7 Ni 10/17 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 10/17 (EP) (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 17. Januar 2019
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In der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BPatG:2019:170119U7Ni10.17EP.0 betreffend das europäische Patent 2 918 770 (DE 50 2015 000 073)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, des Richters Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Dr. Schnurr und der Richter Dipl.-Ing. Dr. Großmann und Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 918 770 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche folgende Fassung erhalten:
1. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung, insbesondere Senkrechtmarkise mit:
einer Wickelwelle (10) und einem darauf auf- und abwickelbaren Behang, und zwei gebäudefesten Seitenteilen (1, 11), an denen die Wickelwelle (10) stirnseitig abgestützt ist, insbesondere zwei Seitenteile (1, 11) eines die Wickelwelle einhausenden Kastens, wobei die Wickelwelle (10) an zumindest einem Ende einen Lagerzapfen (61) aufweist, welcher über ein Seitenlagermodul (2, 3, 4) an dem zugeordneten Seitenteil (1) abgestützt ist, wobei das Seitenlagermodul (2, 3, 4)
eine gebäudeseitig befestigbare Lagerplatte (3) aufweist, welche zur stirnseitigen Abstützung der Wickelwelle (10) an einem Seitenteil (1) eines die Wickelwelle (10) einhausenden Kastens einstückig mit oder befestigbar an dem Seitenteil (1) ausgebildet ist, sowie ein an der Lagerplatte (3) befestigtes Seitenlager (2, 3) für den stirnseitigen Lagerzapfen (61) der Wickelwelle (10), und wobei das Seitenlager (2, 3) einen Lagerinnenring (2) zur Aufnahme des Lagerzapfens (61) aufweist, und einen den Lagerinnenring (2) drehbar aufnehmenden Lageraußenring (31), der von der Lagerplatte (3) getragen wird, wobei die Wickelwelle bei in das Seitenlager (2, 3) dieses Seitenlagermoduls (2, 3, 4) eingestecktem Lagerzapfen (61) zwischen einer horizontalen Stellung und einer zur Horizontalen schräg geneigten Stellung verschwenkbar ist, wobei das Seitenlagermodul (2, 3, 4) im eingebauten Zustand und bei in das Seitenlager (2, 3) eingestecktem Lagerzapfen (61) ein so weit gehendes Verschwenken der Wickelwelle (10) zwischen der horizontalen Stellung und der zur Horizontalen schräg geneigten Stellung der Wickelwelle (10) um eine im Bereich des Seitenlagers gelegene, ebenfalls horizontale Schwenkachse nach unten erlaubt, dass die Wickelwelle (10) mit ihrem stirnseitigen Lagerzapfen (61) schräg an dem Lagerinnenring (2)
des Seitenlagermoduls (2, 3, 4) angesetzt, in den Lagerinnenring (2) eingeführt und dann in die Horizontale eingeschwenkt werden kann,
dadurch gekennzeichnet, dass die Wickelwelle (10) zwischen einer Betriebsstellung und einer demgegenüber zusammengedrückten Montagestellung teleskopierbar ist, wobei der in dem Seitenlagermodul (2, 3, 4) abgestützte Lagerzapfen (61) in Wickelwellenachsrichtung verschiebbar in der Wickelwelle (10) aufgenommen ist.
2. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der in dem Seitenlagermodul (2, 3, 4) abgestützte Lagerzapfen (61) federnd in der Wickelwelle (10) aufgenommen ist.
Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Lagerinnenring (2) aus der Normalebene zur Wickelwellenachse heraus verschwenkbar in dem Lageraußenring (31) aufgenommen ist.
4. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Lageraußenring (31) mitsamt dem Lagerinnenring (2)
aus der Normalebene zur Wickelwellenachse heraus verschwenkbar an der Lagerplatte (3) aufgenommen ist.
5. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Lagerplatte (3) um eine unterseitige horizontale Achse nach unten ausschwenkbar an dem Seitenteil (1)
befestigt ist.
6. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Lagerinnenring (2) als Kugelkalotte mit einem dem Lageraußenring (31) zugewandten, kugelsegmentförmigen Außenumfang ausgeformt ist und der Lageraußenring (31) einen entsprechenden, dem Lagerinnenring (2) zugewandten, kugelsegmentförmigen Innenumfang aufweist, wobei das Seitenlagermodul (2, 3, 4) insbesondere ein Gleitlager für den Lagerzapfen (61) bildet.
7. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Lageraußenring (31) einstückig an die Lagerplatte (3) angeformt ist.
8. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Seitenlagermodul (2, 3, 4)
einen zwischen einer Sicherungsstellung und einer Freigabestellung höhenverschiebbar an der Lagerplatte (3) aufgenommenen Sicherungsschieber (4) aufweist, an dem ein Gegenanschlagszapfen (41) zur Wickelwelle (10) hin vorspringt, welcher eine einem ringförmigen Anschlag (51) an der Stirnseite der Wickelwelle (10) zugewandten Gegenanschlagsfläche aufweist, und welcher sich in der Sicherungsstellung auf radialer Höhe des ringförmigen Anschlags (51) befindet, und welcher sich in der Freigabestellung oberhalb des ringförmigen Anschlags befindet.
9. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest auf der dem in dem Seitenlagermodul (2, 3, 4) abgestützten Lagerzapfen (61) gegenüberliegenden Stirnseite der Wickelwelle (10) eine Seitenführungsschiene mit einer Führungsnut für den Behang vorgesehen ist, die ein gebäudeseitig befestigtes Basisprofil und ein an dem Basisprofil abnehmbar befestigtes Aufsatzprofil aufweist, an dem die Flanken der Führungsnut zumindest teilweise ausgebildet sind.
II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Klage richtet sich gegen das in deutscher Verfahrenssprache mit der Bezeichnung „Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung und Seitenlagermodul für eine Wickelwelle der Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung“ u. a. für den Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 2 918 770, das die Priorität der deutschen Voranmeldung 10 2014 003 498 vom 14. März 2014 in Anspruch nimmt. Im Deutschen Patent- und Markenamt wird das Patent unter dem Aktenzeichen 50 2015 000 073.2 geführt. Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung zehn Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Die Ansprüche 2 bis 7 sind als Unteransprüche auf den Patentanspruch 1 rückbezogen; die Ansprüche 9 und 10 sind als Unteransprüche auf den nebengeordneten Patentanspruch 8 rückbezogen.
