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11 W (pat) 1/07

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 1/07

_______________________

(Aktenzeichen)

BESCHLUSS In der Beschwerdesache …

betreffend die Patentanmeldung 10 2005 046 459.9 hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 22. August 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dr.-Ing. Höchst sowie die Richter v. Zglinitzki, Dr.-Ing. Fritze und Dipl.-Ing. Univ. Fetterroll beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C 21 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. September 2006 aufgehoben und das Patent 10 2005 046 459 mit den Anmeldungsunterlagen vom 21. September 2005 erteilt.

Gründe I.

Mit Beschluss vom 19. September 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse C 21 D des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patentanmeldung vom 21. September 2005 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung von kaltgefertigten Präzisionsstahlrohren“

mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Prüfungsstelle hat die Druckschriften

(1) JP 62263924 A, Zusammenfassung, veröffentlicht in Patent Abstracts of Japan vom 16. November 1987,

(2) WO 02/103070A1 und (3) JP 61213344 A, Zusammenfassung, veröffentlicht in Patent Abstracts of Japan vom 22. September 1986 herangezogen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie vertritt die Ansicht, dass der Fachmann keineswegs zu einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1) und (2) komme, weil in beiden Schriften völlig unterschiedliche Verfahren angesprochen würden.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen.

Der Anspruch 1 der Anmeldung lautet:

„Verfahren zur Herstellung von kaltgefertigten insbesondere kaltgezogenen Präzisionsstahlrohren zur Anwendung insbesondere als druckbeaufschlagte Zylinderrohre mit folgender chemischer Zusammensetzung (Gew.-%): C = 0,05 - 0,25 Si = 0,15 – 1,0 Mn = 1,0 – 3,5 Al = 0,020 – 0,060 V max. 0,20 N max. 0,15 S max. 0,03 mit optionaler Zugabe eines oder mehrerer Legierungselemente von Cr, Mo, Ni, W, Ti oder Nb sowie erschmelzungsbedingten Verunreinigungen, wobei ein nahtlos warmgefertigtes oder aus einem Warmband hergestelltes geschweißtes Vorrohr mit definiertem Ausgangszustand in einem Zug oder in mehreren Zügen zu einem Fertigrohr gezogen und das Rohr vor dem Fertigzug einer Vergütungsbehandlung unterzogen wird.“

Diesem Anspruch schließen sich die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 an.

Zu deren Wortlaut und weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Zurückweisungsgrund der mangelnden Patentfähigkeit ist nicht gegeben.

1. Die Anmeldung betrifft nach den Angaben in der Beschreibung - hier zusammenfassend wiedergegeben - ein Verfahren zur Herstellung von kaltgefertigten, insbesondere kaltgezogenen, Präzisionsstahlrohren (vgl. S. 1, erster Absatz). Unter Temperaturbedingungen von bis zu -20°C könne aufgrund von Sprödbruchneigung bei unter Druck stehenden Zylindern oder Rohren bisheriger Werkstoffe die Gefahr von Personen- und oder Sachschäden nicht sicher ausgeschlossen werden (S. 2, fünfter Absatz). Die im Kerbschlagbiegeversuch für das fertige Rohr ermittelte Kerbschlagarbeit könne mit dem bislang angewandten Herstellungsverfahren jedoch nicht auf das erforderliche Niveau angehoben werden (S. 2, letzter Abs.).

Die Aufgabe soll sein, ein Verfahren zur Herstellung kaltgefertigter, insbesondere kaltgezogener Präzisionsstahlrohre zur Anwendung insbesondere als druckluftbeaufschlagte Zylinderrohre anzugeben, mit dem auf einfache und kostengünstige Weise ein weitgehend duktiles Versagen des Rohres auch bei Einsatztemperaturen von bis zu -20°C sicher erreicht werden kann (S. 3, erster Abs.).

Der mit der Lösung dieser Aufgabe betraute Fachmann hat einen Hochschulabschluss in der Fachrichtung Werkstofftechnik erlangt und verfügt über mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Wärmebehandlung von Stahlrohren.

