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3 Ni 31/11 (EP)

BUNDESPATENTGERICHT Ni 31/11 (EP) (Aktenzeichen)

…

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am

17. Dezember 2013 …

In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 011 653 (DE 698 10 784)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm, des Richters Guth, der Richterin Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig sowie der Richter Dipl.-Chem. Dr. Gerster und Dipl.-Chem Dr. Jäger für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 011 653 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand Die Beklagte war zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage an den Vertreter der als Inhaberin Eingetragenen am 28. September 2011 Inhaberin des am 26. August 1998 unter Inanspruchnahme der schwedischen Priorität 9703191 vom 4. September 1997 als internationale Patentanmeldung PCT/SE98/01526 in der Amtssprache Englisch angemeldeten und vor dem Europäischen Patentamt in der regionalen Phase erteilten europäischen Patents EP 1 011 653 B1 (Streitpatent), dessen Erteilung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Patentamt am 15. Januar 2003 bekannt gemacht wurde und das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 698 10 784 geführt wird. Das Streitpatent war bereits vor Zustellung der Nichtigkeitsklage durch Rechtsgeschäft von der bisherigen Patentinhaberin, die laut unbestrittener Einlassung der Nebenintervenientin nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens 23. November 2004 gelöscht worden ist, mehrfach und zuletzt auf die F… …Co., Ltd. übertragen und am 9. Januar 2012 auf diese umgeschrieben am worden. Die neue Patentinhaberin hat aufgrund ihrer Rechtsnachfolge die Nebenintervention erklärt sowie Widerspruch gegen die Nichtigkeitsklage eingelegt.

Die Klägerin erklärt, hilfsweise für den Fall, dass die Klage gegen die Beklagte unzulässig sein sollte, richte sie die Klage gegen die Nebenintervenientin als neue im Register eingetragene Patentinhaberin.

Die Beklagte und ursprüngliche Patentinhaberin, deren Inlandsvertreter die Klageschrift und sämtliche Schriftsätze der übrigen Beteiligten zugestellt worden sind, hat sich nicht geäußert. Nach Auskunft der Nebenintervenientin ist die Beklagte nach Abwicklung eines Insolvenzverfahrens gelöscht worden.

Das Streitpatent, das mit einem Hauptantrag und fünf Hilfsanträgen jeweils beschränkt verteidigt wird, betrifft die „Verwendung von Xanthophyllen zur Herstellung von Arzneimitteln zur Verbesserung der Muskel-Funktionsdauer oder zur Behandlung von Muskelstörungen oder Erkrankungen“ und umfasst in der erteilten Fassung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland 5 Patentansprüche, die in deutscher Übersetzung folgendermaßen lauten:

"1. Verwendung von Xanthophyllen mindestens eines Typs bei der Herstellung eines Medikaments zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren und/oder zur Behandlung von Störungen oder Krankheiten der Muskeln von Säugetieren.

2. Verwendung nach Anspruch 1, wobei der Typ des Xanthophylls Astaxanthin ist.

3. Verwendung nach Anspruch 2, wobei das Astaxanthin in mit Fettsäuren veresterter Form vorliegt.

4. Verwendung nach Anspruch 3, wobei es sich bei dem mit Fettsäuren veresterten Astaxanthin um Algenmehl aus gezüchteten Haematococcus sp. handelt.

5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei die Muskelstörung bei Säugetieren die equine belastungsbedingte Rhabdomyolyse des Pferdes ist." Die Klägerin greift das Patent in vollem Umfang an und macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit und der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Dokumente:

N1 DE 698 10 784 T2 (deutsche Übersetzung des Streitpatents) N2 EP 1 0 11 653 B1 (Streitpatent)

K7 Miki, W., Pure & Appl. Chem. 1991, 63, S. 141 bis 146 K8 JP 02049091 A, mit englischem Abstract (Patent Abstracts of Japan) K8a englische Übersetzung der K8 K9 Dekkers, J. C. et al., Sports Med. 1996, 21, S. 213 bis 238 K14 K14a JP03083 577 A, mit englischem Abstract (Patent Abstracts of Japan) englische Übersetzung der K14 K22 Novelli, G. P. et al., Free Radical Biology & Medicine, 1990, 8, S. 9 bis 13 K25 Martina Dorsch, Zentrales Tierlaboratorium der Medizinischen Hochschule, Hannover: “Applikation von Substanzen“, Präsentation 25 Seiten Die Klägerin ist der Ansicht, die Nichtigkeitsklage sei zutreffend an den zum Zeitpunkt der Klageerhebung gemäß Registereintrag legitimierten Vertreter der Beklagten zugestellt worden. Der Widerspruch der Nebenintervenientin gegen die Nichtigkeitsklage sei unzulässig, da nur die Beklagte widerspruchsberechtigt sei.

Das Streitpatent sei für nichtig zu erklären, weil dessen Gegenstand nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann die Lehre in der gesamten Anspruchsbreite ausführen könne, denn das Streitpatent offenbare nicht, was unter einer Steigerung der Muskelfunktionsdauer zu verstehen sei. Der Gegenstand der nebengeordneten Ansprüche des Streitpatents sei ferner nicht neu und beruhe zudem insbesondere im Hinblick auf die Dokumente K9 i. V. m. K22 und K7 bzw. K8 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Gleiches gelte für die hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents, die außerdem nicht zulässig seien, da sie unzulässige Erweiterungen und Unklarheiten enthielten.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das europäische Patent 1 011 653 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Nebenintervenientin stellt sinngemäß den Antrag,

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung des Hauptantrags, hilfsweise des Hilfsantrags 1, beide gemäß Schriftsatz vom 29. April 2013, weiter hilfsweise des Hilfsantrags 2 gemäß Schriftsatz vom 06. Juni 2013, weiter hilfsweise eines der Hilfsanträge 3 oder 4 gemäß Schriftsatz vom 29. April 2013, weiter hilfsweise des in der mündlichen Verhandlung übergebenen Hilfsantrags 5 erhält.

Der Hauptantrag entspricht der erteilten Fassung des Streitpatents mit dem Unterschied, dass die medizinische Indikation auf die "prophylaktische und/oder therapeutische Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren" beschränkt und der erteilte Patentanspruch 5 gestrichen wird.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

"1. Verwendung von Astaxanthin bei der Herstellung eines Medikaments zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren." Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 entspricht dem des Hilfsantrags 1 mit dem Unterschied, dass das weitere Merkmal ", wobei das Medikament zur Verabreichung einer täglichen Dosis von 0,01 bis 1 mg pro Kilo Körpergewicht hergerichtet ist." hinzugefügt wird.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 mit dem Unterschied, dass dieser auf den Menschen beschränkt wird.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 mit dem Unterschied, dass dieser auf den gesunden Menschen beschränkt wird.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 entspricht Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag mit dem Unterschied, dass nach „….Muskelfunktionsdauer von Säugetieren“ der Passus „relativ zum Ausgangswert“ hinzugefügt wird.

Die Patentansprüche 2 bis 4 des Hauptantrages und des Hilfsantrages 5 entsprechen jeweils den Patentansprüchen 2 bis 4 in der erteilten Fassung und die Patentansprüche 2 und 3 der Hilfsanträge 1 bis 4 entsprechen jeweils den Ansprüchen 3 und 4 der erteilten Fassung.

