35 W (pat) 441/13
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 441/13 Verkündet am 4. April 2017
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BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 154 05.11 betreffend das Gebrauchsmuster 20 2010 016 528 hier: Löschungsantrag hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2017 durch den Vorsitzenden Richter Metternich, die Richterin Dipl.-Chem. Dr. Münzberg und den Richter Dipl.-Chem. Dr. Jäger beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe I.
Die Antrags- und Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des am 13. Dezember 2010 unter Inanspruchnahme der europäischen Priorität 09179207.7 vom 15. Dezember 2009 angemeldeten und am 24. Februar 2011 unter der Bezeichnung
"Elektrochemische Gasentwicklungszelle, insbesondere quecksilberfreie Wasserstoffentwicklungszelle" mit 5 Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters 20 2010 016 528.
-3Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 5 lauten:
"
" Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 18. August 2011 die Löschung des Gebrauchsmusters in vollem Umfang beantragt. Sie hat diesen Antrag auf den Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit gemäß
§ 15 GebrMG gestützt, da das Streitgebrauchsmuster die Anforderungen des § 1 Abs. 1 GebrMG nicht erfülle.
Zur Begründung ihres Vorbringens hat die Beschwerdeführerin auf folgende Druckschriften hingewiesen:
D1 US 2008/0226976 A1 D2 US 2004/0229090 A1 D3 DE 696 35 668 T2 D4 US 4,948,684 D5 EP 0 377 106 A1 D6 JP 62-177867 A D7 US 6,461,761 B1 D10 Morehouse, C. K., et al., J. Res. Nat. Bur. Standards 1948, 40,
S. 151 bis 161 Dem hat die Beschwerde- und Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 widersprochen sowie mit Schriftsatz vom 21. Mai 2012 neue Schutzansprüche 1 bis 4 eingereicht und beantragt, das Gebrauchsmuster in der Fassung dieser Schutzansprüche aufrecht zu erhalten und den darüber hinaus gehenden Löschungsantrag abzuweisen. Nach einem Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat sie in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA am 13. August 2013 den Schutzanspruch 1 in diesem Antrag durch einen neuen Schutzanspruch 1 ersetzt und sinngemäß beantragt, das Gebrauchsmuster in der Fassung des Schutzanspruchs 1 vom 13. August 2013 und der Schutzansprüche 2 bis 4 vom 21. Mai 2012 aufrecht zu erhalten und den darüber hinaus gehenden Löschungsantrag abzuweisen. Der Schutzanspruch 1 vom 13. August 2013 lautet:
-5"
" Bezüglich der Schutzansprüche 2 bis 4 wird auf die Akten verwiesen. Mit Beschluss vom 13. August 2013 hat die Gebrauchsmusterabteilung I das Streitgebrauchsmuster 20 2010 016 528 teilgelöscht, soweit es über die verteidigte Fassung vom 13. August 2013 hinausgeht. Der weitergehende Löschungsantrag wurde zurückgewiesen.
Zur Begründung führte die Gebrauchsmusterabteilung I aus, dass das Streitgebrauchsmuster in der eingetragenen Fassung, soweit es von der Antragsgegnerin nicht mehr verteidigt worden sei, ohne Sachprüfung zu löschen gewesen sei. Der Gegenstand der zuletzt verteidigten Anspruchsfassung sei dagegen schutzfähig. Dabei seien die verteidigten Schutzansprüche unstreitig zulässig, da sämtliche Merkmale den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen seien.
Der Gegenstand der verteidigten Schutzansprüche sei auch unstreitig neu. In keiner der genannten Entgegenhaltungen D1 bis D7 sei eine elektrochemische Gasentwicklungszelle mit sämtlichen im Schutzanspruch 1 aufgeführten Merkmalen beschrieben.
Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 beruhe zudem auf einem erfinderischen Schritt. Da in keiner der Druckschriften D1 bis D3 eine der Verbindungen Benzotriazol, Tolyltriazol oder Benzimidazol als Zusatz zu einem Elektrolyten einer elektrochemischen Gasentwicklungszelle offenbart sei und aus ihnen auch nicht hervorgehe, dem Elektrolyten einer Gasentwicklungszelle zwingend aus jeder der Stoffgruppen Korrosionshemmer, oberflächenaktive Stoffe und Viskositätsbildner je eine der im Schutzanspruch 1 aufgezählten Verbindungen zuzusetzen, könnten diese Druckschriften den Streitgegenstand nicht nahe legen. Die Verwendung einer der Verbindungen Benzotriazol, Tolyltriazol oder Benzimidazol in elektrochemischen Zellen sei zwar aus D4 bis D6 bekannt. Diese Druckschriften beträfen aber keine elektrochemischen Gasentwicklungszellen, sondern Batterien, die sich sowohl hinsichtlich Art und Zusammensetzung der Kathode als auch dadurch vom Streitgegenstand unterscheiden würden, dass in Batterien kein Elektrolyt verbraucht werde. Daher sei eine Elektrolytzusammensetzung für Batterien nicht unmittelbar auf Gasentwicklungszellen übertragbar. Zudem offenbarten sie keine Elektrolytzusammensetzung mit sämtlichen Zusätzen gemäß Schutzanspruch 1.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Nach ihrer Ansicht ist die Schutzfähigkeit der zuletzt verteidigten Anspruchsfassung vom 13. August 2013 nicht gegeben. Denn entgegen der Argumentation im angegriffenen Beschluss habe der Streitgegenstand bei der Kombination der Druckschriften D1, D2 oder D3 wahlweise mit D4, D5 oder D6/
D8 englischsprachige Übersetzung der D6 nahe gelegen. Der Fachmann auf dem Gebiet der Gasentwicklungszellen ziehe im Rahmen seiner Entwicklungstätigkeit auch Druckschriften betreffend elektrochemische Zellen heran, die zur Gaserzeugung verwendet würden, zumal D3 aufzeige, dass der Aufbau gaserzeugender Zellen und kommerzieller Zink/Luft-Knopfzellenbatterien sehr ähnlich sei und eine kommerzielle Zink/Luft-Knopfzelle bei Kurzschluss unter Sauerstoffausschluss auch als Wasserstoffgaserzeuger verwendet werden könne. Daher würden Entwickler ebenso ihren Blick auf den Batteriebereich richten, wenn es um einsetzbare Elektrodenzusammensetzungen, Additive und Elektrolyten für Gasentwicklungszellen gehe. Zum Beleg dafür verweist die Antragstellerin beispielsweise auf die Druckschriften D2 und D3, in denen im Zusammenhang mit Gasentwicklungszellen Batterien betreffender Stand der Technik genannt werde. Damit spielten auch die von der Antragsgegnerin aufgezeigten Unterschiede zwischen Gasentwicklungszellen und Zink/Luft-Batterien im Kontext der beanspruchten Entwicklung keine Rolle. Der Fachmann habe vielmehr alle Veranlassung gehabt, die Druckschriften D4, D5 oder D6/D8 als relevanten Stand der Technik auch bei der Entwicklung quecksilberfreier Gasentwicklungszellen heranzuziehen. Da der einzige Unterschied zu den Gasentwicklungszellen gemäß D1 bis D3 im Einsatz eines Korrosionsinhibitors ausgewählt aus Benzotriazol, Tolyltriazol und Benzimidazol sei, deren Verwendung als Korrosionsinhibitor aber aus D4 und insbesondere aus D5 und D6/D8 bekannt sei, gelange der Fachmann somit ohne erfinderisches Zutun zum Streitgegenstand. Dabei sei es auch nicht relevant, ob in diesen Druckschriften die weiteren beanspruchten Zusätze aufgezeigt seien, da diese aus den Entgegenhaltungen D1 bis D3 hervorgingen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA vom 13. August 2013 aufzuheben und das Streitgebrauchsmuster 20 2010 016 528 zu löschen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat zur Begründung zusätzlich auf folgende weitere Druckschrift hingewiesen:
