XI ZR 133/24
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 133/24 Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
in dem Rechtsstreit ja ja ja ja Verkündet am: 21. Oktober 2025 Mazurkiewicz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BGB § 492 Abs. 2, § 494 Abs. 3 und 7 in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung EGBGB Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 in der bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung PAngV § 6 Abs. 4 und 5 i.V.m. Anlage Ziffer II Buchst. j in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung a) Eine vom Darlehensgeber beim Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags verlangte Sicherungszweckvereinbarung hat keine Leistung des Darlehensgebers oder eines Dritten im Sinne von Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung zum Gegenstand.
b) Bei Verbraucherdarlehensverträgen, bei denen die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und nicht feststeht, ob nach deren Ende ein neuer, veränderlicher Sollzinssatz vereinbart wird, der regelmäßig nach einem vereinbarten Index oder Referenzzinssatz angepasst wird, kann der Darlehensgeber auch bei einem bereits vor dem 1. Januar 2013 erfolgten Vertragsabschluss der Berechnung des effektiven Jahreszinses für die gesamte Vertragslaufzeit den anfänglichen Sollzinssatz zugrunde legen.
ECLI:DE:BGH:2025:211025UXIZR133.24.0 c) Ein vom Darlehensgeber beim Abschluss eines vor dem 21. März 2016 abgeschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags zu niedrig angegebener Effektivzinssatz hindert das Anlaufen der Widerrufsfrist.
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2025 - XI ZR 133/24 - OLG Nürnberg LG Nürnberg-Fürth Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2025 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Dr. Matthias, die Richterin Dr. Derstadt und den Richter Dr. Schild von Spannenberg für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 8. Oktober 2024 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des von den Klägern erklärten Widerrufs ihrer auf den Abschluss zweier Immobiliardarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen und ihrer hilfsweise erklärten Kündigung beider Verträge. 2 Zum Zweck einer für den 20. März 2015 vorgesehenen Umschuldung schlossen die Parteien am 21. März 2012 in einer Vertragsurkunde zwei grundpfandrechtlich besicherte Darlehensverträge über Forward-Zinszahlungsdarlehen in Höhe von 263.500 € und 76.500 € zu einem Sollzinssatz in Höhe von jeweils 3,99% p.a. ab. Die Parteien vereinbarten monatlich am 15. zu zahlende Zinsraten in Höhe von 876,14 € bzw. 254,36 €, eine Zinsbindung für jeweils Jahre sowie eine Vertragslaufzeit von jeweils 18 Jahren und einem Monat. Die Darlehensvaluten dienten der Finanzierung einer Immobilie der Kläger. In der Vertragsurkunde ist der effektive Jahreszins mit jeweils 4,06% angegeben. Außerdem enthält die Vertragsurkunde unter anderem folgende Angaben:
"VIII. Darlehensbedingungen […]
6. Zeitraum der Sollzinsbindung und Art und Weise der Anpassung des gebundenen Sollzinssatzes […]
6.2 Die Bank wird dem Darlehensnehmer rechtzeitig vor Ablauf der Sollzinsbindung ein Angebot über einen neuen gebundenen Sollzinssatz und einen neuen Zeitraum für eine Sollzinsbindung unterbreiten. Sollte der Darlehensnehmer das Angebot der Bank nicht annehmen bzw. sollten sich Darlehensnehmer und Bank nicht über einen neuen Sollzinssatz und einen neuen Sollzinsbindungszeitraum einigen können, vereinbaren die Bank und der Darlehensnehmer bereits jetzt, dass das Darlehen mit einem nach Maßgabe von Nr. 7 der Darlehensbedingungen veränderlichen Sollzinssatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem am letzten Prüftermin vor dem Datum des Angebotsschreibens gültigen EZB-Zinssatz fortgeführt wird. […]
IX. Auszahlungsvoraussetzungen Das Darlehen wird nach Erfüllung der unten angegebenen/angekreuzten Voraussetzungen bzw. nach Vorlage der unten angegebenen/angekreuzten Unterlagen [...] ausgezahlt. [...]
Nachweise zu den Sicherheiten Bestellung der vereinbarten Sicherheiten, insbesondere ranggerechte Eintragung der Grundschuld, Vorliegen der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde und Sicherungszweckerklärung sowie ggf. des Grundschuldbriefes. [...]" Mit Schreiben vom 1. April 2020 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen und hilfsweise die Kündigung beider Verträge.