Die Nebenintervenientin tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf folgende Dokumente N1 Antrag an das Deutsche Patent- und Markenamt auf Änderung der Eigentümerin des Streitpatentes in der Rolle vom 27. Oktober 2011 N2 Übertragungserklärung für das Streitpatent auf die AstaReal AB, Schweden vom 1. September 2003 N3 Übertragungserklärung für das Streitpatent auf die BioReal Inc., U.S.A. vom 29. März 2005 N4 Übertragungserklärung für das Streitpatent auf die Nebenintervenientin vom 29. März 2005 N6 Internet-Exzerpt "Koronare Herzerkrankung (KHK)" (LMU – Klinikum der Universität München/Herzchirurgische Klinik und Poliklinik) vom 29. Mai 2012 N7 Lawrence, J. D. et al., The American Journal of Clinical Nutrition 1975, 28, S. 205 bis 208 N8 Malmsten, C. L. und Lignell,Ǻ., Carotenoid Science 2008, 13, S. 20 bis 22 N9 “Molecular Biology of the Cell” (Hrsg.: Alberts, B. et al.), 3. Auflage,1994, Garland Publishing, Inc., New York, S. 218/219 und 223 N10 Rokitzki L. et al., Intl. J. Sport Nutr., 1994, 4, S. 253 bis 264 N11 Earnest, C. P. et al., Int. J. Sports Med. (published online,

http://dx.doi.org/10.1055/s-0031-1280779), 2011, 7 Seiten N12 „GAG – was ist das eigentlich?“ Auszug aus http://www.gestuet-altana.com/racing/GAG.htm vom

29.05.2013 N13 Broschüre „AstaXanthin“, herausgegeben von der ESOVita Limited, 2009, S. 2 bis 4, 45 bis 50 und 118 N14 Albanes, D., CANCER RESEARCH 1987, 47, 1987 bis 1992 N15 Auszug aus Wikipedia, Stichwort „Anaerobe Schwelle“ vom

03.12.2013 Die Nebenintervenientin, die dem Vorbringen der Klägerin in vollem Umfang entgegentritt, ist der Ansicht, der Beklagten fehle die passive Prozessführungsbefugnis, da § 265 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur für den hier nicht gegebenen Fall, dass die Übertragung des Rechts vor Erhebung der Klage erfolgt sei, bestimme, dass die Rechteübertragung an der Parteieigenschaft nichts ändere. Außerdem sei die Klage durch Zustellung an ihren zum Zeitpunkt der Klageerhebung eingetragenen Vertreter noch nicht wirksam an die Beklagte zugestellt worden, da die Vollmacht durch die Insolvenzeröffnung erloschen sei.

Die Nebenintervenientin vertritt weiterhin insbesondere die Auffassung, die Lehre des Streitpatentes sei nicht nur neu, sondern beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. So sei es nicht möglich, Rückschlüsse von einer im Stand der Technik beschriebenen Verringerung von Muskelschädigungen auf eine Steigerung der Muskelfunktionsdauer zu ziehen. Zudem belegten die vorgelegten Dokumente nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit eine Kausalität der Verabreichung von Vitamin E auf die Muskelfunktionsdauer. Auch habe für den Fachmann wegen der sehr unterschiedlichen chemischen Strukturen von Vitamin E und Astaxanthin kein Anlass bestanden, zur Lehre des Streitpatents zu gelangen.

Die Nebenintervenientin regt an, hinsichtlich der Fragen der Ausführbarkeit und Patentfähigkeit Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben.

Entscheidungsgründe I.

Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit a EPÜ) und mangelnder Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit b EPÜ) gestützte Klage ist zulässig.

1. Die Klage ist zu Recht gegen die zum Klagezeitpunkt als Patentinhaberin eingetragene B… AB gerichtet (§ 81 Abs. 1 Satz 2 PatG) und dem im Register eingetragenen Inlandsvertreter (§§ 25, 97 PatG) der Beklagten zugestellt worden.

1.1. Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG ist die Nichtigkeitsklage gegen den im Register als Patentinhaber Eingetragenen zu richten und dessen gemäß § 25 PatG bestellten im Patentregister eingetragenen Inlandsvertreter (§ 30 Abs. 1 PatG, § 25 Abs. 1 PatG) zuzustellen.

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Beklagte als Patentinhaberin eingetragen, die materiell-rechtliche Übertragung war bereits vorher auf die Nebenintervenientin erfolgt. Erst nach Klageerhebung (nach herrschender Meinung: Zustellung der Nichtigkeitsklage) erfolgte die Umschreibung. Dies beeinflusst aber nicht die passive Prozessführungsbefugnis der Beklagten.

Nach Auffassung des Senats greift im vorliegenden Fall die Regelung des § 265 Abs. 2 ZPO ein, nach der die Veräußerung des Streitgegenstandes keinen Einfluss auf den Prozess und die Beteiligtenstellung hat, so dass die ursprüngliche Patentinhaberin ihre Prozessführungsbefugnis auch nach Wegfall der Sachlegitimation behalten hat (vgl. BGH GRUR 1992, 430 – Tauchcomputer; BGH GRUR 2012, 149 - Sensoranordnung).

Nach dem Wortlaut des § 265 Abs. 2 ZPO, der auf die Rechtshängigkeit (nach herrschender Auffassung: Zustellung der Nichtigkeitsklage) abstellt, wäre diese Vorschrift zwar nicht anwendbar, weil die materiell-rechtliche Übertragung, die außerhalb des Registers erfolgt, bereits vorher vorgenommen worden ist. Demnach wäre die Klage unzulässig, da diese zumindest zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegen den als Inhaber Eingetragenen zu richten ist (§ 81 Abs. 1 Satz 2 PatG). Es wäre darum ein Parteiwechsel erforderlich, der als Klageänderung (§ 263 ZPO) anzusehen wäre (Thomas-Putzo, ZPO, 33. Auflage, Vorb. § 50 Rn. 12, 20, 22).

Damit wird die Regelung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO insoweit wegen der speziellen Vorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG hier der Sach- und Rechtslage nicht gerecht. Denn § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist auf den zivilprozessualen Normalfall zugeschnitten, dass der jeweilige Inhaber der Streitsache zu verklagen ist und dass Registereintragungen, die nicht konstitutiv für die Rechteübertragung sind (vgl. § 266 ZPO), keine Rolle spielen.

§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist darum im Patentnichtigkeitsverfahren insoweit analog anzuwenden, als nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, sondern auf den Zeitpunkt der Umschreibung abzustellen ist. Dies hat zur Folge, dass vorliegend ein Parteiwechsel nicht erforderlich ist und die Rechtskraft der Entscheidung sich auf den Rechtsnachfolger erstreckt (§ 325 ZPO; vgl. auch BGH GRUR 2012, 149 – Sensoranordnung, wo der Leitsatz auf die Umschreibung abstellt, die Begründung aber auf die Übertragung; vgl. auch BGH GRUR 1979, 145 - Aufwärmvorrichtung; BPatG GRUR 1993, 32 - Tauchgang-Anzeigeeinrichtung).