D9 Cao, P. G., et al., Langmuir 2002, 18, S. 100 bis 104 Sie macht geltend, dass es grundsätzliche Unterschiede zwischen Gasentwicklungszellen und Batterien gebe. So sei eine Gasentwicklungszelle darauf spezifiziert, an einer durch Art und Zusammensetzung charakterisierten Kathode die Wasserstoffentwicklung zu katalysieren, während eine Zink/Luft-Batterie eine auf die Sauerstoff-Katalyse spezialisierte Anode benötige. Zudem werde der Elektrolyt in einer Gasentwicklungszelle verbraucht, was wiederum eine spezifische Elektrolyt-Zusammensetzung z. B. hinsichtlich der Fließeigenschaften trotz Wasserentzugs, der Benetzung und des Korrosionshemmens bedinge. Demgegenüber sei die Gaserzeugung bei einer Zink/Luft-Batterie um ein Vielfaches niedriger. Auch im Fall eines Kurzschlusses und hinsichtlich der Selbstentladungsspezifikation gebe es erhebliche Unterschiede zwischen diesen beiden elektrochemischen Einrichtungen. Daher könne der Fachmann auf dem Gebiet der Gasentwicklungszellen zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass sich mit den für die verschiedensten Typen von Batterien eingesetzten Elektrolytzusätzen auch die in schwermetallfreien Gasentwicklungszellen gewünschten Wirkungen erzielen lassen. Es sei daher eine erfinderische Leistung, mit dem Streitgebrauchsmuster eine Gesamtkombination aus den eingesetzten Materialien und aller drei mit den entsprechenden Verbindungen spezifizierten Stoffgruppen (i) bis (iii) geschaffen zu haben, die es erst ermögliche, eine schwermetallfreie und kommerziell vertreibbare Gasentwicklungszelle mit den gewünschten sich klar von Batterien unterscheidenden Spezifikationen bereitstellen zu können. Auch sei zu berücksichtigen, dass Benzotriazol, wie D9 belege, einen bei der Gasentwicklung störenden Niederschlag auf der Kathode bilde und daher nicht ohne weiteres in Gasentwicklungszellen einsetzbar sei.
Zum weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zwar zulässig; sie ist aber nicht begründet.
1. Die verteidigten Schutzansprüche 1 bis 4 sind zulässig.
Der Schutzanspruch 1 leitet sich von den ursprünglich eingereichten und eingetragenen Schutzansprüchen 1 und 2 sowie von den Ausführungen auf S. 4 Z. 17 bis 34 der ursprünglich eingereichten Unterlagen bzw. den Schutzansprüchen 1 und 2 i. V. m. Abs. [0012] bis [0014] der Gebrauchsmusterschrift her. Die Schutzansprüche 2 bis 4 entsprechen den ursprünglich eingereichten und eingetragenen Schutzansprüchen 3 bis 5. Die geltenden Schutzansprüche 1 bis 4 sind daher nicht zu beanstanden. Die Zulässigkeit wurde im Übrigen auch nicht von der Antragstellerin angegriffen.
2. Die Schutzfähigkeit des Gegenstandes gemäß Schutzanspruch 1 ist gegeben.
2.1. Dem Streitgebrauchsmuster liegt die Aufgabe zu Grunde, eine elektrochemische Zelle als Gasentwicklungszelle bereitzustellen, die frei von Quecksilber, Blei und Cadmium ist und die über die Eigenschaften, insbesondere bezüglich der Gasförderrate, bekannter Gasentwicklungszellen verfügt (vgl. Streitgebrauchsmuster Abs. [0005]).
Gelöst wird diese Aufgabe durch den Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 mit folgenden Merkmalen:
Elektrochemische Gasentwicklungszelle, insbesondere quecksilberfreie Wasserstoffentwicklungszelle,
mit einer Metallanode, 3 einem Elektrolyten und 4 einer Gasdiffusionselektrode, 5 wobei die Metallanode als Hauptbestandteil Zink mit Additiven von Indium und Bismut umfasst, und 6 wobei der Elektrolyt über Zusätze aus jeder der Stoffgruppen 6.1 Korrosionshemmer, 6.2 oberflächenaktive Stoffe und 6.3 Viskositätsbildner verfügt, 7 und wobei als Korrosionshemmer einer oder mehrere der Verbindungen Benzotriazol, Tolyltriazol und Benzimidazol, 8 als oberflächenaktive Stoffe, die auf der Oberfläche des Zinks zu einer Begrenzung der Reaktionskeime genutzt werden, eine oder mehrere der Verbindungen Sulfonsalze, Polyethylen-Glykole (PEGs), PEG Diacid, Poly-Fluor-Alkohol-Ethoxylat, Alkyl-Polyethylen-Oxid, PolyethylenEther, Diaminpyridin, Phenyldiamin, Aminophenol-Sulfonsäure, 2,4-DiNitrophenole, Benzidin, Fluortenside, Hydroxyethylchinolin und quarternäre Ammoniumphenolate, und 9 als Viskositätsbildner einer oder mehrere der Stoffe natürliche Stoffe, wie Polyalkohol, Zellulose oder Zellulose-Derivate, wie z. B. Carboxy- methyl-Zellulose (CMC) und Agar, und als Polymere Polyvinylalkohol, Teflon (PTFE) und Polyacryl-Säuren eingesetzt werden.
