7 Ni 63/14 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 63/14 (EP) (Aktenzeichen)
…
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
2. Juli 2015 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 0 731 288 (DE 595 08 756)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2015 unter Mitwirkung der Richterin Püschel als Vorsitzende sowie des Richters Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Dr. Schnurr, der Richter Dr.-Ing. Großmann und Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Klage richtet sich gegen das nach Klageerhebung durch Zeitablauf erloschene europäische Patent 0 731 288 (Streitpatent), das auf eine Anmeldung vom 16. März 1995 zurückgeht und in deutscher Sprache u. a. für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Das Patent, das die Priorität der deutschen Voranmeldung 195 07 916 vom 7. März 1995 in Anspruch nimmt, wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 595 08 756.6 geführt. Es ist bezeichnet mit „Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelages, sowie Trägerplatte hierfür“ und umfasst neun Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Auf den die Herstellung eines Bremsbelages betreffenden Verfahrensanspruch 1 sind die Ansprüche 2 bis 8 rückbezogen. Anspruch 9 stellt als nebengeordneter Anspruch ein Verfahren zur Herstellung einer Trägerplatte unter Schutz.
Die Patentansprüche 1 und 9 haben in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
1. Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelages (1) durch Ausbildung von Vorsprüngen (2) auf einer Trägerplatte (6) und durch Aufpressen eines Reibbelages (8) auf die Trägerplatte (6), bei dem die Trägerplatte (6) mit noppenartigen, durch Durchdrücken von Teilen der Trägerplatte (6) zur Reibbelagseite vorstehenden Vorsprüngen (2) mit Hinterschneidungen (4) ausgebildet wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorsprünge (2) in einem ersten Schritt in einem Umformvorgang ausgebildet werden, und dass die noppenartigen Vorsprünge (2) in einem zweiten Schritt in Gegenrichtung zum Umformvorgang des ersten Schrittes aufgespalten und umgeformt werden, wodurch die Hinterschneidungen (4) gebildet werden.
9. Verfahren zur Herstellung einer Trägerplatte (6), bei dem die Trägerplatte (6) mit noppenartigen, durch Durchdrücken von Teilen der Trägerplatte (6) vorstehenden Vorsprüngen (2) mit Hinterschneidungen (4) ausgebildet wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorsprünge (2) in einem ersten Schritt in einem Umformvorgang ausgebildet werden, und dass die noppenartigen Vorsprünge (2) in einem zweiten Schritt in Gegenrichtung zum Umformvorgang des ersten Schrittes aufgespalten und umgeformt werden, wodurch die Hinterschneidungen (4) gebildet werden, die von der Trägerplattenoberfläche (14) ca. 2,0 bis 2,5 mm abstehen.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 731 288 B1 (Anlage WW3) Bezug genommen.
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ) geltend.
Sie bezieht sich auf folgende Druckschriften aus dem Stand der Technik:
WW4 WW5 WW6 WW7 WW9 WW10 WW11 WW12 WW13 DE 38 43 901 C1 EP 0 084 591 A1 US 3,767,018 JP 57-144320 A mit deutscher Übersetzung WW7a US 5,285,873 mit deutscher Übersetzung WW9a FR 842 684 mit deutscher Übersetzung WW10a DE 39 06 450 A1 US 5,141,083 mit deutscher Übersetzung WW 12a US 5,033,590 mit deutscher Übersetzung WW 13a Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass zeitlich nicht vorgegeben sei, an welcher Stelle im Ablauf der Herstellung des Bremsbelags der Reibbelag auf die Trägerplatte aufzupressen sei. Die einzige Angabe zur zeitlichen Abfolge finde sich in Patentanspruch 1 in Bezug auf die Reihenfolge des ersten und des zweiten Schritts. Insofern verbiete sich jegliche einschränkende Interpretation des Anspruchs 1 zur Frage, ob der Reibbelag vor Ausführung der beiden Schritte, ob er nach Ausführung des ersten und vor Ausführung des zweiten Schritts, oder ob er nach Ausführung sowohl des ersten als auch des zweiten Schritts aufgepresst werde. Dass das Reibmaterial beim Verpressen der Reibbeläge auf die Trägerplatte in die Hinterschneidungen eindringen und sich dort verankern könne, sei lediglich im Ausführungsbeispiel der Patentbeschreibung gemäß dortigem Absatz 27 vorgesehen. Für eine hinsichtlich der zeitlichen Abfolge einschränkende Interpretation des Anspruchswortlauts biete diese Passage der Beschreibung allerdings keinen Anlass. Das Aufpressen diene lediglich dem Zweck, den Reibbelag formschlüssig an die Trägerplatte anzupassen, wobei die in einem ersten Schritt in einem Umformvorgang auszubildenden, noppenartigen Vorsprünge offen oder geschlossen ausgestaltet werden könnten.
