1 Ni 6/15 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 6/15 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
13. Oktober 2016 …
In der Patentnichtigkeitssache
…
BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 2 042 371 (DE 50 2007 006 733)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2016 durch die Präsidentin Schmidt, die Richterin Grote-Bittner sowie die Richter Dipl.-Ing. Schlenk, Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 042 371 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhält:
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 %. IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des europäischen Patents 2 042 371 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des beim Deutschen Patentund Markenamts unter dem Aktenzeichen 50 2007 006 733 registrierten Patents,
dessen Erteilung unter anderem mit dem Bestimmungsland Deutschland am 16. März 2011 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent, das am 25. September 2007 angemeldet worden ist, trägt die Bezeichnung „Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs“.
Das Streitpatent umfasst sieben Ansprüche mit einem Hauptanspruch 1 und sechs auf diesen rückbezogenen Unteransprüchen. Der erteilte Anspruch 1 lautet:
Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs, mit filterartigen Segmenten (5), die auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, und mit einer Druckluftzuführung, mit der Druckluft zwischen die filterartigen Segmente (5) und die Innenseite des Auslauftrichters (1) einblasbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die filterartigen Segmente (5) lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, und dass der Auslauftrichter (1) leistenförmige Halter (9) aufweist, die sich entlang eines Randes der Segmente (5) erstrecken, an denen die Halter (9) die Segmente (5) auf einer dem Auslauftrichter (1) abgewandten Innenseite übergreifen und die Segmente (5) lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters (1) spannen.
Die erteilten Ansprüche 2 bis 7 lauten:
2. Auslauftrichter nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Segmente (5) formwahrend sind.
3. Auslauftrichter nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Segmente (5) Rahmen (7) aufweisen, die Filtermatten (8) halten.
4. Auslauftrichter nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Halter (9) mit dem Auslauftrichter (1) verschraubt sind und durch Federelemente von der Innenseite des Auslauftrichters (1) abgedrückt werden.
5. Auslauftrichter nach Anspruch 1 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Halter (9) einen Auslaufstutzen (12) übergreifen.
6. Auslauftrichter nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Segmente (5) an ihren Außenrändern dichtend am Auslauftrichter (1) anliegen und/oder an ihren Innenrändern dichtend am Auslauftrichter (1) oder einem Auslaufstutzen (12) anliegen.
7. Auslauftrichter nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Segmente (5) eine Lamellendichtung (15, 16) aufweisen, die durch Beaufschlagen mit Druckluft aus der Druckluftzufuhr in Anlage an dem Auslauftrichter (1) beaufschlagt werden.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag I lautet:
Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeuges, mit filterartigen Segmenten (5), die lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, und mit einer Druckluftzuführung, mit der Druckluft zwischen die filterartigen Segmente (5) und die Innenseite des Auslauftrichters (1) einblasbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die filterartigen Segmente (5) lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, und dass der Auslauftrichter (1) mit leistenförmigen Haltern (9) aufweist,
die sich entlang eines Randes der Segmente (5) erstrecken, an denen die Halter (9) die Segmente (5) auf einer dem Auslauftrichter (1) abgewandten Innenseite übergreifen und die Segmente (5) lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters (1) spannen dadurch gekennzeichnet, dass die Halter (9) einen Auslaufstutzen (12) übergreifen.
Die Unteransprüche nach Hilfsantrag I unterscheiden sich von den erteilten Unteransprüchen nur durch die Streichung des Unteranspruchs 5 und der nachfolgend geänderten Anspruchsnummerierung.
Mit zum Hilfsantrag I unveränderten Unteransprüchen 2 bis 6 lautet der Anspruch 1 nach Hilfsantrag Ia wie folgt:
Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeuges, mit filterartigen Segmenten (5), die lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, mit einer Druckluftzuführung, mit der Druckluft zwischen die filterartigen Segmente (5) und die Innenseite des Auslauftrichters (1) einblasbar ist, und mit leistenförmigen Haltern (9), die sich entlang eines Randes der Segmente (5) erstrecken, an denen die Halter (9) die Segmente (5) auf einer dem Auslauftrichter (1) abgewandten Innenseite übergreifen und die Segmente (5) lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters (1) spannen, dadurch gekennzeichnet, dass die Halter (9) einen in ein Austrittsloch (2) des Auslauftrichters (1) eingesetzten Auslaufstutzen (12) übergreifen und halten.
