nachgewiesen worden, welche erfolgsversprechenden Verwertungsversuche unternommen worden seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 6. Dezember 2011 beim DPMA eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der er seinen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die erste Aufrechterhaltungsgebühr weiterverfolgt. Er trägt vor, er habe jeweils zu den Bescheiden Antwortschreiben eingereicht, habe aber keine Antworten auf seine Argumente erhalten und legt insgesamt 13 Schreiben in Kopie vor.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. Oktober 2011 aufzuheben und ihm Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr für das Gebrauchsmuster … zu gewähren.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters mutwillig im Sinne von § 114 ZPO erscheint.
Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist - wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe - § 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern, nicht gleichzustellen.
Ob eine Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, entscheidet sich danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der Antragsteller (so auch die h. M. vgl. Busse PatG, 6. Aufl. 2003, § 130 Rn. 34 m. w. N.; Schulte, PatG, 8. Aufl. 2005, § 130 Rn. 54, 55; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.). „Mutwilligkeit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG BlPMZ a. a. O. m. w. N.).
Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögende Person in derselben Situation.
Die Gebrauchsmusterstelle hat bei der Zurückweisung des Antrags insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer bisher keine Belege dafür vorgelegt hat, aus denen sich ernsthafte, d. h. Erfolg versprechende Versuche des Beschwerdeführers erkennen lassen, das Gebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Im Fall der Aufrechterhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungs- und Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider. Daher wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber nach Eintragung seines Schutzrechts um dessen wirtschaftliche Nutzung bemühen.
Der Beschwerdeführer hat keine Belege dafür eingereicht, dass eine realistische Chance für eine Verwertung besteht. Zunächst hatte er darauf abgestellt, dass eine unzutreffende IPC-Nummer ihn daran gehindert hätte. Dem kann nicht gefolgt werden. Eine unzutreffende IPC-Nummer verhindert eine Verwertung objektiv nicht. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass der Beschwerdeführer es mindestens versucht hat, das Gebrauchsmuster zu verwerten, aber ein Interessent abgesprungen sei, weil die IPC-Nummer nicht richtig sei. Es ist in keiner Weise belegt, dass der Beschwerdeführer sich um eine Verwertung des Gebrauchsmusters bemüht hat. Bloßes abwarten, ob sich ein Interessent zeigt, führt zu nichts. Auch dass der Beschwerdeführer sein Modell noch weiter verbessern will, bevor er es selber herstellt, ist keine Verwertungshandlung.
Eine Gesamtschau der vorhandenen Tatsachen ergibt für eine wirtschaftliche Nutzung des Gebrauchsmusters daher keine hinreichende Wahrscheinlichkeit.
Angesichts der bestehenden Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage, d. h. der Aussichtslosigkeit einer wirtschaftlichen Verwertung, weitere Mittel einsetzen würde, um das Streitgebrauchsmuster aufrecht zu erhalten, von dem offenbar keinerlei wirtschaftliche Vorteile zu erwarten sind und bei dem deswegen die Aufrechterhaltungsgebühr von vornherein verlorene Kosten bedeutet.
Allein für die bloße weitere Existenz des Gebrauchsmusters kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht werden.
Baumgärtner Eisenrauch Bayer Cl