XIII ZB 108/19
BUNDESGERICHTSHOF XIII ZB 108/19 BESCHLUSS vom 25. Januar 2022 in der Überstellungshaftsache ECLI:DE:BGH:2022:250122BXIIIZB108.19.0 Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2022 durch den Richter Prof. Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Roloff, den Richter Dr. Tolkmitt sowie die Richterinnen Dr. Picker und Dr. Rombach beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 26. Juni 2019 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Linz am Rhein vom 11. April 2019 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Neuwied auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe:
I. Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste im Juni 2018 aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland. Seinen Asylantrag wies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Betroffenen nach Italien an. Seit November 2018 ist der Betroffene vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Nachdem er an mehreren ihm für seine Abschiebung nach Italien mitgeteilten Daten, dem 21. Januar 2019, dem 25. Februar 2019 sowie dem 10. April 2019, in seiner Unterkunft nicht angetroffen worden war, wurde er am 11. April 2019 festgenommen.
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 11. April 2019 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Überstellung nach Italien bis längstens zum 22. Mai 2019 angeordnet. Seine Beschwerde hatte keinen Erfolg. Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts wendet sich der Betroffene, der am 3. Juli 2019 nach Italien überstellt wurde, mit der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichteten Rechtsbeschwerde.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat den Haftantrag der beteiligten Behörde für zulässig erachtet, da in ihm die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der beabsichtigten Überstellung nach Italien sowie die erforderliche Haftdauer hinreichend dargelegt worden seien.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Haftantrag der beteiligten Behörde war unzulässig.
a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8, vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8, und vom 12. Oktober 2021 - XIII ZB 110/19, juris Rn. 8).
b) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag nicht gerecht. Im Antragsschreiben der beteiligten Behörde vom 11. April 2019 wird im Hinblick auf die beantragte Haftdauer von sechs Wochen lediglich ausgeführt, die Dauer der Freiheitsentziehung bis zum 22. Mai 2019 sei erforderlich; der Flug finde spätestens an diesem Tage statt, somit sei eine Rückführung innerhalb der sechs Wochen möglich. Warum die Buchung eines - wie hier - ohne Sicherheitsbegleitung geplanten Fluges in ein europäisches Land (Italien) im Fall des Betroffenen, für den ein gültiges Passersatzpapier vorlag, eine Zeit von sechs Wochen in Anspruch nehmen soll, wird nicht dargelegt. Genannt wird zudem nur die erwartete Höchstdauer einer Flugabschiebung, die "spätestens" am 22. Mai 2019 vollzogen werden könne. Die Angabe einer Höchstdauer kann aber die Erforderlichkeit der Haftdauer für den konkreten Antrag nicht begründen und rechtfertigt nicht die - vorsorgliche - Haftanordnung bis zu diesem Zeitpunkt (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2019 - V ZB 190/18, juris Rn. 8, und vom 25. August 2020 - XIII ZB 112/19, juris Rn. 8). Die Haftdauer von sechs Wochen ist auch nicht so kurz, dass sich ihre Notwendigkeit von selbst verstünde.
Die Ausführungen der beteiligten Behörde, die den für die Überstellung erforderlichen Zeitaufwand ausweislich des Protokolls über die öffentliche Sitzung vom 11. April 2019 auch mündlich nicht näher erläutert hat, lassen danach nicht erkennen, warum eine Haftdauer von sechs Wochen erforderlich ist. Vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, sind sie für die Begründung der beantragten Haft unzureichend (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. April 2018 - V ZB 208/17, juris Rn. 6, vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 49/19, juris Rn. 9, und vom 25. August 2020 - XIII ZB 112/19, juris Rn. 9; jew. mwN).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Kirchhoff Roloff Tolkmitt Picker Rombach Vorinstanzen: AG Linz a. Rhein, Entscheidung vom 11.04.2019 - 5 XIV 1/19 L LG Koblenz, Entscheidung vom 26.06.2019 - 2 T 368/19 -