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 8 haben folgenden Wortlaut:
1. Seitenlagermodul (2, 3, 4) für eine Wickelwelle (10) einer Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung mit einem auf der Wickelwelle (10) auf- und abwickelbaren Behang, mit einer gebäudeseitig befestigbaren Lagerplatte (3), welche zur stirnseitigen Abstützung der Wickelwelle (10) an einem Seitenteil (1) eines die Wickelwelle (10) einhausenden Kastens einstückig mit oder befestigbar an dem Seitenteil (1) ausgebildet Ist, und mit einem an der Lagerplatte (3) befestigten Seitenlager (2, 3) für einen stirnseitigen Lagerzapfen (61) der Wickelwelle (10),
dadurch gekennzeichnet, dass das Seitenlager (2, 3) einen Lagerinnenring (2) zur Aufnahme des Lagerzapfens (61) aufweist, und einen den Lagerinnenring (2) drehbar aufnehmenden Lageraußenring (31), der von der Lagerplatte (3) getragen wird, wobei das Seitenlagermodul (2, 3, 4) im eingebauten Zustand und bei in das Seitenlager (2, 3) eingestecktem Lagerzapfen (61) ein so weit gehendes Verschwenken der Wickelwelle (10)
zwischen einer horizontalen Stellung und einer zur Horizontalen schräg geneigten Stellung der Wickelwelle (10) um eine im Bereich des Seltenlagers gelegene, ebenfalls horizontale Schwenkachse nach unten erlaubt, dass die Wickelwelle (10) mit ihrem stirnseitigen Lagerzapfen (61) schräg an dem Lagerinnenring (2) des Seitenlagermoduls (2, 3, 4) angesetzt, in den Lagerinnenring (2) eingeführt und dann in die Horizontale eingeschwenkt werden kann.
8. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung, insbesondere Senkrechtmarkise mit:
einer Wickelwelle (10) und einem darauf auf- und abwickelbaren Behang, und zwei gebäudefesten Seitenteilen (1, 11), an denen die Wickelwelle (10) stirnseitig abgestützt ist, insbesondere zwei Seitenteile (1,11) eines die Wickelwelle einhausenden Kastens,
dadurch gekennzeichnet, dass die Wickelwelle (10) an zumindest einem Ende einen Lagerzapfen (61) aufweist, welcher über ein Seitenlagermodul (2, 3, 4) nach einem der vorhergehenden Ansprüche an dem zugeordneten Seitenteil (1) abgestützt ist, so dass die Wickelwelle bei in das Seitenlager (2, 3) dieses Seitenlagermoduls (2, 3, 4) eingestecktem Lagerzapfen (61) zwischen einer horizontalen Stellung und einer zur Horizontalen schräg geneigten Stellung verschwenkbar ist.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 7 sowie 9 und 10 wird auf die Streitpatentschrift EP 2 918 770 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend, wobei sie sich auf das Nichtvorliegen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit beruft (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ).
Hierfür bezieht sich die Klägerin auf folgende Publikationen:
N3 deutsches Gebrauchsmuster 1 907 959 N4 deutsches Gebrauchsmuster 1 957 896 N5 deutsches Gebrauchsmuster 93 11 753 U1 N6 deutsches Gebrauchsmuster 1 816 640 N7 europäische Patentanmeldung 1 936 106 A2 N8 europäisches Patent 1 746 244 B1 N9 europäische Patentanmeldung 2 631 414 A2 N10 französische Patentanmeldung 2 934 307 A1 N11 deutsches Gebrauchsmuster 20 2007 004 845 U1 N12 europäische Patentanmeldung 0 730 080 A1 N14 deutsche Patentschrift 10 2005 034 063 B3.
Überdies beruft sich die Klägerin auf eine nach ihrer Auffassung neuheitsschädliche Vorbenutzung in Gestalt einer ihr am 16. März 2010 gelieferten Anlage „Renson Fixscreen 150“, zu deren Nachweis sie folgende Dokumente vorlegt:
N13 Renson-Montagerichtlinie Fixscreen 100 EVO (mit Datumsangabe „20110505“)
N15 Einzelteilübersicht Renson Fixscreen 150 N16 Renson Rechnung No. KI-1001302 vom 8. März 2010
(Adressat: B…) N17 B… Rechnung Nr. 10-RE-0127 vom 25. März 2010 betr. eine am 16. März 2010 fertiggestellte Anlage („Musteranlage Zürich“, Adressat: W… SE)
N18 Renson-Prospekt Fixscreen (Mai 2010) N19 drei Fotografien von Elementen einer durch die Klägerin beschafften Fixscreen 150-Anlage.
Zum Nachweis dafür, dass die in N19 gezeigten Fotografien tatsächlich eine Lagereinheit der Anlage wiedergeben, hat die Klägerin zuletzt ihren Mitarbeiter H… als Zeugen benannt.
Nach Meinung der Klägerin nimmt die vorbenutzte Anlage „RensonFixscreen 150“ sämtliche Merkmale der Patentansprüche 1 und 8 in neuheitsschädlicher Weise vorweg. Die Gegenstände dieser Ansprüche seien dem Fachmann überdies durch eine Zusammenschau der Montagerichtlinie N13 mit der genannten Renson-Anlage nahegelegt gewesen. Darüber hinaus würde der Fachmann allein schon auf Grund seines Fachwissens ein Schwenklager mit kalottenförmiger Innenaufnahme als Seitenlager vorsehen. Bei Gelenklagern, die vertikal als Seitenlager einsetzbar seien, handele es sich um häufig verwendete Bauteile. Ein mit dem Produkt „Fixscreen 150“ des Herstellers Renson vertrauter Fachmann, der sich im Hinblick auf den Ausbau der Wickelwelle zu Revisionszwecken mit bauseitigen Beschränkungen konfrontiert sehe, werde aus eigener Fachkenntnis heraus in Betracht ziehen, die Wickelwelle teleskopierbar auszuführen.
