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V ZB 162/12

BUNDESGERICHTSHOF V ZB 162/12 BESCHLUSS vom 17. Oktober 2013 in der Zurückschiebungshaftsache Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Oktober 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub, die Richterin Weinland und den Richter Dr. Kazele beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 18. Juli 2012 aufgehoben und festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 16. Januar 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Cloppenburg auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein ivorischer Staatsangehöriger, wurde, nachdem sein in der Bundesrepublik Deutschland gestellter Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wegen eines bereits in Italien gestellten, dort abgelehnten Asylantrags als unzulässig zurückgewiesen worden war, am 3. November 2011 nach Italien zurückgeschoben. Nach erneuter Einreise in das Bundesgebiet wurde er am 16. Januar 2012 von der Polizei aufgegriffen. Die beteiligte Behörde beantragte am selben Tag die Anordnung von Haft für vier Wochen zur Sicherung einer erneuten Abschiebung des Betroffenen nach Italien.

Das Amtsgericht Cloppenburg hat am 16. Januar 2012 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens zum 13. Februar 2012 angeordnet. Eine für den 9. Februar 2012 vorgesehene Zurückschiebung des Betroffenen nach Italien konnte nicht durchgeführt werden, weil bei ihm am 7. Februar 2012 der Verdacht einer Tuberkulose-Erkrankung diagnostiziert worden war. Der Betroffene befindet sich seit dem 13. Februar 2012 wieder auf freiem Fuß, nachdem das Landgericht Hannover eine Entscheidung des dortigen Amtsgerichts über eine Verlängerung der Haft aufgehoben hat. Der Betroffene, der Beschwerde gegen die Haftanordnung eingelegt hatte, hat nach Ablauf der angeordneten Haftzeit und anschließender Haftentlassung die Feststellung der Verletzung seiner Rechte durch die Haftanordnung des Amtsgerichts beantragt. Diesem Antrag hat das Landgericht Oldenburg nicht entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II.

Das Beschwerdegericht meint, dass die Haftanordnung des Amtsgerichts rechtmäßig gewesen sei. Der Haftantrag der beteiligten Behörde habe den gesetzlichen Begründungserfordernissen nach § 417 Abs. 2 FamFG entsprochen. Der Hinweis darauf, dass die Zurückschiebung durch das Landeskriminalamt durchgeführt werde, habe zur Begründung der von der Ausländerbehörde beantragten Haftdauer von vier Wochen ausgereicht, da das Amtsgericht auf Grund der Angaben im Haftantrag sowohl die Prognose für die erforderliche Dauer der Abschiebung als auch für deren notwendige Beschleunigung habe treffen können. Das habe der tatsächliche Ablauf bestätigt, da die Abschiebung des Betroffenen längst erfolgt wäre, wenn nicht nach der Haftanordnung der Verdacht einer Erkrankung festgestellt worden wäre. Gemäß der Stellungnahme der beteiligten Behörde im Beschwerdeverfahren sei auch davon auszugehen, dass der Haftantrag dem Betroffenen vor dessen Anhörung übergeben worden sei.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 statthafte (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt worden. Der auf diesen Beschluss bezogene, bereits in der Beschwerdeinstanz gestellte Feststellungsantrag ist begründet.

1. Die Haft hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328 Rn. 10; vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).

Bei einer Zurückschiebung nach der Dublin-II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, ABl. L 50 S. 1) gehören zu den erforderlichen Angaben zur Durchführbarkeit der Zurückschiebung auch Ausführungen dazu, dass und weshalb der Zielstaat - hier Italien - nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist. Das wiederum richtet sich im Wesentlichen danach, in welchem der in der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Verfahren die Zurückschiebung erfolgen soll, insbesondere ob eine Aufnahme nach Art. 10, 16 Abs. 1 Buchstabe a der Dublin-II-Verordnung oder eine Wiederaufnahme nach Art. 4 Abs. 5 oder Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c bis e jeweils in Verbindung mit Art. 20 Dublin-II-Verordnung betrieben werden soll. Die Entscheidung darüber, ob eine Aufnahme oder eine Wiederaufnahme beantragt wird, obliegt dem zuständigen Bundesamt, dessen Vorgehen abgefragt und in dem Haftantrag mitgeteilt werden muss. Ferner muss der Antrag Angaben dazu enthalten, innerhalb welchen Zeitraums Überstellungen in den betreffenden Mitgliedstaat üblicherweise möglich sind. Pauschale Angaben zu den Fristen für die Beantwortung des Ersuchens und für die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat reichen nicht aus (eingehend zum Ganzen Senat, Beschlüsse vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12, juris Rn. 5 ff. und vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 19 ff., jeweils mwN).

2. Der Haftantrag der beteiligten Behörde genügte dem nicht, da es an Angaben zur Art und zum Ablauf des vorgesehenen Verfahrens zur Zurückschiebung fehlte. Der Haftantrag der beteiligten Behörde enthält lediglich deren Prognose, dass in der beantragten Haftzeit die Abschiebung nach Italien höchstwahrscheinlich durchgeführt werden könne, und den Hinweis auf das Erfordernis der Einschaltung des Landeskriminalamts, das einen Abschiebungsflug buchen müsse, der den italienischen Behörden mitzuteilen und von diesen zu bestätigen sei. In dem Haftantrag sind dagegen keine Ausführungen dazu enthalten, dass die Voraussetzungen für die Zurückschiebung des Betroffenen nach Italien in dem konkreten Fall auch vorliegen, welche Verfahrensschritte für die Überstellung des Betroffenen nach Italien (nach der vorstehenden Verordnung und den Durchführungsbestimmungen der Kommission in der Verordnung [EG] Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003, ABl. Nr. L 222/1) zu durchlaufen sind und welche Zeit hierfür unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis der italienischen Behörden voraussichtlich erforderlich sein wird.

An der Unzulässigkeit des Haftantrags wegen Fehlens einer den Erfordernissen des § 417 Abs. 2 FamFG entsprechenden Begründung ändert es nichts, dass die Zurückschiebung (ohne die Erkrankung des Betroffenen) innerhalb der von der Behörde beantragten Haftzeit hätte erfolgen können. Selbst wenn sich die auf unzureichender Grundlage getroffene Prognose damit im Nachhinein als richtig erweist, wird der Mangel des Haftantrags dadurch nicht rückwirkend geheilt, da es sich bei der ordnungsgemäßen Antragstellung durch die Behörde um eine Verfahrensgarantie handelt, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert (Senat, Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZB 70/11, juris Rn. 8).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, Art. 5 EMRK. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO.

Stresemann Weinland Schmidt-Räntsch Kazele Czub Vorinstanzen: AG Cloppenburg, Entscheidung vom 16.01.2012 - 10 XIV 4/12 LG Oldenburg, Entscheidung vom 18.07.2012 - 14 T 71/12 -

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