2.2. Der maßgebende Fachmann ist ein Chemiker oder Chemieingenieur mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Elektrochemie, insbesondere der elektrochemischen Zellen.
2.3. Der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 ist neu.
In keiner der im Verfahren angeführten Dokumente ist eine elektrochemische Gasentladungszelle mit sämtlichen im Schutzanspruch 1 angeführten Merkmalen offenbart. So unterscheiden sich die Gasentwicklungszellen gemäß der Druckschriften D1 bis D3 und D7 zumindest dadurch vom Streitgegenstand, dass deren Elektrolyte keine Korrosionshemmer entsprechend Merkmal 7 enthalten (vgl. D1 S. 9 Abs. [0072]; D2 S. 4 Abs. [0054]; D3 S. 7/8 Abs. [0028]; D7 Sp. 45 Z. 26 bis 43). Die Dokumente D4 bis D6/D8 betreffen alkalische Zinkbatterien und damit keine gebrauchsmustergemäßen Gasentwicklungszellen. D9 und D10 umfassen allgemeinen Stand der Technik bezüglich des inhibierenden Effekts von Benzotriazol auf metallisches Kathodenmaterial bzw. hinsichtlich der Zinkkorrosion in Elektrolyten von Trockenbatterien und stehen daher der Neuheit des Streitgegenstands ebenfalls nicht entgegen. Die Neuheit hat die Beschwerdeführerin im Übrigen nicht in Abrede gestellt.
2.4. Der streitgebrauchsmustergemäße Gegenstand beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.
Zur Lösung der Aufgabe des Streitgebrauchsmusters konnte der Fachmann von der D1 ausgehen. D1 strebt wie das Streitgebrauchsmuster eine quecksilberfreie elektrochemische Zelle an, die eine Zinkmetallelektrode und einen alkalischen Elektrolyten aufweist (vgl. D1 Abs. [0014] und [0015]). Dieses Ziel erreicht die D1 mit einer elektrochemischen Gasentwicklungszelle (vgl. D1 Fig. 1 und Abs.
[0046]), die eine Zinkmetallanode und Indium sowie Bismut als Additive im Anodenmaterial enthält (vgl. D1 Abs. [0069] und [0070]). Das Elektrodenmaterial umfasst außerdem Polyacrylsäuren oder Carboxymethylzellulose als Viskositätsbildner (vgl. D1 Abs. [0071]) und kann zudem oberflächenaktive Stoffe aufweisen, wobei D1 in den Beispielen mit Carbowax® 550 ein streitgebrauchsmustergemäßes Polyethylenglykol als oberflächenaktives Additiv verwendet (vgl. D1 Abs. [0072], S. 13 Tab. 1 und S. 14 Tab. 2). Weiterhin offenbart D1 in Abs. [0072], dass zur Vermeidung von Wasserstoffentwicklung (= gassing) und damit zur Korrosionsinhibierung – vgl. z. B. Streitgebrauchsmuster Abs. [0003] Mitte – mehrere Additive in der Anode enthalten sein können. Als Beispiele für diese Additive gibt D1 Zinkoxid, Indiumhydroxid und eines oder mehrere Tenside, insbesondere anionische polymere Tenside, wie z. B. DISPERBYK® D102 und D190, an. Selbst unter Berücksichtigung, dass sich die gemäß D1 dem Anodenmaterial zugefügten Additive während des Betriebs der elektrochemischen Zelle im Elektrolyten lösen und damit wie im Streitgebrauchsmuster im Elektrolyten vorliegen, erhält der Fachmann aus dieser Druckschrift keine Anregung, die spezifischen Korrisionsinhibitoren gemäß dem streitgebrauchsmustergemäßen Merkmal 7 ins Auge zu fassen. Vielmehr löst die D1 das dieser Druckschrift und gleichlautend auch dem Streitgebrauchsmuster zugrunde liegende Problem der Bereitstellung einer quecksilberfreien elektrochemischen Gasentwicklungszelle mit den offenbarten Korrosionshemmern in zufriedenstellender Weise. Für ein Inbetrachtziehen alternativer Korrosionshemmer gab diese Druckschrift somit keine Motivation.