Auch die Unteransprüche 2 bis 4, 7 bis 10 und der nebengeordnete Anspruch 8 enthalten nach Auffassung der Klägerin nichts Patentfähiges.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 2 918 770 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der Fassung der mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2018 eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 1 bis 3 richtet.
Gemäß Hilfsantrag 1 werden die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 8 miteinander kombiniert. Patentanspruch 1 erhält danach folgenden Wortlaut:
1. Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung, Senkrechtmarkise mit:
insbesondere einer Wickelwelle (10) und einem darauf auf- und abwickelbaren Behang, und zwei gebäudefesten Seitenteilen (1, 11), an denen die Wickelwelle (10) stirnseitig abgestützt ist, insbesondere zwei Seitenteile (1, 11) eines die Wickelwelle einhausenden Kastens, wobei die Wickelwelle (10) an zumindest einem Ende einen Lagerzapfen (61) aufweist, welcher über ein Seitenlagermodul (2, 3, 4) an dem zugeordneten Seitenteil (1) abgestützt ist, wobei das Seitenlagermodul (2, 3, 4) eine gebäudeseitig befestigbare Lagerplatte (3) aufweist, welche zur stirnseitigen Abstützung der Wickelwelle (10) an einem Seitenteil (1) eines die Wickelwelle (10) einhausenden Kastens einstückig mit oder befestigbar an dem Seitenteil (1) ausgebildet ist, sowie ein an der Lagerplatte (3) befestigtes Seitenlager (2, 3) für den stirnseitigen Lagerzapfen (61) der Wickelwelle (10), und wobei das Seitenlager (2, 3) einen Lagerinnenring (2) zur Aufnahme des Lagerzapfens (61) aufweist, und einen den Lagerinnenring (2) drehbar aufnehmenden Lageraußenring (31), der von der Lagerplatte (3) getragen wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Wickelwelle bei in das Seitenlager (2, 3) dieses Seitenlagermoduls (2, 3, 4) eingestecktem Lagerzapfen (61) zwischen einer horizontalen Stellung und einer zur Horizontalen schräg geneigten Stellung verschwenkbar ist, wobei das Seitenlagermodul (2, 3, 4) im eingebauten Zustand und bei in das Seitenlager (2, 3) eingestecktem Lagerzapfen (61) ein so weit gehendes Verschwenken der Wickelwelle (10) zwischen der horizontalen Stellung und der zur Horizontalen schräg geneigten Stellung der Wickelwelle (10) um eine im Bereich des Seitenlagers gelegene, ebenfalls horizontale Schwenkachse nach unten erlaubt, dass die Wickelwelle (10) mit ihrem stirnseitigen Lagerzapfen (61) schräg an dem Lagerinnenring (2) des Seitenlagermoduls (2, 3, 4) angesetzt, in den Lagerinnenring (2) eingeführt und dann in die Horizontale eingeschwenkt werden kann.
Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von der Fassung des Hilfsantrags 1 dadurch, dass die dortigen Worte „dadurch gekennzeichnet, dass“ durch das Wort „wobei“ ersetzt und dass dem Anspruchswortlaut folgende Worte hinzugefügt werden:
„dadurch gekennzeichnet, dass die Wickelwelle (10) zwischen einer Betriebsstellung und einer demgegenüber zusammengedrückten Montagestellung teleskopierbar ist“.
In der Fassung des Hilfsantrags 3 erhalten die Patentansprüche den aus dem Abschnitt I des Urteilstenors ersichtlichen Wortlaut.
Nach Meinung der Beklagten ist das Streitpatent in der erteilten Fassung, zumindest aber in den hilfsweise verteidigten Fassungen bestandsfähig. Die behauptete Vorbenutzung sei auch nach Abschluss der Beweisaufnahme nicht erwiesen.
Die Klägerin hält den mit den Hilfsanträgen 1 bis 3 beanspruchten Gegenstand für ebenfalls nicht patentfähig. So werde - die Hilfsanträge 2 und 3 betreffend - ein mit dem Produkt „Fixscreen 150“ vertrauter Fachmann, der sich im Hinblick auf den Ausbau der Wickelwelle zu Revisionszwecken mit bauseitigen Beschränkungen konfrontiert sehe, aus eigener Fachkenntnis heraus in Betracht ziehen, die Wickelwelle zusätzlich teleskopierbar auszuführen.
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 26. September 2018 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf deren Schriftsätze mit sämtlichen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2019 hat der Senat den von der Klägerin mitgebrachten Zeugen H… vernommen. Außerdem sind von der Klägerin vorgelegte Gegenstände - ein Seitenteil und eine Vorderkappe der Wickelwelle einer Sonnenschutzanlage sowie das Original der Anlage N15 förmlich in Augenschein genommen worden.
Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig und in der Sache teilweise begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht es der Senat als erwiesen an, dass die von der Klägerin behauptete offenkundige Vorbenutzung tatsächlich stattgefunden hat. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in seiner erteilten sowie in der mit Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung war dadurch am Prioritätstag neuheitsschädlich vorweggenommen. Insoweit ist der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54 EPÜ) gegeben. Dagegen hat das Streitpatent in der mit Hilfsantrag 3 (im Unterschied zu Hilfsantrag 2 in zulässiger Weise) beanspruchten Fassung Bestand, weshalb die Klage insoweit abzuweisen war.
I.
1. Die vorliegende Erfindung betrifft nach ihrer Beschreibung in der Streitpatentschrift (Abs. [0002]) Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtungen wie z. B. Rollläden, Raffstoren, Jalousien oder Senkrechtmarkisen - mit einer Wickelwelle zum Ab- bzw. Aufwickeln ihres Behangs oder von Bändern zum Aufund Ablassen des Behangs.