Hinsichtlich der Anspruchsfassungen nach den Hilfsanträgen II und III wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 24. Mai 2016 Bezug genommen, mit dem die Ansprüche der zuletzt gestellten Hilfsanträge eingereicht worden sind.
Die Klägerin greift das erteilte Streitpatent und die beschränkten Fassungen nach den Hilfsanträgen I, Ia, II und III in vollem Umfang an und macht die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit sowie der fehlenden Ausführbarkeit in Bezug auf die erteilten Ansprüche 2, 4, 5 und 7 geltend.
Zur Stützung ihres Vorbringens verweist die Klägerin auf folgende Entgegenhaltungen:
D1 WO 01/25121 A1 D2 US 3 236 422 A D3 DE 295 14 784 U1 D4 US 3 829 022 A D5 JP 11-180 557 A D6 FR 1 415 624 A D7 DE 195 18 360 A1 D8 DE 1 531 778 A D9 DE 1 903 032 B2 D10 DE 1 556 037 A1 D11 DE 2 612 258 A1 D12 DE 199 09 081 U1 D13 DE 1 882 990 U D14 DE 91 02 033 U1 D15 Anlagenkonvolut Euro III.
Die Klägerin meint, dass der Gegenstand des erteilten Streitpatents insbesondere gegenüber den Druckschriften D7, D8 und D13 sowie D15 wegen offenkundiger Vorbenutzung nicht neu sei, jedenfalls beruhe er nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Den Gegenstand des Streitpatents nach den Hilfsanträgen hält sie ebenfalls für nicht patentfähig. Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I, nach dem „die Halter (9) einen Auslaufstutzen (12) übergreifen“, sei durch die Druckschrift D14 vorweggenommen, mithin aus dem Stand der Technik bekannt,
und in Kombination mit den übrigen Merkmalen auch nicht erfinderisch. Das Merkmal des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag Ia „dass die Halter (9) einen in ein Austrittsloch (2) des Auslauftrichters (1) eingesetzten Auslaufstutzen (12) übergreifen und halten“ stelle zwar eine Konkretisierung der verschiedenen möglichen Auslegungen des Begriffs „übergreifen“ dar, jedoch könne dieses Merkmal im Hinblick auf die in den Druckschriften D7 und D14 offenbarten Auslaufstutzen nicht zur Bejahung einer erfinderischen Tätigkeit führen. Der Auslaufstutzen selbst befinde sich bei dieser Art von Silo zwangsläufig an der im Anspruch 1 genannten Stelle. Somit sei es für den maßgeblichen Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, den Auslaufstutzen durch den Halter nicht nur übergreifen, sondern auch halten zu lassen. Schließlich werde der Anspruch 1 nach den Hilfsanträgen II und III durch die Entgegenhaltungen D7 bzw. D8 neuheitsschädlich vorweggenommen und sei daher auch in diesen Fassungen nicht patentfähig. Auch die Unteransprüche enthielten keinen gegenüber dem Stand der Technik neuen Gegenstand und beruhten auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Schließlich seien die Lehren der Ansprüche 2, 4, 5 und 7 nicht ausführbar offenbart, weil das Merkmal „formwahrend“ in Anspruch 2 nicht konkret technisch beschreibend sei, in Anspruch 4 Angaben zur konkreten Ausgestaltung des Merkmals „Federelement“ fehlten, in Anspruch 5 zu dem Merkmal „die Halter (9) einen Auslaufstutzen (12) übergreifen“ gegensätzliche und damit nicht nachvollziehbare Darstellungen vorlägen und in Anspruch 7 das beanspruchte Merkmal („Lamellendichtung“) nicht eindeutig sei.
Der Senat hat den Parteien am 4. Mai 2016 einen qualifizierten Hinweis erteilt.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 2 042 371 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung der Hilfsanträge I, Ia, II, III, eingereicht mit Schriftsatz vom 24. Mai 2016, erhält.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen.
Sie hält den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig und für ausführbar offenbart.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag sei gegenüber den Druckschriften D7, D8 und D13 neu, weil die Merkmale 5 und 6 in der D7, die Merkmale 2, 6 und 7 in der D8 sowie die Merkmale 2, 5 bis 7 in der D13 fehlen. Mangels konkreter Angaben zum angeblich vorbenutzten Gegenstand sowie Ort, Zeit und Art der Vorbenutzung läge kein substantiierter Sachvortrag der Klägerin zu der von ihr behaupteten offenkundigen Vorbenutzung vor.