Hierfür spricht der auch in Bezug auf das Patentnichtigkeitsverfahren geltende Regelungszweck des § 265 Abs. 2 ZPO, der auf dem allgemeinen Gedanken beruht, dass der Beklagte nicht ohne Weiteres die Möglichkeit haben darf, sich einem bestehenden Prozessrechtsverhältnis zu entziehen und den Kläger so dazu zu zwingen, einen neuen Prozess gegen einen anderen Gegner von neuem zu beginnen (vgl. auch BGH GRUR 1979, 145 Aufwärmvorrichtung; BGH a. a. O. – Tauchcomputer; BGH a. a. O. – Sensoranordnung).

1.2. Auch die Löschung der Beklagten infolge eines Insolvenzverfahrens ändert nichts an der Prozessführungsbefugnis der Beklagten.

Nach allgemeiner Auffassung verliert auch eine wegen Vermögenslosigkeit gelöschte Gesellschaft ihre Pateifähigkeit hinsichtlich Passiv- und Aktivprozessen, die – wie hier - Vermögenspositionen betreffen können, die der Insolvenzmasse zuzurechnen sind, nicht. Auch nach Auflösung der Gesellschaft und Abschluss des Insolvenzverfahrens muss einerseits für den Kläger noch die Möglichkeit bestehen, eine Nichtigerklärung des Streitpatents zu erreichen und andererseits könnte für die Beklagte etwa noch ein der Insolvenzmasse zuzurechnender Kostenerstattungsanspruch aufgrund des Nichtigkeitsverfahrens entstehen (vgl. Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 82 Rn. 16, 17; vgl. auch etwa BayVGH, Urteil vom 23.03.2006, Az. 6 B 02.1975; BAG Urteil vom 4.06.2003 Az. 10 AZR 448/02; BGH GRUR 1991, 522 – Feuerschutzabschluss).

2. Die Klage ist durch Zustellung an den im Patentregister eingetragenen Inlandsvertreter (§ 30 Abs. 1 PatG, § 25 Abs. 1 PatG) der Beklagten wirksam erhoben worden.

2.1. Die Vorschrift des § 117 Abs. 2 InsO steht einer wirksamen Zustellung der Klage und der weiteren Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht entgegen.

Gemäß § 117 Abs. 2, § 115 Abs. 2 InsO ist der Vertreter zur Notgeschäftsführung berechtigt und verpflichtet und insoweit gilt ein Auftrag und eine Vollmacht als fortbestehend. Eine Notgeschäftsführung ist berechtigt, und der Beauftragte ist dazu verpflichtet, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Dies ist hier insbesondere für die Zustellung der Klage zu bejahen, da mit dem Wegfall des Vertreters die Beklagte, deren Insolvenzverwalter oder deren Liquidator aufzufordern wäre,

einen neuen Inlandsvertreter zu bestellen, und falls dies nicht geschieht, ohne Beteiligung des Inlandsvertreters entschieden werden könnte. Insbesondere die Klagezustellung und die Widerspruchsmöglichkeit bzw. Einhaltung der Widerspruchsfrist wären dadurch wesentlich erschwert, denn die Klage wäre durch Aufgabe zur Post mit Zustellungsfiktion zuzustellen, was erhebliche Risiken der Fristversäumnis begründen würde (vgl. dazu Busse, a. a. O., § 25 Rn. 43, 44, 47 bis 49). Denn in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass auch nach Wegfall des Inlandsvertreters des Beklagten das Nichtigkeitsverfahren weitergeführt werden kann. Da die Vollmacht des Inlandsvertreters den Ausländer in seiner Postulationsfähigkeit nicht beschränkt, ist der Inlandsvertreter nicht mit einem Anwalt im Anwaltsprozess zu vergleichen. Verfahrensunterbrechung gem. § 240 ZPO findet beim Wegfall des Inlandsvertreters deshalb nicht statt (vgl. Busse, a. a. O. § 25 Rn. 34, 48). Fehlt der Inlandsvertreter des Nichtigkeitsbeklagten, führt dies nicht zwangsläufig zur Nichtigerklärung und auch nicht zu einer Verfahrensunterbrechung (Busse, a. a. O., § 25 Rn. 44; § 81 Rn. 7; Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl., § 25 Rn. 41, 42, 46, 47; § 81 Rn. 28). Der Mangel der Vollmacht steht daher einer Sachentscheidung nicht entgegen (vgl. zur Problematik auch BGH GRUR 1994, 360 - Schutzüberzug für Klosettbrillen).

Im Übrigen haben die Vertreter der Beklagten auch sämtliche später im Verfahren zugestellten Schriftsätze für die Beklagte entgegengenommen, den Empfang bestätigt und nie eine noch bestehende Vertretungsmacht bestritten. Damit haben sie deutlich gemacht, dass sie noch für die Beklagte tätig sind, denn in der Entgegennahme durch den Zustellungsempfänger wird die Bereitschaft dokumentiert, das Schriftstück (für den Mandanten) als zugestellt zu empfangen (vgl. ThomasPutzo, ZPO, 33. Aufl., § 174 Rn. 5b; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 2012, § 174 Rn. 7, 9).

2.2. Die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten der Klägerin ist auch nicht durch die Löschung im Register und die Eintragung der Vertreter der Nebenintervenientin im Patentregister entfallen. Zwar bestimmt § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG, dass ein früherer Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigter berechtigt und verpflichtet bleibt, solange eine Änderung nicht eingetragen ist. Jedoch wird diese Regelung von der spezielleren Vorschrift des § 25 PatG modifiziert, wonach eine Beendigung der Vertretung durch den Inlandsvertreter (und die Übernahme der Vertretung) angezeigt werden muss, was hier nicht geschehen ist.

2.3. Die vom Senat vertretene Ansicht stellt entgegen der Meinung der Streithelferin keine unangemessene Verlagerung des Prozessrisikos auf den Inlandsvertreter des insolventen Beklagten dar.

Der Gesetzgeber geht in verschiedenen Verfahrensarten davon aus, dass der einmal bevollmächtigte Prozessbevollmächtigte auch bei Wegfall des Vollmachtgebers oder dessen Veränderung der Prozessfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung weiter besteht (§ 86 ZPO) und die Vollmacht in Anwaltsprozessen erst durch Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts erlischt. Weiterhin hat der Gesetzgeber die Berechtigung und Verpflichtung zur Notgeschäftsführung in § 117 Abs. 2, § 115 Abs. 2 InsO des bisherigen Vertreters geregelt. Die Auslegung des Senats folgt darum einer vom Gesetzgeber festgelegten allgemeinen Wertung.

3. Das Verfahren ist durch die Insolvenz der Beklagten auch nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen, weil das Insolvenzverfahren bereits beendet ist.

