1 Ni 12/12 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 12/12 (EP) (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In der Patentnichtigkeitssache An Verkündungs Statt zugestellt am 12.12.2012 Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 321 839 (DE 602 17 280)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2012 durch die Präsidentin Schmidt sowie die Richter Voit, Dipl.-Ing. Groß, Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. Müller für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent EP 1 321 839 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 321 839 (Streitpatent), das am 10. Dezember 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität einer US-amerikanischen Patentanmeldung US 337 151 vom 10. Dezember 2001 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 602 17 208 geführt. Es betrifft ein System zum Schneiden von Formen, die in einer fortlaufenden Abfolge eines plattenförmigen Materials enthalten sind und umfasst in der erteilten Fassung 25 Ansprüche, die alle angegriffen sind. Die nebengeordneten Ansprüche 1 und 20 lauten in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt:
-4In der deutschen Übersetzung haben diese Ansprüche folgenden Wortlaut:
Wegen der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf die Ansprüche 1 bzw. 20 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 19 und 21 bis 25 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 321 839 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch erfinderisch. Zu Begründung trägt sie vor, im Stand der Technik habe es zum Prioritätszeitpunkt bereits Systeme mit den Merkmalen des Streitpatentgegenstandes gegeben. Hierzu bietet sie Zeugenbeweis an und beruft sich im Übrigen auf folgende Druckschriften und Dokumente:
K3 WO 99/51386 A1 K3.1 Übersetzung der WO 99/51386 A1 in Deutsch K4 EP 0 494 433 A2 K5 DE 35 19 806 A1 K6 WO 97/08376 A1 K7 DE 693 10 519 T2 K8 Angebot 44-02-00 vom 15.02.2000 der Schuler Held Lasertechnik an TRW Thompson Ramo Wooldridge mit Bestellung Kamera-Messsystem für Airbag-Stoffpositionierung an My Optical Systems GmbH K8.1 Eidesstattliche Versicherung Herr Philipp Ritter K9 Schreiben vom 26.04.2001 der Schuler Held Lasertechnik GmbH & Co. KG an Berger Seiba Techntex GmbH & Co. KG, das Angebot Nr. 126-02-01M betreffend K9.1 Angebot 126-02-01 M2 vom 08.08.2001 der Schuler Held Lasertechnik an Berger Seiba Technotek (BST) K9.2 Telefax vom 02.07.2001 der Schuler Held Lasertechnik an BST K10a Bestellung vom 11.10.2001 eines Kamera-Messsystems durch die Firma Schuler Held Lasertechnik an die Firma My Optical Systems gemäß Angebot vom 25.7.2001 K10b Vorveröffentlichung einer entsprechenden Remote-Schneidanlage im Jahre 2000 in Sinsheim auf der Messe Control, Sensor 2001 in Nürnberg sowie der Messe Laser in München 2001 durch die Firma My Optical Systems GmbH, Industriestr. 9, 63796 Kahl K11 Produktbeschreibung und Bedienungsanleitung „M-Finder" Stand September 2001 K12 Eidesstattliche Versicherung des Herrn Marius Jurca, damaliger Geschäftsführer der Firma My Optical Systems GmbH K13 Kopie Auftragsbestätigung der Firma My Optical Systems zur Messe Sensor 2001 in Sinsheim über eine Kücheneinheit.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 321 839 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass die Patentansprüche 1 und 2 beziehungsweise 20 und 21 der erteilten Fassung kombiniert werden und sich die in der Nummerierung und in den Rückbezügen angepassten Ansprüche 2 bis 18 unmittelbar oder mittelbar auf den neuen Anspruch 1 und die in der Nummerierung angepassten Ansprüche 20 bis 23 unmittelbar oder mittelbar auf den neuen Anspruch 19 rückbeziehen (Hilfsantrag I),
weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass die Patentansprüche 1, 2 und 15 sowie 20 und 21 der erteilten Fassung kombiniert werden und sich die in der Nummerierung und in den Rückbezügen angepassten Ansprüche 2 bis 17 unmittelbar oder mittelbar auf den neuen Anspruch 1 und die in der Nummerierung angepassten Ansprüche 18 bis 22 unmittelbar oder mittelbar auf den neuen Anspruch 18 rückbeziehen (Hilfsantrag II).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 22. Februar 2012, eingegangen am 7. August 2012, Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Beklagte die Streichung des in den Ansprüchen 19 des Hilfsantrags I bzw. 18 des Hilfsantrags II eingefügten Merkmals der absoluten Bewegung und verzichtete auf die Stellung weiterer Hilfsanträge, insbesondere der im Schriftsatz vom 22. Februar 2012 angekündigten und nicht ausformulierten Hilfsanträge (S. 7 des Schriftsatzes vom 22. Februar).
Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist begründet und führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, denn das Streitpatent ist weder in der erteilten Fassung noch in einer der hilfsweise verteidigten Fassungen patentfähig (Art. II § 6 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ.
I.
1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft eine Vorrichtung zum Schneiden von Formen, welche in einer fortlaufenden Abfolge eines plattenförmigen Materials enthalten sind.
In bestimmten Fällen sei es gemäß Streitpatentschrift erwünscht, eine Form zu lokalisieren und auszuschneiden, die bereits auf dem Material gedruckt oder in anderer Weise, z. B. in gewebter Form darauf vorhanden ist. Das Ausschneiden von Formen oder Mustern, deren Koordinaten im Material unveränderlich festliegen, sei mit einer Reihe von Herausforderungen verknüpft, darunter, den Schneideansatzpunkt zu lokalisieren, und entlang den vorgegebenen Schneidelinien der Form oder innerhalb eines bestimmten Toleranzbereichs zu schneiden. Diese Herausforderungen werden in Situationen vergrößert, in denen sich das Material fortlaufend bewege, wobei das Material sich vom Beginn bis zum Ende des Schneidens verzerren könne.
Im Stand der Technik sei es bekannt, ein optisches System zu benutzen, das dazu verwendet werden könne, einen Ansatzpunkt zu lokalisieren, wobei jedoch bisher die Kamera eines solchen optischen Systems von der Schneidvorrichtung getragen werde, und deshalb nur seriell anwendbar sei, um innerhalb eines sorgfältig begrenzten Bereichs nach dem Ansatzpunkt zu suchen und dann zurückzusetzen, um den Schneideprozess zu beginnen. Ein anderes Verfahren zum Ausschneiden der Form bestehe darin, Grenzen oder Schneidelinien der Form mit Kennzeichnungsmarkierungen vorzumarkieren, und dann die Markierung mit einer Schneidevorrichtung zu verfolgen. Das Ausschneiden vordefinierter Formen aus einem sich bewegenden bahnförmigen Material sei jedoch noch nicht in zufriedenstellender Weise realisiert.
2. Demzufolge ist mit Patentanspruch 1 in der erteilten und gemäß der Beklagten verteidigten Fassung (Hauptantrag) Folgendes beansprucht (Merkmalsgliederung hinzugefügt): ein
1.1 Verfahren zum Ausschneiden von mindestens einer Form (S), 1.2 die in einem bahnförmigen Material (10) vordefiniert ist, 1.1.1 wobei die mindestens eine vordefinierte Form (S) ein Muster (P) mit vorgegebener Geometrie aufweist, und 1.1.2 mindestens eine Bezugsmarkierung (F, F2 ...) aufweist, 1.2. wobei die eine oder jede der mehreren Bezugsmarkierungen (F, F2 ...)