Die Beschreibungseinleitung schildert - unter Hinweis auf die Druckschriften N3, N4 und N6 - verschiedene im Stand der Technik bekannte Wickelwellen (Beschreibung, Absatz [0003]). Heutzutage würden Wickelwellen üblicherweise als Hohlwellen gefertigt, die an ihren beiden stirnseitigen Enden in entsprechenden gebäudeseitigen Halterungen mit Hilfe von Lagerzapfen abgestützt seien (Beschreibung, Absätze [0004], [0005]).
Um die Montage der Wickelwelle zwischen ihren beiden stirnseitigen Lagerstellen zu vereinfachen, gebe es sogenannte federnde Achskappen, das heißt stirnseitig eingesetzte Achskappenmodule, in denen der Lagerzapfen teleskopierbar und meist über Federkraft axial nach außen hin vorgespannt aufgenommen werde; Beispiele hierfür fänden sich in den Druckschriften N7, N8, N10, N11 und N12 (Beschreibung, Absatz [0006]).
Die federnden Achskappen ermöglichten es bei der Montage der Wickelwelle unter beengten Platzverhältnissen im für die Wickelwelle vorgesehenen Einbauraum, aber auch bei der Demontage der Wickelwelle zu Revisionszwecken, die Wickelwelle als Ganzes an den zuvor gebäudeseitig angebrachten Seitenlagern, also beispielsweise in den vormontierten Wickelwellenkasten, zu montieren bzw.
die Wickelwelle als Ganzes aus dem Kasten zu entnehmen, ohne den Kasten zerlegen zu müssen. Dazu werde die Wickelwelle bei der Montage mit dem federnden Ende schräg gehalten, an der dafür vorgesehenen Lagerung am Seltenteil angesetzt und dann zusammengedrückt mit ihrem anderen Ende nach oben verschwenkt und an dem dafür vorgesehenen Lager unter Ausdehnung der Wickelwelle angesetzt. Die Demontage erfolge entsprechend in umgekehrter Reihenfolge (Beschreibung, Absatz [0007]).
Weitere Anstrengungen zielten darauf, trotz immer enger werdender Einbauräume die Wickelwelle samt dem darauf aufgewickelten Behang auf diese Weise montieren zu können. So seien - wie z. B. in der Druckschrift N9 gezeigt - bei Senkrechtmarkisen, aber auch bei Rollläden, vielfach schon zweigeteilte Führungsschienen im Einsatz (Beschreibung, Absatz [0008]).
Als Aufgabe der vorliegenden Erfindung nennt die Streitpatentschrift die Schaffung einer Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung und eines Seitenlagermoduls für ihre Wickelwelle mit dem Ziel, die Montage der Wickelwelle weiter zu vereinfachen (Beschreibung, Absatz [0009]).
2. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß durch ein Seitenlagermodul mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 und eine Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 8 gelöst werden. Die Merkmale dieser Ansprüche können - nach einem Vorschlag der Klägerin - wie folgt gegliedert werden:
Patentanspruch 1 M1.1 Seitenlagermodul (2, 3, 4) für eine Wickelwelle (10) einer Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung mit einem auf der Wickelwelle (10) auf- und abwickelbaren Behang, mit einer gebäudeseitig befestigbaren Lagerplatte (3),
M1.2 M1.3 M1.4 M1.5 M1.6 M1.7 M1.8 M1.9 M1.10 welche zur stirnseitigen Abstützung der Wickelwelle (10) an einem Seitenteil (1) eines die Wickelwelle (10) einhausenden Kastens einstückig mit oder befestigbar an dem Seitenteil (1) ausgebildet ist, und mit einem an der Lagerplatte (3) befestigten Seitenlager (2, 3) für einen stirnseitigen Lagerzapfen (61) der Wickelwelle (10); das Seitenlager (2, 3) weist einen Lagerinnenring (2) zur Aufnahme des Lagerzapfens (61) auf und einen den Lagerinnenring (2) drehbar aufnehmenden Lageraußenring (31), der von der Lagerplatte (3) getragen wird; das Seitenlagermodul (2, 3, 4) erlaubt im eingebauten Zustand und bei in das Seitenlager (2, 3) eingestecktem Lagerzapfen (61) ein so weit gehendes Verschwenken der Wickelwelle (10) nach unten zwischen einer horizontalen Stellung und einer zur Horizontalen schräg geneigten Stellung der Wickelwelle(10) um eine im Bereich des Seitenlagers gelegene, ebenfalls horizontale Schwenkachse, so dass die Wickelwelle (10) mit ihrem stirnseitigen Lagerzapfen (61) schräg an dem Lagerinnenring (2) des Seitenlagermoduls (2, 3, 4) angesetzt, in den Lagerinnenring (2) eingeführt und dann in die Horizontale eingeschwenkt werden kann.
Patentanspruch 8 M8.0 M8.1 M8.2 Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung, insbesondere Senkrechtmarkise mit einer Wickelwelle (10) und einem darauf auf- und abwickelbaren Behang, und zwei gebäudefesten Seitenteilen (1, 11),
M8.3 M8.4 M8.5 M8.6 an denen die Wickelwelle (10) stirnseitig abgestützt ist, insbesondere zwei Seitenteile (1, 11) eines die Wickelwelle einhausenden Kastens; die Wickelwelle (10) weist an zumindest einem Ende einen Lagerzapfen (61) auf, welcher über ein Seitenlagermodul (2, 3, 4) nach einem der vorhergehenden Ansprüche an dem zugeordneten Seitenteil (1) abgestützt ist, so dass die Wickelwelle bei in das Seitenlager (2, 3) dieses Seitenlagermoduls (2, 3, 4) eingestecktem Lagerzapfen (61) zwischen einer horizontalen Stellung und einer zur Horizontalen schräg geneigten Stellung verschwenkbar ist.
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Dipl.-Ing. (FH) des Maschinenbaus oder ein Rollladenbauer mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Markisen bzw. Rollläden.
4. Dieser Fachmann legt den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 folgendes Verständnis zu Grunde:
a) Beansprucht wird in Merkmal M1.1 ein Seitenlagermodul als eine Vorrichtung „für eine Wickelwelle einer Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung mit einem auf der Wickelwelle auf- und abwickelbaren Behang“. Diese Zweckbestimmung verlangt eine bauliche Ausgestaltung des Seitenlagermoduls in der Weise, dass dieses zur Aufnahme einer Wickelwelle objektiv geeignet sein muss (vgl. BGH GRUR 2018, 1128 [17] – Gurtstraffer).