Jedenfalls sei das Streitpatent in den Fassungen nach den Hilfsanträgen patentfähig. Da die Druckschrift D7, in der ein Gehäuseteil aber kein Auslaufstutzen genannt werde, das in den Hilfsanträgen I, Ia zusätzlich aufgenommene kennzeichnende Merkmal („dass die Halter (9) einen Auslaufstutzen (12) übergreifen“ bzw. „dass die Halter (9) einen in ein Austrittsloch (2) des Auslauftrichters (1) eingesetzten Auslaufstutzen (12) übergreifen und halten“) nicht enthalte, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nach diesen Hilfsanträgen neu. Dabei könne der Begriff des „Übergreifens“ in Anspruch 1 nach Hilfsantrag I unter Berücksichtigung der Beschreibung des Streitpatents (vgl. Spalte 4, Zeile 1, 2) nicht dahin ausgelegt werden, dass die Halter zwar den Auslaufstutzen übergreifen, ihn jedoch weder berühren noch halten. Vielmehr werde dieses Verständnis erst durch die Formulierung in Anspruch 1 nach Hilfsantrag Ia festgelegt.
Der Nichtigkeitsgrund der fehlenden ausführbaren Offenbarung sei zu verneinen, da die Ausführung sämtlicher von der Klägerin diesbezüglich genannten Merkmale entweder der Beschreibung zu entnehmen oder dem maßgeblichen Fachmann aufgrund seines Fachwissens bekannt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und der fehlenden Ausführbarkeit nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1, Nr. 2 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit. a), b) EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ geltend gemacht werden, ist zulässig. Sie ist insoweit begründet, als das Streitpatent für nichtig zu erklären ist, soweit es über die von der Beklagten beschränkt verteidigte Fassung nach Hilfsantrag Ia hinausgeht. Das Streitpatent erweist sich in der erteilten Fassung, die mit dem Hauptantrag verteidigt wird, und in der verteidigten Fassung nach Hilfsantrag I als nicht patentfähig. Die mit dem Hilfsantrag Ia verteidigte Fassung der Patentansprüche ist dagegen zulässig und wird dem Fachmann durch den Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt. In dieser Fassung ist das Streitpatent, das dem maßgeblichen Fachmann auch ausführbar offenbart ist, damit patentfähig und die Klage daher insoweit unbegründet.
I.
1. Gegenstand des Patents ist ein Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1.
Bei einem Silofahrzeug handelt es sich um einen Lastkraftwagen oder dessen Anhänger, insbesondere einen Sattelauflieger, mit einem Silo als Aufbau. Ein Silo ist ein Speicher für Schüttgüter, der an seiner Unterseite einen oder mehrere Auslauftrichter zum Entladen aufweist (PS, Abs. [0001]). Das Streitpatent geht davon aus, dass das stark zusammenhaftende Schüttgut nicht von selbst aus dem geöffneten Auslauftrichter strömen kann, daher werden die Auslauftrichter mit luftdurchlässigen Matten ausgekleidet, die jedoch zeitintensiver Reinigung bedürfen (PS, Abs. [0004]).
Das Streitpatent sieht die Aufgabe deshalb darin, einen Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs mit filterartigen Segmenten zum Einblasen von Druckluft zwischen die filterartigen Segmente und die (luftdichte) Außenhülle des Auslauftrichters vorzuschlagen, dessen filterartige Segmente gut aus- und einbaubar sind (vgl. PS, Abs. [0010]).
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent nach dem erteilten Patentanspruch 1 einen Auslauftrichter für ein Silofahrzeug mit filterartigen, lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters angebrachten Segmenten vor, sowie mit einer Druckluftzuführung, mit der Druckluft zwischen die filterartigen Segmente und die Innenseite des Auslauftrichters einblasbar ist. Der Auslauftrichter weist leistenförmige Halter auf, die sich entlang eines Randes der Segmente erstrecken, an denen Halter die Segmente auf einer dem Auslauftrichter abgewandten Innenseite übergreifen und die Segmente lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters spannen (vgl. PS, Abs. [0011] f.).
2. Der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) lässt sich wie folgt gliedern:
Ha1 Auslauftrichter für ein Silo eines Silofahrzeugs, Ha2 mit filterartigen Segmenten (5), die auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind, Ha3 und mit einer Druckluftzuführung, mit der Druckluft zwischen die filterartigen Segmente (5) und die Innenseite des Auslauftrichters (1) einblasbar ist, dadurch gekennzeichnet,
Ha4 dass die filterartigen Segmente (5) lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind,
Ha5 und dass der Auslauftrichter (1) leistenförmige Halter (9) aufweist, die sich entlang eines Randes der Segmente (5) erstrecken, an denen die Halter (9) die Segmente (5) auf einer dem Auslauftrichter (1) abgewandten Innenseite übergreifen Ha6 und die Segmente (5) lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters (1) spannen.