Nach dem Patentanspruch 1 löst die Anmelderin das Problem mit einem Verfahren zur Herstellung von kaltgefertigten insbesondere kaltgezogenen Präzisionsstahlrohren, wobei vor dem Fertigziehen das Rohr einer Vergütungsbehandlung unterzogen wird. Der Ausdruck kaltgefertigt gibt dem Fachmann die Anweisung, das Rohr dem Werkzeug für den Fertigzug oder die Fertigzüge zuzuführen, nachdem es auf Raumtemperatur abgekühlt ist. Aus dem Begriff Präzisionsstahlrohr folgt, dass mit dem anmeldungsgemäßen Verfahren ein Rohr aus einem Werkstoff auf Eisenbasis hergestellt werden soll, der weniger als 2 Gew.-% Kohlenstoff und zudem weitere Elemente enthält, wobei der Massenanteil an Eisen größer sein muss als der jedes anderen Elements. Der Anspruch 1 enthält genaue Bereichsangaben zwar lediglich zu den Massenanteilen an Kohlenstoff, Silizium, Mangan, Aluminium, Vanadium, Stickstoff und Schwefel, wogegen die jeweilige Menge eines oder mehrerer optional zuzufügender Elemente Chrom, Molybdän, Nickel, Wolfram, Titan oder Niob nicht angegeben ist. Deren Bemessung kann der Fachmann hier dennoch nicht als beliebig annehmen, denn für die anspruchsgemäßen kaltgefertigten Präzisionsstahlrohre sollen unlegierte Stähle zum Einsatz kommen. Dies stellt die Beschreibung klar, die heranzuziehen wäre, wenn in dieser Hinsicht Zweifel über den Schutzbereich des Anspruchs beständen, (S. 2, dritter Abs. und S. 4, letzter Abs. i. V. m. den Figuren 1 und 2). Darin und auch im Unteranspruch 2 werden die bevorzugten Obergrenzen für die Zugabe der optionalen Elemente konkret benannt (S. 3, letzter Abs.). Der Begriff Vergütungsbehandlung definiert das beanspruchte Verfahren insoweit, als er bereits aus sich heraus dem Fachmann vermittelt, dass das Werkstück einem klassischen Härten mit anschließendem Anlassen unterworfen werden soll. Die Beschreibung enthält zur Klarstellung zusätzlich einen entsprechenden Hinweis (S. 4, erster Abs.).

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist patentfähig.

Die Prüfungsstelle hat in ihrer Begründung zu dem angegriffenen Beschluss richtigerweise ausgeführt, dass die gewerbliche Anwendbarkeit des Verfahrens gemäß dem Anspruch 1 der Anmeldung ohne weiteres anzuerkennen ist und auch zu Recht festgestellt, dass es neu ist.

Zu der ihrer Meinung nach fehlenden Patentfähigkeit hat die Prüfungsstelle auf den Seiten 4 und 5 der Beschlussbegründung sinngemäß dargelegt, aus Druckschrift (1), sei ein Verfahren zur Herstellung von zähen Stahlrohren aus anmeldungsgemäß zusammengesetzten Stählen bekannt, wobei die Rohre warmgewalzt würden, wogegen die Rohre nach dem Patentanspruch 1 kalt gezogen würden. Dies liege für den Fachmann jedoch nahe, da aus Druckschrift (2) hervorgehe, dass die Zähigkeit oder Duktilität von Stahlrohren auch durch Ziehen bei einer Temperatur von 800°C oder darunter erhöht werden könne. Das schließe auch das Kaltziehen, also das Ziehen bei Raumtemperatur, mit ein. Unter diesen Umständen könne nicht anerkannt werden, dass der Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (S. 4, letzter Abs. und S. 5, erster Abs. des Zurückweisungsbeschlusses).