Nach Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber der US-Patentschrift 5,285,873 (WW9) und der französischen Patentschrift 842 684 (WW10 mit deutscher Übersetzung WW10a) nicht neu. Ferner beruhe er – ausgehend von der japanischen Offenlegungsschrift 57144320 A (WW7 mit deutscher Übersetzung WW7a) in Verbindung mit WW10 – nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Ebenso seien die Merkmale der Unteransprüche sowie des nebengeordneten Patentanspruchs 9 aus den oben genannten Schriften bekannt bzw. dem Fachmann durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nahegelegt.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 731 288 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 9 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung des mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 (Bl. 128 ff. d. Akte) eingereichten Hilfsantrags richtet.
Wegen der Fassung des Hilfsantrags wird auf den Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 (Bl. 128 ff. d. Akte) Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung - zumindest aber in der mit dem Hilfsantrag verteidigten Fassung - weder neuheitsschädlich vorweggenommen, noch dem Fachmann nahe gelegt gewesen sei. Die Reihenfolge der Verfahrensschritte - zuerst die Ausbildung von Vorsprüngen auf der Trägerplatte, dann das Aufpressen eines Reibbelags bzw. einer Reibbelagsmischung - sei durch den Patentanspruch vorgegeben. Zum einen entspreche sie der Patentbeschreibung gemäß dortigem Absatz 27. Zum anderen könne der aufzupressende Reibbelag bzw. die Reibbelagmischung formschlüssig nur in bereits ausgebildete Hinterschneidungen eindringen. Im Hinblick auf die Materialeigenschaften des Reibbelags ließen sich nach dem Aufbringen des Reibbelages weder noppenartige Vorsprünge noch Hinterschneidungen auf der Trägerplatte ausbilden, da der Reibbelag hierbei zerstört würde. Noppenartige Vorsprünge, die, was ihre Begrifflichkeit mit sich bringe, oben geschlossen seien, würden durch ein Durchdrücken und - in Abgrenzung zu dem in WW10 geschilderten Verfahren - nicht durch ein Durchstoßen der Trägerplatte gebildet. Dementsprechend seien die Schriften WW9 und WW10 unbeachtlich, weil sie im Unterschied zum Streitpatent davon ausgingen, dass bereits ein vorgefertigter Reibbelag aufgebracht sei, bevor die Bearbeitung der Trägerplatte, insb. die Herstellung der Hinterschneidungen, abgeschlossen sei.
Der Senat hat den Parteien einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG mit Schreiben vom 18. März 2015 übersandt.
In der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2015 haben die Parteien ihre bisherigen Standpunkte erläutert und vertieft.
Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen. Das Streitpatent ist seit dem 17. März 2015 durch Zeitablauf erloschen.
Entscheidungsgründe A.
Die Nichtigkeitsklage ist, auch nachdem das Streitpatent durch Zeitablauf erloschen ist, zulässig. Die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents vor dem Landgericht bzw. Oberlandesgericht Düsseldorf in Anspruch genommen wird, hat aus diesem Grund weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf seine Nichtigerklärung im angegriffenen Umfang (st. Rspr., vgl. Schulte/Voit, PatG, 9. Aufl., § 81 Rn. 41 m. w. Nachw.). Das in Bezug auf nebengeordnete Patentansprüche gesondert zu prüfende Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BGH GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger) ist hier auch bezüglich des nebengeordneten Patentanspruchs 9 zu bejahen, da es sich bei dem dort geschützten Verfahren zur Herstellung einer Trägerplatte um einen Zwischenschritt zu dem mit dem Patentanspruch 1 geschützten Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelags handelt.
B.
Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art 54, 56 EPÜ) gestützte Klage ist jedoch unbegründet. Das europäische Patent 0 731 288 erweist sich in seiner erteilten Fassung als bestandsfähig, weshalb die Klage abzuweisen ist.
I.
1. Die vorliegende Erfindung betrifft nach der Beschreibung in der Streitpatentschrift (Absätze 1 bis 7) ein Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelages nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 sowie ein Verfahren zur Herstellung einer Trägerplatte nach dem Oberbegriff des Anspruchs 9. Bei der Herstellung von Bremsbelägen sei bekannt, den Reibbelag auf eine Trägerplatte zu pressen und zwischen Trägerplatte und Reibbelag eine Klebeschicht vorzusehen, um die Haftung zwischen Reibbelag und Trägerplatte zu erhöhen. Die durch den Klebstoff erzielbare Haftung zwischen Reibbelag und Trägerplatte sei jedoch bei hochbelasteten Bremsbelägen bei Hochleistungsfahrzeugen und Nutzfahrzeugen, insbesondere wegen der hohen auftretenden Bremstemperaturen, nicht ausreichend. Angesichts dessen seien auf der dem Reibbelag zugewandten Oberfläche der Trägerplatte Umformungen der Trägerplattenoberfläche vorgeschlagen worden, um die Haftung zwischen Reibbelag und Trägerplatte zu erhöhen.
Aus der deutschen Patentschrift 38 43 901 C1 (WW4) sei eine mit einem Reibbelag bestückte Trägerplatte bekannt, die auf ihrer dem Reibbelag zugewandten Oberfläche Einkerbungen mit Hinterschneidungen aufweise, in die das Reibmaterial zur Haftungserhöhung eindringen könne. Da sich das Reibmaterial in der Trägerplatte verankere, werde die maximale Scherfestigkeit von den Eigenschaften des Reibmaterials begrenzt.
Aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 084 591 A1 (WW5) sei ein Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelages bekannt, der eine Trägerplatte aufweise, die auf der den Reibbelag tragenden Seite mit einer Strukturoberfläche versehen sei. Diese Strukturoberfläche weise Hinterschneidungen auf, so dass das Reibmaterial auf der Trägerplatte verankert werden könne. Dieses Herstellverfahren sei in der Produktion kostenaufwendig.
Aus der US-Patentschrift 3,757,018 (WW6) sei bekannt, den Reibbelag mit Hilfe von Nieten auf der Trägerplatte zu verankern. Das Einbringen der Nieten erfordere zusätzliche Arbeitsgänge und zusätzliche Teile, so dass auch diese Art der Verankerung kostenaufwendig sei.
Aus der japanischen Offenlegungsschrift 57-144320 (WW7 mit deutscher Übersetzung WW7a) sei ein Bremsbelag bekannt, bei dem Vorsprünge auf der dem Reibbelag zugewandten Seite der Trägerplatte mit Hilfe einer Prägepresse hergestellt worden seien. Die Vorsprünge und Aussparungen in der Trägerplatte seien durch einen Umformvorgang während der Herstellung der Trägerplatte entstanden. Wie die Hinterschneidungen gebildet seien, sei nicht ersichtlich.
Der Erfindung liege somit die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelages bzw. einer Trägerplatte anzugeben, bei dem die Verankerung des Reibbelages auf der Trägerplatte höchsten Scherfestigkeitsanforderungen genüge, und das die Herstellung von Bremsbelägen mit geringem Zeit- und Kostenaufwand ermögliche (Absatz 8 der Streitpatentschrift).
2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale gemäß der von der Klägerin vorgelegten Merkmalsanalyse WW8 wie folgt gegliedert werden können:
1. Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelages (1) 1.1 durch Ausbildung von Vorsprüngen (2) auf einer Trägerplatte (6) und durch 1.2 Aufpressen eines Reibbelages (8) auf die Trägerplatte (6), bei dem 1.3 die Trägerplatte (6) mit noppenartigen Vorsprüngen (2) ausgebildet wird, wobei 1.4 die Vorsprünge (2) durch Durchdrücken von Teilen der Trägerplatte (6) zur Reibbelagseite vorstehen, und 1.5 die Vorsprünge (2) Hinterschneidungen (4) aufweisen, 1.6 die Vorsprünge (2) in einem ersten Schritt in einem Umformvorgang ausgebildet werden, und 1.7 die noppenartigen Vorsprünge (2) in einem zweiten Schritt in Gegenrichtung zum Umformvorgang des ersten Schrittes aufgespalten und umgeformt werden, wodurch die Hinterschneidungen (4) gebildet werden.
Das Verfahren gemäß dem nebengeordneten Patentanspruch 9 lässt sich folgendermaßen aufgliedern:
9. Verfahren zur Herstellung einer Trägerplatte (6), bei dem 9.1 die Trägerplatte (6) mit noppenartigen, durch Durchdrücken von Teilen der Trägerplatte (6) vorstehenden Vorsprüngen (2) mit Hinterschneidungen (4) ausgebildet wird, 9.2 die Vorsprünge (2) in einem ersten Schritt in einem Umformvorgang ausgebildet werden, und 9.3 die noppenartigen Vorsprünge (2) in einem zweiten Schritt in Gegenrichtung zum Umformvorgang des ersten Schrittes aufgespalten und umgeformt werden, wodurch 9.4 die Hinterschneidungen (4) gebildet werden, die von der Trägerplattenoberfläche (14) ca. 2,0 bis 2,5 mm abstehen.
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Maschinenbau oder Fahrzeugtechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Bremsbelägen.
4. Dieser Fachmann geht bei der Auslegung der Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents von folgendem Verständnis aus:
a) Die Verfahrensschritte 1.1 und 1.2 folgen nach dem Verständnis des Fachmanns in dieser Reihenfolge aufeinander, wobei zu berücksichtigen ist, dass Patentansprüche, die, wie hier, ein Verfahren betreffen, grundsätzlich in der Weise auszulegen sind, dass die Verfahrensschritte in der angegebenen Reihenfolge zu absolvieren sind (vgl. BGH GRUR 2015, 159-167, Rn. 33 – Zugriffsrechte).
Nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 „durch Ausbildung von Vorsprüngen (2) auf einer Trägerplatte (6) und durch Aufpressen eines Reibbelages (8) auf der Trägerplatte (6)“ ist an erster Stelle der Verfahrensschritt der Ausbildung von Vorsprüngen auf einer Trägerplatte genannt und an zweiter Stelle der Verfahrensschritt des Aufpressens eines Reibbelages auf die Trägerplatte. Aus diesem Wortlaut des Patentanspruchs 1 ergibt sich hinsichtlich des Verfahrensablaufs ohne Weiteres eine sinnvolle zeitliche Abfolge, wonach zunächst Vorsprünge auf einer Trägerplatte ausgebildet werden und im Anschluss daran der Reibbelag bzw. die Reibbelagmischung auf die Trägerplatte aufgepresst wird (Merkmale 1.1 und 1.2). Die nachfolgenden Merkmale 1.3 bis 1.7 betreffen allein die Ausgestaltung der Trägerplatte, d. h. sie beziehen sich nur auf Merkmal 1.1, so dass sich nach dem Gesamtinhalt des Patentanspruchs 1 ein Verständnis dahingehend ergibt, dass das Aufpressen des Reibbelags auf die Trägerplatte erfolgt, nachdem der Vorgang des Ausbildens von Vorsprüngen auf der Trägerplatte gemäß den Merkmalen 1.3 bis 1.7 stattgefunden hat. Dass die Ausbildung von Vorsprüngen auf der Trägerplatte insgesamt vor Aufpressen des Reibbelags auf die Trägerplatte stattfindet, wird nicht nur gestützt durch den nebengeordneten Patentanspruch 9, in dem die Ausgestaltung der Trägerplatte für sich allein erfolgt, sondern auch durch die Erläuterung der Erfindung in der Streitpatentschrift. Bezogen auf den Ablauf der Verfahrensschritte, handelt es sich bei den beiden Ausführungsbeispielen nur um ein einziges, denn in dem zweiten Ausführungsbeispiel ist lediglich die Trägerplatte in ihrer Dicke (s. Absatz 31 der Streitpatentschrift), nicht aber der Ablauf als solcher verändert. Bei Schilderung des ersten Ausführungsbeispiels werden in den Absätzen 20 bis 26 der Streitpatentschrift zunächst allein Ausführungen zur Trägerplatte und Ausbildung der Vorsprünge auf der Trägerplatte gemacht, wobei es anschließend dann in Absatz 27 heißt: „Beim Verpressen der Reibbeläge 8 auf die Trägerplatte 6 kann das Reibmaterial des Reibbelages 8 in die Hinterschneidungen 4 eindringen und sich dort fest verankern.“ Im Gesamtzusammenhang beschreibt das Wort „kann“ im Absatz 27 für den Fachmann erkennbar keine bloße fakultative Möglichkeit, sondern das gewollte und gewünschte Ergebnis der in den vorigen Absätzen geschilderten Verfahrensschritte. Unter Berücksichtigung dessen wird im Gegensatz zu dem aus dem Stand der Technik bekannten Vernieten und/oder Aufkleben der vorgefertigten Reibbeläge für den Fachmann erkennbar mit Patentanspruch 1 ein Herstellungsverfahren beansprucht, bei dem eine Reibbelagmischung bzw. ein Reibmaterial in einer dem Fachmann an sich bekannten Weise auf die Trägerplatte aufgepresst wird, wobei das Reibmaterial die Hinterschneidungen ausfüllt, die folglich bereits vorhanden sein müssen.
Die von der Klägerin hiervon abweichend geltend gemachte beliebige Reihenfolge der Merkmale 1.1 und 1.2 vermag nicht zu überzeugen. Allein aus dem Umstand, dass nur bei einem Teil der Verfahrensschritte im Patentanspruch 1 ausdrücklich eine Reihenfolge angegeben wird, indem von einem ersten und zweiten Schritt die Rede ist (Merkmale 1.6 und 1.7), kann nicht zwingend der (Umkehr-) Schluss gezogen werden, dass die anderen Verfahrensschritte in beliebiger Reihenfolge zu absolvieren seien. Denn weder der sonstige Wortlaut des Patentanspruchs 1 noch die Patentbeschreibung bieten Anhaltspunkte in dieser Richtung. Gerade weil in den Verfahrensmerkmalen 1.6 und 1.7 ausdrücklich eine feste Reihenfolge durch Nennung eines ersten und zweiten Bearbeitungsschritts angegeben wird, ist kein Raum für die Annahme eines zwischenzeitlichen Aufbringens des Reibbelags bzw. der Reibbelagsmischung, denn dies würde einen weiteren, im Patentanspruch 1 gerade nicht genannten dritten Schritt darstellen. Keine hinreichende Stütze im Anspruchswortlaut findet auch eine Auslegung, nach welcher das Aufpressen des Reibbelags auf die Trägerplatte zuerst, d. h. vor der Ausbildung von Vorsprüngen auf der Trägerplatte, stattfinden soll. Denn nach dem Aufpressen des Reibbelags wären Hinterschneidungen nur noch dann herstellbar, wenn zuvor weitere Vorkehrungen getroffen, d. h. Bearbeitungsschritte wie beispielsweise das Vorsehen von Durchgangslöchern in dem Reibbelag durchgeführt worden wären. Derartige zusätzliche Verfahrensschritte sind jedoch weder im Patentanspruch 1 des Streitpatents enthalten noch in der Beschreibung erwähnt. Im Übrigen wäre das Durchdrücken der noppenartigen Vorsprünge bei bereits aufgebrachtem Reibbelag nur schwerlich möglich, da dies zur Zerstörung des als Widerlager dienenden, weniger verformbaren Reibbelages führen würde. Insoweit ist der Klägerin entgegenzuhalten, dass sie mit ihrer Auslegung, nach welcher die vorzunehmenden Verfahrensschritte in beliebiger Reihenfolge durchgeführt werden könnten, nur unzureichend auf den technischen Gesamtzusammenhang abstellt, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt.
b) Hinsichtlich der Ausbildung der Vorsprünge sind insbesondere die Begriffe „noppenartige Vorsprünge“ im ersten Bearbeitungsschritt sowie deren „Aufspalten“ im zweiten Bearbeitungsschritt auslegungsbedürftig (Merkmale 1.3 bis 1.7).