mit vorgegebenen Koordinaten in dem Muster (P) korrespondieren, gekennzeichnet durch 1.3.1 Lokalisieren der globalen Koordinaten von einer oder mehreren lokalisierten Bezugsmarkierungen (F, F2....), die mit einer lokalisierten Form (S) der mindestens einen Form (S) korrespondieren, mit einem optischen System (12), 1.3.2 während sich das bahnförmige Material (10) relativ zu dem optischen System (12) und relativ zu einem Schneidesystem (11) bewegt;
1.4.1 Schneiden des Musters (P) für die lokalisierte Form (S), wobei das Muster (P) relativ zu der oder den lokalisierten einen oder mehreren Bezugsmarkierungen (F, F2 ...) überlagert wird,
1.4.2 während gleichzeitig die globalen Koordinaten der folgenden einen oder mehreren Bezugsmarkierungen (F, F2 ...) für mindestens eine folgende Form (S) in dem sich bewegenden bahnförmigen Material (10) lokalisiert wird; und
1.5.1 im Wesentlichen fortlaufendes Wiederholen der gleichzeitigen Vorgänge des Schneidens der lokalisierten Form (S),
1.5.2 während die globalen Koordinaten von einer oder mehreren folgenden Bezugsmarkierungen (F, F2,...) für die mindestens eine folgende Form (S) lokalisiert werden.
Außerdem ist mit Patentanspruch 20 in der erteilten und gemäß der Beklagten verteidigten Fassung (Hauptantrag) Folgendes beansprucht (Merkmalsgliederung hinzugefügt): eine
20. Vorrichtung zum Schneiden einer vordefinierten Form (S) in einem bahnförmigen Material (10),
gekennzeichnet durch: 20.1 ein Schneidesystem (11) zum Ausschneiden in der Vorbeibewegung, um ein Muster (P) in das bahnförmige Material (10) zu schneiden, wobei das Schneidesystem (11) in globalen Koordinaten bekannt ist; 20.2 ein optisches System (12) zum Lokalisieren globaler Koordinaten von mindestens einer Bezugsmarkierung (F, F2 ... ) in dem bahnförmigen Material (10), die mit vordefinierten Koordinaten in dem Muster (P) korrespondieren; 20.3 Aufbau (16, 11, 12) zum Veranlassen einer relativen Bewegung, die im Wesentlichen fortlaufend ist, zwischen dem bahnförmigen Material (10) und dem optischen System und dem Schneidesystem (11, 12); 20.4 Mittel (22, 16) zum Ermitteln von Messwerten der genannten relativen Bewegung in globalen Koordinaten; und
20.51 eine Steuerung (22) zum Überlagern des Musters (P) mit der lokalisierten mindestens einen Bezugsmarkierung (F, F2,...),
20.52 so dass das Schneidesystem (11) das Muster (P) für die vordefinierte Form (S) im Wesentlichen gleichzeitig schneidet,
20.53 während das optische System (12) globale Koordinaten von einer folgenden mindestens einen Bezugsmarkierung (F, F2 ...) in dem bahnförmigen Material (10) lokalisiert.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
1.1 Verfahren zum Ausschneiden von mindestens einer Form (S), 1.2 die in einem bahnförmigen Material (10) vordefiniert ist, 1.1.1 wobei die mindestens eine vordefinierte Form (S) ein Muster (P) mit vorgegebener Geometrie und 1.1.2 mindestens eine Bezugsmarkierung (F, F2 ...) aufweist, 1.2. wobei die eine oder jede der mehreren Bezugsmarkierungen mit vorgegebenen Koordinaten in dem Muster (P) korrespondieren, dadurch gekennzeichnet, 2.01 dass das bahnförmige Material (10) im Wesentlichen fortlaufend 2.1 an einem optischen System (12) und 2.2 dann an einem Schneidesystem (11) 2.02 vorbei bewegt wird, 1.3’1 dass die globalen Koordinaten von einer oder mehreren lokalisierten Bezugsmarkierungen (F, F2....), die mit einer lokalisierten Form (S) der mindestens einen Form (S) korrespondieren, mit dem optischen System (12) lokalisiert werden, 1.3.2 während sich das bahnförmige Material (10) relativ zu dem optischen System (12) und relativ zu einem Schneidesystem (11) bewegt; 1.4’1 dass das Muster (P) für die lokalisierte Form (S) geschnitten wird, wobei das Muster (P) relativ zu der oder den lokalisierten einen oder mehreren Bezugsmarkierungen (F, F2...) überlagert wird,
1.4’.2 während gleichzeitig die globalen Koordinaten der folgenden einen oder mehreren Bezugsmarkierungen (F, F2...) für mindestens eine folgende Form (S) in dem sich bewegenden bahnförmigen Material (10) lokalisiert werden; und
1.5.1 im Wesentlichen fortlaufendes Wiederholen der gleichzeitigen Vorgänge des Schneidens der lokalisierten Form (S),
1.5.2 während die globalen Koordinaten von einer oder mehreren folgenden Bezugsmarkierungen (F, F2,...) für die mindestens eine folgende Form (S) lokalisiert werden.
