X ZR 40/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 40/23 Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
URTEIL in der Patentnichtigkeitssache ja nein ja ja Verkündet am: 17. Juli 2025 Leo Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Spreizdübel II EPÜ Art. 52 a) Bei der Prüfung der Patentfähigkeit des Gegenstands eines product-by-process-Anspruchs ist zu klären, ob sich das im Anspruch angegebene Herstellungsverfahren in spezifischen Eigenschaften des Erzeugnisses niederschlägt, durch die es sich von den im Stand der Technik bekannten Erzeugnissen unterscheidet.
b) Körperliche und funktionale Eigenschaften des Erzeugnisses, die sich aus der Anwendung des Verfahrens ergeben, gehören zu den Sachmerkmalen des beanspruchten Erzeugnisses. Ob es solche gibt und welche das sind, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln (Bestätigung von BGH, Urteil vom 19. Juni 2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129, 1133 - Zipfelfreies Stahlband; Urteil vom 8. Juni 2010 - X ZR 71/08, juris Rn. 24).
PatG § 116 Abs. 2 Nr. 2, § 117; ZPO §§ 530, 521 Abs. 2, § 296 Abs. 1 Ein erstmals nach Ablauf der Frist für die Berufungserwiderung gestellter Hilfsantrag des Nichtigkeitsbeklagten darf nur dann berücksichtigt werden, wenn seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
BGH, Urteil vom 17. Juli 2025 - X ZR 40/23 - Bundespatentgericht ECLI:DE:BGH:2025:170725UXZR40.23.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2025 durch den Richter Dr. Deichfuß, die Richterin Dr. Marx, die Richter Dr. Rensen und Dr. Crummenerl und die Richterin Dr. von Pückler für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 8. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 17. Januar 2023 abgeändert. Das europäische Patent 2 533 962 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 1,25 Millionen Euro festgesetzt.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 533 962 (Streitpatents), das am 8. Februar 2011 unter Inanspruchnahme zweier deutschen Prioritäten vom 11. Februar 2010 und vom 7. Februar 2011 angemeldet worden ist und einen Spreizdübel betrifft.
Patentanspruch 1, auf den vierzehn Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Erteilungssprache:
Spreizdübel (1, 101, 201, 301) aus Kunststoff, mit einem Spreizbereich (9, 109, 209, 309), der durch ein Spreizelement aufspreizbar ist, wobei das Spreizelement zum Aufspreizen in einen axialen Führungskanal (5, 105, 205, 305) des Spreizdübels (1, 101, 201, 301) einführbar ist, mit einer ersten Spreizhülse (2, 102, 202, 302) und mit einer zweiten Spreizhülse (3, 103, 203, 303), die die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) in einem unverspreizten Zustand zumindest teilweise umhüllt, wobei die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) und die zweite Spreizhülse (3, 103, 203, 303) im unverspreizten Zustand dreh- und zugfest miteinander verbunden sind, und wobei im Spreizbereich (9, 109, 209, 309) eine Gleitfläche (16, 116, 216, 316) zwischen der ersten Spreizhülse (2, 102, 202, 302) und der zweiten Spreizhülse (3, 103, 203, 303) ausgebildet ist, derart dass sich beim Verspreizen des Spreizdübels (1, 101, 201, 301) die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) im Spreizbereich (9, 109, 209, 309) von der zweiten Spreizhülse (3, 103, 203, 303) lösen kann und relativ zur zweiten Spreizhülse (3, 103, 203, 303) bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) durch das Spreizelement selbst aufspreizbar ist, und dass die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) in ihrer Umfangsfläche eine Durchbrechung (7, 107, 207, 307) aufweist, die ein Spreizen der ersten Spreizhülse (2, 102, 202, 302) in radialer Richtung erleichtert.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Der Gegenstand des Streitpatents sei zudem nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Patent für nichtig erklärt, soweit es über die Fassung nach Hilfsantrag 1 hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen, beantragt im Wege der Anschlussberufung, die Klage abzuweisen und verteidigt hilfsweise das Patent mit den Anträgen aus dem ersten Rechtszug und in zwei weiteren geänderten Fassungen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig. Nur die Berufung ist begründet.
I. Das Streitpatent betrifft einen Spreizdübel.
1. Nach der Beschreibung des Streitpatents sind Spreizdübel bekannt, die eine rohrförmige Spreizhülse mit einem Spreizbereich aufweisen, der durch Einführen einer Schraube radial aufgespreizt wird. Durch das Aufspreizen werde der Durchmesser des Dübels im Spreizbereich aufgeweitet und die Spreizschenkel würden gegen die Bohrlochwand gedrückt. Bei einem solchen Dübel seien die Spreizzungen relativ massiv und mit kreissektorförmigen Querschnitten ausgebildet. Jedoch sei die Fähigkeit der Spreizzungen, Knoten zu bilden oder auszuknicken, begrenzt, weshalb solche Dübel für die Verwendung in weichen Baustoffen oder Hohlbaustoffen weniger geeignet seien.
Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 7 145 271 (D1) seien Dübel bekannt, die aus zwei Spreizhülsen aus Kunststoffen unterschiedlicher Härte bestehen und einen axialen Führungskanal aufweisen, in den eine Schraube eingeführt werden könne. Dabei bilde die erste Spreizhülse aus härterem Kunststoff das in Einbringrichtung vordere Ende des Dübels und sei als hülsenförmiges Ringelement ausgebildet. Beim Einführen der Schraube werde der Spreizdübel zunächst in radialer Richtung aufgeweitet und verspreizt. Werde die Schraube weiter eingedreht, werde das hülsenförmige Ringelement der ersten Hülse zum hinteren Ende des Dübels hin verschoben. Dadurch werde die zweite Spreizhülse im Spreizbereich wulstartig ausgeknickt. Ein solcher Dübel eigne sich für weiche Baustoffe und Baustoffe mit Hohlräumen, jedoch weniger für Vollbaustoffe wie Beton.
Schließlich seien Spreizdübel mit zwei Spreizhülsen bekannt, die in unverspreiztem Zustand dreh- und zugfest miteinander verbunden seien. Zwischen den beiden Spreizhülsen sei eine Gleitfläche vorhanden, die es ermögliche, dass sich die Spreizhülsen beim Verspreizen des Dübels voneinander lösen und gegeneinander bewegen.
2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, einen Spreizdübel bereitzustellen, der in unterschiedlichen Baustoffen gute Halteeigenschaften aufweist.
3. Diese Aufgabe soll durch einen Dübel gelöst werden, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (abweichende Merkmale des Patentgerichts in eckigen Klammern):
1. Spreizdübel (1, 101, 201, 301) aus Kunststoff [a], umfassend 2. einen Spreizbereich (9, 109, 209, 309), der durch ein Spreizelement aufspreizbar ist [b, b1], 2.1 wobei das Spreizelement zum Aufspreizen in einen axialen Führungskanal (5, 105, 205, 305) des Spreizdübels (1, 101, 201, 301) einführbar ist [b2]; 3. eine erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) [c], 3.1 die durch das Spreizelement selbst aufspreizbar ist [g] und 3.2 die in ihrer Umfangsfläche eine Durchbrechung (7, 107, 207, 307) aufweist, die ein Spreizen der ersten Spreizhülse (2, 102, 202, 302) in radialer Richtung erleichtert [h]; 4. eine zweite Spreizhülse (3, 103, 203, 303), die die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) in einem unverspreizten Zustand zumindest teilweise umhüllt [d]. 5. Die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) und die zweite Spreizhülse (3, 103, 203, 303) sind im unverspreizten Zustand dreh- und zugfest miteinander verbunden [e]. 6. Im Spreizbereich (9, 109, 209, 309) ist eine Gleitfläche (16, 116, 216, 316) zwischen der ersten Spreizhülse (2, 102, 202, 302) und der zweiten Spreizhülse (3, 103, 203, 303) derart ausgebildet, dass sich beim Verspreizen des Spreizdübels (1, 101, 201, 301) die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) im Spreizbereich (9, 109, 209, 309) von der zweiten Spreizhülse (3, 103, 203, 303) lösen kann und relativ zur zweiten Spreizhülse (3, 103, 203, 303) bewegbar ist [f].
4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:
a) Spreizdübel sind Elemente der Befestigungs- oder Verbindungstechnik und werden zur Befestigung von Gegenständen in Baustoffen verschiedener Art eingesetzt.
b) Nach Merkmal 1 besteht der Spreizdübel aus Kunststoff.
Wie sich aus der Beschreibung ergibt, bedeutet dies, dass der Spreizdübel im Wesentlichen aus Kunststoff besteht, dass aber auch Teile aus anderen Materialien, etwa Einlegeteile aus Metall, vorgesehen sein können.
c) Der Spreizdübel umfasst einen Spreizbereich (Merkmal 2).
Dabei handelt es sich um den Bereich des Dübels, der durch Einführen eines Spreizelementes, etwa einer Schraube, aufgespreizt werden kann. Ein Aufspreizen des Spreizbereichs liegt vor, wenn der Spreizbereich in radialer Richtung erweitert wird.
d) Der Spreizdübel umfasst zwei Spreizhülsen, die jeweils aufspreizbar sind.
e) Für die erste Spreizhülse ist gemäß Merkmal 3.1 bestimmt, dass sie durch das Spreizelement selbst aufspreizbar ist.
f) Ferner gibt Merkmal 3.2 vor, dass die Umfangsfläche der ersten Spreizhülse eine Durchbrechung aufweist, die ein Spreizen in radialer Richtung erleichtert.
Nach der Beschreibung kann es sich dabei etwa um einen oder mehrere Längsschlitze handeln, die axial oder wendelförmig verlaufen. Der Längsschlitz muss den Spreizkörper nicht vollständig durchdringen, sondern kann auch als Materialschwächung ausgebildet sein (Abs. 9).
g) Nach Merkmal 4 umhüllt die zweite Spreizhülse die erste Spreizhülse in einem unverspreizten Zustand zumindest teilweise.
Nähere Vorgaben, wo und in welchem Ausmaß die Umhüllung vorliegen muss, sind dem Anspruch nicht zu entnehmen.
h) Merkmal 5 sieht vor, dass die erste und die zweite Spreizhülse in unverspreiztem Zustand dreh- und zugfest miteinander verbunden sind.
Entgegen der Auffassung der Berufung genügt es insoweit nicht, dass die zugfeste Verbindung axial in Setzrichtung besteht, die erste Spreizhülse also nicht in die zweite Spreizhülse hineingeschoben werden kann.