Der Begriff „noppenartiger Vorsprung“ ist ebenfalls unter Berücksichtigung des technischen Gesamtzusammenhanges, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt, auszulegen, wobei sich das Verständnis des Fachmanns entscheidend an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck des einzelnen Merkmals orientiert (vgl. BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube). Im vorliegenden Fall sind zum einen das Herstellverfahren, das zur Erzeugung des noppenartigen Vorsprungs führt, und zum anderen die mit dieser Ausgestaltung verfolgte Funktion von Bedeutung. Der Begriff „Noppe“ kann zwar im Einzelfall auch offene Ausführungsformen mit einem Loch, sog. „offene Noppen“, umfassen, nach der Art der im Patentanspruch 1 angegebenen Herstellung und im Zusammenhang mit der in den kennzeichnenden Merkmalen angegebenen weiteren Bearbeitung versteht der Fachmann aber unter dem „noppenartigen Vorsprung“ (Merkmale 1.4 bzw. 1.6) eine geschlossene Form. So werden die noppenartigen Vorsprünge gemäß Merkmal 1.4 durch „Durchdrücken“ von Teilen der Trägerplatte gebildet. Bei dem Begriff „Durchdrücken“ handelt es sich um einen feststehenden Fachausdruck für ein spezielles, dem einschlägig tätigen Fachmann bekanntes Druckumformverfahren, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend mit Verweis auf die einschlägigen DIN-Normen, insbesondere die DINNorm 8583, hingewiesen hat. Zwar fehlt in der Beschreibung des Streitpatents ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Norm, jedoch kann der Fachmann ein Verfahren in diesem Sinne dem Beschreibungsabsatz 21 in Verbindung mit den zugehörigen Figuren 2 und 3 entnehmen. Danach werden die Vorsprünge auf der Trägerplattenoberfläche durch ein Werkzeug von der Rückseite her „durchgedrückt“, ohne dass es zu einem Durchstoßen der Platte kommt (siehe hierzu auch Absatz 15, demnach nur bis zur halben Plattenstärke durchgedrückt wird). Eine Auslegungsmöglichkeit dahingehend, dass bei dem Durchdrücken auch Löcher gebildet werden können, kann somit weder aus dem im Anspruch verwendeten Verfahrensbegriff noch aus der Beschreibung des Streitpatents abgeleitet werden.
Dass der Fachmann dem Streitpatent in den Merkmalen 1.4 bzw. 1.6 eine geschlossene höckerartige Erhebung entnehmen wird, ergibt sich nicht nur auf Grund des gewählten Umformverfahrens, sondern weiter daraus, dass der patentgemäße „noppenartige Vorsprung“ auch noch so beschaffen sein muss, dass dieser als Ausgangsprodukt für den nachfolgenden Bearbeitungsschritt geeignet ist. Dieser zweite Bearbeitungsschritt beinhaltet gemäß Merkmal 1.7 zwei Vorgänge, nämlich das Aufspalten und das Umformen des Vorsprungs. Die Bedeutung des Wortes „Aufspalten“ ist dabei im eigentlichen Wortsinn als Aufteilung bzw. Auftrennung von Material zu verstehen. Diese Vorgänge sind beispielsweise aus Figur 3 der Streitpatentschrift ersichtlich, bei dem durch Zustellen des Werkzeugs 22 der geschlossene, noppenartige Vorsprung zunächst gespalten und in weiterer Folge, d. h. bei weiterem Zuführen des Werkzeugs, so auseinander gebogen bzw. umgeformt wird, dass die Hinterschneidungen 4 erzeugt werden (siehe auch Absatz 22 der Streitpatenschrift). Der Fachmann kann hierzu dem Absatz 23 der Streitpatentschrift entnehmen, dass durch das Aufspalten kräftige Hinterschneidungen gebildet werden, mit denen der Reibbelag so auf der Trägerplatte verankert werden kann, dass hohe Scherkräfte übernommen werden können. Der Fachmann wird im Hinblick auf das gemäß Merkmal 1.7 beanspruchte Aufspalten des Vorsprunges zugleich voraussetzen, dass dieser massiv ausgestaltet bzw. zumindest eine geschlossene Oberfläche aufweisen muss, um überhaupt gespalten werden zu können. Dabei darf „Aufspalten“ nicht mit „Aufweiten“ gleichgesetzt werden, da letzteres nach üblichem fachmännischem Verständnis keine Auftrennung bzw. –teilung von Material beinhaltet.