Der Patentanspruch 19 gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt, wobei in Merkmal 21 das Wort „absolut“ antragsgemäß gestrichen ist (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
20. Vorrichtung zum Schneiden einer vordefinierten Form (S) in einem bahnförmigen Material (10),
gekennzeichnet durch: 20.1 ein Schneidesystem (11) zum Schneiden in der Vorbeibewegung, um ein Muster (P) in das bahnförmige Material (10) zu schneiden, wobei das Schneidesystem (11) in globalen Koordinaten bekannt ist; 20.2 ein optisches System (12) zum Lokalisieren globaler Koordinaten von mindestens einer Bezugsmarkierung (F, F2,... ) in dem bahnförmigen Material (10), die mit vordefinierten Koordinaten in dem Muster (P) korrespondieren; 20.3 Aufbau (16, 11, 12) zum Veranlassen einer relativen Bewegung, die im Wesentlichen fortlaufend ist, zwischen dem bahnförmigen Material (10) und dem optischen System und dem Schneidesystem (11, 12); 20.4 Mittel (22, 16) zum Ermitteln von Messwerten der genannten relativen Bewegung in globalen Koordinaten; und
20.51 eine Steuerung (22) zum Überlagern des Musters (P) mit der lokalisierten mindestens einen Bezugsmarkierung (F, F2,...),
20.52 so dass das Schneidesystem (11) das Muster (P) für die vordefinierte Form (S) im Wesentlichen gleichzeitig schneidet,
20.53 während das optische System (12) globale Koordinaten von einer folgenden mindestens einen Bezugsmarkierung (F, F2,...) in dem bahnförmigen Material (10) lokalisiert,
wobei der Aufbau zum Veranlassen einer relativen Bewegung (16, 11, 12) außerdem eine Fördervorrichtung zum Bewegen des bahnförmigen Materials im Wesentlichen fortlaufend von dem optischen System zu dem Schneidesystem aufweist.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II lautet wie folgt (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
1.1 Verfahren zum Ausschneiden von mindestens einer Form (S), 1.2 die in einem bahnförmigen Material (10) vordefiniert ist, 15 wobei die vordefinierte Form in das bahnförmige Material gewebt ist, 1.1.1 wobei die mindestens eine vordefinierte Form (S) ein Muster (P) mit vorgegebener Geometrie und 1.1.2 mindestens eine Bezugsmarkierung (F, F2 ...) aufweist, 1.2. wobei die eine oder jede der mehreren Bezugsmarkierungen mit vorgegebenen Koordinaten in dem Muster (P) korrespondieren, dadurch gekennzeichnet, 2.01 dass das bahnförmige Material (10) im Wesentlichen fortlaufend 2.1 an einem optischen System (12) und 2.2 dann an einem Schneidesystem (11) 2.02 vorbei bewegt wird, 1.3’1 dass die globalen Koordinaten von einer oder mehreren lokalisierten Bezugsmarkierungen (F, F2 ...), die mit einer lokalisierten Form (S) der mindestens einen Form (S) korrespondieren, mit dem optischen System (12) lokalisiert werden,
1.3.2 während sich das bahnförmige Material (10) relativ zu dem optischen System (12) und relativ zu einem Schneidesystem (11) bewegt;
1.4’1 dass das Muster (P) für die lokalisierte Form (S) geschnitten wird, wobei das Muster (P) relativ zu der oder den lokalisierten einen oder mehreren Bezugsmarkierungen (F, F2 ...) überlagert wird,
1.4’.2 während gleichzeitig die globalen Koordinaten der folgenden einen oder mehreren Bezugsmarkierungen (F, F2 ...) für mindestens eine folgende Form (S) in dem sich bewegenden bahnförmigen Material (10) lokalisiert werden; und
1.5.1 im Wesentlichen fortlaufendes Wiederholen der gleichzeitigen Vorgänge des Schneidens der lokalisierten Form (S),
1.5.2 während die globalen Koordinaten von einer oder mehreren folgenden Bezugsmarkierungen (F, F2 ...) für die mindestens eine folgende Form (S) lokalisiert werden.