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, weil der Fachmann bereits keinen Anlass hat, zur Lösung der gestellten Aufgabe die Druckschrift (1) heranzuziehen. Diese befasst sich nicht mit der Herstellung eines kaltgefertigten Präzisionsstahlrohrs, sondern betrifft – allgemein - ein Verfahren zur Herstellung eines zähen Stahlrohrs. Sollte der Fachmann die Druckschrift (1) dennoch berücksichtigen, ist daraus das anmeldungsgemäße Verfahren jedenfalls nicht nahe gelegt. Die Rohrluppe (the rolled steel) wird dort wiedererwärmt auf einen Temperaturbereich zwischen dem Ac1-Umwandlungspunkt (das entspricht gemäß dem Zustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff etwa 723°C, Anmerkung des Senats) und dem Ac1Umwandlungspunkt minus 200°C. Dann wird der Stahl einer diametralen Reduzierung um 5% in der Fläche unterworfen (diametral reducing at 5% reduction in area) und an Luft abgekühlt, um das gewalzte Stahlrohr zu erhalten, das im Wesentlichen aus Martensit besteht (the steel …is air-cooled to obtain the rolled steel pipe essentially consisting of martensite). Demnach wird dort der Endzustand des Rohres letztlich durch eine Warmumformung und ein Härten erreicht, wogegen bei dem Verfahren der Anmeldung die Rohreigenschaften durch eine Kombination aus einer Vergütungsbehandlung und einer anschließenden Kaltverfestigung eingestellt werden.

Auch die weitere Druckschrift (2) legt das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht nahe. Sie betrifft wie Druckschrift (1) eine Methode zur Herstellung eines Stahlrohrs mit hoher Duktilität. Ein Verfahren zur Herstellung kaltgefertigter Stahlrohre offenbart sie nicht. Der Fachmann hat somit auch hier schon keinen Anlass, diese Druckschrift zur Lösung der gestellten Aufgabe heranzuziehen. Eine Umformung erfolgt dort unter Bedingungen, bei denen zur Zeit des Endes eines Streckreduzierens die Temperatur 800°C oder weniger beträgt (…subjecting a steel pipe…to a stretch reducing …wherein …the temperature at the time of the finish of the stretch reducing is 800°C or lower…). Die Bereichsangabe „800°C oder weniger“ ist zwar nach unten offen, das lässt jedoch - jedenfalls ohne Kenntnis des anmeldungsgemäßen Verfahrens und ohne dieses Merkmal in unzulässiger Weise isoliert von den anderen in dieser Druckschrift angegebenen Verfahrensmerkmalen zu betrachten - nicht zwingend die Folgerung zu, dass dort ein Streckreduzieren erst nach der Abkühlung des Rohres auf Raumtemperatur erfolgt. Das stände auch nicht im Einklang damit, dass nach dem Streckreduzieren das Rohr auf 600 bis 850°C gehalten oder auf 600 bis 850°C wieder aufgeheizt werden soll (…then holding at or heating again to a temperature of 600 to 850°C…).

Die anmeldungsgemäß vorgesehene Kombination einer Vergütungsbehandlung mit einer abschließenden Kaltverfestigung kann für den Fachmann somit auch aus einer Zusammenschau von Merkmalen aus den Druckschriften (1) und (2) nicht nahe gelegt sein. Vielmehr ist anzuerkennen, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 der Anmeldung gegenüber dem sich aus den Druckschriften (1) und (2) ergebenden Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die Berücksichtigung der außerdem noch im Prüfungsverfahren ermittelten Druckschrift (3) führt zu keiner anderen Bewertung der Patentfähigkeit gegenüber dem Stand der Technik. Sie betrifft zwar ebenfalls ein nahtloses Stahlrohr hoher Zähigkeit, wobei diese Eigenschaft jedoch allein über die chemische Zusammensetzung und eine Vergütungsbehandlung reguliert wird. Umformungsschritte sind darin nicht offenbart. Die Prüfungsstelle hat die Druckschrift (3) zu Recht lediglich in Zusammenhang mit den Unteransprüchen herangezogen.

3. Der Anspruch 1 stützt die Ansprüche 2 bis 10, welche keine selbstverständlichen Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 betreffen. Sie sind zusammen mit dem Anspruch 1 gewährbar.

Da die Patentanmeldung auch die übrigen formalen Erfordernisse erfüllt, ist dem Antrag der Beschwerdeführerin somit stattzugeben und das Patent wie beantragt zu erteilen.

Dr. Höchst v. Zglinitzki Dr. Fritze Fetterroll Bb

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