II.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Aus keiner der von der Klägerin angeführten Schriften geht ein Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelages bzw. einer Trägerplatte hervor, bei dem die Vorsprünge auf der Trägerplatte entsprechend den anspruchsgemäßen Verfahrensschritten ausgebildet werden.
a) Bei der französischen Patentschrift 842 684 (WW10) erfolgt, wie in deren Figur 1 dargestellt, die Verbindung der bereits vorgefertigten Reibbeläge 3 mit der Trägerplatte durch eine Verformung der von der Trägerplatte 1 vorstehenden zackenartige Vorsprünge 2, wozu Durchgangsbohrungen im Reibbelag 3 vorgesehen sind, in deren Wandungen sich die zackenartigen Vorsprünge im bereits aufgelegten Reibbelag verkrallen können. Es wird demnach kein Verfahren offenbart, bei dem entsprechend Merkmal 1.1 des Streitpatents zunächst die Vorsprünge gemäß den Merkmalen 1.4 bis 1.7 vollständig ausgebildet werden und erst daran anschließend gemäß Merkmal 1.2 der Reibbelag auf die fertig ausgebildete Trägerplatte aufgepresst wird.
Weitere Unterschiede ergeben sich aus den jeweiligen Herstellverfahren. So wird bei der WW10 in einem ersten Schritt das Blech 1 der Trägerplatte mit einem Werkzeug 6 durchstoßen, wobei laut Beschreibungsabsatz 5 der deutschen Übersetzung WW10a in diesem Vorgang zugleich die Ränder des Durchbruchs im Sinne einer Materialauftrennung gespalten werden. Die auf diese Weise erzeugten Durchbrüche bilden auf der Reibbelagseite vorstehende Kränze von Spitzen oder Klauen (vgl. Figur 2, Bezugszeichen 2 links oben), die in bereits vorhandene Durchgangslöcher des Reibbelags hineinragen. In einem zweiten Schritt werden die bereits durch Spaltung erzeugten Spitzen mit Hilfe eines Werkzeugs 7, das durch die Reibbelagsbohrungen in Gegenrichtung zum ersten Bearbeitungsschritt zugeführt wird, nach außen hin umgeformt bzw. aufgeweitet, so dass sich diese im Reibbelag 3 verkrallen (vgl. Figur 1 i. V. m. Absätzen 5 und 7 der deutschen Übersetzung WW10a). Hierdurch ergeben sich zwar auch Hinterschneidungen; jedoch entsprechen zum einen die im ersten Schritt erzeugten Durchbrüche bzw. Löcher mit einem Kranz aus Spitzen/Klauen nicht einem patentgemäßen noppenartigen Vorsprung. Zum anderen erfolgt bei der WW10 die (Material-) Aufspaltung, wie zuvor ausgeführt, bereits beim ersten Bearbeitungsschritt und nicht in einer Kombination von Aufspalten und Umformen bei dem zweiten streitpatentgemäßen Be- arbeitungsschritt (Merkmal 1.7). Bezüglich der Begriffe „aufspalten“ und „aufweiten“ sei schließlich noch darauf hingewiesen, dass diese in der Übersetzung WW10a auch im Sinne der Auslegung nach I.4.b verwendet worden sind, vgl. Seite 2, Zeilen 4 bis 6 bzw. 8 bis 9.
b) Die US-Patentschrift 5,285,873 (WW9) unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 des Streitpatents ebenfalls in der Reihenfolge der Verfahrensschritte. Der vorgefertigte Reibbelag wird auch hier bereits vor dem Umformen bzw. Umbördeln einer aus einem noppenartigen Vorsprung gezogenen Hülse der Trägerplatte aufgepresst. Dabei werden die hinterschnittenen Vorsprünge nicht in zwei Schritten erzeugt, sondern erfordern mindestens drei Bearbeitungsschritte. Im ersten Schritt wird eine noppenartige Erhöhung 16A aus der Trägerplatte 14 herausgedrückt (siehe Figur 5), aus der in einem zweiten Schritt eine zylinderförmige Hülse 16B gezogen wird (siehe Figur 6). Im nächsten Schritt erfolgt das Auflegen bzw. Aufpressen des vorgefertigten Reibbelages 12 (siehe Figur 3), der in einem vierten Schritt durch Umformen der Hülse 16B zu einem gleichförmig umgestülpten Kragen auf der Trägerplatte verankert wird (siehe Figuren 2 bzw. 7 sowie die zugehörigen Beschreibung auf Spalte 3, Zeilen 1 bis 15). Bezogen auf die Herstellung der hinterschnittenen Vorsprünge auf der Trägerplatte sind somit drei Schritte erforderlich, wobei der hinterschnittene Kragen ebenfalls nur umgeformt/umgebördelt, nicht aber gespalten wird. Demgegenüber gibt das Streitpatent eine andere Reihenfolge vor: Der dortige Verfahrensablauf, wonach in einem ersten Schritt die Vorsprünge ausgebildet und in einem zweiten Bearbeitungsschritt die gebildeten Vorsprünge aufgespalten und umgeformt werden, schließt ein zwischenzeitliches Auflegen bzw. Aufpressen der Reibbeläge als dazwischen liegenden Herstellungsschritt aus.