Der Patentanspruch 18 gemäß Hilfsantrag II lautet wie folgt, wobei in Merkmal 21 das Wort „absolut“ antragsgemäß gestrichen ist (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
20. Vorrichtung zum Ausschneiden einer vordefinierten Form (S) in einem bahnförmigen Material (10),
wobei die vordefinierte Form in das bahnförmige Material gewebt ist, gekennzeichnet durch: 20.1 ein Schneidesystem (11) zum Schneiden in der Vorbeibewegung, um ein Muster (P) in das bahnförmige Material (10) zu schneiden, wobei das Schneidesystem (11) in globalen Koordinaten bekannt ist; 20.2 ein optisches System (12) zum Lokalisieren globaler Koordinaten von mindestens einer Bezugsmarkierung (F, F2 ... ) in dem bahnförmigen Material (10), die mit vordefinierten Koordinaten in dem Muster (P) korrespondieren;
20.3 Aufbau (16, 11, 12) zum Veranlassen einer relativen Bewegung, die im Wesentlichen fortlaufend ist, zwischen dem bahnförmigen Material (10) und dem optischen System und dem Schneidesystem (11, 12);
20.4 Mittel (22, 16) zum Ermitteln von Messwerten der genannten relativen Bewegung in globalen Koordinaten; und
20.51 eine Steuerung (22) zum Überlagern des Musters (P) mit der lokalisierten mindestens einen Bezugsmarkierung (F, F2,...),
20.52 so dass das Schneidesystem (11) das Muster (P) für die vordefinierte Form (S) im Wesentlichen gleichzeitig schneidet,
20.53 während das optische System (12) globale Koordinaten von einer folgenden mindestens einen Bezugsmarkierung (F, F2 …) in dem bahnförmigen Material (10) lokalisiert,
21. wobei der Aufbau zum Veranlassen einer relativen Bewegung (16, 11, 12) außerdem eine Fördervorrichtung zum Bewegen des bahnförmigen Materials im Wesentlichen fortlaufend von dem optischen System zu dem Schneidesystem aufweist.
II.
1. Der Wortlaut der Patentansprüche bedarf der Erläuterung, wobei der Senat als Fachmann einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Automatisierungstechnik mit Universitäts- oder Hochschulausbildung zugrunde legt, der Steuerungen für Laserschneidanlagen sowie die dazugehörige Software entwickelt:
Gemäß Streitpatent soll eine vordefinierte Form S aus einem beliebigen Ausgangsmaterial, das näherungsweise endlos vorliegt, an einer bestimmten Stelle ausgeschnitten werden. Ein Grund diese Form nicht an einer beliebigen Stelle auszuschneiden, sondern an einer ganz bestimmten, ist zumindest in den unabhängigen Patentansprüchen nicht angegeben.
Beispiele dafür sind in Absatz [0037] der T2-Schrift genannt. Demnach kann die Form aufgedruckt oder eingewebt sein. Insbesondere wenn das Bahnmaterial keinen kleinteiligen Rapport hat oder sogar unterschiedliche Flächen ausgeschnitten werden sollen (vgl. mit einem Malbuch für Kleinkinder), muss die Schneidvorrichtung - bevorzugt wohl ein Laserstrahl - durch eine Steuerungsvorrichtung auf der richtigen Schnittlinie geführt werden.
