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2 Ni 14/13 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 14/13 (EP) (Aktenzeichen)

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL An Verkündungs Statt zugestellt am:

15. Mai 2015 …

In der Patentnichtigkeitssache …

BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 659 501 (DE 598 14 082)

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2015 unter Mitwirkung des Richters Merzbach als Vorsitzendem sowie der Richter Paetzold, Dipl.-Ing. Baumgardt, Dipl.-Phys. Dr. Forkel und Dipl.-Ing. Hoffmann für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 659 501 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhält:

1. Digitales Buch zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen, umfassend ein Gehäuse mit einem Hauptteil (1) und zumindest einem Nebenteil (2), wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil derart angeordnet sind, dass das Gehäuse buchartig um genau eine Klappachse (A) eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist,

eine Anzeigeeinheit mit mindestens einem Bildschirm (3, 4),

wobei im Drehgelenk eine Schnittstelle zur Stromversorgung des digitalen Buchs angeordnet ist,

wobei die Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist,

wobei die Schnittstelle eine Führungs- und Versorgungsöffnung (7') aufweist,

wobei in der Führungs- und Versorgungsöffnung Gegenkontakte (8') für die Stromzuführung angeordnet sind,

wobei die Führungs- und Versorgungsöffnung zylindrisch derart ausgebildet ist, dass die Längsachse der Führungsund Versorgungsöffnung koaxial zu der Klappachse liegt.

2. Digitales Buch nach Anspruch 1, wobei die Schnittstelle im Bereich einer Seite, insbesondere der Unterseite, des Drehgelenks angeordnet ist.

3. Digitales Buch nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Schnittstelle zur Übertragung von Datensignalen von oder zu anderen Informationsverarbeitungssystemen ausgebildet ist.

4. Digitales Buch nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei die Schnittstelle zur bidirektionalen und/oder seriellen Übertragung von Datensignalen ausgebildet ist.

5. Digitales Buch nach Anspruch 4, wobei die Führungs- und Versorgungsöffnung Gegenkontakte (9') für die Zu- und Abführung von Information aufweist.

6. Digitales Buch nach einem der vorangegangenen Ansprüche, weiterhin umfassend eine Steuereinheit (10) mit Mitteln zur Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung und Wiedergabe von Informationen.

7. Digitales Buch nach einem der vorangegangenen Ansprüche, weiterhin umfassend zumindest eine Bedienungseinheit (6) mit Bedienungselementen zur Benutzung des digitalen Buchs als lnformationsaufnahme-/-bearbeitungs-/-wiedergabeeinrichtung.

8. Digitales Buch nach Anspruch 7, wobei die Bedienungselemente Kombinationstastenelemente umfassen, die insbesondere im Greifrandbereich angeordnet sind.

9. Digitales Buch nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil mechanisch und/oder elektrisch trennbar miteinander verbunden sind.

10. Digitales Buch nach einem der Ansprüche 1 - 8, wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil fest miteinander verbunden sind, ohne dass vorgesehen ist, die Teile voneinander trennen zu können.

11. Digitales Buch nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei die Anzeigeeinheit zumindest zweiteilig ausgebildet und derart angeordnet ist, dass der Hauptteil mit zumindest einem Bildschirm und der zumindest eine Nebenteil mit zumindest einem Bildschirm im aufgeklappten Zustand des Gehäuses dem Benutzer wie Seiten eines Buches zur Ansicht zur Verfügung stehen.

12. Digitales Buch nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil einen Buchrückenteil (BR) bilden, der zur Aufnahme einer, insbesondere wiederaufladbaren, Batterie (B) zur Stromversorgung ausgebildet ist.

13. Digitales Buch nach Anspruch 12, wobei der Buchrückenteil das Drehgelenk umfasst und das Drehgelenk zur Aufnahme der Batterie ausgebildet ist.

14. Digitales Buch nach Anspruch 13, wobei das Drehgelenk zur Aufnahme einer zylinderförmigen Batterie derart ausgebildet ist, dass die Längsachse der Batterie koaxial zur Klappachse liegt.

15. Digitales Buch nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei die Steckverbindung als Haltevorrichtung zum Aufstellen des digitalen Buchs in einer Versorgungseinheit (VE) ausgebildet ist.

16. System umfassend ein digitales Buch nach einem der vorangegangenen Ansprüche und eine Versorgungseinheit Aufnahmeöffnung (VE') und Versorgungsstift (7),

(VE) mit einer einem Führungs- und wobei das digitale Buch im zugeklappten Zustand des Gehäuses zur Zu- und Abführung von Information, zur Zuführung von Energie und zur Aufbewahrung des digitalen Buchs mittels des Führungs- und Versorgungsstifts einsteckbar ist.

II. Aus Änderungen der Beschreibung des Streitpatents gegenüber der Beschreibung gemäß der Stammanmeldung, welche als WO 99 / 15 982 A1 veröffentlicht ist, können keine Rechte hergeleitet werden.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 2/3 und die Klägerin 1/3.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 21. September 1998 in deutscher Sprache angemeldeten und am 22. August 2007 veröffentlichten europäischen Patents EP 1 659 501 B1 – im Folgenden Streitpatent genannt – mit der Bezeichnung „Anzeigevorrichtung mit einer Schnittstelle im Drehgelenk“, gegen welches am 31. Januar 2013 Nichtigkeitsklage erhoben wurde.

Das Streitpatent ist durch Teilung aus der Stammanmeldung 98 950 065.7 (welche als EP 1 015 994 B1 patentiert wurde) entstanden. Diese Stammanmeldung geht zurück auf eine PCT-Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer WO 99 / 15 982 A1 (in deutscher Sprache) und nimmt die Priorität der deutschen Vor-Anmeldung DE 197 41 453 A1 vom 19. September 1997 in Anspruch.

Das Streitpatent umfasst 18 Patentansprüche. Der Hauptanspruch ist auf eine „Anzeigevorrichtung“ gerichtet, die Ansprüche 2 bis 17 sind darauf unmittelbar oder mittelbar zurückbezogene Unteransprüche. Der formal nebengeordnete Anspruch 18 ist auf ein „System“ gerichtet, umfassend eine Anzeigevorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 17 sowie eine Versorgungseinheit, in welche die Anzeigevorrichtung einsteckbar ist.

Die Beklagte verteidigt ihr Patent im Umfang der mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014 (Bl. 168 ff. d. A.) als Hauptantrag eingereichten Ansprüche 1 bis 17 (Bl. 176 - 178 d. A.). Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, welcher auf einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 4, 5 und 6 beruht und darüber hinaus klarstellt, dass sich der Anspruch auf eine „digitale Anzeigevorrichtung zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen“ bezieht, hat danach folgenden Wortlaut (die Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind unter- bzw. durchgestrichen):

Digitale Anzeigevorrichtung, insbesondere zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen, umfassend ein Gehäuse mit einem Hauptteil (1) und zumindest einem Nebenteil (2), wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil derart angeordnet sind, dass das Gehäuse buchartig um genau eine Klappachse (A) eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist,

eine Anzeigeeinheit mit mindestens einem Bildschirm (3, 4),

dadurch gekennzeichnet, dass wobei im Drehgelenk eine Schnittstelle zur Stromversorgung und/ oder zur Übertragung von Datensignalen von oder zu anderen Informationsverarbeitungssystemen angeordnet ist,

wobei die Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist,

wobei die Schnittstelle eine Führungs- und Versorgungsöffnung (7') aufweist,

wobei in der Führungs- und Versorgungsöffnung Gegenkontakte (8') für die Stromzuführung angeordnet sind,

wobei die Führungs- und Versorgungsöffnung zylindrisch derart ausgebildet ist, dass die Längsachse der Führungs- und Versorgungsöffnung koaxial zu der Klappachse liegt.

Die Unteransprüche 2 und 3 entsprechenden denselben Ansprüchen der erteilten Fassung. Hinsichtlich des Wortlauts der neu gefassten Unteransprüche 4 und 5 wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 1. Dezember 2014 (Bl. 176 d. A.) verwiesen. Die weiteren Unteransprüche 6 bis 16 sowie der formal nebengeordnete Anspruch 17 gehen auf die erteilten Unteransprüche 7 bis 18 zurück mit entsprechend angepassten Rückbezügen.

Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent im Umfang der ebenfalls mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014 vorgelegten Ansprüche 1 bis 8 nach Hilfsantrag I (Bl. 179 - 180 d. A.) sowie der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag II.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I hat folgenden Wortlaut (die Änderungen gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sind markiert):

Digitale Anzeigevorrichtung zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen, umfassend ein Gehäuse mit einem Hauptteil (1) und zumindest einem Nebenteil (2), wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil Einteilige Ausgangsbasis mit einem Bildschirm und einer angekoppelten Laptoptastatur,

wobei die Ausgangsbasis und die angekoppelte Laptoptastatur derart angeordnet sind, dass sie das Gehäuse buchartig um genau eine Klappachse (A) eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist,

eine Anzeigeeinheit mit mindestens einem Bildschirm (3, 4),

wobei im Drehgelenk eine Schnittstelle zur Stromversorgung angeordnet ist,

wobei die Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist,

wobei die Schnittstelle eine Versorgungsöffnung (7') aufweist,

Führungsund wobei in der Führungs- und Versorgungsöffnung Gegenkontakte (8') für die Stromzuführung angeordnet sind,

wobei die Führungs- und Versorgungsöffnung zylindrisch derart ausgebildet ist, dass die Längsachse der Führungs- und Versorgungsöffnung koaxial zu der Klappachse liegt.