Für das Verständnis der Erfindung ist hierbei wesentlich, dass das Seitenlagermodul mit der in Anspruch 1 definierten Ausgestaltung nicht an beiden Seiten des die Wickelwelle einhausenden Kastens vorhanden sein muss. Vielmehr ist es ausreichend, wenn sich ein erfindungsgemäßes Seitenlagermodul an einer Seite des Kastens befindet, während auf der anderen Seite ein anders ausgestaltetes, z. B. zur Aufnahme einer Motorachse geeignetes Modul vorhanden sein kann.
b) Das Seitenlagermodul weist eine Lagerplatte auf, die mit dem Seitenteil eines die Wickelwelle einhausenden Kastens einstückig verbunden oder an diesem Seitenteil befestigbar ist (M1.2). An der Lagerplatte ist wiederum ein Seitenlager befestigt. Dieses weist einen Lagerinnenring und einen Lageraußenring auf. Der Lagerinnenring dient zur Aufnahme eines stirnseitigen Lagerzapfens der Wickelwelle (M1.3, M1.4); er wird vom Lageraußenring drehbar aufgenommen (M1.5), wobei der Lageraußenring von der Lagerplatte getragen wird (M1.6).
Das Seitenlager ist somit zweiteilig ausgeführt, wobei der Lagerinnenring den Trägerstutzen aufnimmt und an der Außenseite kalottenartig gestaltet ist (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0026]). Mit dem kalottenartigen Teil ist es in einem Lageraußenring gelagert. Die kalottenartige Lagerung ermöglicht einerseits ein Verkippen des Lagerinnenrings zum Einstecken des Lagerzapfens und andererseits die drehbare Lagerung des Lagerinnenrings gegenüber den Lageraußenring (vgl. Streitpatentschrift Abs. [0036]; Figuren 3 und 4 mit Seitenlager 2, 3).
c) Durch diese Ausgestaltung des Seitenlagermoduls soll es entsprechend den Merkmalen M1.7 bis M1.10 möglich sein, die Wickelwelle zwischen einer horizontalen und einer schräg geneigten Stellung so zu verschwenken, dass sie mit ihrem stirnseitigen Lagerzapfen schräg an den Lagerinnenring angesetzt und dort eingeführt - in die Horizontale eingeschwenkt werden kann. Da die Wickelwelle mit ihren beiden Zapfen etwas länger ist als der lichte Abstand der Lager, kann eine Schrägstellung gegenüber der Einbaulage das Einführen der Wickelwelle in das erste Lager im Kasten erleichtern. Das Lager oder der Zapfen müssen dann so konstruiert sein, dass das schräge Einführen und das anschließende Schwenken in die Einbaulage möglich sind.
II.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung des Streitpatents ist nicht patentfähig, weil ihm die offenkundige Vorbenutzung der Verschattungsvorrichtung „Renson Fixscreen 150“ neuheitsschädlich entgegensteht:
1. Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins stimmt das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Seitenteil einer Sonnenschutzanlage „Fixscreen 150“ offensichtlich mit der Abbildung 1 der Anlage N19 überein. In einer Zusammenschau mit der in der mündlichen Verhandlung durch die Klägerin im Original vorgelegten Einzelteilübersicht der Anlage „Fixscreen 150“ des Herstellers Renson (Anlage N15) sind für den Fachmann sämtliche Merkmale des Seitenlagermoduls nach Anspruch 1 des Streitpatents ersichtlich. Am Ende der Beweisaufnahme hat dies auch die Beklagte nicht mehr in Abrede gestellt.
Details über den Aufbau des Seitenlagermoduls und des Seitenlagers gehen sowohl aus dem im Original vorgelegten Seitenteil der Sonnenschutzanlage „Renson Fixscreen 150“ als auch aus der Abbildung 1 der Anlage N19 hervor. Vorgelegt wurde das dort als Endkappe bezeichnete Teil der in der Entgegenhaltung N15 in Form einer Explosionszeichnung dargestellten Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung. Der Fachmann entnimmt der Einzelteilübersicht N15 auf der rechten Seite ein Seitenlagermodul (20), das über eine Lagerplatte und ein Seitenlager (30) des Herstellers „Igus“ einen stirnseitigen Lagerzapfen (29) der Wickelwelle (9) aufnimmt (entsprechend den Merkmalen M1.1 bis M1.3). Die vorgelegte Endkappe ist ein Druckgussbauteil und bildet ein Seitenlagermodul für eine Wickelwelle. In der Endkappe aufgenommen und an ihr befestigt ist eine Lagerplatte aus Stahl; sie ist damit gebäudeseitig befestigt (Merkmal M1.1). Die Lagerplatte ist mit Befestigungslaschen versehen, an denen sie mittels Befestigungsschrauben an dem Seitenteil festgeschraubt werden kann, sie ist also an dem Seitenteil befestigbar ausgebildet. Sie ist auch geeignet, die Wickelwelle stirnseitig abzustützen (Merkmal M1.2). Auf der Lagerplatte ist eine Lagerung für den stirnseitigen Lagerzapfen einer Wickelwelle angeordnet; dieses Gelenkflanschlager bildet das Seitenlager für die Wickelwelle (Merkmal M1.3). Das Seitenlager ist auf der Lagerplatte angebracht und weist einen Lagerinnenring auf, der beweglich in einem Lageraußenring aufgenommen ist (Merkmale M1.4, M1.5 und M1.6). Der das Seitenlager betreffende Herstellerhinweis „Igus“, der auch in der Anlage N15 angegeben ist (s. Bezugszeichen 30), war bei der Inaugenscheinnahme des vorgelegten Gelenkflanschlagers deutlich zu erkennen.