Die Schnittlinie der Form S, ist als Muster P bezeichnet. Zur Steuerung des Schneidesystems wird nicht die gesamte Schnittlinie optisch abgetastet, sondern nur einzelne Punkte, die im Streitpatent Bezugsmarkierungen genannt werden. Diese Markierungen müssen unbedingt auf dem Bahnmaterial körperlich vorhanden sein.
Das Muster P, also die Schnittlinie, auf der das Schneidesystem geführt wird, ist in deren Steuervorrichtung gespeichert. Demnach wird durch die Bezugsmarkierungen, der Steuerung mitgeteilt, wo sie die Schnittlinie auf das Bahnmaterial zu platzieren hat, damit im Ergebnis die vordefinierte Form S genau an der richtigen Stelle ausgeschnitten wird.
Die Lage der einzelnen erkannten Bezugsmarkierungen muss in das Koordinatensystem der Maschine umgerechnet werden (=globales Koordinatensystem), damit diese wiederum anhand der Koordinaten der Bezugsmarkierungen und dem Muster P, die Bewegungsbahn der Schneidvorrichtung berechnen werden kann. Diesen Berechnungsschritt nennt das Streitpatent überlagern.
2.1 Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) ergibt sich bei Berücksichtigung des Vorstehenden in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik und ist daher nicht patentfähig (Art 56 EPÜ, Art 52 Abs. 1 EPÜ).
Das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist durch das aus der WO 99/51386 A1 (K3) – vgl. Figuren 5A-E – bekannte Verfahren nahe gelegt. Daraus ist, in den Worten des Streitpatents ausgedrückt, folgendes bekannt (Die Zitatstellen sind der deutschen Übersetzung K3.1 entnommen): Ein
1.1
1.2
1.1.1
1.1.2 1.2.
Verfahren zum Ausschneiden von mindestens einer Form 121, 131, 137, die in einem bahnförmigen Material 22 vordefiniert ist (Seite 32, 1. Satz), wobei die mindestens eine vordefinierte Form 121, 131, 137 ein Muster mit vorgegebener Geometrie aufweist (Seite 24, 2. Satz) und mindestens eine Bezugsmarkierung 28, 28’, 28’’ aufweist, wobei die eine oder jede der mehreren Bezugsmarkierungen mit vorgegebenen Koordinaten in dem Muster korrespondieren (Seite 32, 2. Satz).
Weiter ist aus dieser Druckschrift bekannt:
1.31
1.3.2 1.4.1 Lokalisieren der globalen Koordinaten (Seite 20, letzter Satz; Seite 32, 2. Absatz, 1. Satz) von einer oder mehreren lokalisierten Bezugsmarkierungen 28 (Seite 32, 3. Satz), die mit einer lokalisierten Form 121, 131, 137 der mindestens einen Form 121, 131, 137 korrespondieren, mit einem optischen System (Erfassungssensor 44), während sich das bahnförmige Material 22 relativ zu dem optischen System 44 und relativ zu einem Schneidesystem 40, 42 bewegt (Seite 32, 1. Absatz, letzter Satz); Schneiden des Musters für die lokalisierte Form 121, 131, 137, wobei das Muster relativ zu der oder den lokalisierten einen oder mehreren Bezugsmarkierungen 28 überlagert wird (Seite 23, 2. Absatz, Sätze 2 bis 4; Seite 24, Absatz 1; Seite 32, 2. Absatz),
1.4.2teilw während gleichzeitig anschließend werden die globalen Koordinaten der folgenden einen oder mehreren Bezugsmarkierungen 28 für mindestens eine folgende Form 121, 131, 137 in dem sich bewegenden bahnförmigen Material 22 lokalisiert (Seite 33, 2. Absatz, 1. Satz); und
1.5.1 im Wesentlichen fortlaufendes Wiederholen der gleichzeitigen Vorgänge des Schneidens der lokalisierten Form (Seite 15, Zeilen 1 bis 2; Seite 33, 2. Absatz),
1.5.2 während die globalen Koordinaten von einer oder mehreren folgenden Bezugsmarkierungen 28 für die mindestens eine folgende Form 121, 131, 137 lokalisiert werden (Seite 33, 2. Absatz, letzter Satz).