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag I lautet das Merkmal HiI2 gegenüber dem im Hauptantrag verwendeten Merkmal Ha2 (Hinzukommendes unterstrichen):
mit filterartigen Segmenten (5), die lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters (1) angebracht sind,
Dementsprechend ist das Merkmal Ha4 entfallen.
Das zusätzlich aufgenommene Merkmal HiI7 lautet:
dass die Halter (9) einen Auslaufstutzen (12) übergreifen.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag Ia entspricht im Merkmal HiI2 der Fassung nach Hilfsantrag I und enthält folgendes zusätzliche Merkmal HiIa7:
dass die Halter (9) einen in ein Austrittsloch (2) des Auslauftrichters (1) eingesetzten Auslaufstutzen (12) übergreifen und halten.
3. Die Ansprüche 1 nach Hilfsantrag I und Ia sind zulässig. Sie unterscheiden sich vom erteilten Anspruch 1 durch die Zusammenziehung der Merkmale Ha2 und Ha4 im Merkmal HiI2 und durch das zusätzliche Merkmal HiI7 bzw. HiIa7.
Nach dem Verständnis des maßgeblichen Fachmanns wird hierdurch der Gegenstand der erteilten Ansprüche beschränkt. Des Weiteren sind die zusätzlich aufgenommenen Angaben im Anspruch 1 sowohl ursprünglich offenbart (s. OS, Abs. [0012], Abs. [0015]) als auch im erteilten Patent enthalten (s. PS, Abs. [0017], Abs. [0020]).
Das Merkmal „in ein Austrittsloch (2) des Auslauftrichters (1) eingesetzt[en]“ (HiIa7) ist offenbart in der OS, Abs. [0012], Z. 13 bis 16 bzw. PS, Abs. [0017], Spalte 4, Zeilen 2 bis 5. Dort heißt das Austrittsloch (2) Mündung, die Bezeichnung der Mündung als Austrittsloch (2) ergibt sich aus der OS, Abs. [0015], Z. 38 bis 40 bzw. PS, Abs. [0020], Spalte 4, Zeilen 27 bis 29.
Das Merkmal „und halten“ ist offenbart in der PS, Abs. [0017], Spalte 4, Zeilen 1, 2. Die entsprechende ursprüngliche Offenbarung findet sich auch in OS, Abs. [0012], Z. 1 bis 3.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag Ia ist durch diese zusätzlichen Angaben auch gegenüber der erteilten Fassung weiter beschränkt, so dass der Hilfsantrag Ia zulässig ist.
4. Als Fachmann ist vorliegend ein auf dem Gebiet des Streitpatents tätiger Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulabschluss angesprochen, der über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Silofahrzeugen oder Silobehältern für Schüttgüter verfügt.
5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht neu.
Die Entgegenhaltung D7 offenbart einen Silobehälter mit einem trichterförmig ausgebildeten Boden 1, siehe Fig. 1, 2 und Spalte 4, Zeilen 43 bis 45, der einen Auslauftrichter im Sinne des Anspruchs 1 bildet und der für ein Silo eines Silofahrzeugs geeignet ist. Das entspricht dem Merkmal Ha1 des erteilten und nach Hauptantrag geltenden Anspruchs 1.
Der Boden bzw. Auslauftrichter 1 weist luftdurchlässige, d. h. im Sinne des Anspruchs 1 filterartige Segmente 6 auf, die auf der Innenseite des Auslauftrichters 1 angebracht sind, siehe Fig. 1 und Spalte 4, Zeilen 45 bis 51. Das entspricht dem Merkmal Ha2.
Im Boden 1 ist ein Anschlussstutzen 3 für Fördergas vorgesehen, durch den Fördergas zwischen die filterartigen Segmente 6 und die Innenseite des Auslauftrichters 1 einblasbar ist, siehe Fig. 1 und Spalte 4, Zeilen 36 bis 39. Das Fördergas kann laut Spalte 1, Zeilen 14 bis 17, Luft sein. Somit bildet der Anschlussstutzen 3 eine Druckluftzuführung entsprechend dem Merkmal Ha3.