An dieser Sachlage ändert auch der Vortrag der Antragstellerin nichts, dass es sich bei den Korrosionshemmern gemäß Merkmal 7 um fachübliche Korrosionshemmer handele, die der Fachmann als Standardsubstanzen zur Korrosionshemmung stets berücksichtige und die daher einen erfinderischen Schritt nicht begründen könnten, zumal sie mit den weiteren Zusatzstoffen gemäß den Merkmalen 8 und 9 nicht synergistisch wirken würden. Denn die Druckschrift D1 legt bei der Offenbarung der elektrochemischen Gasentwicklungszellen den Schwerpunkt auf den Aufbau der Zink-haltigen Anode (vgl. D1 Abs. [0069] bis [0071]), so dass diese Druckschrift das Augenmerk des Fachmanns nicht auf die Korrosionshemmer und in deren Auswahl liegende Optimierungsmöglichkeiten lenkt.
Weitergehende Anregungen in Richtung auf die Ausgestaltung einer elektrochemischen Gasentwicklungszelle mit den anspruchsgemäßen Merkmalen, insbesondere mit den Korrosionshemmern gemäß Merkmal 7 erhält der Fachmann auch in einer Zusammenschau mit einer der weiteren im Verfahren genannten Druckschriften nicht.
So kann eine Kombination der Lehre der D1 mit derjenigen der Druckschrift D6/D8 die elektrochemische Gasentwicklungszelle gemäß Schutzanspruch 1 nicht nahe legen. Aus dieser Druckschrift ist zwar die Verwendung von Benzotriazol zur Korrosionshemmung von Zinkelektroden und damit zur Vermeidung der Entwicklung von Wasserstoffgas in elektrochemischen Batterien bekannt (vgl. D8 Patentansprüche 1 und 2, S. 1 vorle. Abs., S. 4 vorle. Abs.). Der Fachmann wird diese Druckschrift auch in Betracht ziehen, weil er sich nicht nur auf dem Gebiet der elektrochemischen Gasentwicklungszellen umschaut, sondern auch Nachbargebiete berücksichtigt, auf denen sich das zu lösende Problem – hier die Korrosionshemmung von Zinkelektroden – in ähnlicher Weise stellt (BGH GRUR 2010, 41 – Diodenbeleuchtung). Allerdings beschäftigt sich die D6/D8 mit elektrochemischen Batterien, bei denen hinsichtlich einer langfristigen Lagerung die Wasserstoffgasentwicklung grundsätzlich unerwünscht ist, und stellt sich daher die Aufgabe, die Wasserstoffgasentwicklung vollständig zu unterbinden (vgl. D8 S. 1 vorle. Abs.). Genau dafür setzt D6/D8 Benzotriazol ein (vgl. D8 S. 4 vorle. Abs.). Der Fachmann erhält somit aus der Lehre der D6/D8 keine Anregung dazu, Benzotriazol in elektrochemischen Gasentwicklungszellen, insbesondere zur Wasserstoffgasentwicklung, als Korrosionshemmer einzusetzen, da er befürchten müsste, dass Benzotriazol die beim Betrieb der Zelle erwünschte Wasserstoffgasentwicklung verhindern oder zumindest unerwünscht vermindern würde.
Die Druckschrift D4 betrifft eine wiederaufladbare Zink-Batterie und verhindert für den Fall der vollständigen Entladung durch den Zusatz von Benzotriazol die Kupferkorrosion aus Kupfer-haltigen Zinkelektroden, um so die Haltbarkeitsdauer zu erhöhen sowie die Wiederaufladbarkeit und die Ladungserhaltung zu verbessern (vgl. D4 Sp. 1 le. Abs. und Sp. 1/2 spaltenübergr. Abs.). Mit der D4 wird somit die Verwendung von Benzotriazol zur Korrosionshemmung von Kupfer und nicht von Zink aufgezeigt, so dass der Fachmann aus dieser Druckschrift keine Anregung hinsichtlich des Einsatzes von Benzotriazol zur Korrosionshemmung von Zink in elektrochemischen Gasentwicklungszellen erhält.