Die Unteransprüche 2 bis 6 nach Hilfsantrag I entsprechen denselben Ansprüchen des Hauptantrags, Unteranspruch 7 basiert auf den Ansprüchen 13 und 14, und Unteranspruch 8 entspricht Anspruch 15 des Hauptantrags, jeweils mit der Maßgabe, dass das Merkmal „Anzeigevorrichtung“ des Hauptantrags durch „Ausgangsbasis mit angekoppelter Laptoptastatur“ ersetzt wurde.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II, welcher im Wesentlichen das Merkmal „Digitale Anzeigevorrichtung“ im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch „Digitales Buch“ ersetzt, hat danach folgenden Wortlaut (die Änderungen gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sind markiert):

Digitales Anzeigevorrichtung Buch zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen, umfassend ein Gehäuse mit einem Hauptteil (1) und zumindest einem Nebenteil (2), wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil derart angeordnet sind, dass das Gehäuse buchartig um genau eine Klappachse (A) eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist,

eine Anzeigeeinheit mit mindestens einem Bildschirm (3, 4),

wobei im Drehgelenk eine Schnittstelle zur Stromversorgung des digitalen Buchs angeordnet ist,

wobei die Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist,

wobei die Schnittstelle eine Versorgungsöffnung (7') aufweist,

Führungsund wobei in der Führungs- und Versorgungsöffnung Gegenkontakte (8') für die Stromzuführung angeordnet sind,

wobei die Führungs- und Versorgungsöffnung zylindrisch derart ausgebildet ist, dass die Längsachse der Führungs- und Versorgungsöffnung koaxial zu der Klappachse liegt.

Die weiteren Unteransprüche gemäß Hilfsantrag II entsprechen den Unteransprüchen 2 bis 5 sowie – nach Streichung von Unteranspruch 6 – den Unteransprüchen 7 bis 17 gemäß Hauptantrag (letztere neu nummeriert als Ansprüche 6 bis 16 mit entsprechend geänderten Rückbezügen) mit der Maßgabe, dass die Reihenfolge der Unteransprüche 3 und 4 gemäß Hauptantrag geändert wurde (nunmehr 4 und 3) sowie in sämtlichen Unteransprüchen das Merkmal „Anzeigevorrichtung“ durch „digitales Buch“ ersetzt wurde.

Die Klägerin hat im Nichtigkeitsverfahren insbesondere die folgenden Druckschriften und Unterlagen eingereicht:

NK2 NK3 NK5 NK6 NK7 NK8, 8a NK9, 9a NK10 NK11 NK12 NK13 NK14 NK15, 15a NK16 NK17 NK18 NK19 NK20, 20a NK21, 21a NK22 NK23 NK24 NK25 NK28 WO 99 / 15 982 A1 (Stammanmeldung) DE 197 41 453 A1 (Vor-Anmeldung) US 5 534 888 A *) **) Auszüge aus wikipedia über Scharniere und Gelenke Auszug aus dem Internet zu „Doppelscharnier“ JP H5 - 77 979 U JP H8 – 22 343 DE 42 18 179 A1 F.F. Mazda: “Elektronische Bauelemente verstehen und anwenden”

DE 93 09 032 U1 US 4 195 431 A EP 0 737 908 A1 JP H5 – 11 604 U US 5 436 954 A DE 42 23 354 A1 Auszug aus wikipedia über TRS-Stecker DE 195 46 786 A1 *) JP H5 – 66 857 JP H6 – 141 089 EP 0 396 009 A2 *) US 5 452 180 A EP 0 793 164 A2 US 5 636 462 A EP 1 659 501 A1 (Teilungsanmeldung)

*) siehe Patentschrift, Titelseite (INID-Code 56)

**) siehe Patentschrift, Absatz [0006] / [0007]

Unter Bezug auf diese Unterlagen macht die Klägerin geltend, das Streitpatent sei gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ wegen unzulässiger Erweiterung gegenüber dem Inhalt der früheren Anmeldung nichtig.

Dies gelte auch für die Fassung des nunmehr geltenden Hauptantrags sowie des Hilfsantrags I. Zudem offenbare das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Art. II § 6 (1) Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. b) EPÜ). Ferner sei der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des nunmehr geltenden Hauptantrags sowie der Hilfsanträge I und II gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ, Art. 52 - 57 EPÜ). Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der „unzulässigen Erweiterung“ wird auch geltend gemacht, dass die Priorität der DE 197 41 453 A1 zu Unrecht in Anspruch genommen werde.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent mit der Veröffentlichungsnummer EP 1 659 501 B1 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent im verteidigten Umfang richtet; hilfsweise, dem Streitpatent eine der Fassungen der Hilfsanträge I, vorgelegt mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014 (Bl. 179 - 180 d. A.) und II, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung, zu geben.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie hält den Gegenstand des Streitpatents für schutzfähig, jedenfalls in den Fassungen der Hilfsanträge; insbesondere sei eine unzulässige Erweiterung nicht gegeben. Ferner offenbare das Europäische Patent die Erfindung auch so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Die Klägerin hat gegenüber dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag II Verspätung gerügt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe Die zulässige Klage, mit der in Bezug auf den nunmehr geltenden Hauptantrag sowie die Hilfsanträge I und II neben dem Nichtigkeitsgrund mangelnder Patentfähigkeit (Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 Buchst. A) EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ) auch die Nichtigkeitsgründe der unzureichenden Offenbarung sowie der unzulässigen Erweiterung (Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Artikel 138 Absatz 1 Buchst. b und c) EPÜ) geltend gemacht werden, erweist sich überwiegend als begründet.

Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die von der Beklagten nur noch beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht (st. Rspr. vgl. BGHZ 170, 215 – Carvedilol II; GRUR 1996, 857 – Rauchgasklappe).

Die weitergehende Klage hat insoweit Erfolg, als das Streitpatent für nichtig zu erklären ist, soweit es über die von der Beklagten beschränkt verteidigte Fassung nach Hilfsantrag II hinausgeht. Dem Streitpatent steht sowohl in der beschränkt verteidigten Fassung gemäß Hauptantrag als auch in der Fassung des Hilfsantrags I bereits der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung gemäß Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Artikel 138 Absatz 1 Buchst. c) EPÜ entgegen. Die mit Hilfsantrag II verteidigte Fassung der Patentansprüche ist hingegen zulässig. Der Gegenstand des Streitpatents ist in diesem Umfang auch neu und wird dem Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt. In dieser Fassung ist das Streitpatent somit patentfähig und die Klage daher insoweit unbegründet.

I.

Soweit die Klägerin im Hinblick auf den erst in der mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2015 zur hilfsweisen Verteidigung des Streitpatents vorgelegten Hilfsantrag II die Verspätungsrüge nach § 83 Abs. 4 PatG erhoben hat, muss diese erfolglos bleiben.

Zwar fällt die Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents ausdrücklich unter die Präklusionsvorschrift des § 83 Abs. 4 Satz 1 PatG, wenn sie wie hier von der Beklagten erst nach Ablauf der nach § 83 Abs. 2 Satz 1 PatG gesetzten Frist vorgebracht wird. Eine Zurückweisung als verspätet kommt daher auch dann in Betracht, wenn die Verteidigung des Beklagten mit einem geänderten Patent tatsächliche oder rechtliche Fragen aufkommen lässt, die in der mündlichen Verhandlung nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand zu klären sind (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BlPMZ 2009, 307, 315). Kann das an sich verspätete Vorbringen dagegen noch ohne Weiteres in die mündliche Verhandlung einbezogen werden, ohne dass es zu einer Verfahrensverzögerung kommt, liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 83 Abs. 4 PatG nicht vor (Busse/Keukenschrijver, PatG 7. Aufl., § 83 Rn. 15 a. E.).

