6 StR 102/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 102/24 BESCHLUSS vom 29. April 2024 in der Strafsache gegen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:290424B6STR102.24.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2024 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 22. November 2023 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit verbotenem Besitz von Cannabis verurteilt ist; b) im Strafausspruch im Fall II.2 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben, wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2 der Urteilsgründe) sowie wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Sein auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestütztes Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen übergab der Angeklagte auf Bitte eines Bekannten Anfang Oktober 2022 sieben Kilogramm Marihuana an die gesondert verfolgten E. und H. , die das Marihuana wegen der schlechten Qualität nach wenigen Tagen zurückbrachten. Am 11. Oktober 2022 lieferte der Angeklagte als Ausgleich zwei Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 275,7 Gramm THC (Fall II.1 der Urteilsgründe). In der Folgezeit handelte der Angeklagte auf eigene Rechnung mit Marihuana. Er hatte am 15. Juni 2023 insgesamt 459,8 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 80,02 Gramm THC in Besitz, von denen 205 Gramm zum Eigenkonsum und der Rest zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt waren (Fall II.2 der Urteilsgründe).
2. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand. Er ist nach § 354a i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO im Fall II.2 der Urteilsgründe zu ändern.
a) Seit dem 1. April 2024 werden Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis nicht mehr von dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) erfasst. Dieses ist nach der gebotenen konkreten Betrachtungsweise (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21, NJW 2023, 460) im Fall II.2 der Urteilsgründe das nach § 2 Abs. 3 StGB mildere Gesetz. Zwar sind nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG erfüllt, weil sich die strafbaren Handlungen jeweils auf eine nicht geringe Menge bezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24). Der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG ist jedoch mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe milder als der im Fall II.2 der Urteilsgründe zur Anwendung gelangte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG, der von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe reicht.
Keiner Schuldspruchänderung bedarf es indes im Fall II.1 der Urteilsgründe. Hier hat das Landgericht jeweils einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht. Dieser Strafrahmen entspricht dem bei Anwendung der neuen Regelungen einschlägigen Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG, der somit nicht milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist. Der Senat kann im Hinblick auf die gehandelte Menge und die damit verbundene erhebliche Überschreitung des Grenzwertes der nicht geringen Menge ausschließen, dass die Strafkammer von der Indizwirkung des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG abgesehen und den milderen Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG angewandt hätte.
b) Im Rahmen der gebotenen Schuldspruchänderung bedarf es hinsichtlich der Verurteilung wegen Besitzes von Cannabis in der Urteilsformel des Zusatzes „verboten“, weil diese Art des Umgangs mit Cannabis nicht stets unter Strafe steht oder eine Ordnungswidrigkeit darstellt (§§ 3, 34 Abs. 1 Nr. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG). Dagegen ist weder der Besitz von „nicht geringen Mengen“ Cannabis noch das Handeltreiben mit „nicht geringen Mengen“ Cannabis im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, weil es sich insoweit – anders als bei § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG – nicht um ein Qualifikationsmerkmal, sondern einen Regelfall des besonders schweren Falls nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG handelt, und das Vorliegen eines gesetzlichen Regelbeispiels nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist (vgl. KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31).
3. Auch der Strafausspruch hat nicht in vollem Umfang Bestand.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung der neuen Regelungen im Fall II.2 der Urteilsgründe zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre (§ 337 StPO). Die Aufhebung dieser Strafe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden (§ 353 Abs. 2 StPO).
Sander von Schmettau Wenske Arnoldi Fritsche Vorinstanz: Landgericht Magdeburg, 22.11.2023 - 25 KLs 275 Js 54203/22 (29/23)