Die Beweglichkeit des Lagerinnenrings in dem ihn aufnehmenden Lageraußenring wird durch eine kalottenförmige Gestaltung der Kontaktflächen zwischen Innenund Außenring erreicht, so dass der Lagerinnenring auch eine Schrägstellung gegenüber einer im eingebauten Zustand horizontalen Achse einnehmen kann. Ein Durchschnittsfachmann erkennt daraus - ohne weitere Überlegungen anstellen zu müssen - dass die Achse des Lagerinnenrings derart verschwenkt werden kann, dass bei einem eingebauten Seitenlager eine Wickelwelle mit ihrem stirnseitigen Lagerzapfen schräg an dem Lagerinnenring angesetzt werden und dann von der zur Horizontalen geneigten Stellung in die Horizontale eingeschwenkt werden kann.
Auf Grund dieser baulichen Gegebenheiten sind die Merkmale M1.7 bis M1.10 erfüllt, unabhängig davon, dass bei der vorbenutzten Anlage die Montage der Wickelwelle durch Einführen bzw. Einlegen der Seitenplatte in horizontaler Richtung vorgesehen ist. Maßgeblich ist allein, dass auch bei der „Fixscreen 150“Anlage ein schräges Einführen und anschließendes Verschwenken der Wickelwelle in die Horizontale möglich ist, was auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestritten hat.
2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Anlage „Renson Fixscreen 150“ mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Seitenteil und dem aus den Dokumenten N15 und N19 erkennbaren Seitenlagermodul vor dem Prioritätstag des Streitpatents, dem 14. März 2014, offenkundig vorbenutzt worden ist.
a) Die von Klägerseite behauptete Lieferung einer Anlage mit der Bezeichnung „Fix-Screen Renson 596 x 305“ am 16. März 2010 hat die Beklagte nicht bestritten. Die als Anlage N16 zur Akte gereichte Rechnung Nr. KI-1001302 belegt, dass das belgische Unternehmen N… S.A. (Renson Sunprotection Screens) unter dem Datum des 8. März 2010 der B… GmbH mit Sitz in E… eine Sonnenschutzanlage vom Typ „Fix150 Motor Sch.“ in der Abmessung 596 x 305 cm in Rechnung gestellt hat. Die als Anlage N17 zur Akte gereichte weitere Rechnung Nr. 10-RE-0127 der B… GmbH vom 25. März 2010 betrifft die Inrechnungstellung des insoweit identischen NettoBetrages in Höhe von … € für die Lieferung einer „Fix-Screen Renson 596 x 305“ für eine „Musteranlage Zürich“ bei Fertigstellung am 16. März 2010.
b) Dass es sich bei dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Zinkdruckguss-Seitenlagermodul um ein Teil derjenigen Lagereinheit einer RensonAnlage des Typs „Fixscreen 150“ handelt, die die Klägerin am 16. März 2010 zum Zwecke einer Wettbewerbsanalyse erworben hatte, hat der Zeuge H…, von Beruf Schlosser, in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und für den Senat nachvollziehbar bestätigt. Obwohl der damalige Einbau der Musteranlage in einen Versuchsstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits fast neun Jahre zurücklag, war die Aussage des seinerzeit als Projektleiter bei der Entwicklung von Fenstermarkisen bei der Klägerin beschäftigten Zeugen zusammenhängend, schlüssig, detailreich und sicher. Auf Einzelheiten, an die er sich nicht mehr erinnerte, wies er dabei ausdrücklich hin. Er erklärte, dass die Klägerin zur damaligen Zeit etwa drei bis vier Konkurrenzprodukte im Jahr zu Analysezwecken angeschafft habe. Für den Senat nachvollziehbar erläuterte der Zeuge, dass ihm die Renson-Anlage im Gedächtnis geblieben sei, weil sie die Besonderheit aufwies, dass die Revision der Wickelwelle dort, im Unterschied zu den von der Klägerin hergestellten Anlagen, nicht nach unten, sondern horizontal erfolgte. Seine Erinnerung an das ihm vorgelegte Seitenlagerprofil betreffend wusste der Zeuge zu berichten, dass es im Unterschied zu Produkten anderer Hersteller aus dem vergleichsweise höherwertigen Material Zinkdruckguss gefertigt war, und dass dieser Umstand sowie der Aufbau des Moduls Gründe für dessen Archivierung bei der Klägerin waren. Auf Nachfrage berichtete der Zeuge weiter, dass die Wickelwelle bei Anlieferung mit dem Kasten fest verbunden und der Lagerzapfen bereits eingesteckt gewesen seien. Der Zeuge H…, der nach eigenem Bekunden erstmalig als Zeuge vor Gericht stand, erschien dem Senat seinem persönlichen Gesamteindruck in der Sitzung nach auch deshalb glaubwürdig, weil er sich in dem ernsten Bemühen, eine seiner Erinnerung entsprechende Aussage zu Protokoll zu geben, an mehreren Stellen gewissenhaft korrigierte. In diesem Bemühen wich der Zeuge auch kritischen, etwa die Art der Revision der Wickelwelle betreffenden Fragen des Beklagtenvertreters nicht aus.
c) Der Umstand, dass die an die Klägerin gelieferte Wickelwelle mit an ihren beiden Enden montierten Lagerplatten ausgeliefert wurde, steht der Offenkundigkeit der Vorbenutzung nicht entgegen. Bereits durch die bei der Klägerin vorgenommene Untersuchung sind die technischen Einzelheiten der Vorrichtung den damit befassten Fachleuten, die unstrittig keinen Pflichten zur Geheimhaltung unterworfen waren, bekannt und damit offenkundig geworden. Davon abgesehen handelt es sich bei der gelieferten Anlage um ein Serienprodukt, bei dem nach der Lebenserfahrung die nicht zu entfernt liegende Möglichkeit besteht, dass nach der Auslieferung beliebige sachkundige Dritte den betreffenden Gegenstand auf seine Merkmale untersuchen und sich Kenntnis von seinen technischen Einzelheiten verschaffen können (BGH GRUR 1966, 484, 486 - Pfennigabsatz; Schulte, PatG, 10. Aufl., § 3 Rn. 58 f.). So liegt es im vorliegenden Fall nicht fern, dass ein Handwerker beim Einbau oder bei einer Reparatur die Funktionsweise der Markise näher in Augenschein nimmt.