So liegt der Fall hier. Mit Hilfsantrag II beschränkt die Beklagte den Gegenstand des Streitpatents auf das ursprünglich beschriebene „digitale Buch zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen“. Nachdem der Senat sowohl im qualifizierten Hinweis vom 21. August 2014 als auch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die in Patentanspruch 1 der (nicht mehr verteidigten) erteilten Fassung allgemein beanspruchte „Anzeigevorrichtung“ wie auch die „digitale Anzeigevorrichtung zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen“ gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag bzw. die „Einteilige Ausgangsbasis mit einem Bildschirm und einer angekoppelten Laptoptastatur“ gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag I über den Gegenstand der Stammanmeldung und der Prioritätsunterlagen hinausgehen dürften, lag eine solche vom Senat auch im Hinweis vom 21. August 2014 bereits angedeutete und der Beseitigung der unzulässigen Erweiterung dienende Beschränkung zur Beseitigung durchaus nahe. Wenngleich – worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat – eine solche Beschränkung auch innerhalb der im Hinweis vom 21. August 2014 gesetzten Frist möglich gewesen wäre, so konnte die Patentfähigkeit der ansonsten gegenüber Hauptantrag bzw. Hilfsantrag I inhaltlich unveränderten Ansprüche nach Hilfsantrag II gleichwohl auf Grundlage des in das Verfahren eingeführten und zwischen den Parteien thematisierten Standes der Technik in der mündlichen Verhandlung erörtert und entschieden werden. Mit der Anspruchsfassung nach Hilfsantrag II waren keine tatsächlichen oder rechtliche Fragen verbunden, die in der mündlichen Verhandlung nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand zu klären gewesen wären, so dass der geänderte Antrag der Beklagten ohne weiteres in die mündliche Verhandlung einbezogen werden konnte. Dementsprechend hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch zu Hilfsantrag II Stellung genommen.

II.

1. Ausweislich der Beschreibung des Streitpatents (vgl. Absätze [0001] bis [0005]) betrifft die vorliegende Erfindung ein digitales Buch, d. h. eine mobile Anzeigevorrichtung, insbesondere zur Wiedergabe von Buch-, Zeitungs-, und Zeitschrifteninformationen und anderen Dokumentationen bzw. Publikationen in elektronischer bzw. digitaler Form mittels Text-, Grafik-, Foto- und/oder Video- und Audioinformationen zur Bedienung durch Laienanwender. Dank moderner Informationstechnologien sei es zwar möglich geworden, einen großen Teil des immer größer werdenden Informationsbedarfs über Computer zu produzieren, diese über beispielsweise Internet, Online-Dienste oder Datenbanken anzubieten oder in Form von CDs zu vermarkten; jedoch könnten diese nur über PCs, Laptops und Notebooks vom Verbraucher konsumiert werden. Somit müsse einer der vorgenannten Computer angeschafft, notwendige Applikationen installiert und ihre Anwendung beherrscht werden, bevor eine erste Publikation gelesen werden könne. Vorgenannte Gründe und die damit verbundenen Investitionskosten, der notwendige Zeitaufwand und das aus Sicht eines technischen Laien erforderliche Spezialwissen zur Installation und Bedienung von Hard- und Software machten es einem großen Teil der Bevölkerung schwer, den Vorteil elektronischer Publikationen zu nutzen. Laptops und Notebooks seien durch ihre konstruktionsbedingten baulichen Merkmale primär kein ergonomisches, d. h. handliches und reduziert zu bedienendes Informationsmittel zur Aufnahme z. B. von schöngeistiger Literatur oder zum Lesen von Berichten, Artikeln, Reportagen und Nachrichten aus Zeitschriften und Zeitungen oder zum Studieren von Publikationen in entspannter Haltung oder in Situationen, wo keine Auflagefläche vorhanden sei. Aufwand und Zeit zur Bedienung stünden oft in keiner Relation zu den häufig spontanen Anforderungen, die vielfach auch noch kurzfristig zu erledigen seien, z. B. das Nachschlagen von Informationen aus einem Lexikon, Telefonbuch oder einer Fernsehzeitschrift.

Ausgehend davon formuliert das Streitpatent als konkrete Aufgabenstellung, ein digitales Buch der eingangs genannten Art zu schaffen, das gegenüber dem Stand der Technik trotz kompakter Bauweise zum einen eine wesentlich vergrößerte Anzeigefläche und zum anderen eine für den Computerlaien leicht verständliche, benutzerfreundliche und einfache Handhabungsmöglichkeit bietet, um ihn in die Lage zu versetzen, umfangreiche Literatur lesen zu können, und um dem Benutzer somit auch gegenüber einem herkömmlichen voluminöseren und schwereren Buch den Vorteil zu bieten, beliebig viele Seiten über beispielsweise nur zwei digitale Buchseiten in handlicher Form zumindest lesen und/oder gegebenenfalls bearbeiten zu können. Dabei sollen nicht nur die Lese- und Sehgewohnheiten der konventionellen Buch-, Zeitschriften-und Zeitungsleser berücksichtigt, sondern auch ein sicheres und ergonomisches Halten und Bedienen in unterschiedlichen Situationen sichergestellt werden. Es werde bezweckt, eine schnelle und reduzierte Bedienung mit minimalen Haltungsänderungen beim Lesen zu ermöglichen (Absatz [0008]).

2. Der erteilte Patentanspruch 1 und der ihm formal nebengeordnete, jedoch auf einen der Ansprüche 1 bis 17 rückbezogene Patentanspruch 18 lehren hingegen für eine Anzeigevorrichtung mit einem mindestens zweiteiligen, um eine Drehachse auf- und zuklappbaren Gehäuse als Besonderheit eine Schnittstelle im Drehgelenk, d. h. sie befassen sich (nur) mit einem Teil-Aspekt der zuvor sehr allgemein dargestellten Problematik. Nach Absatz [0014] des Streitpatents ist eine solche Schnittstelle im Drehgelenk angeordnet „zur Kopplung mittels Kabelverbinder vorzugsweise mit Klinkenstecker, um unterschiedliche Vorrichtungen, Geräte und Einrichtungen mit dem Buch wirksam zu verbinden (Fig. 1, 2, 3, 5, 11, 25, 26) und/oder um als Halterung für die Buchstation zu dienen (Fig. 5) und das digitale Buch mittels Signalübertragung mit Dateninformationen und/oder Energie zu versorgen (Fig. 1)“; wodurch ermöglicht werde:

„a) ein unkompliziertes Anschließen; b) eine Vermeidung von Beschädigung bei unsachgemäßer Handhabung; c) eine Reduzierung der Schnittstellen und damit verbunden günstigere Herstellungskosten; d) ein kabel- und steckerfreier Buchrücken zum besseren Ablegen auf z. B. Tischfläche oder Schoß; e) eine Nutzung sowohl für Kabelanschluss wie auch für den Haltestift der Versorgungsstation; f) eine günstigere Symmetrie und Balance bei evtl. Zugentstehung durch angeschlossene Versorgungskabel; g) eine geringere Irritation durch störende Kabel; und h) eine Reduzierung des „technischen Eindruckes“ beim Benutzer.“

Der erteilte Patentanspruch 1, und mit ihm der auf ihn rückbezogene Nebenanspruch 18, liefern durch die Lehre einer „Schnittstelle im Drehgelenk“ auch bei objektiver Betrachtungsweise eine teilweise Lösung für diese Benutzerwünsche.

3. In der verteidigten Fassung nach Hauptantrag lautet der Patentanspruch 1 (hier mit einer vom Senat vorgenommenen Merkmalsgliederung):

(1a) Digitale Anzeigevorrichtung zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen, umfassend

(1b) ein Gehäuse mit einem Hauptteil (1) und zumindest einem Nebenteil (2),

(1c) wobei der Hauptteil und der zumindest eine Nebenteil derart angeordnet sind, dass das Gehäuse buchartig um genau eine Klappachse (A) eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist,

(1d) eine Anzeigeeinheit mit mindestens einem Bildschirm (3, 4),

(1e) wobei im Drehgelenk eine Schnittstelle zur Stromversorgung angeordnet ist,

(1f) wobei die Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung ausgebildet ist,

(1g) wobei die Schnittstelle eine Versorgungsöffnung (7‘) aufweist,

Führungsund

(1h) wobei in der Führungs- und Versorgungsöffnung Gegenkontakte (8‘) für die Stromzuführung angeordnet sind,

(1i) wobei die Führungs- und Versorgungsöffnung zylindrisch derart ausgebildet ist, dass die Längsachse der Führungsund Versorgungsöffnung koaxial zu der Klappachse liegt.

Der formal nebengeordnete Anspruch 17 gemäß Hauptantrag, welcher dem erteilten Anspruch 18 entspricht, ist auf ein „System“ gerichtet, welches u. a. eine „Anzeigevorrichtung nach einem der vorangegangenen Ansprüche“, d. h. des Anspruchs 1 bzw. der auf diesen Anspruch unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 16 umfasst. Er steht und fällt somit mit diesen Ansprüchen, eine separate Beurteilung ist nicht erforderlich.

4. In der Fassung nach Hilfsantrag I sind im Anspruch 1 die Merkmale (1a) bis (1d) durch folgende Merkmale (2a) bis (2c) ersetzt:

(2a) Einteilige Ausgangsbasis mit einem Bildschirm

(2b) und einer angekoppelten Laptoptastatur,

(2c) wobei die Ausgangsbasis und die angekoppelte Laptoptastatur derart angeordnet sind, dass sie um genau eine Klappachse eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist.

Daran schließen sich die Merkmale (1e) bis (1i) des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag an. Die Unteransprüche nehmen entsprechend Bezug auf diese „Ausgangsbasis mit angekoppelter Laptoptastatur“.