4. Die Erklärung der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2013, mit der sie die Klage nunmehr gegen die Nebenintervenientin richtet und die Erklärung in der mündlichen Verhandlung, sie – die Klägerin - stelle den Antrag nur hilfsweise für den Fall, dass die Klage gegen die ursprüngliche Beklagte unzulässig sein sollte, hat zu keiner Parteiänderung auf Seiten der Beklagten geführt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige bedingte Erklärung auch im vorliegenden Fall der Rechtsnachfolge unzulässig ist (für Unzulässigkeit eines bedingten Klägerwechsels etwa Thomas-Putzo, a. a. O., § 50 Vorbem Rn. 20; für Zulässigkeit Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 263, Rn. 23). Denn jedenfalls führt dieser Antrag nicht zum Erfolg.

Vertritt man die Meinung, ein bedingter Antrag auf Parteiwechsel sei unzulässig, wird der Prozess zwischen den bisherigen Parteien fortgesetzt.

Hält man eine solche bedingte Erklärung für zulässig, ist für einen Wechsel der Beklagten, der als Klageänderung (§ 263 ZPO) anzusehen ist, gemäß dem für den speziellen Fall der Verfahrensübernahme des Rechtsnachfolgers bei Veräußerung der Streitsache geltenden § 265 Abs. 2 ZPO die Zustimmung des bisherigen Beklagten und der Nebenintervenientin erforderlich (vgl. Thomas-Putzo, a. a. O., § 265 Rn. 17; Baumbach/Lauterbach, a. a. O., § 263 Rn. 8; § 265 Rn. 23), an der es vorliegend aber fehlt.

5.1. Die Nebenintervention ist zulässig, weil die Nebenintervenientin als Rechtsnachfolgerin der Beklagten ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Prozesses hat (§ 66 Abs. 1 ZPO).

5.2. Die Streithelferin konnte wirksam der Klage widersprechen, Anträge stellen und sonstige Prozesshandlungen vornehmen, da ein Nebenintervenient gem. § 67 ZPO Prozesshandlungen so lange vornehmen kann, wie sich ein entgegenstehender Wille der Hauptpartei nicht feststellen lässt, die Hauptpartei sogar dem Streithelfer die Prozessführung überlassen kann (vgl. etwa Thomas-Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 67 Rn. 1, 6, 7). Er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen (vgl. dazu auch Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 5. Aufl., Seite 110 ff, 112, 113; Busse a. a. O., § 81 Rn. 135, 136). Die Prozesshandlungen des Streithelfers sind wirksam, solange sich nicht aus dem Gesamtverhalten der Hauptpartei ergibt, dass diese sie nicht gegen sich gelten lassen will. Die bloße Untätigkeit der Hauptpartei beeinträchtigt die Wirksamkeit der Prozesshandlung des Streithelfers nicht (vgl. Baumbach/Lauterbach, a. a. O., § 67 Rn. 8, 9).

Da die Beklagte bzw. deren Vertreter im Verfahren bis auf die Entgegennahme der Klage und der übrigen Zustellungen untätig geblieben ist, hat sich die Nebeninter- venientin mit keiner ihrer Handlungen in Widerspruch zum feststellbaren Willen der Beklagten gesetzt und konnte alle von ihr getätigten Handlungen wirksam vornehmen. Dies gilt auch für die beschränkte Verteidigung des Streitpatents durch die Nebenintervenientin, da diese – obwohl sie gemäß § 265 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht als streitgenössische Nebenintervenientin gilt - als jetzige Patentinhaberin zur Verfügung über das Streitpatent materiell berechtigt ist (zur Zulässigkeit der hilfsweisen beschränkten Verteidigung durch den nicht materiell berechtigten Nebenintervenienten: Keukenschrijver, a. a. O., Seite 162, Rn. 274).

II.

Die Klage erweist sich auch als begründet.

Soweit das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt wird, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland bereits ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Busse a. a. O. § 82 Rdn. 90 m. w. Nachw.; a. a. O., § 81 Rdn. 127).

Auch im Übrigen ist das Patent für nichtig zu erklären.

1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung von Xanthophyllen mindestens eines Typs zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren und/oder zur Behandlung von Störungen oder Erkrankungen der Muskeln von Säugetieren, wie der equinen belastungsbedingten Rhabdomyolyse (vgl. deutsche Übersetzung der Streitpatentschrift N1 S. 1 Abs. 1, S. 2 Abs. 2 sowie Patentanspruch 1).

Zum Hintergrund der Erfindung wird in der Streitpatentschrift einleitend ausgeführt, dass es sich bei der belastungsbedingten Rhabdomyolyse, die ebenfalls als belastungsbedingte Myopathie, Tying-up-Syndrom, Azoturie oder Montagmorgen- Syndrom bekannt sei, um die vermutlich häufigste Muskelstörung bei Pferden handle. Mit der Entstehung dieser Erkrankung werden als prädisponierende bzw. assoziierte Faktoren ein unausgeglichener Elektrolythaushalt, eine Schilddrüsenunterfunktion und ein Vitamin E- und Selenmangel in Verbindung gebracht. Die Behandlung umfasst demnach auch den Einsatz schmerzlindernder Mittel, die Rehydratation und die Korrektur von Störungen des Elektrolythaushaltes.

Bezugnehmend auf die Substanzgruppe der Xanthophyllen wird des Weiteren in der Streitpatentschrift ausgeführt, dass es sich bei diesen Verbindungen um eine große Gruppe von Carotinoiden handle. Gebildet werden diese von Pflanzen, Pilzen und bestimmten Bakterien. Eine Verbindung aus dieser Substanzklasse, das Astaxanthin wird als Antioxidans in Form von Algenmehl aus gezüchteten Haematococcus sp. zur Anwendung bei Säugetieren, insbesondere auch bei Menschen, vertrieben (vgl. S. 1 Abs. 2 bis S. 2 Abs. 1).

2. Eine Aufgabe ist in der Streitpatentschrift nicht formuliert. Vor dem vorstehend dargelegten Hintergrund und unter Berücksichtigung des vom Streitpatent tatsächlich Geleisteten ist die dem Streitpatent zugrunde liegende objektive technische Aufgabe darin zu sehen, medikamentös die Muskelfunktionsdauer von Säugetieren mit belastungsbedingten Muskelstörungen oder Erkrankungen prophylaktisch und/oder therapeutisch zu steigern (vgl. Streitpatentschrift N1 S. 2 Z. 24 bis 31, S. 6 Z. 5 bis 22 und S. 7 Z. 24 bis S. 8 Z. 10 i. V. m. Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag).

3. Die Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gelöst durch

1. die Verwendung von Xanthophyllen mindestens eines Typs 2. bei der Herstellung eines Medikaments 3. zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren

4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen Sportmediziner, der jedenfalls mit einem Pharmazeuten, der sich auf dem Gebiet der pharmazeutischen Biologie spezialisiert hat und mehrere Jahre Berufserfahrung auf dem Gebiet der Erforschung biogener Arzneistoffe hat, in einem Team zusammen arbeitet.

III.

Die Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag erweisen sich mangels Patentfähigkeit als nicht bestandsfähig.