Mit ihrer Klage haben die Kläger - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt, festzustellen, dass sie wegen des Widerrufs, hilfsweise wegen der Kündigung, nicht mehr aus den Darlehensverträgen verpflichtet sind, Zinszahlungen und Tilgungsleistungen zu erbringen. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist zulässig und begründet.
A.
Die Revision ist, weil vollumfänglich zugelassen, insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Aus der Entscheidungsformel des Berufungsurteils ergibt sich keine Einschränkung. Soweit das Berufungsgericht in den Gründen eine Abweichung von einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2020 (17 U 170/19, juris) genannt hat, hat es lediglich den Anlass der Revisionszulassung mitgeteilt, ohne die revisionsrechtliche Nachprüfung zu beschränken.
Die von den Klägern vorsorglich erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenstandslos (Senatsurteil vom 22. November 2016 - XI ZR 434/15, BGHZ 213, 52 Rn. 6).
B.
Die Revision ist auch begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der mit Schreiben vom 1. April 2020 erklärte Widerruf der Kläger sei verfristet gewesen, weil zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (im Folgenden für alle BGB-Vorschriften: aF) bereits abgelaufen gewesen sei.
Anders als die Kläger meinten, fehle es nicht an Pflichtangaben gemäß § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b BGB aF, § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden für alle EGBGB-Vorschriften: aF). Tatsächlich sei der Sicherungszweckvertrag nicht gemäß Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF im Vertragstext anzugeben gewesen. Bei dem Sicherungszweckvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten handele es sich nicht um einen Vertrag über eine Zusatzleistung des Kreditgebers oder eines Dritten, über den gemäß Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB aF hätte informiert werden müssen, denn der Vertrag habe keine Leistung des Kreditgebers oder eines Dritten zum Gegenstand, sondern eine Leistung des Darlehensnehmers selbst, der sich im Sicherungszweckvertrag verpflichte, die vereinbarten Sicherheiten zu stellen.
Soweit die Kläger die Pflichtangabe zum effektiven Jahreszins gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB i.V.m. Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF als zu niedrig bemängelten, drängen sie hiermit ebenfalls nicht durch. Entgegen dem Vorbringen der Kläger sei in die Berechnung des Effektivzinssatzes für den Zeitraum nach dem Ende der Sollzinsbindung kein variabler Sollzinssatz in Höhe von 6% p.a. einzustellen gewesen, woraus sich ein Effektivzinssatz in Höhe von 4,97% p.a. ergäbe. Ziffer II Buchst. j der Anlage zu § 6 PAngV in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) finde auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung. Nach Nr. 6.2 der Darlehensbedingungen sei bei Vertragsschluss ein veränderlicher Sollzinssatz nach dem Ablauf der Sollzinsbindung nur für den Fall vereinbart gewesen, dass der Darlehensnehmer vor Ablauf der Sollzinsbindung ein Angebot der Bank über einen neuen gebundenen Sollzinssatz nicht annehme. Da bei einer solchen Abrede zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gerade nicht feststehe, ob für die Zeit nach Ablauf der Sollzinsperiode die Verzinsung auf der Grundlage eines festen oder eines variablen Sollzinssatzes erfolgen werde, finde Ziffer II Buchst. j der Anlage zu § 6 PAngV aF keine Anwendung. Dies sei durch den Gesetzgeber ausdrücklich in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung des Teils Il der Anlage zu § 6 PAngV klargestellt worden. Nach dem Ergebnis des schriftlichen Sachverständigengutachtens wiesen die Darlehen einen Effektivzinssatz von ca. 4,065790% p.a. bzw. ca. 4,066063% p.a. auf. Diese beiden Beträge seien gemäß Ziffer I Buchst. d der Anlage zu § 6 PAngV aF auf 4,07% p.a. zu runden. Damit weiche der Effektivzinssatz in Höhe von 0,01 Prozentpunkten von dem seitens der Beklagten in den Darlehensverträgen angegebenen Effektivzinssatz (4,06% p.a.) ab. Eine so minimale Abweichung des effektiven Jahreszinses stelle aus der Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, auf den abzustellen sei, jedenfalls eine gänzlich untergeordnete Informationspflichtverletzung dar, die auf dessen Willensbildung vernünftigerweise keinen Einfluss haben könne, so dass gleichwohl die Widerrufsfrist zu laufen begonnen habe.