Der Hinweis auf die Verhältnisse beim Aufspreizen des Dübels in einem Bohrloch in einem Vollbaustoff rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Merkmal 5 fordert eine dreh- und zugfeste Verbindung für den unverspreizten Zustand des Spreizdübels und gibt damit vor, dass die beiden Spreizhülsen in diesem Zustand weder gegeneinander verdreht werden noch axial in die eine oder in die andere Richtung relativ zueinander bewegt werden können.
In diese Richtung weist auch die Beschreibung des Streitpatents.
Danach soll die dreh- und zugfeste Verbindung gewährleisten, dass sich die beiden Spreizhülsen im Spreizbereich gegenseitig stabilisieren (Abs. 6).
Zudem spricht die Beschreibung die Möglichkeit an, dass die erste Spreizhülse eine Zugkraft auf die zweite Spreizhülse entgegen der Setzrichtung ausübt (Abs. 29). Dies setzt voraus, dass die beiden Spreizhülsen axial auch entgegen der Setzrichtung zugfest miteinander verbunden sind.
i) Merkmal 6 bestimmt, dass im Spreizbereich zwischen den beiden Spreizhülsen eine Gleitfläche ausgebildet ist, die es ermöglicht, dass sich beim Verspreizen des Dübels die erste Spreizhülse im Spreizbereich von der zweiten Spreizhülse lösen und sich relativ zu dieser bewegen kann.
Der Beschreibung ist ferner zu entnehmen, dass eine Relativbewegung der ersten und der zweiten Spreizhülse möglich ist, aber nicht in jedem Fall erfolgen muss. So kann der Spreizbereich im Bohrloch eines Vollbaustoffs aufgespreizt werden, ohne dass es zwingend zu einer relativen Bewegung der beiden Spreizhülsen kommt (Abs. 7).
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Erfindung sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Den Figuren 2 und 5 und der Beschreibung sei zu entnehmen, wie eine anspruchsgemäße Gleitfläche ausgebildet sein könne.
In der erteilten Fassung sei dieser Gegenstand jedoch durch die europäische Patentanmeldung 1 178 226 (D8) vollständig vorweggenommen.
Dagegen erweise sich das Streitpatent in der Fassung nach Hilfsantrag 1 als rechtsbeständig. Der damit beanspruchte Gegenstand sei ursprünglich offenbart. Er sei auch neu gegenüber D8, da die dort offenbarte Lehre nicht nacharbeitbar bzw. nicht ausführbar sei. Zwar sei es möglich, zunächst die aus härterem Werkstoff bestehenden Teile durch Spritzgießen herzustellen. Dagegen lasse sich D8 nicht entnehmen, wie der dort weiter angegebene Ablauf ausgeführt werden könne. Damit sei D8 nicht unmittelbar und eindeutig eine konkrete Lehre zu entnehmen, wie die dort gezeigten Verbindungselemente im Zweikammerspritzguss bzw. im Mehrkomponentenspritzguss hergestellt werden könnten. Auch die deutsche Patentanmeldung 33 46 783 (D9) und das europäische Patent 1 135 618 (D11) offenbarten nicht sämtliche Merkmale. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ergebe sich auch nicht naheliegender Weise ausgehend von D8 oder von D7 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder D11.
III. Diese Entscheidung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug nicht in vollem Umfang stand.
1. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung durch D8 vollständig vorweggenommen wird.
a) Gegenstand der D8 ist ein Spreizdübel aus Kunststoff, der einen hohlen Schaft aufweist und zumindest längenabschnittsweise mittels Schrauben, Nägeln oder dergleichen aufgeweitet werden kann.
Nach der Beschreibung der D8 ist die in den Dübel eingeführte Schraube in der Regel länger als die Einstecklänge des Dübels im Loch der Wand. Dies könne insbesondere bei einem Einsatz zur Befestigung eines Baustoffs mit Hohlkammern dazu führen, dass sich die Kälte der Wand auf die metallische Schraube übertrage und es zu einer unerwünschten Bildung von Kondenswasser komme, die Schäden verursache (Abs. 2).
Zur Abhilfe schlägt D8 vor, den Dübel wärmetechnisch zu optimieren. Dazu soll der Dübel so gestaltet werden, dass er die Schraube auch nach dem Aufweiten des Dübels im Bohrloch überall umschließt. Da Kunststoff die Wärme schlecht leite, werde der Wärmeübergang zwischen Wand und Schraube behindert (Abs. 4 f.).
Ein solcher Dübel kann nach D8 so ausgebildet sein, dass der Schaft aus zwei Kunststoffen unterschiedlicher Härte besteht, sich der erste, härtere und der zweite, weichere Werkstoff längenabschnittsweise abwechseln und die Abschnitte der Hülse aus dem ersten Werkstoff durch Verbindungsstege, die den zweiten Werkstoff durchsetzen, miteinander verbunden sind (Abs. 12). Diese Verbindungsstege sind vorteilhafterweise radial ausknickbar (Abs. 13).
Ein Ausführungsbeispiel zeigen die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 und 1a.