1. Da die Streitpatentschrift keine explizite Definition des Merkmals „Steigerung der Muskelfunktionsdauer“ enthält, die Prüfung der Patentfähigkeit jedoch die Auslegung des Patentanspruches erfordert, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind, bedarf es zum Verständnis des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag der Auslegung dieses Merkmals. Grundlage für die Auslegung ist die Patentschrift, wobei zur Ermittlung des Sinngehaltes eines Merkmals das Verständnis des Fachmannes entscheidend ist, der Begriffe in Patentansprüchen so deutet, wie sie sich ihm anhand des Gesamtinhalts der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung erschließen (vgl. BGH GRUR 2012, 1124 Ls. 1, Tz 27, 28 – Polymerschaum m. w. N. sowie BGH GRUR 1999, 909 Ls. 1, 911 III.3.a) - 912 III. 3. c) - „Spannschraube“; BGH GRUR 2001 232, 233 I. - „Brieflocher“).

Aufgrund fehlender Erläuterungen im Beschreibungsteil der Streitpatentschrift wird der Fachmann den Sinngehalt des in Rede stehenden Merkmals anhand der zwei im Streitpatent angegebenen, die Anwendung von Astaxanthin betreffenden Beispiele ermitteln. Beide Beispiele beschreiben Untersuchungen zur Wirkung von Astaxanthin auf die physische Leistungsfähigkeit von Tieren bzw. Menschen, die regelmäßig ein körperliches Training ausführen und im Rahmen dessen die Muskulatur hinsichtlich Ausdauer und Kraft beanspruchen. Eine dieser Studien betrifft Trabrennpferde. Die Leistungsfähigkeit dieser Tiere sowohl im Training als auch im Wettbewerb basiert auf Ausdauer und Schnelligkeit, für die wiederum Kraft eine Grundvoraussetzung darstellt (vgl. S. 5 Z. 20 bis 23 und S. 6 Z. 5 bis 22). Einen Einfluss auf Kraft und Ausdauer beschreibt auch die zweite mit Menschen durchgeführte Studie zur Auswirkung von Astaxanthin auf deren physische Leistungsfähigkeit. Denn nur bei der Durchführung einer diese beiden Parameter einbeziehenden Übung zeigte sich ein messbarer Unterschied zwischen der Astaxanthingruppe und der Placebogruppe (vgl. S. 6 Z. 24 bis S. 7 Z. 7 und S. 7 Z. 23 bis 26 i. V. m. S. 8 Z. 8 bis 16). Der Fachmann wird das Merkmal „Steigerung der Muskelfunktionsdauer“ daher im Sinne einer Steigerung von Kraft und Ausdauer der Muskulatur unter körperlicher Belastung verstehen.

2. Gegen die formale Zulässigkeit des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag bestehen keine Bedenken. Solche wurden von Seiten der Klägerin auch nicht vorgebracht. Es ist ferner nicht entscheidungserheblich, inwiefern die von Seiten der Klägerin geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der Ausführbarkeit begründet sind. Es kann im Ergebnis auch dahingestellt bleiben, inwiefern die beanspruchte Verwendung von Xanthophyllen zur Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren neu ist. Die gemäß Patentanspruch 1 beanspruchte Verwendung von Xanthophyllen fällt der Nichtigkeit anheim, weil ihre Bereitstellung jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (i. S. v. Art. 56 EPÜ).

2.1. Ausgangspunkt zu Überlegungen des Fachmannes zum Auffinden einer Lösung für die dem Streitpatent zu Grunde liegende Problemstellung ist der Über- sichtsartikel K9. Dieser im Jahr 1996 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Sports Medicine" veröffentlichte Artikel befasst sich mit Untersuchungen zur Rolle antioxidativ wirkender Vitamine und Enzyme zur Prävention von Muskelschädigungen, die ihre Ursache in einer mit intensivem Training verbundenen Belastung der Muskulatur haben. Der Fachmann, vor der Aufgabe stehend, die Muskelfunktionsdauer von Säugetieren mit belastungsbedingten Muskelstörungen oder Erkrankungen medikamentös prophylaktisch und/oder therapeutisch zu steigern, wird sich daher zunächst mit diesem sein Arbeitsgebiet betreffenden Übersichtsartikel K9 befassen, der ihm einen Überblick über die zum maßgeblichen Zeitpunkt wesentlichen Forschungsarbeiten auf dem in Rede stehenden Fachgebiet gibt. In der dieser Veröffentlichung vorangestellten Zusammenfassung wird zunächst die Motivation der Fachwelt, den Fokus im vorgenannten Zusammenhang auf Untersuchungen zur Wirkung von Antioxidantien zu richten, mit zunehmenden Hinweisen auf die wichtige Rolle freier Radikale begründet, die diese in Verbindung mit dem Auftreten von Zellschäden und Entzündungen der Muskulatur in Folge anstrengenden körperlichen Trainings spielen. Danach werde in der Fachliteratur nämlich angenommen, dass Antioxidantien zu einer Verminderung von Peroxiden führen, die während einer körperlichen Belastung entständen und die ursächlich für eine Lipidperoxidation mit nachfolgender Zellschädigung seien. So hätten z. B. Studien an Menschen gezeigt, dass eine Nahrungsergänzung mit antioxidativ wirkenden Vitaminen einen positiven Effekt auf die Lipidperoxidation nach körperlicher Beanspruchung habe (vgl. S. 213/214 "Summary" i. V. m. S. 226 li. Sp. Abs. 3). Die Publikation K9 beginnt sodann mit der einleitenden Feststellung, dass Kraft fordernde oder ungewohnte physikalische körperliche Anstrengungen häufig zu einer histologisch belegbaren Schädigung der dabei in Anspruch genommenen Muskelgruppen führen, die mit einem Verlust der Muskelfunktion und dem Auftreten von Schmerzen in der Muskulatur verbunden ist (vgl. S. 214 li.Sp. Abs. 1 Satz 1). Im Folgenden wird der Wissensstand zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Veröffentlichung zu dieser Problematik in einem ersten Abschnitt unter dem Aspekt der physiologischen Rolle von Antioxidantien („1. Physiology of Antioxidants“) und in einem zweiten Abschnitt unter dem Aspekt der Wirkung körperlichen Trainings auf die Lipidperoxidation („2. Studies of the Effects of Exercise on Lipid Per- oxidation“) sowohl bei Nagetieren als auch bei Menschen aufgezeigt (vgl. S. 213 „Contents“ und S. 215 li. Sp. Abs. 3). In Verbindung mit den an Menschen durchgeführten Studien wird im weiteren ausgeführt, dass bei diesen Versuchen die Aufmerksamkeit insbesondere antioxidativ wirkenden Vitaminen wie Tocopherol (= Vitamin E) oder Ascorbinsäure (= Vitamin C) gegolten habe (vgl. S. 218 re. Sp. Abs. 2). Untersuchungen zur Wirkung einer ergänzenden Verabreichung antioxidativer Vitamine auf geschädigte Skelettmuskeln werden im Folgenden im Abschnitt 2.1.4. des Review-Artikels K9 im Einzelnen beschrieben. Im Rahmen dessen wird auch auf die Studie K22 der Autoren G. P. Novelli et al in "Free Radical Biology & Medicine" aus dem Jahr 1990 verwiesen, bei der sich gezeigt habe, dass bei Mäusen, die mit Tocopherol oder verschiedenen synthetischen Radikalfängern behandelt worden seien, eine Verlängerung der Ausdauerleistung im Schwimmen beobachtet werden konnte (vgl. S. 226 li. Sp. Abs. 2).