c) Der japanischen Offenlegungsschrift 57-144320 (WW7) entnimmt der Fachmann in Figur 3 einen Bremsbelag mit nahezu allen baulichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, aus dem sich auf Grund des Aufbaus des Bremsbelages bzw. der beschriebenen Aufbringung des Reibbelages auch ein gattungsgemäßes Verfahren zur Herstellung eines Bremsbelages mit den Merk- malen 1 bis 1.2 ableiten lässt (vgl. insb. zugehörige Beschreibung auf Seite 4, 2. Absatz der Übersetzung WW7a). In den Figuren 2 und 3 sind auf der Trägerplatte zwar noppenartige Vorsprünge 4 ausgebildet, die entsprechend der Beschreibung zur Figur 2, Seite 4, zweiter Absatz, durch Umformung mittels einer Presse erzeugt werden, so dass bei der Ausführungsvariante nach Figur 3 auch die Merkmale 1.3 bis 1.6 erfüllt sind. Jedoch werden dem Fachmann in der WW7 weder eine Ausgestaltungsform, die auf ein Aufspalten des noppenartigen Vorsprungs schließen ließe, noch irgendwelche Hinweise dahingehend offenbart, wie die flanschförmigen Hinterschneidungen 4a in Figur 3 erzeugt werden. Damit geht das Merkmal 1.7 nicht aus der WW7 hervor. Daran mangelt es auch der Ausführungsform gemäß der Figur 4, bei der an einem relativ dünnen Trägerblech 1 hinterschnittene Vorsprünge 4a in der Form eines umlaufenden Kragens gezeigt bzw. als eine zu einem C-förmigen Profil aufgeweitete Ausgestaltung beschrieben sind (vgl. Seite 4, Mitte des letzten Absatzes der Übersetzung).
d) Die US-Patentschrift 5,141,083 (WW12) offenbart ebenfalls nicht alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, insbesondere nicht das Merkmal 1.7. Beispielsweise in Figur 1 werden dort zwar Vorsprünge in Form von hinterschnittenen, tassenförmigen Strukturen offenbart (vgl. Vorsprünge Nr. 20, „umgedrehte Kronkorken“), wobei zur Verbesserung der Verankerung der Reibbelagmischung bewusste Unregelmäßigkeiten vorgesehen werden (siehe Spalte 2, vorletzter Absatz). Auch werden allgemeine Hinweise auf mögliche Herstellungsverfahren für solche Vorsprünge gegeben, u. a. auch auf ein Umformverfahren mittels Pressen, jedoch fehlt jeder Hinweis auf die patentgemäß beanspruchte konkrete Art und Weise im Sinne des Merkmals 1.7 (vgl. Spalte 3, Zeilen 5 bis 15).
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Das Vorsehen von Hinterschneidungen zur besseren Verankerung der Reibbeläge mit der Trägerplatte war dem Fachmann am Anmeldetag grundsätzlich bekannt (vgl. neben WW7, Figur 3, auch WW12, Figuren 1 bis 5; WW6, Figur 6; WW5, Fi- gur 2 i. V. m. Anspruch 1), so dass der Grundgedanke des Streitpatents darin zu sehen ist, für die Herstellung derartiger Hinterschneidungen ein Verfahren bereitzustellen, welches starke Hinterschneidungen für eine gute Verankerung mit dem Reibbelag erzeugt und den erforderlichen Zeit- und Kostenaufwand gering hält (siehe auch Absatz 8 i. V. m. Absatz 23 der Streitpatentschrift).
a) Aus dem gattungsbildenden Stand der Technik nach WW7 geht - wie bereits erwähnt - nicht hervor, wie die dort in Figur 3 gezeigten Hinterschneidungen gebildet werden. Des Weiteren fehlt in WW7 auch ein Hinweis auf ein Aufspalten der Vorsprünge bei der Ausbildung der Hinterschneidungen.
Hierbei gehört es, angesichts der dargestellten Ausführungsform in WW7, Figur 3, zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns, dass eine derartige Ausgestaltung durch einen Umformvorgang in Gegenrichtung erzeugt werden kann, um eine Verbreiterung des Vorsprungs (und damit eine Hinterschneidung) zu schaffen. Dabei ist dem Fachmann auch geläufig, dass sich eine derartige Ausgestaltung auch beim Vernieten ergibt, wobei z. B. die US-Patentschrift 5,033,590 (WW13, vgl. dort Figuren 2, 3 und insbesondere 6) ein kostengünstiges Verfahren offenbart, bei dem mit einer ersten Umformung ein noppenartiger Vorsprung 15A ausgebildet wird, der beim Vernieten in Gegenrichtung nochmals so umgeformt wird, dass er einen Kopf bzw. die gewünschte Form mit einer Hinterschneidung ergibt (vgl. Spalte 3, Zeile 67, bis Spalte 4, Zeile 2, sowie Zeile 29).