Die Entgegenhaltung D5 offenbart ein Zinkpulver für alkalische Batterien, wobei insbesondere darauf geachtet wird, dass es zu einer ausreichend geringen Wasserstoffgasentwicklung im Elektrolyten auch im Zustand ohne Stromabgabe kommt (vgl. D5 Sp. 1 Abs. 1 und 2). In diesem Zusammenhang beschreibt D5 auch die Verwendung von Zink-Korrosionsinhibitoren und zählt dafür eine große Anzahl von Beispielverbindungen, darunter auch Benzotriazol, auf. Einschränkend hinsichtlich der Verwendung von Zink-Korrosionsinhibitoren bemerkt diese Druckschrift weiterhin, dass diese Substanzen je nach Konzentration auch aktivierend wirken können (vgl. D5 Sp. 2 1. vollst. Abs.). Damit erhält der Fachmann aus der D5 den Hinweis, dass der u. a. bekannte Zink-Korrosionsinhibitor Benzotriazol je nach Konzentration aktivierend wirken und damit im Zustand ohne Stromabgabe, also im Ruhe- bzw. Lagerzustand, bezüglich der unerwünschten Zinkkorrosion nachteilig sein kann. Durch diese schon in D5 aufgezeigten Zweifel an der Wirksamkeit von Benzotriazol wird der Fachmann nicht veranlasst, Benzotriazol als möglichen Korrosionsinhibitor bei der Weiterentwicklung der aus D1 bekannten elektrochemischen Gasentwicklungszelle zu berücksichtigen.
Das Argument, dass die Anoden sowie die Bauart von Batterien und elektrochemischen Gasentwicklungszellen einander entsprächen, weshalb die Elektrolytzusammensetzungen alkalischer Zinkbatterien, wie sie in D4, D5 oder D6/D8 offenbart seien, auf die Elektrolytzusammensetzungen elektrochemischer Gasentwick- lungszellen übertragbar seien, führt zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage. Wenn auch der Aufbau gaserzeugender Zellen und kommerzieller Zink/Luft-Knopfzellenbatterien sehr ähnlich sein mag (vgl. D3 S. 10 li. Sp. Z. 4 bis 7), gaben weder der Stand der Technik, der unmittelbar elektrochemische Gasentwicklungszellen betrifft, noch die zum Prioritätszeitpunkt des Streitgebrauchsmusters bereits fast 20 Jahre alten, Batterien betreffenden Druckschriften eindeutige Hinweise auf die Verwendung von Korrosionshemmern gemäß Merkmal 7. Gemäß D5 gab es vielmehr Zweifel an der Eignung von Benzotriazol, so dass der Fachmann von einer Berücksichtigung dieser Substanz sogar abgehalten war. Zudem gibt die Zusammenschau des gesamten Standes der Technik keine Anregung dahingehend, dem Elektrolyten der elektrochemischen Gasentwicklungszelle zwingend neben oberflächenaktiven Stoffen gemäß Merkmal 8 und Viskositätsbildnern gemäß Merkmal 9 auch noch Korrosionshemmer gemäß Merkmal 7 zuzusetzen.
Der Offenbarungsgehalt der weiteren im Verfahren befindlichen und in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen geht nicht über die Lehren der vorstehend abgehandelten Druckschriften hinaus. Diese Druckschriften führen den Fachmann somit ebenfalls nicht zum Schutzgegenstand.
2.5. Nach alledem ist der Gegenstand des Schutzanspruches 1 neu und beruht auch auf einem erfinderischen Schritt, so dass dieser Anspruch Bestand hat.
3. Die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausführungsformen der elektrochemischen Gasentwicklungszelle nach dem geltenden Schutzanspruch 1 und haben mit diesem gleichfalls Bestand.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG und i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
III.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Metternich Dr. Münzberg Dr. Jäger Fa