XIII ZB 107/19
BUNDESGERICHTSHOF XIII ZB 107/19 BESCHLUSS vom 23. Juni 2020 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2020:230620BXIIIZB107.19.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die Richterin Prof. Dr. SchmidtRäntsch, die Richter Prof. Dr. Kirchhoff, Dr. Tolkmitt und die Richterin Dr. Linder beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Juli 2019 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 9. April 2019 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Landeshauptstadt Düsseldorf auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I. Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste am 4. Oktober 2015 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Dieser Bescheid ist seit dem 10. Februar 2017 bestandskräftig. Der Betroffene kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig nach. Eine für den 8. April 2019 geplante Abschiebung musste aufgrund eines Fluchtversuchs des Betroffenen am Flughafen abgebrochen werden.
Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht am 9. April 2019 gegen den Betroffenen Sicherungshaft bis zum 9. Juli 2019 an. Im Haftantrag wurde ausgeführt, nach Mitteilung der Zentralstelle für Flugabschiebungen in Nordrhein-Westfalen würden für die Organisation einer Rückführung mit Sicherheitsbegleitung nach Marokko bis zu drei Monate benötigt.
Der Betroffene wurde am 2. Mai 2019 nach Marokko abgeschoben. Seine danach auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, ein zulässiger Haftantrag liege vor. Die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der beabsichtigten Abschiebung nach Marokko sowie die erforderliche Haftdauer seien hinreichend dargelegt.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Für die Haftanordnung fehlte es an einem zulässigen Haftantrag der beteiligten Behörde.
a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (BGH, Beschluss vom 13. September 2018 - V ZB 57/18, juris Rn. 5; Beschluss vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, juris Rn. 8 mwN).
b) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag nicht gerecht. Im Antragsschreiben der beteiligten Behörde vom 9. April 2019 wurde im Hinblick auf die beantragte Haftdauer lediglich ausgeführt, nach Mitteilung der Zentralstelle für Flugabschiebungen in Nordrhein-Westfalen würden für die Organisation einer Rückführung mit Sicherheitsbegleitung nach Marokko bis zu drei Monate benötigt. Eine nähere Erläuterung des erforderlichen Zeitaufwands erfolgte nicht. Eine solche ist bei einer Abschiebung mittels eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber in aller Regel nur dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eigene Erfahrungen oder auf eine Auskunft der zuständigen Stelle beruft, wonach der für die Durchführung der Abschiebung erforderliche Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11; vom 4. Juli 2019 - V ZB 173/18, juris Rn. 8, und vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, juris Rn. 12).
Die Ausführungen der beteiligten Behörde lassen nicht erkennen, warum eine Haftdauer von drei Monaten erforderlich ist, und sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, für die Begründung der beantragten Haft unzureichend (vgl. BGH, Beschlüsse vom
12. Februar 2020 - XIII ZB 49/19, juris Rn. 9, und vom 12. April 2018 - V ZB 208/17, juris Rn. 6 mwN).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Meier-Beck Schmidt-Räntsch Kirchhoff Tolkmitt Linder Vorinstanzen: AG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.04.2019 - 150A XIV (B) 48/19 LG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.07.2019 - 25 T 359/19 -