Der Fachmann gelangt dadurch jedoch nicht zum Verfahren des Patentanspruchs 1, bei dem im zweiten Verfahrensschritt die noppenartigen Vorsprünge nicht nur umgeformt, sondern auch aufgespalten werden sollen, so dass „kräftigere“ Hinterschneidungen gebildet werden (vgl. Absatz 23 der Streitpatentschrift). Für eine derartige Ausgestaltung ergibt sich aus der Figur 3 der WW7 keine Anregung, da dort nur abgeflachte Noppen mit gleichförmig hinterschnittenen, flanschförmigen Abschnitten 4a offenbart werden.
b) Auch die von der Klägerin angeführte Kombination ausgehend von der Ausführungsform gemäß Figur 4 der WW7 mit WW10 führt den Fachmann nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.
So mag bereits fraglich sein, ob der Fachmann diese beiden Schriften überhaupt kombinieren würde, da deren Herstellverfahren hinsichtlich der Reihenfolge des Aufpressens des Reibbelages sowie der Herstellweise der Verankerung grundsätzlich verschieden sind. Aber auch wenn unterstellt wird, dass der Fachmann die WW10 lediglich im Hinblick auf die Herstellung der Hinterschneidungen der Trägerplatte in Betracht zieht, da die WW7 hierzu nichts ausführt und beide Schriften lehren, durch Hinterschneidungen eine gute Verankerung der Reibbeläge zu bewirken, führt diese Kombination dennoch nicht zum Streitgegenstand.
Zwar mögen auf den ersten Blick die Querschnittsformen der Vorsprünge gemäß den Schnittdarstellungen in Figur 4 der WW7 und den Figuren 1 und 3 der WW10 übereinstimmen. Jedoch unterscheiden sich diese hinsichtlich der Verankerung der Reibbelages in ihrer Ausgestaltung und dadurch bedingt auch in ihrer Herstellung. So handelt es sich in der Figur 4 der WW7 bei den hinterschnittenen Vorsprüngen 4 um eine (umlaufende) Umfangswand eines Lochs 6, die zur Reibbelagseite 1a hin mit einem C-förmigen Profil aufgefaltet worden ist (vgl. Seite 4, letzter Absatz, 2. Hälfte). Dagegen werden bei dem ersten Verfahrensschritt der WW10 nicht nur das Loch durchstoßen, sondern auch gleichzeitig die Ränder des Durchbruchs gespalten und ein unterbrochener Kranz von Spitzen hergestellt, der bewusst nicht kontinuierlich umlaufend sein soll (siehe Abs. 5, insb. 2. Teilsatz, sowie Neuheitsvergleich unter II.1.a). Damit gelangt der Fachmann bei seinen Überlegungen hinsichtlich einer günstigen Herstellmethode für die Trägerplatte der WW7 unter Berücksichtigung der WW10 nicht einmal zu einem Verfahren, das unmittelbar zur Trägerplatte 1 der Figur 4 der WW7 führen würde. Und auch wenn der Fachmann das Herstellverfahren nach der WW10 im Hinblick auf die konkrete Ausführung der Figur 4 in fachmännischer Weise so abwandelt, dass im ersten Schritt des Durchstoßens kein Aufspalten der Umfangswandung des Durchbruchs erfolgt, so fehlt neben der patentgemäßen Ausbildung eines geschlossenen nop- penartigen Vorsprungs vor allem noch das entscheidende Verfahrensmerkmal 1.7, dass im zweiten Schritt die Umformung in Verbindung mit einem Aufspalten im patentgemäßen Sinne einer Material-Auftrennung durchzuführen ist. Hierzu können weder die WW7 noch die WW10 eine hinreichende Anregung liefern.
c) Entsprechendes gilt auch für den weiteren Stand der Technik. So mag zwar aus der WW12 hervorgehen, zur Verbesserung der Verankerung die Vorsprünge auf der Trägerplatte unregelmäßig zu gestalten (vgl. Spalte 3, zweiter Absatz), nennt jedoch nicht die hierfür erforderlichen konkreten Herstellmethoden bzw. schritte. Deshalb kann diese Druckschrift ebenfalls keine konkrete Anregungen oder Hinweise in Richtung des Merkmals 1.7 liefern.
III.
Die Unteransprüche 1 bis 8 werden von der Bestandskraft des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents, auf den sie rückbezogen sind, mitgetragen. Der nebengeordnete Patentanspruch 9, der im Vergleich zu Patentanspruch 1 auf die Herstellung einer Trägerplatte beschränkt ist, ist in seiner Patentfähigkeit nicht anders zu beurteilen als Patentanspruch 1. So beinhaltet Patentanspruch 9 auch den Herstellschritt 1.7 bzw. 9.3 gemäß Merkmalsanalyse WW8 der Klägerin, der wie zuvor ausgeführt durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt ist.
Die Klage ist somit insgesamt abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
V.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Püschel Küest Schnurr Großmann Richter prö