Die Kläger hätten die Darlehensverträge auch nicht wirksam gekündigt. Da sie die Darlehensbeträge nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung zurückgezahlt hätten, gelte die Kündigung als nicht erfolgt (§ 489 Abs. 3 BGB).
II.
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
Das Berufungsgericht ist zwar noch zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern bei Abschluss der Darlehensverträge gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB aF ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor die Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatten. Dass dies vorliegend bei Abschluss der Darlehensverträge im März 2012 der Fall war, so dass der Widerruf vom 1. April 2020 verspätet war, kann mit der gegebenen Begründung jedoch nicht angenommen werden.
1. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht allerdings im Hinblick auf den Sicherungszweckvertrag zu Recht einen Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF verneint. Danach hat der Darlehensgeber, wenn er zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags verlangt, dass der Darlehensnehmer einen weiteren Vertrag abschließt, dies anzugeben.
Insoweit ergibt sich bereits aus der Gesetzessystematik, dass bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen keine Mitteilungspflicht bezüglich der grundpfandrechtlichen Sicherungsvereinbarung besteht. Nach Art. 247 § 7 Nr. 2 EGBGB aF muss ein Verbraucherdarlehensvertrag Angaben über die vom Darlehensgeber verlangten Sicherheiten enthalten. Diese Regelung gilt nach Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF nicht für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Ein Sicherungszweckvertrag zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber hat zudem keine Leistung des Darlehensgebers oder eines Dritten zum Gegenstand. Vielmehr verpflichtet sich der Darlehensnehmer in einem solchen Vertrag selbst dazu, dem Darlehensgeber die darin vereinbarten Sicherheiten zu stellen (OLG Stuttgart, Urteil vom 4. Juni 2019 - 6 U 90/18, juris Rn. 32; OLG Frankfurt am Main, BKR 2025, 34 Rn. 80). Unabhängig davon wird der Sicherungszweckvertrag vorliegend im Darlehensvertrag unter "IX. Auszahlungsvoraussetzungen" erwähnt.
2. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht demgegenüber davon ausgegangen, dass der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF, § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB, den effektiven Jahreszins anzugeben, einen Belehrungsfehler darstellt, der das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht hindert.
a) Zu Unrecht beanstandet die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht der Berechnung des effektiven Jahreszinses auch für die Zeit nach Ablauf der Sollzinsbindung den anfänglichen Sollzinssatz von 3,99% p.a. und nicht nach § 6 Abs. 5 PAngV in der bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) die Annahme aus Ziffer II Buchst. j der Anlage zu § 6 PAngV aF zugrunde gelegt hat. Aufgrund dessen kann dahingestellt bleiben, ob, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht gerügt hat, Zif- fer II Buchst. j der Anlage zu § 6 PAngV aF hier bereits deshalb keine Anwendung findet, weil vorliegend wegen der vereinbarten Forward-Zeit die Sollzinsbindung erst mit der für die Darlehensrückzahlung bestimmten Zeit endet.
Nach dieser Vorschrift wird bei Verträgen, bei denen die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und nach deren Ende ein neuer, veränderlicher Sollzinssatz vereinbart wird, der in regelmäßigen Abständen nach einem vereinbarten Index oder Referenzzinssatz angepasst wird, angenommen, dass der Sollzinssatz nach Ablauf der Sollzinsbindung dem Sollzinssatz entspricht, der sich aus dem Wert des vereinbarten Indexes oder Referenzzinssatzes zum Zeitpunkt der Berechnung des effektiven Jahreszinses ergibt. Aus dem Wortlaut dieser Regelung ergibt sich jedoch nicht eindeutig, ob sie nur dann maßgeblich sein soll, wenn schon bei Abschluss des Vertrags feststeht, dass nach Ablauf der Sollzinsbindung ein variabler Sollzins zur Anwendung kommt, oder ob diese Annahme auch dann der Effektivzinsberechnung zugrundezulegen ist, wenn im Vertrag nur vorgesehen ist, dass nach Ablauf der Sollzinsbindung zunächst über einen neuen Festzins verhandelt werden soll, als Rückfalloption für den Fall einer fehlenden Einigung jedoch ein variabler Sollzinssatz vereinbart ist. Deshalb wurde die Anlage zu § 6 PAngV aF mit Wirkung vom 1. Januar 2013 dahingehend ergänzt, dass die Annahme aus Ziffer II Buchst. j dieser Anlage der Berechnung des effektiven Jahreszinses nur dann zugrunde gelegt werden darf, wenn feststeht, dass nach Ablauf der Sollzinsbindung ein variabler Sollzins zur Anwendung kommt. Damit sollte verhindert werden, dass bei entsprechender Zinslage der effektive Jahreszins mit einem Wert angegeben wird, der unter dem anfänglichen Nominalzins liegt (BR-Drucks. 