Somit ist davon auszugehen, dass ein Seitenlagermodul mit allen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 vor dem Prioritätstag offenkundig vorbenutzt worden ist, weshalb der Gegenstand dieses Anspruchs mangels Neuheit nicht rechtsbeständig ist.
III.
Auch in der Fassung des Hilfsantrags 1, die in zulässiger Weise die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 8 miteinander kombiniert und auf eine Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung gerichtet ist, ist der Patentanspruch 1 nicht bestandsfähig. Eine solche Vorrichtung war - wie sich aus den vorliegenden Unterlagen der Vorbenutzung „Renson Fixscreen 150“ in Verbindung mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme ergibt - der Öffentlichkeit ebenfalls vor dem Prioritätstag bekannt.
Die vorbenutzte Anlage umfasst, wie aus der Druckschrift N15 ersichtlich ist, eine Wickelwelle samt einem darauf auf- und abwickelbaren Behang (entsprechend M8.1 - Tuchwelle 9) sowie zwei gebäudefeste Seitenteile (M8.2 - Endkappe L, Endkappe R), an denen die Wickelwelle stirnseitig abgestützt ist (M8.3), wobei die Wickelwelle an zumindest einem Ende einen Lagerzapfen aufweist (M8.4; vgl. Lagerpin 29), welcher über ein Seitenlagermodul an dem zugeordneten Seitenteil abgestützt ist (M8.5 - „Igus“-Lager 30). Die Merkmale M8.5 und M8.6 sind aus den unter II.1 genannten Gründen bei der „Fixscreen 150“-Anlage ebenfalls vorhanden.
Somit ist auch der gemäß Hilfsantrag 1 geänderte Anspruchsgegenstand von der offenkundigen Vorbenutzung umfasst und daher nicht neu.
IV.
Die mit Hilfsantrag 2 beanspruchte Fassung des Patentanspruchs 1 ist unzulässig. Die dort beanspruchte Kombination eines Merkmals des erteilten Patentanspruchs 9 mit der Fassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 stellt in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre dar, die der Fachmann der Ursprungsanmeldung als mögliche Ausgestaltung der Erfindung nicht entnehmen konnte (vgl. BGH GRUR 2016, 463 [28] – Presszange, m. w. N.).
Das aus dem erteilten Anspruch 9 hinzugefügte Merkmal, wonach die Wickelwelle (10) zwischen einer Betriebsstellung und einer demgegenüber zusammengedrückten Montagestellung teleskopierbar ist, ist in der erteilten Fassung des Streitpatents zusätzlich mit dem weiteren Merkmal verknüpft, wonach der in dem Seitenlagermodul (2, 3, 4) abgestützte Lagerzapfen (61) - zwingend – verschieblich in der Wickelwelle (10) aufgenommen ist. Die Konjunktion „wobei“ im kennzeichnenden Teil ist so zu verstehen, dass die Teleskopierbarkeit der Wickelwelle genau durch das Merkmal, dass „der…Lagerzapfen…verschiebbar in der Wickelwelle aufgenommen ist“ erreicht wird. Eine anders geartete Teleskopierbarkeit der Wickelwelle kann nicht unter diesen Wortlaut fallen. Dadurch, dass in der mit Hilfsantrag 2 beanspruchten Fassung des Patentanspruchs 1 die Teleskopierbarkeit der Wickelwelle ohne das den Lagerzapfen betreffende weitere Merkmal des erteilten Patentanspruchs 9 in den Hauptanspruch aufgenommen werden soll, wird ein im erteilten Patent nicht geschützter Anspruchsgegenstand geschaffen; Hilfsantrag 2 ist wegen der in ihm enthaltenen, nicht zulässigen Zwischenverallgemeinerung daher unzulässig.
V.
In der Fassung des Hilfsantrags 3 wird der Wortlaut des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 - nunmehr in zulässiger Weise - durch die Merkmale ergänzt, wonach die Wickelwelle (10) zwischen einer Betriebsstellung und einer demgegenüber zusammengedrückten Montagestellung teleskopierbar ist, wobei der in dem Seitenlagermodul (2, 3, 4) abgestützte Lagerzapfen (61) in Wickelwellenachsrichtung verschiebbar in der Wickelwelle (10) aufgenommen ist.
1. Diese zusätzlichen, dem erteilten Patentanspruch 9 entnommenen Merkmale stellen eine zulässige Beschränkung dar. Die weiteren Teilmerkmale des erteilten Patentanspruchs 9, wonach der Lagerzapfen „insbesondere in Wickelwellenachsrichtung“ verschiebbar und „vorteilhaft federnd“ in der Wickelwelle aufgenommen ist, sind in dieser Ausgestaltung des Patentanspruchs 1 zwar nicht vorgesehen; dies ist jedoch unschädlich, weil es sich insoweit im erteilten Patentanspruch 9 lediglich um weitere fakultative Merkmale handelt.
2. In der Ausgestaltung gemäß Hilfsantrag 3 ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch patentfähig.
a) Gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung „Renson Fixscreen 150“ handelt es sich um einen neuen Gegenstand, weil dort keine Teleskopierbarkeit der Wickelwelle durch eine verschiebbare Aufnahme des Lagerzapfens in der Wickelwelle vorgesehen ist.
Wie das dem Gelenkflanschlager-Seitenteil gegenüberliegende Seitenteil und das dortige Ende der Wickelwelle aussehen könnten, ist weder dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Seitenlagermodul noch der Anlage N19 zu entnehmen. Die Wickelwelle selbst ist weder in der Anlage N19 noch in der Anlage N15 dargestellt.
