10 W (pat) 29/12
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 29/12
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 11 2010 002 892.3-15 wegen Einleitung der nationalen Phase hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 29. August 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Kober-Dehm BPatG 152 08.05 beschlossen:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Anmelderin reichte am 26. April 2010 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier US-amerikanischer Anmeldungen vom 23. April 2010 und vom 27. April 2009 die internationale Anmeldung PCT/US2010/032388 mit 20 Patentansprüchen ein und gab dabei u. a. Deutschland als Bestimmungsstaat an.
Am 27. Oktober 2011 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Unterlagen für die Einleitung der nationalen Phase der PCT-Anmeldung für die Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung „Umgestaltbarer Bekleidungsartikel für eine Puppe“ ein. Am selben Tag reichte sie geänderte Ansprüche 1 bis 15 ein, die der Prüfung der Patentanmeldung zugrunde zu legen seien, und entrichtete unter Angabe des Gebührencodes 311 100 mittels Einzugsermächtigung die Gebühr für eine 15 Ansprüche umfassende Anmeldung in Höhe von 210,-- €.
Nach Übersendung der Empfangsbescheinigung vom 2. November 2011 teilte das DPMA der Anmelderin mit Bescheid vom 24. Februar 2012 mit, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei und die nationale Anmeldung unter dem Aktenzeichen 11 2010 002 892.3 geführt werde.
Mit Bescheid vom 20. März 2012 wies das DPMA die Anmelderin darauf hin, dass das Verfahren vor dem DPMA beendet sei, da sie die Anmeldegebühr nicht vollständig innerhalb der hierfür maßgeblichen Frist des Art. 22 Abs. 1 /39 Abs. 1 PCT entrichtet habe. Ferner kündigte das DPMA die Rückerstattung der bisher gezahlten Gebühr an und wies auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hin. Der Mitteilung war ein entsprechendes Merkblatt beigefügt. Dieser Bescheid ist – wie die Mitteilung vom 24. Februar 2012 über die Einleitung der nationalen Phase - mit der Angabe „Prüfungsstelle 15.PCT“ gezeichnet. Darunter ist das Dienstsiegel angebracht, gefolgt von dem Hinweis: „Dieses Dokument wurde elektronisch erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.“
Die Prüfungsstelle 15 des DPMA hat der Anmelderin auf ihren Antrag vom 26. April 2012 durch Beschluss vom 18. Juni 2012 Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Anmeldegebühr gemäß Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG gewährt.
Am 26. April 2012 hat die Anmelderin gegen die Mitteilung des DPMA vom 20. März 2012 Beschwerde eingelegt und beantragt,
festzustellen, dass die anspruchsabhängige Anmeldegebühr fristgerecht und vollständig entrichtet wurde, und die Wirkung der amtlichen Mitteilung vom 20. März 2012 aufzuheben,
die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Die Anmelderin ist der Auffassung, dass sich die Gebühr nach der Anzahl der Ansprüche zum Zeitpunkt der Einleitung der nationalen Phase richte. Dies schließt sie daraus, dass das in Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG ausdrücklich in Bezug genommene Verfahren nach § 34 PatG im Zeitpunkt der nationalen Phase in Deutschland beginne. Dieser Zeitpunkt bilde daher auch den relevanten Zeitpunkt für die Berechnung der einheitlichen anspruchsabhängigen Anmeldegebühr. In diesem Zeitpunkt stecke der Anmelder ggf. mit einem gegenüber dem ursprünglichen Anspruchssatz der PCT-Anmeldung geänderten Anspruchssatz denjenigen Gegenstand ab, der im Rahmen des Verfahrens nach § 34 PatG zur Erteilung eines Patents vom DPMA geprüft werden solle. Auch aus dem in Art. 23 Abs. 1 PCT normierten Bearbeitungsverbot lasse sich ableiten, dass das Verfahren nach § 34 PatG erst durch die Einleitung der nationalen Phase wirksam in Gang gesetzt werde. Wegen dieses Bearbeitungsverbots werde die an das DPMA zu entrichtende Anmeldegebühr erst mit der Einreichung des Antrags zur Einleitung der nationalen Phase in Deutschland fällig. Dabei handele es sich um einen „Antrag“ oder jedenfalls um die „Vornahme einer sonstigen Handlung“ i. S. d. § 3 Abs. 1 PatKostG.
