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VII ZR 212/22

BUNDESGERICHTSHOF VII ZR 212/22 BESCHLUSS vom 27. September 2023 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2023:270923BVIIZR212.22.0 Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2023 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, den Richter Dr. Kartzke sowie die Richterinnen Graßnack, Borris und Dr. Brenneisen beschlossen:

Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.

Der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 18. Oktober 2022 wird gemäß § 544 Abs. 9 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 140.556,19 €

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von abschlagsweise geleisteten Zahlungen, die Beklagte verlangt widerklagend die Zahlung ihr angeblich noch zustehenden Restwerklohns.

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit Schreiben vom 22. September mit der Erbringung von Dämm- und Isolierarbeiten an den technischen Anlagen des Bauvorhabens "C.

C.

Verwaltungsgebäude K. ". Die Klägerin beauftragte die Streithelferin mit der Fachplanung, die ihrerseits die T. GmbH als Subunternehmerin beauftragte. Die Beklagte führte Dämm- und Isolierarbeiten in streitigem Umfang aus, im Verlaufe des Bauvorhabens kam es zu Leistungsänderungen und Massenmehrungen, die zwischen den Parteien streitig sind. Die Klägerin leistete Abschlagszahlungen in Höhe von 529.029,86 € brutto.

Die Klägerin nahm die Leistungen der Beklagten am 17. März 2014 ab, wobei im Abnahmeprotokoll Teilleistungen wegen gerügter Mängel von der Abnahme ausgenommen wurden. Die Beklagte legte unter dem 30. April 2014 ihre Schlussrechnung. Die Klägerin ließ die Schlussrechnung der Beklagten durch die T. GmbH prüfen und gelangte zu der Auffassung, dass eine Überzahlung vorliege.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Rückzahlung von 156.306,76 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Widerklagend hat die Beklagte weiteren Werklohn in Höhe von 227.360,82 € nebst Zinsen gefordert. Das Landgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme, insbesondere der Einholung eines Sachverständigengutachtens, der Klage in Höhe von 15.750,57 € nebst Zinsen unter Klageabweisung im Übrigen stattgegeben; die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen. Im Rahmen der wechselseitig eingelegten Berufungen hat das Berufungsgericht einen an beide Parteien gerichteten Hinweis auf ein beabsichtigtes Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt, woraufhin die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen hat. Mit Beschluss vom 18. Oktober 2022 hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und die Beklagte hinsichtlich der von ihr eingelegten Berufung für verlustig erklärt.

Die Klägerin verfolgt ihren restlichen Anspruch im Rahmen der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision weiter.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

1. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt, dass die Berufung der Klägerin unbegründet sei, weil das Landgericht die Beklagte zu Recht zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 15.750,57 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen habe. Die Beklagte könne nur die Bezahlung derjenigen Leistungen verlangen, die unstreitig ausgeführt oder im Rahmen der Beweisaufnahme durch den Sachverständigen festgestellt worden seien. Die vom Landgericht vorgenommene Berechnung sei sachlich und rechnerisch zutreffend. Die Annahme des Landgerichts, dass die Beklagte sich die einzelnen Feststellungen des Sachverständigen, soweit für sie günstiger als in der Schlussrechnung angenommen, zurechnen lasse, sei richtig. Es sei regelmäßig anzunehmen, dass eine Partei sich solche Umstände, die bei einer Beweisaufnahme zutage träten, zumindest hilfsweise zu Eigen mache. Entgegen dem klägerischen Berufungsvorbringen sei dieser Grundsatz zu Gunsten beider Parteien angewendet worden.

