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V ZR 162/24

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES V ZR 162/24 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:180925UVZR162.24.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, die Richterin Haberkamp, die Richter Dr. Hamdorf und Dr. Malik und die Richterin Laube für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29. Juli 2024 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 15. Dezember 1994 (im Folgenden: Kaufvertrag) verkaufte die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihren Geschäftsbereich „Fernwärmeversorgung" nebst Grundstücken und bestehender Infrastruktur an eine Rechtsvorgängerin der Beklagten. In § 21 Abs. 2 des Kaufvertrages sagte die Verkäuferin zu, künftige Mieter zu verpflichten, ihre Wärmeversorgung nur durch die Käuferin durchführen zu lassen. Nunmehr betreibt die Beklagte auf dem Gelände eines Industrieparks das Fernwärmenetz nebst Wärmeübergabestationen in Form einer Ringleitung, von der die Heizwasserzuleitungen zu den einzelnen Abnahmestellen abgehen. Zwei dieser Stationen befinden sich in den auf dem Grundstück der Klägerin errichteten Fabrik- und Verwaltungsgebäuden. Die Beklagte versorgte das Grundstück der Klägerin bis zum 31. Dezember 2014 mit Fernwärme. Seitdem ist die Wärmeversorgung durch die Beklage eingestellt.

Die Klägerin begehrt - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - die Beseitigung der zu dem Primärkreislauf gehörenden Anlagenteile in den beiden Gebäuden der Klägerin, soweit sie sich jeweils hinter dem ersten Absperrventil befinden, und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ab der jeweiligen Absperreinrichtung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Beseitigungsanspruch hinsichtlich der innenliegenden Rohre des Primärsystems, der Fernwärmeübergabestationen und der Wärmetauscher hinter der jeweiligen ersten Absperrarmatur. Diese gehörten nicht zur Heiztrasse und könnten problemlos entfernt werden. Die Klägerin treffe aufgrund der Vereinbarung in § 21 Abs. 2 des Kaufvertrags keine Duldungspflicht im Sinne von § 1004 Abs. 2 BGB. Soweit danach bei bestehenden und zukünftigen Mietverträgen die Mieter verpflichtet werden sollen, ihre Wärmeversorgung nur durch die Käuferin durchführen zu lassen, handele es sich um einen unzulässigen und deshalb unwirksamen Vertrag zulasten Dritter.

II.

Die Revision hat Erfolg und führt gemäß § 562 Abs. 1 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Umfang der Anfechtung. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Anspruch der Klägerin gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der hinter dem jeweils ersten Absperrventil in den Gebäuden liegenden Fernwärmeeinrichtungen der Beklagten annimmt, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Rechtsfehlerfrei bejaht das Berufungsgericht allerdings eine Eigentumsbeeinträchtigung der Klägerin durch die Beklagte. Die Fernwärmeeinrichtungen in den Gebäuden der Klägerin stellen Scheinbestandteile dieser Gebäude im Sinne des § 95 Abs. 2 BGB dar, die im Eigentum der Beklagten stehen (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 35/05, BGHZ 165, 184 Rn. 25; BGH, Urteil vom 5. Dezember 2023 - KZR 101/20, NZBau 2024, 231 Rn. 42 ff.). Es gehört zu der dem Eigentümer durch § 903 BGB garantierten umfassenden Sachherrschaft, fremde Gegenstände von dem eigenen Grundstück fernzuhalten, so dass diese Gegenstände bis zu ihrer Entfernung allein durch ihre Anwesenheit eine Quelle fortdauernder Eigentumsstörungen sind (vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 2003 - V ZR 175/02, NJW- RR 2003, 953, 954). Ein solcher Zustand ist durch die im Eigentum der Beklagten stehenden Fernwärmeeinrichtungen in den Gebäuden der Klägerin verwirklicht.

2. Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Annahme, der Beseitigungsanspruch sei nicht nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Regelung in § 21 Abs. 2 des Kaufvertrags einen unwirksamen Vertrag zulasten Dritter darstelle und deshalb keine Duldungspflicht begründen könne.

a) Ob die Vertragsparteien durch die Vereinbarung in § 21 Abs. 2 des Kaufvertrags, in der die Rechtsvorgängerin der Klägerin zusagt, künftige Mieter zu verpflichten, ihre Wärmeversorgung nur durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten durchführen zu lassen, eine unmittelbare Verpflichtung der Mieter zum Bezug von Fernwärme begründen wollten, ist allerdings Gegenstand der tatrichterlichen Vertragsauslegung. Die Auslegung einer Individualabrede gemäß §§ 133, 157 BGB kann von dem Revisionsgericht nur darauf überprüfen werden, ob der Tatrichter die gesetzlichen und allgemein anerkannten Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zu Grunde gelegten Tatsachen ohne Verfahrensfehler ermittelt hat (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 18. Dezember 2015 - V ZR 191/14, NZM 2016, 278 Rn. 24 mwN).

b) Die Auslegung ist in diesem Rahmen jedoch zu beanstanden, weil sie in sich widersprüchlich ist. Das Berufungsgericht nimmt im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Duldungspflicht der innenliegenden Fernwärmeeinrichtungen ohne Begründung an, dass § 21 Abs. 2 des Kaufvertrags einen unwirksamen Vertrag zulasten Dritter darstellt und deshalb keine Duldungspflicht der Klägerin zu begründen vermag. Es verweist insoweit allein auf seine vorstehenden Ausführungen zu § 21 Abs. 2 des Kaufvertrags, in denen es aber gerade offenlässt, ob die Regelung in diesem Sinne zu verstehen ist. Damit fehlt es an einer tragfähigen Begründung für die Annahme einer Unwirksamkeit der Vereinbarung.