5. Der Hilfsantrag II unterscheidet sich von der Anspruchsfassung nach Hauptantrag i. w. dadurch, dass der Begriff „Anzeigevorrichtung“ durchgängig in „Digitales Buch“ abgeändert wurde. Außerdem wurde Merkmal (1e) des Patentanspruchs 1 klarstellend eingeschränkt:

(1e‘) wobei im Drehgelenk eine Schnittstelle zur Stromversorgung des digitalen Buches angeordnet ist.

6. Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine Anzeigevorrichtung mit einem mindestens zweiteiligen, um eine Drehachse auf- und zuklappbaren Gehäuse so weiterzubilden, dass u. a. die oben unter 2. genannten Benutzerwünsche befriedigt werden, ist ein Ingenieur der Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss und mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Konzeption und Entwicklung solcher mobiler Informationsgeräte anzusehen.

III.

In der Fassung des Hauptantrags steht dem Streitpatent bereits der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c) EPÜ) entgegen.

1. Das auf einer Teilanmeldung beruhende europäische Patent kann für nichtig erklärt werden, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ).

1.1 Maßgeblich für die Überprüfung, ob eine „unzulässige Erweiterung“ vorliegt, ist demnach die Stammanmeldung (Veröffentlichungsnr. EP 1 015 994 A1); dort wird auf die zugrundeliegende PCT-Anmeldung verwiesen, welche als WO 99 / 15 982 A1 veröffentlicht ist (NK2).

Nicht zu den maßgeblichen Unterlagen gehören die Prioritätsunterlagen (vgl. Busse, PatG, 7. Auflage (2013), § 34 Rn. 241). In dieser Hinsicht kann nur geprüft werden, ob der Zeitrang der Vor-Anmeldung (NK3) zu Recht in Anspruch genommen werden darf.

1.2 Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört im Zusammenhang mit der Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen „unmittelbar und eindeutig“ zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann erst aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (BGH GRUR 2010, 910 – Fälschungssicheres Dokument).

Zwar muss dabei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGH GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal, insbesondere Absatz 23 f.) das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung in einer Weise angewendet werden, die eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Der Anmelder darf weder auf die aufgezeigten Anwendungsbeispiele noch auf die ursprünglichen Patentansprüche beschränkt werden, ihm steht ein möglichst breiter Schutz zu (vgl. auch BGH GRUR 2013, 1210 – Dipeptidyl-PeptidaseInhibitoren).

Eine Grenze in dieser Richtung stellt jedoch die berechtigte Erwartung der Öffentlichkeit dar ,nicht durch Patentansprüche überrascht zu werden, welche aufgrund der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig zu erwarten waren (vgl. Stauder/Luginbühl: Europäisches Patentübereinkommen EPÜ, 6. Auflage (2013), Art. 123 Rn. 37, mit Verweis auf EPA T 1118/98 vom 23.01.2002, Nr. 8; ebenso Schulte, PatG, 9. Auflage (2013), § 21 Rn. 53). Dabei ist auch die ursprüngliche Anmeldung an den Fachmann gerichtet: „Der Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, dass er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll“ (BGH GRUR 2002, 49 – Drehmomentübertragungseinrichtung, II. Abschnitt 3 bb).

2. Dass auf Grundlage der Stammanmeldung (NK2) ein Patent ganz allgemein auf eine „Digitale Anzeigevorrichtung“ erteilt werden könnte, war für den Durchschnittsfachmann nicht unmittelbar und eindeutig zu erwarten.

2.1 In der Stammanmeldung kommt der Begriff „Anzeigevorrichtung“ nicht vor. Erst in der Teilungsanmeldung EP 1 659 501 A1 (NK28) vom 3. November 2005 sind die Patentansprüche verallgemeinernd auf eine „Anzeigevorrichtung“ gerichtet, doch lässt sich auch in der dortigen Beschreibung der Begriff „Anzeigevorrichtung“ nicht finden. Insbesondere die Einfügung im Absatz [0001] des Streitpatents: „Die vorliegende Erfindung betrifft ein digitales Buch, d. h. eine mobile Anzeigevorrichtung“, wie auch weitere Anpassungen in diesem Sinne erfolgten erst im Laufe des Prüfungsverfahrens der Teilungsanmeldung.

2.2 Der Fachmann entnimmt beim Lesen der Stammanmeldung deutlich nur die Intention, ein „digitales Buch“ zu verbessern. Sämtliche Ansprüche sind dort auf ein solches „digitales Buch“ gerichtet. Darüber hinaus werden Laptops oder Notebooks ausdrücklich als Stand der Technik genannt, der für den Anwendungszweck der ursprünglichen Anmeldung geradezu ungeeignet sei (siehe NK2 Seite 1 Zeile 24 bis 28, Seite 2 Zeile 4 bis 25).

Insofern erkennt der Fachmann in der Stammanmeldung eine starke Abgrenzung ihres Gegenstands gegenüber bekannten Computern. Das „digitale Buch“ soll sich von Laptops und Notebooks insbesondere durch „benutzerfreundliche und einfache Handhabungsmöglichkeiten“ (siehe z. B. NK2 Seite 3 Zeile 25 bis 30) unterscheiden und den Benutzer gerade nicht durch einen zu sehr an der Computertechnik orientierten Eindruck abstoßen (NK2 Seite 4 Zeile 5 bis 11). Auch zur Schnittstelle im Drehgelenk (NK2 z. B. Seite 6 Zeile 10 ff.) wird betont, dass die einfache Handhabbarkeit im Vordergrund steht, ferner gemäß Seite 7 Unterpunkt h: Reduzierung des „technischen Eindrucks“ beim Benutzer. Textstellen, in denen die einzelnen beschriebenen Verbesserungen „verallgemeinert“ würden, sind nicht zu finden.

Demgegenüber stellt der Gattungsbegriff „Digitale Anzeigevorrichtung zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen“ des Hauptantrags eine Verallgemeinerung dar, welche Laptops und Notebooks mit umfasst.

Weil aber die ursprüngliche Anmeldung Laptops und Notebooks für den Fachmann erkennbar nicht mit einbezog, ist eine nachträgliche, diese Geräte umfassende Verallgemeinerung unzulässig. Der Fachmann hätte nicht damit gerechnet, dass ausgehend von NK2 ein Patent auch auf Laptops oder Notebooks erteilt werden würde.

2.3 Der dagegen gerichteten Argumentation der Beklagten kann nicht gefolgt werden.

Sie vertritt die Auffassung, der Gattungsbegriff „Digitale Anzeigevorrichtung zur Wiedergabe von Text und/oder Bildinformationen“ sei in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart. Auf den Seiten 3 ff. der Teilanmeldung (NK28) würden unterschiedliche Aspekte beschrieben, welche unterschiedliche Probleme lösten und eigenständige Erfindungen darstellten, was sich auch in der großen Zahl unabhängiger Patentansprüche der NK2 zeige. Nicht jeder dieser Aspekte stelle eine Lösung für alle in der Beschreibungseinleitung genannten Probleme dar. Es sei zu berücksichtigen, dass die meisten der dort genannten Nachteile keinerlei Zusammenhang mit dem durch das Streitpatent geschützten Gegenstand hätten.

Die ursprüngliche Anmeldung (NK2) beschreibe eine Vielzahl ein-, zwei- und mehrteiliger Geräte in unterschiedlichsten Ausführungsformen. Der Begriff „digitales Buch“ habe in diesem Zusammenhang keine einschränkende Bedeutung, vielmehr würden die erfindungsgemäßen Gegenstände durch ihre zusätzlichen strukturellen Merkmale charakterisiert. Für den Fachmann sei durch den Begriff „digitales Buch“ bei keinem dieser Gegenstände eine zusätzliche Einschränkung erkennbar. Vielmehr sei für ihn unmittelbar ersichtlich, dass der Vorteil der patentierten Schnittstelle im Drehgelenk, nämlich die verbesserte Ausnutzung des vorhandenen Bauraums und die daraus resultierende Möglichkeit zur Verringerung des Gesamtvolumens, gleichermaßen für Laptops, Notebooks und elektronische Bücher gelte, welche allesamt in der Beschreibungseinleitung genannt würden. Es finde sich an keiner Stelle der NK2 die Aussage, dass die Erfindung nicht auch Notebooks oder Laptops umfassen solle.

Dazu verweist die Beklagte ausdrücklich auf die Entscheidungen BGH GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal, Absatz 23, und BGH GRUR 2013, 1210 Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren (s. o. Abschnitt 1.2).

Jedoch enthält auch die zitierte Entscheidung „Kommunikationskanal“ im FolgeAbsatz 24 bereits die Einschränkung: „Danach ist ein „breit“ formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen – als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist“ (Hervorhebung durch den Senat).

Es genügt somit nicht, dass der Fachmann vielleicht erkannt hätte, für welche Geräte die beschriebenen Maßnahmen möglicherweise „auch“ geeignet sein könnten. Entscheidend ist, ob er aus der Lektüre der NK2 ein Patent, umfassend auch Laptops und Notebooks, für möglich gehalten und erwartet hätte. Letzteres war aber, wie dargestellt, aufgrund der deutlichen Abgrenzung gegenüber diesen Geräten gerade nicht der Fall.