Lediglich soweit der Sachverständige keine Feststellungen zu von der Beklagten abgerechneten Positionen getroffen habe, sei das Landgericht davon ausgegangen, dass sich die Beklagte insoweit das für sie günstige Ergebnis der Schlussrechnungsprüfung der Klägerin hilfsweise zu Eigen mache. Dieses Vorgehen begegne keinen Bedenken; insoweit sei die Leistungserbringung der Beklagten letztlich unstreitig. Soweit die Klägerin geltend mache, dass Massen, die nach dem Ergebnis der Schlussrechnungsprüfung bereits als berechtigt bewertet worden seien, von dem Sachverständigen mit der Folge einer doppelten Berücksichtigung anderen Leistungspositionen zugeordnet worden sein könnten, zeige die Klägerin lediglich eine theoretische Möglichkeit auf, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestünden, dass sich diese konkret realisiert hätte. Es werde insbesondere nicht vorgetragen, zu welchen konkreten Positionen dies erfolgt sein solle. Die erstmals beantragte Anhörung des Sachverständigen könne auch nicht zum gewünschten Ergebnis führen, weil selbst wenn der Sachverständige den Vortrag bestätigte, dass weitere Massen nicht vorhanden seien, dennoch die unstreitigen Mengen letztlich zugrunde gelegt werden müssten.

2. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2023 - VII ZR 7/22 Rn. 16, BauR 2023, 1422; Beschluss vom 1. Februar 2023 - VII ZR 882/21 Rn. 11, BauR 2023, 1154 = NZBau 2023, 224; Beschluss vom 17. Juni 2020 - VII ZR 111/19 Rn. 17, BauR 2020, 1679 = NZBau 2020, 573). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2023 - VII ZR 882/21 Rn. 11, BauR 2023, 1154 = NZBau 2023, 224; Beschluss vom 17. Juni 2020 - VII ZR 111/19 Rn. 17, BauR 2020, 1679 = NZBau 2020, 573).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im Streitfall eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor.

aa) Die Klägerin hat im Rahmen der Berufungsbegründung vom 14. Juni 2021 konkret und unter Bezugnahme auf einzelne Positionen dazu vorgetragen, dass die vom Landgericht vorgenommene Würdigung, die teilweise auf die Sachverständigenbegutachtung und teilweise auf die Schlussrechnungsprüfung der Klägerin abstelle, zu falschen Ergebnissen führe. Der Sachverständige habe bei einigen - die gleiche Leistung betreffenden - Positionen sämtliche Massen dem Titel 1 des Leistungsverzeichnisses zugeordnet und nicht - wie erforderlich - auf dessen Titel 1 und Titel 2 aufgeteilt. Diese Unterteilung trage dem Umstand Rechnung, dass es sich um unterschiedliche Gebäude handele. Es sei deshalb fehlerhaft, zugunsten der Beklagten die Angaben des Sachverständigen für den Titel 1 zugrunde zu legen und zusätzlich die Angaben der Klägerin aus ihrer Schlussrechnungsprüfung in dem Titel 2, weil dies eine doppelte Berücksichtigung zur Folge habe. Zur Verdeutlichung ihres Vorbringens hat die Klägerin eine Aufstellung der verschiedenen aus ihrer Sicht betroffenen Positionen, aufgeschlüsselt nach verschiedenen Gewerken, in der Anlage BK 1 zum Berufungsbegründungsschriftsatz beigefügt und eine doppelte Berechnung in Höhe von 109.107,18 € geltend gemacht.

bb) Indem das Berufungsgericht diesen Vortrag dahingehend gewürdigt hat, damit werde lediglich eine theoretische Möglichkeit aufgezeigt, ohne dass Anhaltspunkte dafür beständen, dass sich diese konkret realisiert hätte, und Vortrag zu konkret betroffenen Positionen vermisst hat, hat es Vorbringen der Klägerin zu einer zentralen Frage des Rechtsstreits nicht berücksichtigt. Die Begründung des Berufungsgerichts lässt nur den Schluss zu, dass es insoweit allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Klägerin erfasst hat. Mit ihrem durch die Darstellung in der Anlage BK 1 positionsgenau präzisierten Vorbringen hat die Klägerin die aus ihrer Sicht gegebene fehlerhafte Würdigung aufgrund einer Kombination der Ergebnisse der Sachverständigenbegutachtung und der klägerischen Schlussrechnungsprüfung konkret im Einzelfall gerügt.

c) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des genannten Vorbringens der Klägerin zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

3. Der angefochtene Beschluss ist danach aufzuheben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist, und der Rechtsstreit ist im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).

Pamp Borris Kartzke Brenneisen Graßnack Vorinstanzen: LG Aachen, Entscheidung vom 09.03.2021 - 7 O 291/15 OLG Köln, Entscheidung vom 18.10.2022 - 19 U 60/21 -

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