328/12 [B], S. 2). Im Hinblick auf diese Ergänzung, die der Klarstellung des Anwendungsbereichs der Vorschrift dient (BR-Drucks., aaO), kann der Darlehensgeber bei einem - wie hier nach der Annahme des Berufungsgerichts - schon vor dem 1. Januar 2013 abgeschlossenen Darlehensvertrag, bei dem die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und bei dem nicht feststeht, ob nach deren Ende ein neuer, veränderlicher Sollzinssatz vereinbart wird, gemäß § 6 Abs. 4 PAngV aF der Berechnung des effektiven Jahreszinses den anfänglichen Sollzinssatz - von hier 3,99% - zugrunde legen (vgl. von Spannenberg in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 53 Rn. 50; Wimmer in Praktikerhandbuch Verbraucherdarlehen, 3. Aufl., Rn. 275 f.; für die Verwendung des Referenzzinssatzes hingegen OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2020 - 17 U 170/19, juris Rn. 60).
b) Ohne Erfolg rügt die Revision ferner eine Verletzung von § 286 ZPO mit der Begründung, das Berufungsgericht habe ihren unter Beweis gestellten Vortrag dazu übergangen, angesichts der Tatsache, dass die Beklagte den pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag nach der Methode 30/360 errechnet und angegeben habe, sei anzunehmen, dass die Beklagte auch den effektiven Jahreszins nach derselben Methode berechnet und angegeben habe. Das Gegenteil ist der Fall. Das Berufungsgericht hat über die Richtigkeit der in der Vertragsurkunde enthaltenen Angaben zum effektiven Jahreszins Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben.
c) Allerdings ist die Angabe des effektiven Jahreszinses nach den von der Beklagten mit einer Gegenrüge angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts fehlerhaft, weil der effektive Jahreszins danach jeweils 4,07% beträgt und damit um 0,01 Prozentpunkte über den Angaben in der Vertragsurkunde liegt. Dieser Fehler hindert entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts das Anlaufen der Widerrufsfrist.
aa) Ist der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben, so vermindert sich der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegte Sollzinssatz um den Prozentsatz, um den der effektive Jahreszins zu niedrig angegeben ist (§ 494 Abs. 3 BGB). Gemäß § 494 Abs. 7 Satz 2 BGB aF (bis zum 20. März 2016 gemäß § 356b Abs. 3 BGB in der bis dahin geltenden Fassung) beginnt die Widerrufsfrist erst, wenn der Darlehensnehmer die Abschrift des Vertrags, in der die Vertragsänderung nach § 494 Abs. 3 BGB berücksichtigt ist, erhalten hat. Dass dies geschehen wäre, macht die - insoweit darlegungs- und beweisbelastete (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2019 - I ZR 134/18, BGHZ 221, 266 Rn. 28 zu § 361 Abs. 3 BGB) - Beklagte nicht geltend.
bb) Anders als die Revisionserwiderung meint, lässt sich der Wirksamkeit des Widerrufs nicht entgegenhalten, die Sanktion einer fehlerhaft zu niedrigen Angabe des effektiven Jahreszinses sei allein § 494 Abs. 3 BGB zu entnehmen.
(1) Die Frage ist in Instanzrechtsprechung und Schrifttum umstritten.
Nach einer Ansicht stellt in einem solchen Fall die gemäß § 494 Abs. 3 BGB eintretende Verminderung des Sollzinssatzes eine ausreichende Sanktion dar, sodass die fehlerhaft zu niedrige Angabe des effektiven Jahreszinses auf den Lauf der Widerrufsfrist keinen Einfluss hat (OLG Brandenburg, Urteil vom 9. Dezember 2020 - 4 U 76/20, juris Rn. 82; Urteil vom 31. März 2021 - 4 U 218/20, juris Rn. 34; OLG Celle, BeckRS 2020, 51726 Rn. 21; Beschluss vom 25. Juli 2022 - 3 U 24/22, juris Rn. 41; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Dezember 2019 - 16 U 62/19, juris Rn. 8; Urteil vom 28. Juni 2021 - 9 U 79/20, juris Rn. 50 ff.; Urteil vom 9. Januar 2023 - 9 U 58/22, juris Rn. 50; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17. Oktober 2019 - 19 U 30/19, juris Rn. 28; Beschluss vom 11. März 2021 - 10 U 67/20, juris Rn. 34; Beschluss vom 25. Mai 2023 - 3 U 26/23, juris Rn. 29; LG Dortmund, Urteil vom 24. Januar 2020 - 3 O 556/18, juris Rn. 43 f.).