Der Dübel (10) weist einen hohlen, länglichen Schaft (13) auf. Er umfasst Hülsenabschnitte (18) aus einem härteren Werkstoff, die durch Verbindungsstege (19) miteinander verbunden sind, sowie Hülsenabschnitte (15) aus einem weicheren Werkstoff. Wie Figur 1a erkennen lässt, die einen Querschnitt zeigt, sind die Verbindungsstege vergleichsweise schmal und dünn und können beim Einschrauben der Schraube ausknicken.
Aus der nachstehend wiedergegebenen Figur 2 ist ersichtlich, wie die Hülsenabschnitte (15) durch eine eingeführte Schraube (14) nach außen gedrängt werden. Soweit sie sich im Bereich eines Wandabschnitts befindet, wird die Hülse gegen den Wandabschnitt (12') gedrückt und trägt so zum festen Sitz des Verbindungselements im Baustoff bei (Abs. 25).
Wie die Beschreibung der D8 erläutert, verformt sich durch das Eindrehen der Schraube auch der härtere Werkstoff der Hülse (18), was aus Figur 2 jedoch nicht ersichtlich ist (Abs. 26).
b) Wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, sind damit die Merkmale 1 bis 3.1 offenbart.
D8 beschreibt einen Spreizdübel aus Kunststoff mit einem Spreizbereich, der durch ein Spreizelement aufspreizbar ist. Als Spreizelement ist eine Schraube in einen axialen Führungskanal des Spreizdübels einführbar. Der Dübel umfasst eine erste Spreizhülse aus weicherem Kunststoff und eine zweite Spreizhülse aus härterem Kunststoff. In dem in Figuren 1 und 1a gezeigten Ausführungsbeispiel besteht die weichere Hülse aus zwei Abschnitten und die härtere Hülse aus drei Abschnitten, die durch Verbindungsstege miteinander verbunden sind.
c) Die Auffassung der Beklagten, es fehle an einer Vorwegnahme der Merkmale 4, 5, 6 und 3.2, trifft nicht zu.
aa) Merkmal 4 ist vorweggenommen.
(1) In dem aus den Figuren 1, 1a und 2 ersichtlichen Ausführungsbeispiel bilden die Abschnitte (15) aus weicherem Kunststoff eine erste Spreizhülse und die Abschnitte (18) mit den Verbindungsstegen (19) aus einem härteren Kunststoff eine zweite Spreizhülse im Sinne von Patentanspruch 1.
Die zweite Spreizhülse umhüllt die erste Spreizhülse teilweise. Diese Umhüllung ist darin zu sehen, dass die Verbindungsstege in Nuten der Segmente der ersten Spreizhülse aus weicherem Kunststoff verlaufen, wie es insbesondere aus Figur 1a deutlich wird.
(2) Auch die aus den Abschnitten (18) und den Verbindungsstegen (19) bestehende zweite Hülse ist, anders als die Beklagte meint, aufspreizbar.
Nach der Beschreibung der D8 verformt sich beim Eindrehen der Schraube auch der aus Figuren 1 und 2 ersichtliche mittlere Hülsenabschnitt (18) (Abs. 26). Da die Schraube aus Metall besteht, kann diese Verformung nur in einem Aufweiten der Spreizhülse bestehen. Damit ist unmittelbar und eindeutig offenbart, dass auch die aus härterem Kunststoff bestehende Hülse aufspreizbar ist.
Nach D8 ist der Dübel zudem in einer bevorzugten Ausführungsform so gestaltet, dass die Verbindungsstege ausknicken können, wenn die Schraube in den Dübel eingedreht wird (Abs. 13, Anspruch 9).
Danach ist auch die zweite Spreizhülse aufspreizbar. Je nach der konkreten Lage der Verbindungsstege im Bohrloch kann deren Ausknicken zur Verankerung des Spreizdübels im Bohrloch beitragen.
Dass bei der Verwendung des in D8 gezeigten Ausführungsbeispiels je nach Art des Baustoffs Situationen möglich sind, in denen die Stege nicht ausknicken oder ihr Ausknicken keinen Beitrag zur Befestigung leistet, stellt die Vorwegnahme von Merkmal 4 nicht in Frage.
bb) Zu Recht hat das Patentgericht auch Merkmal 5 als vorweggenommen angesehen.
Bei einer Gestaltung wie sie in Figuren 1 und 1a gezeigt ist, verhindern die Verbindungsstege (19), die in Nuten des weicheren Kunststoffs (15) angeordnet sind, ein Verdrehen der beiden Spreizhülsen gegeneinander (Abs. 12).
Bei der dort gezeigten Gestaltung können die aus den Segmenten (15) bestehende erste Spreizhülse und die aus den Segmenten (18) und den Stegen (19) bestehende zweite Spreizhülse axial nicht gegeneinander bewegt werden und sind damit im Sinne des Streitpatents zugfest miteinander verbunden.
Ob der dort gezeigte Dübel im Zweikammerspritzguss hergestellt werden kann, ist insoweit unerheblich. Wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, ist es jedenfalls möglich, einen solchen Dübel herzustellen.
cc) Auch Merkmal 6 ist offenbart.
Die unterschiedliche Verformung der beiden Werkstoffe führt, wie auch die Figur 2 zeigt, in bestimmten Situationen dazu, dass sich die beiden Hülsen relativ zueinander bewegen können. Dies gilt auch dann, wenn die Verbindungsstege, was Figur 2 nicht zeigt, aber in der Beschreibung erläutert wird (Abs. 13), beim Eindrehen der Schraube ausknicken.
dd) Schließlich nimmt D8 auch Merkmal 3.2 unmittelbar und eindeutig vorweg.