Ebenso kann der Beklagten nicht darin beigepflichtet werden, dass die Stammanmeldung in Wirklichkeit zwischen Notebooks, Laptops und „digitalen Büchern“ nicht unterscheide. Notebooks und Laptops waren auch schon zum Prioritätszeitpunkt (19. September 1997) aus der Sicht des Fachmanns typische Vertreter eines universell einsetzbaren „persönlichen Computers“, der über ein allgemeines Betriebssystem in die Lage versetzt ist, in dessen Rahmen beliebige Anwendungsprogramme auszuführen und damit die unterschiedlichsten Anwendungen auf demselben Gerät zu ermöglichen. Demgegenüber stellt, wie auch in der Stammanmeldung deutlich erkennbar, ein „digitales Buch“ eine Spezialanwendung dar, die auf dem mobilen Anzeigegerät i. d. R. als einzige ausgeführt wird und auf die speziellen Anforderungen hin optimiert ist, so wie es die Stammanmeldung etwa in den Absätzen Seite 3 Zeile 25 bis Seite 4 Zeile 20, Seite 4 Zeile 28 bis Seite 5 Zeile 10 u. a. konkretisiert. Der Fachmann konnte der Stammanmeldung daher eine klare Unterscheidung zwischen „digitalen Büchern“ einerseits und Notebooks bzw. Laptops andererseits entnehmen.

3. Der Hauptantrag ist sonach unzulässig, weil sich dessen sämtliche Patentansprüche mittelbar oder unmittelbar auf einen Gegenstand beziehen, der in der zugrundeliegenden früheren Anmeldung gemäß NK2 nicht als „zur Erfindung gehörig“ erkennbar war.

IV.

Für den Hilfsantrag I gilt das Gleiche. Auch der darin verwendete Gattungsbegriff „Einteilige Ausgangsbasis mit einem Bildschirm und einer angekoppelten Laptoptastatur“ stellt als Verallgemeinerung eine unzulässige Erweiterung dar (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ).

1. Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags I unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 des Hauptantrags darin, dass die Merkmale (1a) bis (1d), welche im Hauptantrag die zugrundeliegende Anzeigevorrichtung mit mindestens zweiteiligen, um eine Drehachse auf- und zuklappbaren Gehäuse definieren, ersetzt werden durch die Merkmale (2a) bis (2c). Damit ist der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags I nunmehr gerichtet auf eine

„Einteilige Ausgangsbasis mit einem Bildschirm und einer angekoppelten Laptoptastatur, wobei die Ausgangsbasis und die angekoppelte Laptoptastatur derart angeordnet sind, dass sie um genau eine Klappachse eines Drehgelenks auf- und zuklappbar ist … “

Die Beklagte bezieht sich dazu auf Figur 26a, Bild e, und die zugehörige Beschreibung (Patentschrift Seite 8 Mitte sowie Absatz [0066]), wo die Formulierung „Einteilige Ausgangsbasis“ wörtlich offenbart sei. Sowohl die Zeichnung als auch der wortidentische Text (lediglich mit unkorrigierter Rechtschreibung) finden sich in der Stammanmeldung wieder (NK2 Figur 26a, Bild e sowie Seite 20 vorletzter Absatz, Seite 41 Zeile 15 bis 19).

2. Der Hilfsantrag I ist trotz der wörtlichen Offenbarung des Begriffs „Einteilige Ausgangsbasis“ unzulässig erweitert, weil durch diesen Begriff Gegenstände mit einbezogen werden, die in der zugrundeliegenden früheren Anmeldung nicht als „zur Erfindung gehörig“ erkennbar waren.

2.1 Die Formulierung „Einteilige Ausgangsbasis mit einem Bildschirm und einer angekoppelten Laptoptastatur“ umfasst alle Arten von Bildschirmen, an welche sich eine Laptoptastatur ankoppeln lässt. So könnte darunter auch ein beliebiger mobiler Rechner mit Bildschirm, ggf. auch ein Laptop oder ein Notebook verstanden werden, sofern eine Laptoptastatur (hier: über ein Drehgelenk) ankoppelbar ist.

2.2 Wie bereits dargelegt (s. o. Abschnitt III. 2.2), verstand der Fachmann die Lehre der Stammanmeldung aber so, dass nur eine bestimmte Art von mobilen Rechnern mit Bildschirm – nämlich das dort beschriebene „digitale Buch“, das eine für den Computerlaien leicht verständliche, benutzerfreundliche und einfache Handhabungsmöglichkeit bietet und dem Nutzer z. B. den Zeitaufwand und das Spezialwissen zur Installation und Bedienung von Hard- und Software eines üblichen Computers erspart – in die Erfindung einbezogen war.

Der von der Beklagten zitierte Absatz Seite 41 Zeile 15 bis 19 der NK2, betreffend die Figur 26a, bezieht sich selbst ausdrücklich zurück auf Figur 26, welche gemäß Seite 41 Zeile 11 von einem „zweiteiligen Digitalen Buch“ ausgeht. Trotz der breiten Formulierung „Einteilige Ausgangsbasis mit einem Bildschirm“ in Zeile 15 kann dieses im Kontext der Stammanmeldung daher nicht so verstanden werden, dass hier über ein „digitales Buch“ hinaus auch andere Geräte mit beansprucht werden sollten.

Dass etwa ein üblicher Laptop oder ein Notebook mit in den Schutzbereich eines auf die Stammanmeldung erteilten Patentes fallen könnten, hätte der Fachmann auch an dieser Stelle nicht erwartet (s. o. III. 2.).

Damit verlässt der auf eine „Einteilige Ausgangsbasis mit einem Bildschirm und einer angekoppelten Laptoptastatur“ gerichtete Patentanspruch den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung, was den Gegenstand des Hilfsantrags II unzulässig erweitert.

2.3 Die Beklagte macht geltend, der zu Figur 26a gehörende Beschreibungsteil (NK2 Seite 41: „… am Beispiel einer Einteiligen Ausgangbasis …“) unterscheide semantisch zwischen dem Bezug auf Figur 26 („… die in Figur 26 beschriebene ankopplung…“) und einer anderen Alternative („oder die ankopplung einer Laptoptastatur…“). Die an die einteilige Ausgangsbasis gekoppelte Laptoptastatur stelle somit nur die zweite Alternative dar und sei nicht auf Figur 26 zurückbezogen.

Der Senat kann sich dieser Sichtweise nicht anschließen. Zum einen ist, angesichts einiger Ungenauigkeiten der in der Stammanmeldung verwendeten Sprache und der daraus resultierenden schweren Lesbarkeit (siehe – rein beispielhaft – etwa die Erläuterungen in NK2 auf Seite 18 / 19 zu den Figuren 18 und 19, oder Seite 26 Mitte ff.), bereits fraglich, ob eine streng semantische Auslegung einer bestimmten Textstelle überhaupt angemessen wäre. Zum anderen kann aber auch eine allenfalls mit Mühe zu extrahierende EinzelInformation nicht darüber hinweghelfen, dass der Fachmann die Stammanmeldung aus ihrem Gesamt-Kontext heraus interpretiert und allein schon deshalb nicht erwartet hätte, dass hieraus ein Patent für Laptops oder Notebooks erteilt werden würde (s. o. III. 2.).

V.

Hingegen hat der Hilfsantrag II Erfolg; ein Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor. Die Klägerin vermochte den Senat insbesondere nicht zu überzeugen, dass der Gegenstand der Patentansprüche nicht mehr neu war oder angesichts des angeführten Standes der Technik für den Durchschnittsfachmann nahegelegen hätte.

1. Das Patentbegehren gemäß Hilfsantrag II ist zulässig. Durch die Änderungen werden weder der Gegenstand der Stammanmeldung noch der Schutzbereich des Streitpatents in unzulässiger Weise erweitert.

1.1 Die beim Hauptantrag und beim Hilfsantrag I erkannte unzulässige Erweiterung gegenüber der Stammanmeldung besteht hier nicht mehr.

Mit der Fassung des Hilfsantrags II wurde in den Patentansprüchen der Gattungsbegriff „Digitale Anzeigevorrichtung“ in „Digitales Buch“ geändert, ebenso bei sämtlichen Bezugnahmen auf die gattungsgemäße Anzeigevorrichtung (siehe Anspruch 7, 15 und 16). Dies entspricht der ursprünglichen Offenbarung (vgl. die Patentansprüche der Stammanmeldung NK2) und auch der Lehre der VorAnmeldung (siehe NK3).

Insoweit ist auch der bezüglich der erteilten Fassung des Streitpatents erhobene Einwand der Klägerin, dass die Priorität der Vor-Anmeldung zu Unrecht in Anspruch genommen werde, gegenstandslos geworden.

1.2 Der Schutzbereich des Streitpatents wird durch die genannte Änderung in zulässiger Weise beschränkt, ohne dass ein „Aliud“ entsteht.