Mit der Bezugnahme auf die wissenschaftliche Publikation K22 trägt der Inhalt dieses Artikels zum Aussagegehalt des Dokumentes K9 bei, denn die zusammenfassende Wiedergabe der dort beschriebenen Studien ersetzt lediglich deren vollständigen Abdruck. Der Inhalt der wissenschaftlichen Publikation K22 ist daher dem Offenbarungsgehalt des in Rede stehenden Übersichtsartikels zuzurechnen (vgl. Benkard/Mellulis PatG 10. Aufl. § 3 Rn. 20, Busse/Keukenschrijver PatG 7. Aufl. § 4 Rdn. 33 sowie Schulte/Moufang PatG 9. Aufl. § 4 Rdn. 18 und 19). Ziel der Studie K22 war es, Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dem Auftreten freier Radikale und der Erschöpfung physischer Kräfte zu gewinnen. Um dabei nicht bekannte biologische Effekte auszuschließen, wurden dazu drei als Radikalfänger bekannte synthetische Verbindungen verabreicht. Ihre Wirkung auf das Leistungsvermögen von Muskeln unter Beanspruchung wurde im Weiteren mit jener von Vitamin E (= Tocopherol) verglichen, einem physiologischen Radikalfänger, dessen protektive Wirkung zur Vermeidung von durch Peroxidationsreaktionen verursachte Schäden allgemein anerkannt sei (vgl. S. 9 „Abstract", S. 10 li. Sp. Abs. 1 und 2 sowie S. 11 re. Sp. Abs. 1 und 3). Anhand des dort durchgeführten Schwimmtests mit Mäusen erwies es sich, dass eine Inaktivierung der freien Radikale tatsächlich deren schädigende Wirkung begrenzte und alle im Schwimmtest untersuchten Substanzen zu einer starken Steigerung der Ausdauer bei körperlicher Bewegung führte, so auch – wie die Autoren dieser Publikation von vornherein erwartet hatten – das Vitamin E (vgl. S. 11 li. Sp. Tab. 2, re. Sp. Abs. 1 bis 3, sowie S. 12 li. Sp. Abs. 6). Somit vermittelt diese Studie dem Fachmann den Hinweis, dass die Verabreichung von Vitamin E zu einer Steigerung der Ausdauerleistung beim Schwimmen, einer körperlichen Betätigung, zu deren Ausführung Kraft erforderlich ist, beiträgt.

Zu dem gleichen Ergebnis, wie es in der Sekundärliteratur K22 beschrieben ist, nämlich, dass Antioxidantien die Muskulatur vor Schäden schützen, die durch körperliches Training verursacht werden können und damit zu einer Ausdauerleistungssteigerung beitragen, kommen auch die Autoren des Übersichtsartikels K9 unter Berücksichtigung der dort diskutierten Veröffentlichungen (vgl. K9: S. 231 li. Sp. Abs. 4 bis re. Sp. Abs. 2 sowie K22: S. 11 /12 „Discussion“). Unter Abwägung der im zitierten Schrifttum veröffentlichten Studien-Ergebnisse empfehlen sie schlussendlich sportlich aktiven Menschen, die sich häufigem intensivem körperlichem Training unterziehen, wie z. B. Radfahrer und Langstreckenläufer – Sportarten, die sowohl Ausdauer wie Kraft erfordern -, antioxidativ wirkende Vitamine einzunehmen, um dem schädigenden Effekt solchen Trainings auf Muskelzellen entgegenzuwirken (vgl. S. 236 li. Sp. Abs. 3, S. 236 li./re. Sp. übergreifender Absatz sowie S. 237 li. Sp. " 4. Conclusions").

Über die in diesem Übersichtsartikel K9 in Verbindung mit der Vermeidung oxidativ bedingter Muskelschäden explizit besprochenen Antioxidantien Tocopherol und Ascorbinsäure hinaus war dem Fachmann zum Prioritätstag - wie anhand der veröffentlichten japanischen Patentanmeldung K8/8a zu ersehen ist - jedoch noch eine weitere zur Vermeidung oxidationsbedingter Zellschäden als wirksam erkannte Substanz, das Xantophyll Astaxanthin, bekannt. Da diese Substanz zur Erzielung einer mit Tocopherol vergleichbaren Zellschutz-Wirkung in weit geringeren Dosierungen verabreicht werden kann und sich damit u. a. Probleme, die mit der hochdosierten Gabe des lipophilen Tocopherols verbunden sind, nicht in gleichem Maße stellen, wird die Verwendung von Astaxanthin im Dokument K8a als Alternative zu Tocopherol bzw. Kombinationen von Tocopherol und Ascorbinsäure beschrieben (vgl. K8a S. 1 li. Sp. Patentansprüche 1 und 2, li. Sp. "3. Detailed Description of the Invention" 1. und 2. Satz, S. 1/2 seitenübergreifender Abs. bis S. 2 re. Sp. Abs. 2, S. 2 re. Sp. Abs. 4, S. 3 re. Sp. Abs. 3 bis S. 4 li. Sp. Abs. 2, re. Sp. Abs. 2 sowie S. 9 li. Sp. "Effects of the Invention"). Somit musste der Fachmann, um zu der vorliegend beanspruchten Lösung zu gelangen, lediglich die mit dem Dokument K8a gegebene Anregung aufgreifen und zur Vermeidung oxidativbedingter Zellschäden, die – wie der Übersichtsartikel K9 lehrt – im Fall eines intensiven Trainings zu einem Verlust der Muskelfunktion führen können, das erheblich wirksamere Xanthophyll Astaxanthin anstelle des Tocopherols (= Vitamin E) in Betracht ziehen. Mit dem Ergreifen dieser Maßnahme konnte er sodann von vornherein davon ausgehen, dass mit der Verhinderung des Verlustes der Muskelfunktion eine Steigerung der Muskelfunktionsdauer gegenüber einem nicht behandelten Zustand erzielt werden kann. Die mit den Dokumenten K9 und K8a vermittelten Lehren aufgreifend, konnte der Fachmann sodann anhand orientierender Versuche überprüfen, inwiefern sich seine Erwartungen auch bestätigen. Solche Versuche erfordern jedoch kein erfinderisches Zutun, vielmehr ist deren Planung und Durchführung der Routinetätigkeit des Fachmannes zuzuordnen.

In Kenntnis dieses Standes der Technik bedurfte es somit keines erfinderischen Zutuns, zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe, die Verwendung von Xanthophyllen zur medikamentösen prophylaktischen und/oder therapeutischen Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren mit belastungsbedingten Muskelstörungen oder Erkrankungen in Betracht zu ziehen.

