AnwZ (Brfg) 8/21
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 8/21 BESCHLUSS vom
21. September 2021 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ECLI:DE:BGH:2021:210921BANWZ.BRFG.8.21.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Richter Dr. Remmert, die Richterin Grüneberg sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Lauer am 21. September 2021 beschlossen:
Auf Antrag der Klägerin wird die Berufung gegen das am 15. Januar 2021 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen zugelassen.
Gründe:
I.
Der am 17. Juli 2002 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Beigeladene ist seit dem 1. Mai 2007 bei der Kreishandwerkerschaft M.
als Geschäftsführer beschäftigt. Am 20. September 2019 beantragte er für diese Tätigkeit bei der Beklagten unter Vorlage seines Dienstvertrags vom 27. April
(mit Nachtrag vom 16. August 2011) und einer Tätigkeitsbeschreibung vom 19. September 2019 nebst Anlagen seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Mit Bescheid vom 15. Juni 2020 wurde er gegen die Stellungnahme der Klägerin als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Die gegen die Zulassung erhobene Klage der Klägerin hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Dagegen richtet sich der auf § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 VwGO gestützte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
II.
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO) im Hinblick auf das (Nicht-) Vorliegen des Zulassungsversagungsgrunds des § 7 Nr. 8, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BRAO wegen etwaiger hoheitlicher Tätigkeiten des Beigeladenen.
Der Anwaltsgerichtshof hat seine Entscheidung diesbezüglich damit begründet, dass die Kreishandwerkerschaft M.
und die ihr angehörenden Innungen, deren Geschäfte nach § 87 Nr. 5 HwO ebenfalls von der Kreishandwerkerschaft geführt werden, zwar zahlreiche hoheitliche Pflichtaufgaben wahrnähmen. Der Beigeladene, dem als Geschäftsführer nach den Satzungsbestimmungen die Wahrnehmung der Aufgaben der laufenden Verwaltung oblägen, sei jedoch weder mittelbar noch unmittelbar mit Entscheidungsbefugnis am Erlass hoheitlicher Maßnahmen beteiligt. Das gelte u.a. auch für den Einwand der Klägerin, die Erhebung von Beiträgen und Gebühren der Kreishandwerkerschaft erfolge durch Verwaltungsakt, da die Beitragsforderung nach der Innungssatzung durch Beschluss der Innungsversammlung festgelegt,
mit Beginn des Haushaltsjahres fällig werde und ihre Beitreibung - ebenso wie die Beitreibung der haushaltsjährlichen Beiträge der Innungen an die Kreishandwerkerschaft und der Gebühren dieser Körperschaften - Aufgabe des Vorstands sei.
Diese Ausführungen begegnen ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass es sich bei der Beschlussfassung der Innungs- und der Mitgliederversammlung der Kreishandwerkerschaft über die Bemessungsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen und deren Höhe um abstrakt-generelle Regelungen handelt, die noch der individuellen Berechnung und Festsetzung für das jeweilige Mitglied bedürfen. Diese Festsetzung und Aufforderung zur Entrichtung des Beitrags ist ebenso wie die Festsetzung und Erhebung von Gebühren ein Verwaltungsakt (vgl. Günther in Honig/Knörr/Thiel, HwO, 5. Aufl., HwO § 73 Rn. 7, 27, 30; Baier-Treu in Leisner, BeckOK HwO, Stand: 1. Januar.2021, § 73 Rn. 34; Will, Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2010, S. 673, 709). Vorliegend ist unklar und daher im Berufungsverfahren weiter aufklärungsbedürftig, ob und in welcher Weise der Beigeladene im Rahmen der ihm obliegenden Aufgaben der laufenden Verwaltung am Erlass dieser Maßnahmen beteiligt ist.
Offen bleiben kann, ob die Zulassung der Berufung auch aufgrund der weiteren von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 VwGO) hinsichtlich der - vom Anwaltsgerichtshof bejahten - Frage, ob der Beigeladene ausschließlich in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin im Sinne von § 46 Abs. 5 BRAO anwaltlich tätig ist, angezeigt ist.
III.
Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
Limperg Schäfer Remmert Lauer Vorinstanz: AGH Hamm, Entscheidung vom 15.01.2021 - 1 AGH 19/20 - Grüneberg