Auch der mit der Einführung der anspruchsabhängigen Anmeldegebühr verfolgte gesetzgeberische Zweck spreche für diese Auslegung. Die mit dem Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts zum 1. Oktober 2009 eingeführte anspruchsabhängige Anmeldegebühr solle den erhöhten Arbeitsaufwand kompensieren, der beim DPMA bei der Prüfung von Patentanmeldungen mit einer großen Zahl von Ansprüchen anfalle. Wenn der Anmelder bei Einleitung der nationalen Phase weniger Ansprüche einreiche, sei der Arbeitsaufwand entsprechend geringer, da es nur auf die Ansprüche ankomme, die zur Erteilung eines Patents vom DPMA geprüft werden sollen.
Die Beschwerdegebühr sei zurückzuerstatten. Zum Zeitpunkt der Einleitung der nationalen Phase sei in keiner Publikation des DPMA ein Hinweis auf die Rechtsauffassung des DPMA, dass sich die Anmeldegebühr nach der Zahl der ursprünglichen PCT-Anmeldung richte, veröffentlicht gewesen. Es wäre jedoch notwendig gewesen, die Rechtsauffassung des DPMA, die weder aus dem Gesetz noch aus der Kommentarliteratur ersichtlich gewesen sei, rechtzeitig in den einschlägigen Informationsorganen des DPMA zu veröffentlichen. Dann hätten die Erhebung der vorliegenden Beschwerde und die Zahlung der Beschwerdegebühr vermieden werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gegen die Mitteilung der Prüfungsstelle 15.PCT des DPMA vom 20. März 2012 ist nicht statthaft und daher unzulässig. Denn es liegt kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss vor.
1. Gemäß § 73 Abs. 1 PatG findet die Beschwerde an das Patentgericht gegen die Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des Patentamts statt. Ob ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist nicht nach der äußeren Form oder Bezeichnung der Entscheidung zu beurteilen, sondern nach ihrem materiellen Gehalt. Ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift ist danach eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 73 Rn. 23). Allerdings muss das betreffende Schreiben in formeller Hinsicht den in § 47 Abs. 1 PatG genannten Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Beschluss zumindest insoweit entsprechen, dass es den Entscheidungsträger erkennen lässt. Bei der Aktenführung in Papierform wird insoweit verlangt, dass das betreffende Schriftstück die Unterschrift des Prüfers trägt, der die Entscheidung getroffen hat, weil anderenfalls nicht auszuschließen ist, dass es sich lediglich um einen unverbindlichen Entwurf oder um eine rein formularmäßige Mitteilung handelt (BPatG, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 10 W (pat) 19/02, BPatGE 47, 10, 11 – Formularmäßige Mitteilung; Beschluss vom 14. August 2008 – 11 W (pat) 16/08, BlPMZ 2009, 130 Unterschriftsmangel; Beschluss vom 10. August 2006 – 10 W (pat) 61/05, BlPMZ 2006, 415 – Paraphe; Schulte, a. a. O., § 47 Rn. 8). Ist – wie im Streitfall – die Mitteilung im Rahmen der elektronischen Aktenführung elektronisch erstellt worden, ist dementsprechend anstelle der eigenhändigen Unterschrift des Entscheidungsträgers eine elektronische Signatur nach § 5 Abs. 2 EAPatV erforderlich, damit einem Dokument die Qualität eines Beschlusses zuerkannt werden kann.
Die Mitteilung vom 20. März 2012 erfüllt diese Voraussetzung nicht. Sie nennt lediglich die zuständige Organisationseinheit und erwähnt nicht einmal in Maschinenschrift den Namen eines Bearbeiters, der für die Mitteilung verantwortlich zeichnen soll.
Auch von ihrem Inhalt her geht die Mitteilung vom 20. März 2012 nicht über einen bloßen formularmäßigen Hinweis hinaus. Zwar wird der Anmelderin darin mitgeteilt, dass ihr Verfahren vor dem DPMA beendet sei. Dies geschieht allerdings unter Verwendung eines standardisierten Textes, in dem unter Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen des PCT darauf hingewiesen wird, dass die Wirkung der internationalen Anmeldung beendet sei, da die Anmelderin innerhalb der hierfür maßgeblichen Frist die Anmeldegebühr nicht vollständig entrichtet habe. Damit erfasst die Mitteilung zwar auch den dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem die Anmelderin innerhalb der Frist zwar eine Gebühr, jedoch – jedenfalls nach Auffassung des DPMA - nicht in ausreichender Höhe bezahlt hat. Allerdings fehlen nähere Ausführungen zum konkreten Fall gänzlich. Insbesondere setzt sich die Mitteilung nicht mit der die Besonderheit des Streitfalls ausmachenden und zwischen der Anmelderin und dem DPMA strittigen Frage nach der Bemessungsgrundlage für die nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung gemäß Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG auseinander. Damit weist die Mitteilung vom 20. März 2012 nicht den Charakter einer Entscheidung in der Sache auf und entspricht damit auch nicht den Anforderungen, die in materieller Hinsicht für eine Einordnung einer amtlichen Mitteilung als beschwerdefähigen Beschluss gelten.