Sind die Verbindungsstege, wie in Figur 1a gezeigt, in Nuten der ersten Spreizhülse eingelegt, führt ein Ausknicken dieser Stege dazu, dass das Aufspreizen der ersten Spreizhülse in den betreffenden Bereichen erleichtert wird, weil das Material dort geschwächt ist.
2. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts hat der Gegenstand von Patentanspruch 1 auch in der Fassung nach Hilfsantrag 1 keinen Bestand.
a) Mit Hilfsantrag 1 wird Patentanspruch 1 in der Fassung des erteilten Anspruchs 3 verteidigt. Danach wird der Anspruch um Merkmal 7 ergänzt, wonach der Spreizdübel im Mehrkomponentenspritzgussverfahren hergestellt ist.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Patentanspruch, mit dem Patentschutz für ein Erzeugnis begehrt wird, so gefasst werden, dass es ausschließlich oder auch durch das Verfahren zu seiner Herstellung gekennzeichnet wird (product-by-process-Anspruch).
Eine solche Fassung des Anspruchs kommt in Betracht, wenn eine Beschreibung der spezifischen Eigenschaften des Erzeugnisses durch körperliche Merkmale nicht möglich oder gänzlich unpraktikabel ist und die Angabe des Herstellungsverfahrens dazu dient, diese Eigenschaften mittelbar zu umschreiben. Sie dient allein der Kennzeichnung des patentgemäßen Erzeugnisses und bringt keine Beschränkung auf Erzeugnisse zum Ausdruck, die tatsächlich mittels dieses Verfahrens hergestellt worden sind (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1971 - X ZB 9/70, GRUR 1971, 80 - Trioxan; Beschluss vom 14. Dezember 1978 - X ZB 14/77, GRUR 1979, 461 - Farbbildröhre; Beschluss vom 19. Juli 1984 - X ZB 18/83, GRUR 1985, 31 - Acrylfasern; Beschluss vom 30. März 1993 - X ZB 13/90, GRUR 1993, 651 - Tetraploide Kamille; Urteil vom 19. Juni 2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129 - Zipfelfreies Stahlband; Urteil vom 8. Juni 2010 - X ZR 71/08, in juris; Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 81/13, GRUR 2015, 361 Rn. 9 - Kochgefäß; Urteil vom 16. April 2024 - X ZR 28/22, GRUR 2024, 1005 - Pulsationsdämpfer).
bb) Die Aufnahme eines bestimmten Herstellungsverfahrens in den Anspruch ändert nichts daran, dass es sich um einen Erzeugnisanspruch handelt.
Gegenstand des Patents ist trotz der Beschreibung durch das Herstellungsverfahren ein Erzeugnis als solches, das unabhängig von seinem Herstellungsweg die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit erfüllen muss (BGH, Urteil vom 16. April 2024 - X ZR 28/22, GRUR 2024, 1005 - Pulsationsdämpfer). Die Aufnahme des Herstellungsverfahrens in den Anspruch dient lediglich der eindeutigen Kennzeichnung des Erzeugnisses. Wenn das beanspruchte Erzeugnis nicht neu ist und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kann es als solches nicht patentiert werden. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn es durch ein erfinderisches neues Verfahren hergestellt worden ist.
cc) Bedeutung für die Schutzfähigkeit des beanspruchten Erzeugnisses kann der Aufnahme eines bestimmten Herstellungsverfahrens zukommen, wenn auf diese Weise mittelbar das Erzeugnis selbst näher beschrieben wird.
Bei der Prüfung der Patentfähigkeit des Gegenstands eines product-byprocess-Anspruchs ist danach zu klären, ob sich das im Anspruch angegebene Herstellungsverfahren in spezifischen Eigenschaften des Erzeugnisses niederschlägt, durch die es sich von den im Stand der Technik bekannten Erzeugnissen unterscheidet.
Körperliche und funktionale Eigenschaften des Erzeugnisses, die sich aus der Anwendung des Verfahrens ergeben, gehören zu den Sachmerkmalen des beanspruchten Erzeugnisses. Ob es solche gibt und welche das sind, ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln (BGH, Urteil vom 19. Juni 2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129, 1133 - Zipfelfreies Stahlband; Urteil vom 8. Juni 2010 - X ZR 71/08, juris Rn. 24; Meier-Beck, FS für Reimar König, 2003, 323, 331).
dd) Die Herstellung eines Spreizdübels mit den Merkmalen 1 bis 6 im Mehrkomponentenspritzgussverfahren schlägt sich insofern in den Eigenschaften des Dübels nieder, als damit bestimmte Dübelgeometrien ausgeschlossen sind.
(1) Aus der Beschreibung des Streitpatents ergeben sich hierfür allerdings keine Anhaltspunkte.
Dort ist zunächst die Möglichkeit angesprochen, dass die erste Spreizhülse einen Kern beim Urformen der zweiten Spreizhülse bildet, wie dies Gegenstand von Anspruch 2 des Streitpatents ist (Abs. 10).