Die filterartigen Segmente 6 sind lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters 1 angebracht, und zwar mit Schrauben 10, siehe Figur 3 und Spalte 4, Zeile 66, bis Spalte 5, Zeile 3. Das entspricht dem Merkmal Ha4.
Zur Befestigung der filterartigen Segmente sind weiterhin Führungsoberteile 9 in Form leistenförmiger Halter vorgesehen, die sich entlang eines Randes der Segmente 6 erstrecken, an denen die Halter 9 die Segmente 6 auf einer dem Auslauftrichter 1 abgewandten Innenseite übergreifen, siehe Fig. 3 und Spalte 4, Zeile 59, bis Spalte 5, Zeile 3. Das entspricht dem Merkmal Ha5.
Mit Hilfe der Schrauben 10 und der leistenförmigen Halter 9 werden die Segmente 6 lösbar gegen die Innenseite des Auslauftrichters 1 gespannt. Das entspricht dem Merkmal Ha6.
6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I ist ebenfalls nicht neu.
Wie bereits zum Anspruch 1 nach Hauptantrag ausgeführt, sind bei dem Auslauftrichter nach D7 die filterartigen Segmente 6 lösbar auf der Innenseite des Auslauftrichters 1 angebracht. Das entspricht dem Merkmal HiI2.
Das im Merkmal HiI7 aufgeführte „übergreifen“ umfasst auch ein Hinweggreifen des Halters über den Auslaufstutzen, ohne den Auslaufstutzen zu berühren, also auch in einem gewissen Abstand (vgl. PS, Abs. [0024], insb. Sp. 7, Z. 56-Sp. 6, Z. 1). Dieses Merkmal HiI7 geht auch aus der D7 hervor. Denn auch hier übergreifen die dortigen Halter 9 den Auslaufstutzen, der in der D7, Fig. 5, durch das Gehäuseteil 17 gebildet wird.
7. Der Gegenstand des Hilfsantrags Ia ist neu und auch aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht nahegelegt:
In der D7 ist das Gehäuseteil 17 mit der Austragsöffnung 5 ein Teil des Gehäuses und es hält mit seiner Nut 16 die hineingesteckten Segmente 6 – es gibt also keinen eingesetzten Auslaufstutzen, der gehalten werden müsste. Eine Anregung, eine derartige aufwändigere Konstruktion hier anzuwenden, ist für den Fachmann auch nicht erkennbar.
Beim Gegenstand der D8 fehlen schon die leistenförmigen Halter, die einen Austragsstutzen übergreifen könnten, da die Segmentrahmen 8 über die unteren Ringhälften 10 am Flansch 2 direkt befestigt sind, siehe Fig. 2 und Seite 5, Zeilen 3 ff.
Bei der Auslaufeinrichtung für Staub und Schüttgut nach der D9 gibt es keine Segmente und dementsprechend auch keine Halter, die diese Segmente und einen Auslaufstutzen übergreifen könnten.
Beim Belüftungsboden nach dem Gebrauchsmuster D13 gibt es zwar Halter 5, die jedoch den rohrförmigen Auslaufstutzen 6 nicht übergreifen und damit auch nicht halten, siehe Fig. 1 bis 3. Dieser ist vielmehr am trichterförmigen Bodenblech angebracht.
Beim Gegenstand der D14 gibt es weder Segmente noch Halter, die den Flansch 14 mit dem Austrittsloch halten könnten, der Flansch 14 wird auch von dem trichterförmigen Einsatz 21 nicht gehalten, sondern ist Teil des Gehäuses.
Auf die behauptete offenkundige Vorbenutzung gemäß dem Anlagenkonvolut D15 kommt es hier nicht an, da die D15, ebenso wie die restlichen im Verfahren befindlichen Schriften, dem Fachmann das Merkmal HIa7 weder offenbaren, noch diesen zur Verwendung einer derartigen Haltekonstruktion für den Auslaufstutzen anregen kann. Denn dort könnte man zwar das Teil 13 (siehe Figuren in Klageschrift, S. 10, 11) als „in ein Austrittsloch des Auslauftrichters eingesetzten Auslaufstutzen 13“ bezeichnen, dieser wird aber von den Haltern 10, 11 weder übergriffen, noch gehalten.
Die weiteren Dokumente liegen weiter ab und haben deshalb in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt, vielmehr wurde von den Parteien nur mit den Schriften D7, D8, D13 und D14 argumentiert.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Bevollmächtigen schriftlich oder in elektronischer Form beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.
Schmidt Grote-Bittner Schlenk Dr. Krüger Ausfelder Ko