Denn der Begriff „Digitales Buch“ beschreibt nach dem Verständnis des Fachmanns eine Untermenge dessen, was in den Ansprüchen des Streitpatents mit „Anzeigevorrichtung“ bezeichnet wird (d. h. jedes digitale Buch stellt eine Anzeigevorrichtung dar, aber es gibt eine große Menge von Anzeigevorrichtungen, die kein „digitales Buch“ sind). Durch den Begriff „Digitales Buch“ wird der Schutzbereich des Streitpatents gemäß der erteilten Fassung daher nicht verlassen. Die nach der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer des EPA mögliche „unentrinnbare Falle“ (EPA G 1/93, GRUR Int. 1994, 842 – Beschränkendes Merkmal / Advanced Semiconductor Products) liegt hier nicht vor.

1.3 Auch die übrigen Änderungen der Patentansprüche sind zulässig.

Gegen eine einteilige Anspruchsfassung (Streichung von „dadurch gekennzeichnet, dass“ im Patentanspruch 1) bestehen hier keine Einwände.

Die Streichung von „insbesondere“ im Patentanspruch 1, Zeile 1, sowie die Einfügung von „genau“ („genau eine Klappachse“) in Zeile 3 stellen eine erlaubte Beschränkung dar.

Im bisherigen kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 wird von den Alternativen „eine Schnittstelle zur Stromversorgung und/oder zur Übertragung von Datensignalen …“ durch Merkmal (1e) nur noch die Schnittstelle zur Stromversorgung beansprucht (mit der Klarstellung: „des digitalen Buchs“). Auch dieses ist als Einschränkung zu verstehen und zulässig.

Die Klägerin hat hierzu noch vorgetragen, für die „und/oder“-Verknüpfung der Stromversorgung und der Datensignale gebe es keine Grundlage in der VorAnmeldung, weil dort immer von einer Schnittstelleneinheit für die Zu- und Abführung von Information und zur Zuführung von Energie gesprochen werde (unter Bezug auf NK3 Spalte 4 Zeile 21; Spalte 5 Zeile 31; Spalte 6, Zeile 37 und Zeile 49 = ursprüngliche Patentansprüche 1 und 3). Dies betrifft aber allenfalls die Frage, ob die beanspruchte Priorität der NK3 zu Recht in Anspruch genommen wird (s. o. III. 1.1), denn in der Stammanmeldung (NK2 z. B. Seite 6 Zeile 18; Patentanspruch 38) findet sich die „und/oder“-Verknüpfung bereits. Unabhängig davon folgt der Senat hier der Argumentation der Beklagten, dass der Fachmann die elektrische Steckverbindung zur Stromversorgung und diejenige für die Übertragung von Datensignalen als unterschiedliche Baugruppen betrachtet (vgl. die unterschiedlichen Bezugszeichen 8, 8‘ für die Stromzuführung und 9, 9‘ für die Zu- und Abführung von Information), so dass für ihn kein Grund ersichtlich wäre, dass immer beide als Schnittstellen im Drehgelenk ausgebildet sein müssten. Diese Abweichung von der konkreten Offenbarung kann daher als zulässige Verallgemeinerung betrachtet werden (siehe oben III. 1.2 BGH – DipeptidylPeptidase-Inhibitoren, Leitsatz a).

Die zusätzlichen Merkmale (1g), (1h) und (1i) des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag II entsprechen den erteilten Unteransprüchen 4 und 6 sowie einer Alternative des Unteranspruchs 5. Sie beschränken den erteilten Patentanspruch 1 noch weiter.

Die Alternative einer „Schnittstelle zur Übertragung von Datensignalen von oder zu anderen Informationsverarbeitungssystemen“ des erteilten Patentanspruchs 1 wurde zum Gegenstand des neuen Unteranspruchs 3 gemacht. Der neue Unteranspruch 2 entspricht dem erteilten Unteranspruch 2, der neue Unteranspruch 4 dem erteilten Unteranspruch 3. Die zweite Alternative des erteilten Unteranspruchs 5 verbleibt als neuer Unteranspruch 5.

Die neuen Unteransprüche 6 bis 15 entsprechen den erteilten Unteransprüchen 8 bis 17, unter Anpassung der Rückbeziehungen. Der Nebenanspruch 16 geht auf den erteilten Anspruch 18 zurück, mit der bereits genannten Einschränkung auf ein „digitales Buch“.

1.4 Eine (an sich gebotene) Anpassung der Beschreibung findet im Nichtigkeitsverfahren nicht statt (siehe Busse, PatG, 7. Auflage (2013), § 84 Rn. 7 – zu Fußnote 19). Mit der dennoch in den Tenor aufgenommenen, an sich selbstverständlichen Feststellung, dass aus Änderungen der Beschreibung gegenüber der Beschreibung der Stammanmeldung keine Rechte hergeleitet werden können, soll der Sorge der Klägerin Rechnung getragen werden, dass die in der Beschreibung verbleibenden Erweiterungen (wie Streitpatent Absatz [0001]: „…ein digitales Buch, d. h. eine mobile Anzeigevorrichtung“) eine nachträgliche Umdeutung des beschränkt aufrechterhaltenen Streitpatents ermöglichen könnten.

2. Die Erfindung ist im Streitpatent so deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

2.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II bedarf allerdings der Auslegung.

Nach den Merkmalen (1e‘) und (1f) soll „im Drehgelenk“, welches Haupt- und Nebenteil verbindet, eine Schnittstelle in Form einer elektrischen Steckverbindung zur Stromversorgung des beanspruchten „Digitalen Buchs“ ausgebildet sein.

Die eher unspezifische Angabe „im Drehgelenk“ wird durch die Merkmale (1g), (1h) und (1i) detailliert: demnach soll die Schnittstelle eine zylindrische Führungsund Versorgungsöffnung (7‘) aufweisen, deren Längsachse koaxial zu der Klappachse (A) des Drehgelenks ist. Der Begriff „Öffnung“ macht im gegebenen Zusammenhang („koaxial zur Klappachse“) deutlich, dass sich die Führungs- und Versorgungsöffnung (7‘) im Innern des Drehgelenks befinden muss. Ferner sollen gemäß Merkmal (1h) „in der Führungs- und Versorgungsöffnung Gegenkontakte (8‘) für die Stromzuführung angeordnet“ sein. Das heißt mit anderen Worten: die Gegenkontakte einer elektrischen Steckverbindung (= die Steckbuchse) für die Stromversorgung soll(en) sich im Innern des Drehgelenks befinden.

2.2 Die in der Streitpatentschrift enthaltenen Angaben genügen dem Fachmann, um die Erfindung erfolgreich auszuführen.

Die Klägerin macht als Nichtigkeitsgrund geltend, die beanspruchte Schnittstelle in Form einer im Drehgelenk angeordneten elektrischen Steckverbindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie realisieren könne. Es sei nicht offenbart, wie die Schnittstelle im Drehgelenk genau angeordnet sein solle, insbesondere nicht deren Anordnung in Bezug auf die sonstigen mechanischen Elemente, durch welche die Drehbewegung ermöglicht werde, so dass alle gewünschten Funktionen auch während einer Drehbewegung beim Aufund Zuklappen des Gehäuses zuverlässig gewährleistet seien.

Dem ist entgegenzuhalten, dass im Streitpatent in den Figuren 1 bis 4 und den Absätzen [0022] und [0024] mit der Führungs- und Versorgungsöffnung 7‘ innerhalb des Drehgelenks (Klappachse A), welche Gegenkontakte 8' für die Stromzuführung und Gegenkontakte 9' für die Zu- und Abführung von Information aufweist, und in welche ein Führungs- und Versorgungsstift 7 einer Versorgungseinheit VE einsteckbar ist (siehe Fig. 5), wobei der Stift ein Paar von Stromzuführungskontakten 8 und eine Vielzahl von Kontaktringen 9 zur Zu- und Abführung von Information aufweist, jedenfalls ein Beispiel für eine mögliche Realisierung beschrieben ist, das der Fachmann ohne Weiteres nacharbeiten kann. Dass ein konkretes, ausführbares Beispiel angegeben wird, ist nicht einmal notwendig, hier aber hinreichend für die Ausführbarkeit der Erfindung (vgl. BGH GRUR 2010, 916 – Klammernahtgerät).

Dass darüber hinaus „alle gewünschten Funktionen auch während einer Drehbewegung beim Auf- und Zuklappen des Gehäuses zuverlässig gewährleistet“ sein sollten, wird im Streitpatent nicht behauptet und von der allgemeinen Lehre, eine Schnittstelle im Innern eines Drehgelenks anzuordnen, auch nicht verlangt. 3. Die Klägerin konnte den Senat nicht überzeugen, dass der entgegengehaltene Stand der Technik den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II vorwegnähme, oder dass dieser für den Durchschnittsfachmann nahegelegen hätte.

3.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II ist neu gegenüber dem von der Klägerin zitierten Stand der Technik.