In der zum Merkmal 1.4.2 aus der K3.1 zierten Textstelle (Seite 33, 1. Absatz, 1. Satz) ist zwar angegeben, dass die nachfolgende Bezugsmarkierung 28´ detektiert wird, wenn der Scanner 42 das Schneiden der vorausgehenden Form beendet hat. Ein Vergleich dieser Aussage mit den Figuren 5A und 5B ergibt jedoch, dass die Ausgangssignale 28, 28´, 28´´ des Erfassungssensors – Kennlinie Fig. 5B (2) - jeweils bereits beginnen, bevor die vorangehenden Schneidvorgänge für die Formen 121, 131, 137 abgeschlossen sind – Kennlinien Fig. 5B (3) … (5). Auch die zeichnerische Darstellung in Figur 5A, wonach der Erfassungssensor 44, in Bewegungsrichtung der Bahn 22 betrachtet, deutlich vor dem Schneidwerkzeug (Scanner 22) angeordnet ist, deutet darauf hin, dass die Bezugsmarkierungen 28 bereits lokalisiert werden, bevor der Schneidvorgang für die vorausgehenden Form beendet ist.
Somit muss der Fachmann bei der Nacharbeitung des Verfahrens gemäß der WO 99/51386 A1 zumindest in Betracht ziehen, die globalen Koordinaten der folgenden Bezugsmarkierungen 28 für die jeweils folgende Form 121, 131, 137 in dem sich bewegenden bahnförmigen Material 22 schon zu lokalisieren während die vorhergehende Form noch geschnitten wird.
Gleichermaßen sind in der WO 99/51386 A1 zu dem Erfassungssensor 44 zwar keine Einzelheiten genannt, optische Sensoren sind jedoch im Zusammenhang mit der Erkennung von Mustern und Zeichen derart gang und gäbe, dass der Fachmann selbstverständlich auch einen solchen in Betracht zieht.
Somit muss der Fachmann nicht erfinderisch tätig werden, um in Kenntnis des Verfahrens gemäß WO 99/51386 A1 (K3) zum Gegenstand des Patentanspruchs gemäß Hauptantrag zu gelangen. Somit ist der erteilte Patentanspruch 1 nicht bestandsfähig.
Der auf eine Vorrichtung gerichtete Patentanspruch 20 gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem Patentanspruch 1 lediglich in einer anderen Kategorie formuliert, ohne diesem inhaltlich etwas hinzuzufügen, das über das aus der WO 99/51386 A1 (K3) Bekannte hinausginge.
Somit beruht der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 20 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I ergibt sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und ist daher nicht patentfähig (Art. 56 EPÜ, Art. 52 Abs. 1 EPÜ).
Über den erteilten Patentanspruch 1 hinaus ist im Hilfsantrag I neben sprachlichen Anpassungen, die Merkmalsgruppe genannt, wonach das bahnförmige Material (10) im Wesentlichen fortlaufend an einem optischen System (12) und dann an einem Schneidesystem (11) vorbei bewegt wird.
Auch dies ist bereits durch die WO 99/51386 A1 (K3) vorweggenommen (vgl. Fig. 5A in Verbindung mit K3.1, Seite 15, 2. Absatz und Seite 17, 2. Absatz), wonach das bahnförmige Material 22 im Wesentlichen fortlaufend an einem optischen System 44 und dann an einem Schneidesystem 40, 42 vorbei bewegt wird.
Somit beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der auf eine Vorrichtung gerichtete Patentanspruch 19 gemäß Hilfsantrag I ist gegenüber dem Patentanspruch 1 lediglich in einer anderen Kategorie formuliert, ohne diesem inhaltlich etwas hinzuzufügen, das über das aus der WO 99/51386 A1 (K3) Bekannte hinausginge.
Somit beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 19 gemäß Hilfsantrag I ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II ergibt sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und ist daher nicht patentfähig (Art. 56 EPÜ, Art. 52 Abs. 1 EPÜ).