Die erste Spreizhülse könne spritzgegossen oder in anderer Weise aus Kunststoff hergestellt sein. Bilde diese den Kern beim Urformen der zweiten Spreizhülse, die beispielsweise spritzgegossen werden könne, biete dies den Vorteil, dass die erste und die zweite Spreizhülse nicht zusammengesetzt werden müssten, sondern nach dem Urformen der zweiten Spreizhülse bereits zusammengesetzt seien. Danach kann die Herstellung des Dübels etwa auch in der Weise erfolgen, dass die erste Spreizhülse in einem ersten Werkzeug spritzgegossen und dann in ein zweites Werkzeug eingesetzt wird, in dem die zweite Hülse gegossen wird (Abs. 10).
Als weiteren Vorteil dieser Art der Herstellung gibt die Beschreibung an, dass die zweite und/oder die erste Spreizhülse Hinterschneidungen aufweisen können, die ein Zusammensetzen getrennt hergestellter Spreizhülsen verhindern würden. Die Verwendung der ersten Spreizhülse als Kern beim Urformen der zweiten Spreizhülse ermögliche damit eine freiere Formgebung hinsichtlich der Außenseite der ersten und der Innenseite der zweiten Spreizhülse, was wiederum die Herstellung einer dreh- und zugfesten Verbindung der beiden Hülsen erleichtere (Abs. 10).
(2) Im gleichen Absatz erwähnt die Beschreibung das Mehrkomponentenspritzgussverfahren als kostengünstiges Herstellungsverfahren.
Beim Mehrkomponentenspritzgussverfahren wird ein Spritzgussteil, das aus zwei oder mehr verschiedenen Kunststoffen besteht, mit einer Maschine hergestellt, die zwei oder mehr Spritzeinheiten, aber nur eine Schließeinheit benötigt. Dies ermöglicht es, die Teile mit nur einem Werkzeug in einem Arbeitsgang herzustellen. Nach den Feststellungen des Patentgerichts wird dabei die zuerst hergestellte Komponente als Teil der Gussform für das Spritzgießen der zweiten Komponente verwendet. Dies wird etwa dadurch realisiert, dass nach dem Gießen der ersten Hülse ein Teil der Spritzgussform gegen ein anderes Spritzgussformteil ausgetauscht wird, das einen zusätzlichen Hohlraum für das nachfolgende Spritzgießen der zweiten Hülse aufweist, oder dadurch, dass die zuerst gegossene Hülse in eine andere Form umgesetzt wird.
Entsprechende Erläuterungen finden sich ferner in Absatz 26 und Absatz 36 der Beschreibung. Dort wird, ähnlich wie in Absatz 10, erläutert, dass ein Verfahren, bei dem die zunächst spritzgegossene erste Spreizhülse als Kern dient, um den die zweite Spreizhülse gespritzt wird, dazu führt, dass die Längsrippen der ersten Spreizhülse in entsprechende Ausnehmungen der zweiten Spreizhülse greifen und eine dreh- und zugfeste Verbindung der beiden Hülsen bewirken.
Diese als vorteilhaft beschriebene Verbindung kann jedoch, wie in Absatz 10 der Beschreibung erläutert ist, bereits dadurch erzielt werden, dass die erste Spreizhülse einen Kern beim Urformen der zweiten Spreizhülse bildet. Die Herstellung im Mehrkomponentenspritzgussverfahren führt insoweit nicht zu anderen Ergebnissen.
(3) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass ein Mehrkomponentenspritzgussverfahren gegenüber anderen Herstellungsverfahren, etwa einer Herstellung im 3-D-Druck, zu einer besonderen Homogenität des Materials führe.
Diese Homogenität ergibt sich nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten bereits aus der Anwendung eines Spritzgießverfahrens, weil bei diesem mit einer Schmelze gearbeitet wird, in der sich die Makromoleküle in allen drei Dimensionen vernetzen können. Dass ein Dübel, der im Mehrkomponentenspritzgussverfahren hergestellt wird, insofern andere Qualitäten aufweist, als ein Dübel, bei dem die Hülsen je für sich spritzgegossen werden, zeigt die Beklagte nicht auf.
(4) Zutreffend macht die Beklagte jedoch geltend, dass eine Herstellung im Mehrkomponentenspritzgussverfahren mit Beschränkungen hinsichtlich der Gestaltung des Spreizdübels einhergeht.
Nähere Ausführungen dazu enthält die Beschreibung des Streitpatents nicht.
Der Fachmann, den das Patentgericht zutreffend als Diplom-Ingenieur oder Bachelor des Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Spreizdübeln ansieht, ist jedoch aufgrund seines Fachwissens mit den Möglichkeiten und Grenzen des Mehrkomponentenspritzgussverfahrens vertraut. Ihm ist daher bekannt, dass die Herstellung eines Spreizdübels, der ausgeprägte Hinterschneidungen im axialen Führungskanal aufweist, bei Anwendung des Mehrkomponentenspritzgussverfahrens auf Schwierigkeiten stieße, weil dies die Verwendung eines Kerns erforderte, der nach dem Verfestigen des Kunststoffs nicht entfernt werden könnte.
Danach kann ein Spreizdübel, der, wie etwa aus der bereits oben wiedergegebenen Figur 1 der D8 ersichtlich, einen axialen Führungskanal mit ausgeprägten Hinterschneidungen an der Innenseite der ersten Hülse aufweist, im Mehrkomponentenspritzgussverfahren nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand hergestellt werden.