Die Nebenintervenientin hat vorgetragen, die Publikation K9 enthalte keine Hinweise, dass Vitamin E zu einer Erhöhung der Muskelfunktionsdauer führe, denn dort werde lediglich von Muskelschäden, jedoch an keiner Stelle von einer Muskelfunktionsdauer gesprochen. Dieses Argument kann jedoch zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Wie vorstehend dargelegt, wird bereits im ersten Satz des Review-Artikels K9 expressis verbis auf den Zusammenhang zwischen einer starken physikalischen Beanspruchung von Muskeln und der Gefahr einer darauf folgenden Muskelschädigung, die mit einem Verlust der Muskelfunktion verbunden ist, hingewiesen (vgl. S. 214 li. Sp. Abs. 1). Unter diesem Aspekt wird der Fachmann sodann auch die weiteren Ausführungen in diesem Artikel zur Muskelschädigung infolge intensiven körperlichen Trainings lesen. Eine Vermeidung dieser Schädigung durch die Verabreichung von Antioxidantien wie Vitamin E hat aber zwangsläufig eine Steigerung der Muskelfunktionsdauer, so wie sie streitpatentgemäß definiert ist - nämlich hinsichtlich der Parameter Kraft und Ausdauer im Vergleich zu intensiv Trainierenden, die im Zuge dessen Muskelschäden erleiden, zur Folge. Somit erschließt sich dem Fachmann anhand der Angaben im Dokument K9 sehr wohl ein Zusammenhang zwischen den dort beschriebenen Muskelschäden und einer Muskelfunktionsdauer.

Auch der Einwand, die Autoren der Veröffentlichung K9 seien hinsichtlich eines Zusammenhanges von Lipidperoxidation und Muskelschädigung nicht sicher gewesen bzw. die dort zitierten Versuche sowie die Veröffentlichung N7 aus dem Jahr 1975 sowie N10 aus dem Jahr 1994 zeigten, dass sich mit Vitamin E keine Wirkung einstelle bzw. ein Zusammenhang zwischen einer Tocopherol-Gabe und einer Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit nicht eindeutig beweisen lasse, kann zu keiner anderen Sichtweise führen. In einer abschließenden Beurteilung der von ihnen in diesem Übersichtsartikel zusammengefassten wissenschaftlichen Beiträgen und Studien kommen die Autoren nämlich trotz der in dieser Veröffentlichung neben anderen beschriebenen Versuche, die eine Beteiligung von Radikalen oder eine Wirkung von Vitamin E in Frage stellten, zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Veröffentlichungen dennoch eine protektive Rolle des Vitamins E gegen eine Schädigung der Skelettmuskulatur generell bejahe und intensiv trainierende Sportler wie Radfahrer und Langstreckenläufer antioxidativ wirkende Vitamine einnehmen sollten, um der schädigenden Wirkung dieser körperlichen Beanspruchung auf die Muskelzellen entgegen zu wirken (K9 S. 236 li. Sp. Abs. 3 und li./re. Sp. übergreifender Absatz sowie S. 237 „4. Conclusion“).

Die Nebenintervenientin hat ferner argumentiert, der Fachmann hätte Astaxanthin nicht als Alternative zu Vitamin E in Betracht gezogen, weil sich diese Verbindun- gen hinsichtlich ihrer chemischen Struktur zu stark unterschieden. Doch auch dieses Vorbringen kann den Senat nicht überzeugen. Diese Annahme mag zwar zutreffen. Dabei handelt es sich aber nicht um das Kriterium, das für den hier zuständigen Fachmann, einen in ein Team eingebundenen Sportmediziner, unter Berücksichtigung der streitpatentgemäßen Zielsetzung maßgeblich ist. Entscheidend ist vorliegend vielmehr die vorbeschriebene physiologische Wirkung der Substanzen und inwiefern hinsichtlich dieses Punktes Übereinstimmungen bestehen. Die chemischen Eigenschaften der Substanz gewinnen erst dann an Wichtigkeit, wenn Formulierungen dieser Wirkstoffe entwickelt werden sollen.

Ebenso kann der Vortrag der Nebenintervenientin nicht überzeugen, die Studie gemäß der wissenschaftlichen Veröffentlichung K22 weise Mängel auf, weshalb der Fachmann dieser Schrift eine leistungssteigernde Wirkung von Vitamin E nicht entnehmen würde. Das Vorliegen von Mängeln begründet sie damit, dass in dieser Studie Vitamin E gelöst in Olivenöl an die Mäuse der Gruppe II verabreicht worden sei, wohingegen den Mäusen der Vergleichsgruppe III lediglich eine wässrige Salz-Lösung appliziert worden sei. Da es sich in jedem Fall um Mäuse handle, deren letzte Nahrungszufuhr sechs Stunden vor Versuchsbeginn erfolgte, würden somit hungernde Mäuse mit durch Verabreichung von Olivenöl wohlgenährten verglichen. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Gabe des fettlöslichen Vitamins E erfolgt gemäß der Publikation K22 intramuskulär (i. m.) (vgl. S. 10 re. Sp. Abs. 2 und 3). Abgesehen davon, dass i. m. Injektionen nur mit sehr geringen Volumina durchgeführt werden (vgl. z. B. K25 S. 7), ist eine Verabreichung in die Muskulatur nicht einer Gabe über den Magen-Darmtrakt oder einer intravenösen Applikation vergleichbar, bei denen die Zufuhr kalorienhaltiger Zubereitungen zweifelsohne zu einer Erhöhung der Energiebilanz führt. Ein Nahrungsverarbeitungs- und -aufnahmesystem, wie es mit dem Magen-Darmtrakt vorliegt, ist hinsichtlich dieser Funktion – entgegen der Auffassung der Nebenintervenientin - aber nicht mit einem völlig andere Funktionen erfüllenden, reinen Muskelgewebe gleichzusetzen. Der Fachmann wird daher keine Zweifel an der Vergleichbarkeit der im Dokument K22 beschriebenen Versuchsgruppen I und III haben.

Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ergibt sich somit in naheliegender Weise ausgehend von dem Übersichtsartikel K9 aus dem Stand der Technik. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht rechtsbeständig.

3. Die weiteren Patentansprüche des Hauptantrags bedürfen keiner weiteren, isolierten Prüfung, weil die Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag und auch die Hilfsanträge als jeweils geschlossene Anspruchssätze versteht und das Streitpatent in der gewählten Reihenfolge der Hilfsanträge verteidigt (vgl. BGH GRUR 2007, 862, 864 - Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG GRUR 2009, 46 - Ionenaustauschverfahren).

IV.

Die von der Nebenintervenientin hilfsweise verteidigten Fassungen gemäß 1. bis 5. Hilfsantrag erweisen sich aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit gleichfalls als nicht bestandsfähig. Es kann daher dahingestellt bleiben, inwiefern diese Anspruchsfassungen die von der Klägerin geltend gemachten Erweiterungen und Unklarheiten aufweisen.

1. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß 1. Hilfsantrag unterscheidet sich vom Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag insofern, als dieser auf die Verwendung des Wirkstoffes Astaxanthin gerichtet ist. Mit dieser Beschränkung auf einen explizit genannten Wirkstoff aus der Substanzklasse der Xanthophyllen ergibt sich aber kein anderer Sachverhalt, als er bereits mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vorliegt. Denn es ist nicht nur dieser Wirkstoff, der – wie unter III.2.1. ausgeführt - gemäß der japanischen Patentanmeldung K8a als bessere Alternative zum Vitamin E zur Vermeidung oxidativbedingter Zellschädigungen beschrieben wird. Bei diesem Wirkstoff handelt es sich zudem um eine in der Natur weit verbreitete Substanz (vgl. K7 S. 141 Abs. 3 Satz 1), deren Verwendung in Getränken und Nahrungsmitteln anstelle von Vitamin E als erheblich wirksameres Antioxidans bereits Jahre vor dem vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt der Fachwelt bekannt war (vgl. K7 S. 142 Abs. 5 und S. 145 „Conclusion“). Die im Zusammenhang mit dem Hauptantrag dargelegten Gründe gelten hier daher gleichermaßen.