Über den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I hinaus ist im Hilfsantrag II lediglich zusätzlich angegeben, dass die vordefinierte Form in das bahnförmige Material gewebt ist.
Der Fachmann verbindet mit der Verwendung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I bei einem gewebten bahnförmigen Material keine Besonderheiten, die eine bestimmte konkrete Ausgestaltung des Verfahrens zur Folge hätten. Das zusätzlich genannten Merkmal geht somit über den bloßen Ver- wendungszweck nicht hinaus und muss daher bei der Untersuchung des Verfahrens auf seine Patentfähigkeit unberücksichtigt bleiben. Das Gleiche trifft für den nebengeordneten auf die Vorrichtung gerichteten Patentanspruch 18 zu.
Daher geht der Hilfsantrag II inhaltlich nicht über den des Hilfsantrags I hinaus. Es gilt somit das zum Hilfsantrag I Gesagte.
2.4 Bezüglich der weiteren auf die erteilten Patentansprüche 1 oder 20 direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche hat die Beklagte nicht geltend gemacht, dass diese eigenständig eine erfinderische Tätigkeit umfasst würden. Auch der Senat sieht hierfür keine Anhaltspunkte. Diese Patentansprüche teilen daher das Schicksal der nicht patentfähigen Patentansprüche 1 sowie 20.
3. Die Vorbehalte der Beklagten bezüglich der Relevanz der WO 99/51386 A1 (K3) gehen fehl, insbesondere zur Bedeutung der dort als „registration marks 28“ bezeichneten Bezugsmarkierungen.
So mag es zwar zutreffen, dass die Bezugsmarkierungen gemäß der WO 99/51386 A1 (K3) auch der Geschwindigkeitsmessung und der Synchronisierung von Abläufen dienen. Darüber hinaus ist in dieser Druckschrift offenbart, dass die Bezugsmarken zur Kalibrierung für jeden einzelnen Schneidvorgang dienen (K3.1, Seite 32, 1. Absatz, Mitte), dass anhand der Bezugsmarkierung die Daten des aktuell zu schneidenden Musters aus der Steuerung abgerufen werden (K3.1, Seite 32, 2. Absatz. Satz 1) sowie das Verzerrungen im Material mithilfe der Bezugsmarkierung ausgeglichen werden, damit beliebig viele, auch unterschiedliche Formen jeweils an der gewünschten Stelle der sich bewegenden Bahn geschnitten werden können (K3.1, Seite 23. 2. Absatz).
Ebenso mag es zutreffen, dass mit dem Verfahren gemäß WO 99/51386 A1 (K3) auch Formen an beliebiger Stelle der sich bewegenden Bahn ausgeschnitten werden können. Konkret ist jedoch der Fall genannt, bei dem am Anfang der Verarbei- tung eine Rollendruckmaschine steht (K3.1, Seite 16, 2. Absatz). Durch das Bedrucken werden im Sinne des Streitpatents bestimmte Formen vordefiniert.
Es ist im Übrigen unerheblich, dass es einen umfangreichen Stand der Technik gibt, der das Vorliegen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht in Frage stellt, den die Beklagte anhand der Perforation einer Toilettenpapierrolle verdeutlicht hat. Zu berücksichtigen ist vielmehr regelmäßig der nächstkommende Stand der Technik, anhand dessen der Fachmann Anlass hatte, zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen.
Daran bleibt jedenfalls aufgrund des Offenbarungsumfangs der WO 99/51386 A1 (K3) kein Zweifel, so dass das Streitpatent keinen Bestand haben kann.
4. Da das Streitpatent keinen Bestand hat, brauchte nicht geklärt werden, ob die von der Klägerin behauptete Vorbenutzung in der Öffentlichkeit tatsächlich stattgefunden hat und ob deren Gegenstand dem Fortbestand des Patents entgegen gestanden hätte.
Vielmehr konnte anhand der vorliegenden Patentliteratur und aufgrund eigener Sachkenntnis des Senats abschließend entschieden werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Schmidt Voit Groß Dr. Scholz Müller Ko