Die Gegenauffassung nimmt an, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt (OLG Frankfurt am Main, WM 2021, 933 Rn. 68; OLG Köln, ZIP 2019,
1710, 1715 f.; Erman/Nietsch, BGB, 17. Aufl., § 494 Rn. 28; von Spannenberg in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 53 Rn. 56; Korff, EWiR 2019, 389, 390; offengelassen von OLG Frankfurt am Main, BKR 2025, 34 Rn. 86; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Juli 2019 - 6 U 9/18, juris Rn. 51 f. zu einer fehlerhaft zu hohen Angabe des effektiven Jahreszinses).
(2) Zutreffend ist die zuletzt genannte Ansicht.
Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 494 Abs. 7 Satz 2 BGB aF beginnt die Widerrufsfrist erst, wenn der Darlehensnehmer die Abschrift des Vertrags, in der die Vertragsänderung nach § 494 Abs. 3 BGB berücksichtigt ist, erhalten hat.
Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Senats zwar die fehlerhafte Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung lediglich zum Ausschluss des Anspruchs auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB führt, ohne das Anlaufen der 14-tägigen Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 2, § 356b BGB zu berühren (vgl. Senatsurteile vom 28. Juli 2020 - XI ZR 288/19, BGHZ 226, 310 Rn. 25 ff. und vom 27. Februar 2024 - XI ZR 258/22, BGHZ 239, 337 Rn. 37). Dies lässt sich jedoch nicht auf den Fall einer fehlerhaft zu niedrigen Angabe des effektiven Jahreszinses übertragen. Seine oben genannte Rechtsprechung hat der Senat unter anderem damit begründet, dass eine Nachholung der Angabe zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB aF sinnlos ist, weil im Falle einer fehlenden oder fehlerhaften Angabe in der Vertragsurkunde ein Anspruch des Darlehensgebers auf eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB dauerhaft ausgeschlossen ist und durch die Nachholung der ordnungsgemäßen Angabe nicht wieder aufleben würde (Senatsurteil vom 28. Juli
2020, aaO Rn. 28 mwN). Demgegenüber ist die Nachholung der korrekten Angabe des effektiven Jahreszinses sinnvoll. Dieser Zinssatz soll als der Transparenz dienende Rechengröße Verbrauchern einen Konditionenvergleich am Markt ermöglichen und auf diese Weise die Kreditentscheidung erleichtern (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2025 - C-472/23, WM 2025, 972 Rn. 28 f. - Lexitor; Senatsbeschluss vom 4. Juni 2019 - XI ZR 77/18, WM 2019, 1342, 1343; OLG Frankfurt am Main, WM 2021, 933 Rn. 68; Müller-Christmann in Ellenberger/ Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 4. Aufl., § 491a Rn. 10; von Spannenberg in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 53 Rn. 37; MünchKommBGB/Weber, 9. Aufl., Art. 247 § 3 EGBGB Rn. 5). Ein solcher Marktvergleich ist dem Verbraucher erstmals mit Nachholung der korrekten Angabe möglich (von Spannenberg, aaO Rn. 56).
3. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass den Klägern kein Kündigungsrecht aus § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB zustand.
Entgegen der von der Revision im Anschluss an das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 15. Oktober 2015 - 8 U 241/15, juris Rn. 22 ff.) vertretenen Ansicht fehlen in der Vertragsurkunde keine Angaben zu Kündigungsrechten gemäß § 494 Abs. 6 Satz 1, §§ 490, 314 BGB. Der Senat hat - nach Erlass jenes Hinweisbeschlusses - entschieden und eingehend begründet, dass § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB nicht auf sich selbst verweist (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 36). Auch ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt, dass die Vorschrift an die unterbliebene oder unzureichende Erteilung der Pflichtangabe nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB aF anknüpft (vgl. Senatsurteil, aaO Rn. 35). Auf Immobiliardarlehensverträge findet Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB aF nach Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF jedoch keine Anwendung.