III.

Nach den in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Feststellungen (§ 559 ZPO) kann der Senat über einen Beseitigungsanspruch nicht abschließend befinden. Sie ergeben weder das Fehlen einer Duldungspflicht mit der Folge, dass das Berufungsurteil insoweit aus anderen Gründen richtig wäre (§ 561 ZPO), noch ist es dem Senat möglich, von einem Ausschluss des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 2 BGB auszugehen und selbst auf Abweisung der gesamten Klage zu erkennen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, und die Sache ist im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht das Verbot, Verträge zulasten Dritter zu schließen, der Wirksamkeit der in § 21 Abs. 2 des Kaufvertrags getroffenen Abrede allerdings nicht entgegen; mit dieser Begründung lässt sich eine vertragliche Duldungspflicht nicht verneinen.

a) Ein unzulässiger und deshalb unwirksamer Vertrag zulasten Dritter liegt vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten - ohne seine Autorisierung - entstehen soll (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2022 - VIII ZR 305/20, BGHZ 233, 54 Rn. 25; Urteil vom 12. Oktober

- VIII ZR 50/11, NZM 2012, 558 Rn. 15; Urteil vom 29. Juni 2004 - VI ZR 211/03, NJW 2004, 3326, 3327).

b) Nach diesen Grundsätzen stellt die in § 21 Abs. 2 des Kaufvertrags vereinbarte Pflicht zur Weitergabe der Fernwärmebezugsverpflichtung an die Mieter der Rechtsvorgängerin der Klägerin keine unzulässige und deshalb unwirksame Vereinbarung zulasten Dritter dar. Die Regelung soll bereits nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar die jeweiligen Mieter verpflichten, ihre Fernwärme über die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu beziehen. Vielmehr begründet sie nur eine Pflicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin, in bestehende oder zukünftig abzuschließende Mietverträge Regelungen aufzunehmen, durch welche die Mieter einwilligen, ihre Fernwärme von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu beziehen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat in dem Kaufvertrag lediglich in zulässiger Weise eine eigene vertragliche Verpflichtung begründet, indem sie die Leistung eines Dritten versprochen hat, ohne die Rechtsstellung des Dritten unmittelbar in irgendeiner Weise zu beeinflussen (vgl. MüKoBGB/Gottwald, 9. Aufl., § 328 Rn. 264).

c) Gleichwohl ist die Sache im Hinblick auf eine vertragliche Duldungspflicht nicht entscheidungsreif; denn das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine auf die weiteren Einwände der Klägerin bezogenen Feststellungen getroffen.

2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen auch nicht die Annahme, die Klägerin habe alle Fernwärmeeinrichtungen in ihren Gebäuden als Folge der auf ihrem Grundstück zugunsten des Grundstücks der Beklagten lastenden Grunddienstbarkeit (Leitungsrecht für Energieerzeugungs- und -verteilungsanlagen nebst Kontrollschächten und Wegerecht) zu dulden. Anders als der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat, kann der Senat nicht ohne weiteres annehmen, dass die Grunddienstbarkeit auch die Einrichtungen hinter dem ersten Absperrventil erfasst; das Berufungsgericht geht hiervon offenbar nicht aus, begründet dies aber nicht näher.

3. Das Berufungsgericht wird daher - auch unter Berücksichtigung der Schriftsätze aus dem Revisionsverfahren - nunmehr zu klären haben, ob sich die Beklagte wegen der zwischenzeitlich erfolgten Übertragungsvorgänge auf eine aus dem Kaufvertrag ergebende Duldungspflicht überhaupt berufen kann und ob sich aus § 21 Abs. 2 des Kaufvertrags inhaltlich eine Pflicht zur Duldung der jeweils hinter dem ersten Absperrventil liegenden Fernwärmeeinrichtungen ergibt. Unabhängig davon kommt in Betracht, dass eine solche Pflicht jedenfalls durch den Vergleichsschluss vom 1./5. August 2008 und das vereinbarte Ende des Fernwärmebezugs der Klägerin entfallen ist. Schließlich stellt sich ggf. die Frage, ob aus der Grunddienstbarkeit zugunsten des Grundstücks der Beklagten eine Duldungspflicht folgt.

Brückner Haberkamp Hamdorf Malik Laube Vorinstanzen: LG Magdeburg, Entscheidung vom 01.11.2023 - 2 O 1224/20 OLG Naumburg, Entscheidung vom 29.07.2024 - 12 U 154/23 - Verkündet am: 18. September 2025 Rinke, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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