3.1.1 Als nächstkommender Stand der Technik kann in Übereinstimmung mit der Klägerin die Druckschrift NK10 (DE 42 18 179 A1) angesehen werden. Sie zeigt eine insbesondere zweiteilige (Figur 1, Figur 5) Ausgabeeinrichtung mit Gehäusehälften 5 und 6, welche eine Steuerelektronik, Anschluss-Elemente und eine Stromversorgung enthalten, sowie ein die Gehäusehälften verbindendes Drehgelenk 7 (Seite 3 Zeile 14 bis 18). Das Gerät kann mittels eines internen (nach Verständnis des Fachmanns: digitalen) Speichers zur Darstellung von Texten und Grafiken, z. B. Redemanuskripten, eingesetzt werden (Seite 2 Zeile 54 bis 56) und soll ergonomisch handhabbar und besser an bewährte, vertraute Arbeitsweisen angenähert sein (Seite 2 Zeile 43 bis 46); damit entspricht es weitestgehend einem „Digitalen Buch“ im Sinne des Streitpatents (vgl. Seite 3 Zeile 19 / 20, Zeile 28 bis 32 und Figur 3 / 4 – Merkmal (1a) bezogen auf ein „Digitales Buch“, ferner Merkmale (1b), (1c) und (1d)).

In der Ausführung gemäß Figur 1, Figur 5 oder auch Figur 15 ist das Drehgelenk jedoch so klein, dass eine Schnittstelle dort gar nicht untergebracht werden könnte. Für größere Ausführungsformen (Seite 9 Zeile 28 ff.) ist gemäß Figur 16 ein „doppelt kammartiges Drehgelenk“ mit zwei Drehpunkten 7, 7‘ und einem Gehäuse-Mittelstück 44 (vergleichbar einem Buchrücken) vorgeschlagen. Stirnseitig sind an diesem Mittelstück zentrale Interface-Anschlüsse 45 angeordnet (siehe Seite 9 Zeile 32 bis 35 / Anspruch 25), wobei aber offen bleibt, ob diese auch zur Stromversorgung des beschriebenen digitalen Buches dienen, und in welcher Weise die Schnittstellen ausgeführt sind. Zwar sind in NK10 Baugruppen zur Stromversorgung vorgesehen (Stromversorgung 20, Stromversorgungsteil 31, Wandlerschaltung 33); der einzige Absatz, der dies etwas detaillierter beschreibt (Seite 7 Zeile 24 bis 30), betrifft jedoch die Stromversorgung von sog. „Sonder-Interfaces“ zur Informationsübertragung (Seite 6 Zeile 63 ff.) – die Stromversorgung der zweiteiligen Ausgabeeinrichtung selbst ist nicht weiter erläutert.

Damit bestehen zur Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag II folgende Unterschiede:

– Die Ausführungsform nach Figur 1, Figur 5 oder Figur 15 der NK10 lehrt keine „Schnittstelle im Drehgelenk“ (und kann wegen der dort ersichtlich kleinen Ausführung des Drehgelenks eine solche auch nicht nahelegen).

– Näher kommt die Ausführungsform nach Figur 16 mit den Interface-Anschlüssen 45, wobei hier aber nicht „genau eine Klappachse (A) eines Drehgelenks“ beschrieben ist, sondern eine kammartige Struktur mit einem Buchrücken und zwei Drehgelenken; insofern sind die Interface-Anschlüsse nicht „im Drehgelenk“ angeordnet, sondern im für sich unbeweglichen Buchrücken. Dies erlaubt den Einsatz eines nahezu beliebigen vorbekannten Steck-Kontakts, während in Richtung auf eine Schnittstelle im Innern eines Drehgelenks (s. o. Abschnitt 2.1), die nach dem Fachwissen des Fachmanns wegen der Berücksichtigung der drehbaren Elemente deutlich komplizierter sein würde, keine Anregung gegeben wird.

– Insbesondere ist eine konkrete Auslegung als Steckverbindung mit den Merkmalen (1f), (1g), (1h) und (1i) oder explizit zur Stromversorgung des Gerätes (Merkmal (1e)) nicht beschrieben.

3.1.2 Die Klägerin hat außerdem auf die Druckschrift NK12 (DE 93 09 032 U1) verwiesen. Diese zeigt in den Figuren 6A und 6B ein Klapp-Handy (Mobiltelefon), dessen eine Hälfte 34 ein Tastenfeld und dessen andere Hälfte 32 eine rechteckige Markierung 35 aufweist: nämlich ein „Aufnahmeteil“, das wie das Aufnahmeteil 27 ausgebildet sein soll (Seite 9, letzte drei Zeilen) und demnach zur Aufnahme und Wiedergabe von Telefongesprächen dient, wie z. B. ein Kassettentonbandgerät (Seite 8, am Ende von Absatz 1). Eine Anzeigeeinheit wird hierzu nicht erwähnt. Die beiden Hälften 32 und 34 des Klapp-Handys sind durch ein scharnierartiges Gelenkteil 36 schwenkbar miteinander verbunden; in diesem befindet sich seitlich eine Anschlussbuchse 33 für einen Kopfhörer (Seite 9 Absatz 3), welche aber nicht weiter beschrieben ist.

Nachdem für Kopfhörer sog. „Klinkenstecker“ allgemein üblich waren (vgl. Wikipedia-Auszug gemäß NK18), konnte der Fachmann diese Anschlussbuchse 33 als Steckbuchse für einen solchen Klinkenstecker erkennen. Er entnimmt der Druckschrift NK12 sonach die Lehre, bei einem Klapp-Handy bestehend aus zwei Gehäuseteilen (Merkmal (1b)), welche gegeneinander um eine Klappachse auf- und zuklappbar sind (Merkmal (1c)), eine elektrische Steckverbindung 33 in einem Drehgelenk 36 anzuordnen (Merkmal (1f); Merkmal (1e) teilweise). Dazu ist eine zylindrische Steckbuchse koaxial zur Klappachse angeordnet (Merkmal (1i)); sie weist eine Führungsöffnung auf, in welcher die Gegenkontakte der elektrischen Steckverbindung angeordnet sind (dies entnimmt der Fachmann aufgrund seines Fachwissens über Klinkenstecker – Merkmal (1g); Merkmal (1h) teilweise).

Im Unterschied zum Patentanspruch 1 des Hilfsantrags II ist das Basisgerät jedoch nicht als „Digitales Buch“ beschrieben und weist insbesondere keine Anzeigeeinheit auf (Merkmale (1a) und (1d) fehlen). Ferner dient die Klinkenstecker-Buchse 33 nicht zur Stromversorgung des Geräts (fehlender Teil der Merkmale (1e) und (1h)), sondern für den Anschluss eines Kopfhörers.

3.1.3 Die übrigen von der Klägerin entgegengehaltenen Dokumente führen in dieser Hinsicht nicht weiter.

Einzig die Druckschriften NK5, NK17 und NK19 befassen sich noch mit einem Digitalen Buch, ohne aber sämtliche Anspruchsmerkmale aufzuweisen.

NK5 (US 5 534 888 A) zeigt ein Digitales Buch mit zwei (buchdeckelartigen) Anzeigeflächen 103, 108 und einem nicht allzu schmalen „Buchrücken“ 112 zwischen diesen, der an seinen beiden Kanten jeweils über ein Scharnier mit den Anzeigeflächen verbunden ist, sowie am Buchrücken innen befestigte weitere Anzeigeseiten 116 (Figur 2). Außen an diesem Buchrücken sind als elektrische Steckverbindungen ausgebildete Schnittstellen 118 zur Übertragung von Datensignalen angeordnet (in Spalte 2 Zeile 64 bis Spalte 3 Zeile 1 beschrieben, dort fälschlich dem Bezugszeichen 117 zugeordnet). NK5 wurde im europäischen Prüfungsverfahren berücksichtigt und ist im Streitpatent in den Absätzen [0006] / [0007] abgehandelt. Die elektrischen Steckverbindungen sind deutlich am Buchrücken angeordnet, nicht stirnseitig. Eine Schnittstelle zur Stromversorgung ist nicht weiter beschrieben, Spalte 5 Zeile 46 bis 50 gibt lediglich den Hinweis, dass „any suitable power source“ eingesetzt werden könne. Somit enthält NK5 nichts Erwähnenswertes über NK10 hinaus.

Auch NK17 (DE 42 23 354 A1) beschreibt ein „elektronisches Buch“, bestehend aus zwei tafelförmigen Displays 1 und 2, die durch eine Scharnierverbindung 3 buchartig gegeneinander klappbar miteinander verbunden sind (Figur 1, Spalte 2 Zeile 7 bis 10). Das Gerät lässt sich über eine Datenempfangs- und Sendestation 4 drahtlos mit einem Rechner verbinden (siehe Spalte 3 Zeile 30 bis 32). Das Kabel zwischen Anzeigegerät und dessen Datenempfangs- und Sendestation 4 ist gemäß der Darstellung in Figur 1 augenscheinlich aus dem Drehgelenk herausgeführt. Eine Steckverbindung zum Anschluss des Kabels am Anzeigegerät ist nicht beschrieben. Gemäß Spalte 3 Zeile 32 bis 35 kann statt der drahtlosen Verbindung auch eine übliche Kabelverbindung eingesetzt werden. Wie und wo eine solche ausgebildet sein könnte, ist der NK17 jedoch nicht zu entnehmen. Damit zeigt NK17 nichts, was in Richtung auf die beanspruchte Lehre über NK10 hinausginge.