Insoweit kann zugunsten der Berufung unterstellt werden, dass die Herstellung von Gegenständen im Mehrkomponentenverfahren mit solchen internen Hinterschneidungen technisch nicht gänzlich ausgeschlossen ist, sondern etwa durch die Verwendung von Kernen, die nach dem Urformen zusammengeklappt werden könnten, oder ähnliche Maßnahmen möglich ist. Eine solche aufwändige Vorgehensweise kommt jedoch jedenfalls für Erzeugnisse, die in großen Mengen und kostengünstig hergestellt werden sollen, praktisch nicht in Betracht.
Die Angabe des Mehrkomponentenspritzgussverfahrens in Patentanspruch 1 kennzeichnet den Spreizdübel mithin dahin, dass bestimmte Dübelgeometrien ausgeschlossen sind.
b) Es kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen, unter denen ein product-by-process-Anspruch zulässig ist, im Streitfall erfüllt sind, weil der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand jedenfalls nicht patentfähig ist.
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist auch Merkmal 7 durch D8 vorweggenommen.
Wie bereits erwähnt wurde, kann zwar ein Dübel, der dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 der D8 entspricht, nicht mit vertretbarem Aufwand im Mehrkomponentenspritzgussverfahren hergestellt werden.
In der Beschreibung der D8 wird jedoch auf eine mögliche Herstellung im Zweikammerspritzguss - einer Variante des Mehrkomponentenspritzgussverfahrens - Bezug genommen. Diese Vorgehensweise wird dahin beschrieben, dass zunächst die Komponente des Verbindungselements, die aus härterem Werkstoff besteht, gegossen wird. Anschließend wird das so hergestellte Teil in der Spritzgießmaschine gedreht und durch einen zweiten Anguss der weichere Kunststoff eingespritzt (Abs. 18). In diesem Zusammenhang weist D8 darauf hin, dass es vorteilhaft sei, ein Verbindungselement so zu gestalten, dass es in diesem Verfahren hergestellt werden kann.
Ist der Fachmann, wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde, mit den Grenzen des Mehrkomponentenspritzgussverfahrens vertraut, so entnimmt er dieser Passage der Beschreibung ohne Weiteres, dass die Geometrie eines Dübels, der im Zweikammerspritzgussverfahren hergestellt werden soll, den mit diesem Verfahren einhergehenden Beschränkungen Rechnung tragen muss.
Die Beklagte zeigt nicht auf, dass der Fachmann nicht in der Lage wäre, unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens das in Figuren 1 und 1a ohnehin nur schematisch dargestellte Ausführungsbeispiel so abzuwandeln, dass eine Herstellung im Zweikammerspritzgussverfahren möglich ist.
3. Auch in der Fassung von Hilfsantrag 2 hat Patentanspruch 1 keinen Bestand.
a) Nach Hilfsantrag 2 wird Patentanspruch 1 in der Merkmalsgruppe 4 um Merkmal 4.2 ergänzt und damit wie folgt gefasst:
4. eine zweite Spreizhülse (3, 103, 203, 303), 4.1 die die erste Spreizhülse (2, 102, 202, 302) in einem unverspreizten Zustand zumindest teilweise umhüllt 4.2 und die die Durchbrechung (7, 107, 207, 307) im Wesentlichen verschließt, wobei die Kunststoffkomponente der zweiten Spreizhülse die Durchbrechung im Wesentlichen verfüllt.
b) Auch Merkmal 4.2 wird durch D8 bereits offenbart.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts zeigt das Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 1 und 1a der D8 einen Dübel mit einer ersten Hülse, die aus den Abschnitten (15) aus weicherem Kunststoff besteht und Durchbrechungen in der Form von Längsnuten aufweist. In diesen Nuten sind Verbindungsstege (19) angeordnet, die Bestandteil der zweiten Hülse aus härterem Kunststoff sind und die Abschnitte (18) miteinander verbinden. Diese Verbindungsstege füllen die Nuten aus.
4. Für die Fassung von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3 ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
a) Nach Hilfsantrag 3 wird die Fassung des Anspruchs gemäß Hilfsantrag 2 dahin ergänzt, dass die erste Spreizhülse aus einer ersten Kunststoffkomponente und die zweite Spreizhülse aus einer zweiten Kunststoffkomponente gefertigt ist, wobei die beiden Kunststoffkomponenten verschieden sind.
b) Auch dieses Merkmal ist in D8 bereits offenbart. Danach kann der dort beschriebene Spreizdübel so ausgebildet sein, dass der Schaft aus einem ersten härteren und einem zweiten weicheren Kunststoff besteht (Abs. 6, 16, 22 Anspruch 2).
5. Patentanspruch 1 hat auch in der Fassung nach Hilfsantrag 4, der die zusätzlichen Merkmale nach Hilfsanträgen 1 bis 3 kombiniert, keinen Bestand.
Wie bereits ausgeführt wurde, sind die zusätzlichen Merkmale nach Hilfsanträgen 1 bis 3 durch D8 vorweggenommen.
6. Ob die Verteidigung von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 5 zulässig ist, kann offenbleiben, weil auch der so beschriebene Gegenstand nicht patentfähig ist.
a) Nach Hilfsantrag 5 wird Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 1 um Merkmal 2.2 ergänzt:
"wobei der Spreizbereich (9, 109, 209, 309) beim Einführen des Spreizelements in den Führungskanal (5, 105, 205, 305) aufspreizbar ist." 109 b) Dieses Merkmal ist ebenfalls durch D8 vorweggenommen.