Die Einzelteilübersicht N15 und die Konstruktion des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Seitenlagermoduls zeigen, dass die Wickelwelle in horizontaler Lage mit auf die Lagerzapfen aufgesteckter Lagerplatte in die Endkappen eingeschoben wird. Für den Durchschnittsfachmann ist ohne weiteres zu erkennen, dass ein Lager, das eine Neigung zwischen Lagerplatte und Wickelwelle zulässt, in vorteilhafter Weise beim Einschieben der Wickelwelle in den Rollladenkasten ein Verklemmen verhindert.
b) In der Ausgestaltung gemäß Hilfsantrag 3 ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ebenfalls neu gegenüber dem übrigen, von der Klägerin vorgelegten druckschriftlichen Stand der Technik:
Weder die als Anlage N13 vorgelegte Montagerichtlinie einer Renson-Anlage des Typs „Fixscreen 100“ noch der als Anlage N18 vorgelegte Prospekt zu FixscreenMarkisen verschiedener Typenbezeichnungen aus dem Jahre 2010 zeigen eine teleskopierbar ausgestaltete Wickelwelle. N13 offenbart in der dortigen Zeichnung 2 im Abschnitt 8 (Montage der Tuchwelle) - anders als von der Klägerin behauptet - auch den beanspruchten Schwenkvorgang nicht in eindeutiger Weise.
Die Entgegenhaltungen N3 bis N12 und N14 zeigen kein Seitenlagermodul mit den Merkmalen M1.5 und M1.7 Die Druckschriften N3 und N4 schlagen eine ballige Form für das Ende der Achse vor, weisen also einen anderen Weg zur Lösung des Problems. N5 und N9 betreffen die Führungsschienen für einen Behang, nicht die Lagerung der Wickelwelle. Bei dem Lager gemäß N6 tritt das Problem des Verschwenkens beim Einführen nicht auf, da es sich um ein Gabellager handelt, das einseitig offen ist. In den Entgegenhaltungen N7, N10, N11, N12 und N14 geht es schließlich nur um die verschiebliche Lagerung des Achszapfens in der Wickelwelle; Aspekte des Lagers selbst werden nicht behandelt.
c) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit. Ausgehend von der im Rahmen der offenkundigen Vorbenutzung beschriebenen Anlage „Renson Fixscreen 150“ hatte der Fachmann keinen Anlass, die Wickelwelle teleskopierbar auszugestalten. Denn die Renson-Anlage geht von einer Wickelwelle aus, die sich allein mit Hilfe des beschriebenen Gelenkflanschlagers einscharnieren lässt.
Aus der Anlage N15 geht eine Montage der Wickelwelle hervor, die keinerlei Hinweis auf ein schräges Ansetzen der Wickelwelle an dem Lagerinnenring gibt. Da gemäß N15 die Wickelwelle mit aufgesteckten Lagern in die Seitenteile eingeführt wird, entsteht auch nicht das Problem, dass die Wickelachse, die mit ihren Lagerzapfen länger ist als der lichte Abstand zwischen den Seitenlagern, in die bereits montierten Seitenlager eingeführt werden muss. Erfindungsgemäß wird dieses Problem dadurch gelöst, dass einerseits ein Lager vorgesehen ist, das durch seine besondere Konstruktion aus Lageraußenring und darin drehbar aufgenommenem Lagerinnenring ein zur Horizontalen schräg geneigtes Einfädeln des Lagerzapfens in den Lagerinnenring ermöglicht, und dass andererseits der in dem Seitenlager abgestützte Lagerzapfen in Wickelwellenachsrichtung verschieb- bar in der Wickelwelle aufgenommen ist, so dass die Wickelwelle für einen Montagezustand zusammengedrückt und in diesem verkürzten Zustand in die Horizontale zwischen die beiden Seitenlager eingeschwenkt werden kann.
Die von Klägerseite in der mündlichen Verhandlung erwähnte bauseitige Beschränkung, nach welcher im Revisionsfall der Kasten der Renson-Anlage im eingebauten Zustand unter Putz liegen könnte mit der Folge, dass die Wickelwelle nicht horizontal entnehmbar sei, was den Fachmann vor die Aufgabe stelle, die Wickelwelle der Renson-Anlage zu entnehmen, ohne die Lagerplatte zu lösen, führt nicht zum Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3. Denn der Beklagtenvertreter hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass der Revisionsdeckel des Kastens der Renson- Anlage „L-förmig“ ist, mit der Folge, dass der Monteur im Revisionsfall den Kasten der Anlage nicht ohne Zerstörung des Putzes oder des Kastens zu öffnen vermag, um Zugang zur Wickelwelle zu erhalten.
d) Auch in dem von der Klägerin vorgelegten druckschriftlichen Stand der Technik konnte der Fachmann keine Hinweise finden, die ihn zu der mit Hilfsantrag 3 beanspruchten Ausgestaltung führen konnten.
Die deutsche Patentschrift 10 2005 034 063 B3 (N14) und das deren Priorität beanspruchende europäische Patent 1 746 244 B1 (N8), die europäische Patentanmeldung 1 936 106 A2 (N7), die französische Patentanmeldung 2 934 307 A1 (N10), das deutsche Gebrauchsmuster 20 2007 004 845 U1 (N11) und die europäische Patentanmeldung 0 730 080 A1 (N12) zeigen verschiedene Formen teleskopierbarer Wickelwellen, ohne dass bei ihnen explizit ein in der Wickelwelle verschiebbar aufgenommener Lagerzapfen dargestellt ist. Es zeigt auch keine dieser Druckschriften eine besondere Gestaltung des Seitenlagermoduls mit gegeneinander verschwenkbarem Lagerinnen- und Lageraußenring. Somit ist ihnen auch keinerlei Hinweis zu einer Konstruktion einer Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung mit den im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 genannten Merkmalen zu entnehmen.
Die weiteren Entgegenhaltungen N3, N4, N5, N6 und N9 beinhalten lediglich einen weiter abliegenden Stand der Technik, sie können daher auch keine weiteren Anregungen geben.
VI.
Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 hat somit Bestand. Dies gilt auch für die dortigen Unteransprüche 2 bis 9, die zweckmäßige, nicht triviale Ausgestaltungen der beanspruchten Gebäudeöffnungsverschattungsvorrichtung betreffen. Daher war die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der mit Hilfsantrag 3 beanspruchten Fassung richtet.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
VIII.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden.
Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch Küest Dr. Schnurr Dr. Großmann Richter Pr