Aus NK19 (DE 195 46 786 A1) insbes. Figur 1 / 2 ist eine tragbare Vorrichtung zum Lesen und Darstellen von Daten bekannt, mit zwei buchartig angeordneten, über eine scharnierähnliche Verbindung 16 zusammengehaltenen Bildschirmen 3 und 4. Die Stromversorgung erfolgt über eine Steckbuchse 18 am unteren Rand eines der Bildschirme. Das Scharnier ist so klein und dünn, dass keine Anregung in Richtung auf eine Schnittstelle im Drehgelenk entstehen kann. Die übrigen Ausführungsbeispiele (Figuren 3 bis 10) gehen ebenfalls nicht weiter.

3.2 Der Senat konnte auch nicht zu der Überzeugung gelangen, dass dem Fachmann die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag II durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nahegelegt worden wäre.

3.2.1 Insbesondere lässt sich ein Naheliegen nicht mit den Druckschriften NK10 und NK12 begründen, wie es die Klägerin aufzuzeigen versucht hat.

Es ist bereits fraglich, welche Veranlassung der Fachmann gehabt haben könnte, die Lehre der Druckschriften NK10 und NK12 miteinander zu kombinieren. Denn sie betreffen offensichtlich recht unterschiedliche Geräte.

Aber selbst wenn man eine solche Kombination unterstellt, wären doch mehrere Schritte erforderlich gewesen, um zur beanspruchten Lehre zu gelangen: Zunächst hätte der Fachmann, ausgehend von NK10, die dort beschriebene doppelt kammartige Struktur mit zwei Drehgelenken und einem relativ stabilen, für den Einbau bekannter Steckverbindungen geeigneten Buchrücken gegen ein einziges Drehgelenk austauschen müssen – wofür es keinen Anlass gab, und wobei nach der „einfachen“ Lösung eines kleinen Drehgelenks (NK10 Figur 1, 5 oder 15) der Platz für die erforderlichen Steckverbindungen verlorenging. Um diesen Platz dennoch zu erhalten, hätte der Fachmann auf die Lehre der NK12 zurückgreifen und ein recht dickes Drehgelenk vorsehen müssen, um in diesem eine Schnittstelle in Form einer Klinkenstecker-Buchse z. B. für einen Kopfhörer anordnen zu können. Als nächstes hätte er Überlegungen zur Stromversorgung des „digitalen Buches“ anstellen müssen, wofür ihm weder die NK10 noch die NK12 konkrete Hinweise gab. Erst durch den weiteren gedanklichen Schritt, eine für Kopfhöreranschluss bekannte Klinkenstecker-Buchse alternativ für eine Stromversorgung zu nutzen, wäre er zu einer elektrischen Steckverbindung mit den Merkmalen (1f) bis (1h) und somit zum Patentanspruch 1 des Hilfsantrags II gelangt.

Das Erfordernis solcher mehrerer gedanklicher Schritte ist i. d. R. bereits ein Hinweis darauf, dass die beanspruchten Merkmale nicht nahelagen.

Hier kommt noch hinzu, dass der Gedanke, eine Steckbuchse für einen KopfhörerAusgang als Stromversorgungs-Eingang zu benutzen, sich keinesfalls aufdrängt oder schlüssig ist. Gerade bei Steckverbindungen zur Stromversorgung muss der Fachmann sich Gedanken machen hinsichtlich Strombelastbarkeit und Kurzschluss-Sicherheit. Beides spricht hier gegen die Wahl der aus NK12 bekannten Kopfhörer-Steckbuchse: Zum einen ist der Kopfhörer-Strom um eine Größenordnung geringer als der Versorgungsstrom, und zum anderen besteht für einen Kopfhörer-Klinkenstecker keine echte Kurzschluss-Gefahr (der Strom kommt aus der Steckbuchse), während eine solche bei einem „nackten“, Versorgungsstrom-führenden Klinkenstecker (siehe NK18) wegen der offenliegenden beiden Pole deutlich erhöht ist.

Nachdem somit mehrere gedankliche Schritte erforderlich waren und die Veranlassung dafür jeweils als fraglich, wenn nicht gar als unwahrscheinlich zu beurteilen ist, konnte der Senat nicht die Feststellung treffen, dass ein solches Vorgehen nahelag.

3.2.2 Die Druckschriften NK5, NK17 und NK19 betreffen zwar ein Digitales Buch, enthalten aber, wie bereits dargelegt (s. o. 3.1.3), nichts, was über die Lehre der NK10 hinausginge, und führen daher nicht weiter.

3.2.3 Alle übrigen ins Verfahren eingeführten Druckschriften liegen weiter ab.

NK13 (US 4 195 431) zeigt ein buchartiges Gebilde 10 bestehend aus zwei Gehäusehälften 12 und 13 und einem „Buchrücken“ 11, mit einer Schnittstelle 66 für die Stromzuführung (Figur 1, Figur 3, Figur 4) als koaxial im Buchrücken angeordnete Steckbuchse; diese befindet sich jedoch ersichtlich nicht in einem Drehgelenk. Eine elektronische Anzeigeeinheit ist nicht vorgesehen, der Strom wird hier zur rückseitigen Beleuchtung eines aufgelegten Papiers oder einer Folie 22 benötigt. Weil es sich weder um ein „Digitales Buch“ handelt, noch die Stromschnittstelle in einem Drehgelenk vorgesehen ist, kann NK13 keine besonderen Anregungen in Richtung auf den Patentanspruch 1 liefern.

NK14 (EP 0 737 908 A1) beschreibt eine Rechnereinheit 12 und eine damit über ein Drehgelenk (hinge assembly 60) verbundene Anzeigeeinheit 38 mit Bildschirm 42 (siehe Figur 2 und Spalte 15 Zeile 14 bis 22), bei welcher ein bidirektionales Kommunikationskabel 40 an die Stirnfläche eines Drehgelenks 66 angeschlossen ist (Spalte 15 Zeile 14 ff., Spalte 16 Zeile 7 ff.). Nachdem das Display abnehmbar sein soll (Figur 3), wird der Fachmann erwarten, dass auch die Stromversorgung über das Kabel 40 erfolgt. Allerdings ist nicht klar erkennbar, ob das Kabel lösbar (Schnittstelle?) oder fest verbunden ist. Auch fehlt jeder Anlass, gerade dieses permanent mit einem Rechner verbundene Display zur Weiterbildung eines „Digitalen Buches“ heranzuziehen.

NK25 (US 5 636 462 A) zeigt eine digitale Anzeigevorrichtung zur Wiedergabe von Texten, z. B. für Kraftfahrzeuge bei Pannen (Spalte 1 Zeile 7 bis 25, Spalte 3 Zeile 40 ff.), mit einem Verbindungsstecker 86, der an einem aus dem Drehgelenk herausführenden Kabel 84 angeschlossen ist. Sie zeigt aber keine im Innern des Drehgelenks angeordnete Steck-Buchse, und es ist auch keine Anregung in dieser Richtung erkennbar.

NK15 / NK15a (JP H 05 – 11 604 U) beschreibt ähnlich wie NK12 einen Klinkenstecker für einen Kopfhörer, der in eine Buchse im Drehgelenk eines Handfunkgeräts gesteckt wird. Eine externe Stromversorgung ist nicht weiter beschrieben, insbesondere nicht unter Benutzung einer Steckbuchse im Drehgelenk.

Auch den übrigen Entgegenhaltungen ist hinsichtlich des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags II nicht mehr zu entnehmen (sie wurden von der Klägerin gegen die Unteransprüche und den ursprünglichen Nebenanspruch 18 angeführt).

3.3 Der Patentanspruch 1 in der Fassung nach Hilfsantrag II hat sonach Bestand. Denn keine der von der Klägerin benannten Druckschriften nimmt seinen Gegenstand neuheitsschädlich vorweg. Es findet sich auch keine Anregung, ein „Digitales Buch“ so wie beansprucht auszugestalten, so dass nicht die Feststellung getroffen werden kann, der beanspruchte Gegenstand habe für den Fachmann nahegelegen.

4. Die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag II trägt auch die auf diesen direkt oder indirekt zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 15 sowie den ebenfalls darauf zurückbezogenen, auf ein „System“ gerichteten Anspruch 16, der inhaltlich nicht über den Anspruch 1 hinausgeht.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

VII.

Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG eingelegt werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils - spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung durch einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt schriftlich zum Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.

Die Berufungsschrift muss

- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie

- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,

enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Auf die Möglichkeit, die Berufung nach § 125a PatG in Verbindung mit § 2 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) auf elektronischem Weg zum Bundesgerichtshof einzulegen, wird hingewiesen (s. www.bundesgerichtshof.de/erv.html).

Merzbach Paetzold Baumgardt Dr. Forkel Hoffmann Pr

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1 84 PatG
1 99 PatG
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1 92 ZPO
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