III.
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 ZPO) und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache hinsichtlich der Pflichtangabe zum effektiven Jahreszins nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
1. So wird sich das Berufungsgericht insbesondere mit den Einwendungen auseinanderzusetzen haben, die die Beklagte im Schriftsatz vom 5. Juli 2024 fristgerecht gegen das Sachverständigengutachten erhoben hat, denen das Berufungsgericht bisher aber nicht nachgegangen ist, weil es die Fehlerhaftigkeit der Angabe des effektiven Jahreszinses für unerheblich erachtet hat. Dabei wird das Berufungsgericht auch den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht erhobenen Einwand zu berücksichtigen haben, dass der Sachverständige in seine Berechnung der Vertragslaufzeit die von den Parteien vereinbarte Forward-Zeit von drei Jahren nicht einbezogen hat. Bei deren Berücksichtigung sowie wegen der Fälligkeit der vertraglich vereinbarten Tilgungsinstrumente zu diesem Zeitpunkt wäre - so die Beklagte - die letzte Darlehensrate bereits am 15. April 2030 zu zahlen, die Vertragslaufzeit mithin auf diesen Zeitpunkt zu begrenzen.
2. Sollte das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung dieser Einwendungen zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte den effektiven Jahreszins im Vertrag um 0,01 Prozentpunkte zu niedrig angegeben hat, wird es zu prüfen haben, ob der Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger § 242 BGB entgegensteht.
a) Eine Rechtsausübung kann im Einzelfall bei missbräuchlichem Verhalten als unzulässig angesehen werden. Dabei kann die Berufung des Verbrauchers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich zu bewerten sein, mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können. Der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB erlaubt es, die Berufung auf grundsätzlich bestehende Rechtspositionen unter besonderen Umständen im Einzelfall zu versagen. Für die Entscheidung, ob die Berufung auf eine Rechtsposition missbräuchlich ist, erfordert § 242 BGB eine Bewertung der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles, wobei die Interessen aller an dem konkreten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (Senatsurteile vom 25. Oktober 2022 - XI ZR 44/22, BGHZ 235, 1 Rn. 30, vom 14. Februar 2023 - XI ZR 152/22, BGHZ 236, 148 Rn. 20 und - XI ZR 537/21, BGHZ 236, 132 Rn. 19). Zwar gibt es im deutschen Recht keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach geringfügige Pflichtverletzungen oder Mängel stets ohne Folgen bleiben. Es ist aber anerkannt, dass nach dem aus § 242 BGB hergeleiteten sogenannten Übermaßverbot bestimmte schwerwiegende Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Vertragsverletzungen nach Treu und Glauben nicht eintreten (BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21, BGHZ 236, 163 Rn. 15 mwN; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 242 Rn. 53; MünchKommBGB/Schubert, 10. Aufl., § 242 Rn. 673).
b) Ist weiter davon auszugehen, dass hier die Angabe des effektiven Jahreszinses fehlerhaft ist, weil der effektive Jahreszins tatsächlich um 0,01 Prozentpunkte über den Angaben in der Vertragsurkunde liegt, so ist trotz der Bedeutung der Angabe des effektiven Jahreszinses für den Verbraucher (siehe oben, II. 2. c) bb) (2) Rn. 28) zu berücksichtigen, dass es sich wegen der von Ziffer I Buchst. d der Anlage zu § 6 PAngV aF vorgegebenen Rundung auf zwei Nachkommastellen bei der Differenz von 0,01 Prozentpunkten um die geringstmögliche Abweichung handelt. Das Berufungsgericht wird deshalb unter Bewertung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles, die der Senat nicht selbst feststellen kann, zu entscheiden haben, ob eine so geringfügige Vertragsverletzung nach Treu und Glauben derart einschneidenden Rechtsfolgen rechtfertigt, wie sie mit einem erfolgreichen Widerruf der auf den Abschluss der streitgegenständlichen Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger verbunden wären oder ob sich unter diesen Umständen die Berufung der Kläger auf ihr Widerrufsrecht als missbräuchlich darstellt.
Ellenberger Derstadt Grüneberg Matthias Schild von Spannenberg Vorinstanzen: LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 19.08.2021 - 6 O 2080/21 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 08.10.2024 - 14 U 3488/21 -