Wie oben bereits ausgeführt wurde, drängt bei dem in D8 beschriebenen Spreizdübel die Schraube bereits beim Einführen in den Führungskanal den weicheren Werkstoff der ersten Spreizhülse (15) nach außen (Abs. 5, 6, 9, 10, 13, 25).
7. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung von Hilfsantrag 6 ist unzulässig.
a) Nach Hilfsantrag 6 wird Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung um die zusätzlichen Merkmale nach Hilfsanträgen 1 bis 3 sowie um ein weiteres Merkmal ergänzt, wonach die Durchbrechung ein die erste Spreizhülse radial vollständig durchdringender Längsschlitz ist.
Die Beklagte hat diesen Hilfsantrag erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt und erläutert, warum sie die Verteidigung des Streitpatents in dieser Fassung für zulässig und den damit beanspruchten Gegenstand für patentfähig hält.
b) Gemäß § 116 Abs. 2 PatG ist die Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents im Berufungsrechtszug nur zulässig, wenn der Bundesgerichtshof sie für sachdienlich hält und der Antrag auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 PatG zugrunde zu legen hat. Jedenfalls die zweite Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor.
aa) Der Antrag ist nicht schon deshalb unzulässig, weil er erstmals in der Berufungsinstanz gestellt worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz regelmäßig nicht mehr als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden, wenn der Beklagte, insbesondere aufgrund eines Hinweises des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG, dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte (BGH, Urteil vom 23. April 2020 - X ZR 38/18, GRUR 2020, 974 Rn. 33 - Niederflurschienenfahrzeug; Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 111/13, GRUR 2016, 365 Rn. 26 - Telekommunikationsverbindung).
Im Streitfall hat das Patentgericht in seinem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis die vorläufige Auffassung geäußert, der Gegenstand des Streitpatents sei ausführbar offenbart und patentfähig. Danach hatte die Beklagte keine Veranlassung, das Patent in geänderten Fassungen zu verteidigen.
bb) Soweit die Verteidigung des Streitpatents im Patentnichtigkeitsverfahren im ersten Rechtszug Erfolg hatte, muss der Beklagte das Vorbringen in der Berufungsbegründung zum Anlass nehmen zu prüfen, ob es zu einer anderen Beurteilung führen kann und gegebenenfalls auch geeignete Hilfsanträge stellen. In diesem Fall ist er regelmäßig gehalten, entsprechende Anträge bereits in der Berufungserwiderung zu stellen.
Unter welchen Voraussetzungen die Stellung eines neuen Hilfsantrags zu einem späteren Zeitpunkt des Berufungsverfahrens als sachdienlich angesehen werden kann (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung von Hilfsantrag 6 ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil er nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 PatG zugrunde zu legen hat (§ 116 Abs. 2 Nr. 2 PatG).
(1) Nach § 117 PatG sowie §§ 530, 521 Abs. 2 und § 296 Abs. 1 ZPO darf neues Vorbringen des Berufungsbeklagten, das nach Ablauf der Frist für die Berufungserwiderung erfolgt, nur dann berücksichtigt werden, wenn seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(2) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung die Auffassung des Patentgerichts angegriffen, der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 1 sei patentfähig. Sie hat insoweit, wie bereits im ersten Rechtszug, insbesondere geltend gemacht, die Aufnahme von Merkmal 7 sei nicht zulässig, zudem sei auch der so beschriebene Gegenstand durch D8 vollständig vorweggenommen.
Dies gab der Beklagten Anlass zu prüfen, ob eine Verteidigung des Streitpatents in einer geänderten Fassung Erfolg verspricht.
Die Beklagte hat dies auch nicht verkannt, wie sich daraus ergibt, dass sie bereits mit der Berufungserwiderung erklärt hat, das Streitpatent hilfsweise in geänderten Fassungen gemäß den erstinstanzlichen Hilfsanträgen 2 bis 4 zu verteidigen, und mit Schriftsatz vom 27. März 2025 einen weiteren Hilfsantrag gestellt hat.
Hilfsantrag 6 hat die Beklagte dagegen erst in der mündlichen Verhandlung gestellt. Sachliche Gründe, die diese späte Antragstellung rechtfertigen könnten, hat die Beklagte nicht aufgezeigt; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
cc) Die Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten zu Hilfsantrag 6 würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.
Die Bedeutung des Merkmals, das nach Hilfsantrag 6 in Patentanspruch 1 eingefügt werden soll, die Frage, ob ein solcher Gegenstand bereits ursprünglich offenbart war, sowie die Frage, ob dieses Merkmal durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt ist, waren bis dahin nicht Gegenstand des Parteivorbringens.
In dem ihr nachgelassenen Schriftsatz ist die Klägerin dem Vorbringen zu Hilfsantrag 6 inhaltlich entgegengetreten. Im Lichte dieser Ausführungen könnte über diesen Antrag nicht ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entschieden werden. Dies führte zu einer Verzögerung im Sinne von § 296 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Deichfuß Marx Rensen Crummenerl von Pückler Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 17.01.2023 - 8 Ni 5/23 (EP) -