2. Die Maßgabe gemäß dem Patentanspruch 1 des 2. Hilfsantrages, nach der das unter Verwendung von Astaxanthin hergestellte Medikament zur Verabreichung einer täglichen Dosis von 0,01 bis 1 mg pro Kilo Körpergewicht hergerichtet ist, kann gleichfalls zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Im Zusammenhang mit Vitamin E waren dem Fachmann jene Dosierungen bekannt, die zur Erzielung der gewünschten antioxidativen Wirkung erforderlich sind (vgl. K9 S. 236 li. Sp. Abs. 2). Ihm war gleichzeitig aber auch bekannt, dass es sich bei Astaxanthin um eine Substanz handelt, die eine um das 200-fache größere antioxidative Wirksamkeit besitzt als Vitamin E (vgl. K8a S. 3/4 seitenübergreifender Absatz). Von dieser Sachlage ausgehend, anhand von Dosisfindungsstudien jene Wirkstoffmenge zu ermitteln, mit der sich der gewünschte Effekt einstellt, bedarf keines erfinderischen Zutuns. Vielmehr sind solche Versuche dem fachmännischen Können, somit der Routinetätigkeit zuzuordnen.

3. Die Patentansprüche 1 gemäß 3. und 4. Hilfsantrag sind insofern gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag beschränkt, als sie auf die Verwendung von Asthaxantin bei der Herstellung eines Medikaments zur Anwendung bei einem Menschen bzw. einem gesunden Menschen gerichtet sind. Auch diese Maßgaben sind nicht dazu geeignet die erfinderische Tätigkeit zu begründen. Wie anhand des Übersichtsartikels K9 zu ersehen ist, dienen die dort beschriebenen Studien in erster Linie dazu, dem durch intensives Training verursachten Verlust der Muskelfunktion entgegenzuwirken. Im Ergebnis sind es sodann Sportler wie z. B. Radrennfahrer und Langstreckenläufer, denen die Einnahme von oxidativ wirkenden Vitaminen empfohlen wird (vgl. S. 214 li. Sp. Abs. 1, S. 236 li./re. Sp. Übergreifender Absatz sowie S. 237 "4. Conclusions").

Voraussetzung für ein intensives Training in diesen Sportarten aber ist die Gesundheit des Sportlers. In diesen Fällen zur Steigerung der Muskelfunktionsdauer alternativ zu dem bei Sportlern insbesondere verabreichten und untersuchten Vitamin E das um ein Vielfaches wirksamere Astaxanthin in Betracht zu ziehen, bedarf aber – wie vorstehend unter III.2.1. bereits dargelegt – keiner Überlegungen erfinderischer Art.

4. Der Patentanspruch 1 gemäß 5. Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag insofern, als eine prophylaktische und/oder therapeutische Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren relativ zum Ausgangswert erfolgt.

4.1. Bei dieser Formulierung handelt es sich um eine Klarstellung, die im Nichtigkeitverfahren nicht zulässig ist (vgl. Schulte PatG § 81 Rdn. 120). Denn durch die Aufnahme des Passus "relativ zum Ausgangswert" erfolgt keine weitere Einschränkung des Patentbegehrens gegenüber dem mit Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beanspruchten Gegenstand. Notwendige Voraussetzung für die Angabe eines Messwertes ist nämlich stets das Vorhandensein eines Ausgangswertes. Somit erfolgt mit der zusätzlichen Angabe "relativ zum Ausgangswert" keine sachliche Veränderung gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag. Die im Zusammenhang mit diesem Patentanspruch dargelegten Gründe gelten daher für den Patentanspruch 1 gemäß 5. Hilfsantrag ebenfalls.

4.2. Merkmale die einen Beitrag zur Begründung der erfinderische Tätigkeit leisten könnten, enthalten auch die dem Patentanspruch 1 nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 4 des 5. Hilfsantrags nicht. Solches wurde von der Nebenintervenientin auch nicht geltend gemacht. So ist dem Fachmann die Verwendung von Astaxanthin gemäß Patentanspruch 2 in Kenntnis der japanischen Offenlegungsschrift K8a und der Publikation K7 – wie vorstehend unter III.2.1. und IV. 1. diskutiert – nahe gelegt gewesen. Dies trifft gleichermaßen für die im Patentanspruch 3 genannten Fettsäureester von Astaxanthin zu. Denn auch diese werden in den Dokumenten K7 und K8a als Alternative für Vitamin E beschrieben (vgl. K7 S. 142 Abs. 5 sowie K8a S. 3 li. Sp. Abs. 1). Wie eingangs der Streitpatentschrift dargelegt, wurde Astaxanthin ferner bereits vor dem Prioritätstag in Form von natürlich hergestelltem Algenmehl aus gezüchteten Haematococcus sp. verkauft, wobei es – wie dort unter Bezugnahme auf Stand der Technik weiter ausgeführt wird – in Algen genuin mit Fettsäuren verestert vorliegt (Streitpatentschrift N1 S. 2 Abs. 1 i. V. m. S. 4 Abs. 3 i. V. m. K14a Patentansprüche 1 und 3). Somit sind auch die im Patentanspruch 4 genannten Merkmale nicht dazu geeignet, die Patentfähigkeit der gemäß Hilfsantrag 5 beanspruchten Verwendung von Xanthophyllen zu stützen.

V.

Der Senat hatte keine Veranlassung, entsprechend der Anregung der Nebenintervenientin ein Sachverständigengutachten einzuholen, da der Senat fachkundig besetzt ist (vgl. dazu Thomas-Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 402 Vorbem. Rn. 3; Schulte, Patentgesetz, 9. Aufl. § 81, Rn. 157; Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 88 Rn. 6; § 139, Rn. 125; vgl. Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 87 Rn. 23; § 46 Rn. 46).

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO und § 265 Abs. 2 Satz 3 ZPO, § 101 Abs. 1 ZPO (vgl. auch BGH GRUR 2012, 149 – Sensoranordnung). Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich oder vorgetragen worden, der es rechtfertigt, wie von der Klägerin angeregt, der Nebenintervenientin die durch den Termin vom 11. Juni 2013 entstandenen Reisekosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Schramm Guth Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Dr. Jäger prö Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG eingelegt werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils - spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung - durch einen in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt schriftlich zum Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.

Die Berufungsschrift muss

- die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet ist, sowie

- die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde,

enthalten. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. Auf die Möglichkeit, die Berufung nach § 125a PatG in Verbindung mit § 2 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGerVV) auf elektronischem Weg zum Bundesgerichtshof einzulegen, wird hingewiesen (s. www.bundesgerichtshof.de/erv.html)

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1 66 ZPO
1 67 ZPO
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