2. Da die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist, weil kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss ergangen ist, kann nicht geprüft werden, ob die Beschwerde begründet ist. Wenn die Anmelderin an einer gerichtlichen Entscheidung über die Frage, wonach sich die nationale Gebühr gemäß Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG bemisst, interessiert ist, wird sie zunächst das DPMA zum Erlass eines beschwerdefähigen Beschlusses veranlassen müssen. Insoweit weist der Senat jedoch darauf hin, dass er mit Beschluss vom 25. Juli 2013 - 10 W (pat) 2/13, dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, entschieden hat, dass sich die Höhe der nationalen Gebühr, die der Anmelder eines Patents nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. den Vorschriften des Patentkostengesetzes zu zahlen hat, nach der Anzahl der Patentansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung der internationalen Anmeldung richtet.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist nicht begründet.
Bei einer unzulässigen Beschwerde fehlt es nicht per se an einem Rechtsgrund, da auch eine unzulässige Beschwerde eine existente Beschwerde ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 122).
Zwar kann nach § 80 Abs. 3 PatG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Davon ist nach ständiger Rechtsprechung dann auszugehen, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung ein Beschluss nicht ergangen wäre und damit die Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (Schulte, a. a. O., § 80 Rn. 111 f., § 73 PatG Rn. 124). Das ist hier indessen nicht der Fall. Das DPMA hat der Anmelderin zwar am 24. Februar 2012 noch mitgeteilt, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei, und die Anmelderin erst in der nunmehr angefochtenen Mitteilung vom 20. März 2012 darauf hingewiesen, dass das Verfahren mangels ausreichender Gebührenzahlung beendet sei. Eine verfahrensfehlerhafte Sachbehandlung durch das DPMA, die die Rückzahlung der Beschwerdegebühr geboten erscheinen ließe, kann darin jedoch nicht gesehen werden. Wie im Beschluss vom 25. Juli 2013 - 10 W (pat) 2/13 ausgeführt, ist die Mitteilung vom 24. Februar 2012 im Zusammenhang mit der Mitteilung des Aktenzeichens lediglich als formularmäßiger Hinweis darauf zu verstehen, dass nunmehr die Prüfung der Anmeldung durch das DPMA beginne. Eine verbindliche und abschließende Entscheidung darüber, dass die Voraussetzungen für die Einleitung der nationalen Phase vorlägen und insbesondere der von der Anmelderin eingezahlte Betrag als vollständige Gebührenzahlung anzusehen sei, ist damit nicht verbunden. Diese Mitteilung konnte daher weder bei der Anmelderin einen Vertrauenstatbestand in dem Sinne begründen, dass sie von einer ordnungsgemäßen Einleitung der nationalen Phase und insbesondere einer ausreichenden Gebührenzahlung ausgehen durfte, noch hat sie das DPMA in der Weise gebunden, dass dieses seine Auffassung zur Bemessungsgrundlage der nationalen Gebühr im Laufe des Verfahrens nicht hätte noch ändern können. Dass die Prüfungsstelle des DPMA für die Mitteilung über die Verfahrensbeendigung nicht sogleich die Form eines beschwerdefähigen Beschlusses gewählt hat, ist nicht zu beanstanden, hätte sie sich doch anderenfalls dem Vorwurf ausgesetzt, die Anmelderin zur Einlegung einer Beschwerde zu zwingen, ohne ihr vorher Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. Es wäre vielmehr an der Anmelderin gewesen, sich zunächst formlos gegen die Mitteilung vom 20. März 2012 zu wenden und so die Prüfungsstelle zum Erlass eines beschwerdefähigen Beschlusses zu veranlassen.
4. Da die Beschwerde wegen fehlender Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen war, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 79 Abs. 2 Satz 2 PatG).
Rauch Püschel Kober-Dehm prö