5 Ni 3/17 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 3/17 (EP) (Aktenzeichen)
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 2. August 2018
…
In der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BPatG:2018:020818U5Ni3.17EP.0
-2betreffend das europäische Patent 1 381 502
(DE 502 02 221) hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2018 durch den Vorsitzenden Richter Voit, den Richter Dr. agr. Huber, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Rippel und Dipl.-Ing. Brunn für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 381 502 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhält:
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 381 502 (Streitpatent), das am 2. April 2002 unter Inanspruchnahme zweier deutscher Prioritäten vom 5. April 2001 (DE 101 16 998) und vom 12. November 2001 (DE 101 55 162) angemeldet worden ist. Beim Deutschen Patent- und Markenamt wird das Streitpatent unter dem Aktenzeichen DE 502 02 221.3 geführt. Es trägt die Bezeichnung: „Verfahren zum Füllen der Kavität eines Werkzeuges“ und umfasst zwei Patentansprüche, die mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind und in der erteilten Fassung wie folgt lauten:
Mit ihrer Klage vom 2. Dezember 2016 macht die Klägerin fehlende Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 InPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1a EPÜ) des Gegenstands des Streitpatents geltend. Die Nichtigerklärung des Streitpatents begründet sie darüber hinaus mit einer ihrer Ansicht nach nicht so deutlich und vollständig offenbarten Erfindung, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 InPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1b EPÜ).
Ihren Vortrag zur fehlenden Patentfähigkeit stützt sie auf folgende Dokumente:
NK4 DE 198 03 352 A1 NK5a Auszug aus dem internationalen vorläufigen Prüfungsbericht aus dem Prüfungsverfahren des Streitpatents NK5b Eingabe des Patentinhaberin vom 19. Mai 2003 im Prüfungsverfahren des Streitpatents NK5c US 7 682 535 B2 (Familienmitglied des Streitpatents) NK6a JP S51-056868 A2 NK6b Übersetzung der NK6a NK7 EP 0 707 936 A2 NK8 US 5 556 582 A NK9 DE 197 09 609 A1 NK10a JPS61-255825 A NK10b Übersetzung der NK10a NK11a JPH04-082723 A NK11b Übersetzung der NK11a NK12 „Total Quality Process Control for Injection Molding”, M. Joseph Gordon, Jr., Carl Hanser Verlag 1992, Seiten 99-113,148-159, 186-239, 308-391 Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 381 502 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage nach Maßgabe des Hauptantrags, eingegangen als Anlage zum Schriftsatz vom 4. Mai 2018 abzuweisen,
hilfsweise die Klage nach Maßgabe der Hilfsanträge 1 und 2, eingegangen als Anlagen zum Schriftsatz vom 4. Mai 2018 abzuweisen,
weiter hilfsweise die Klage nach Maßgabe der Hilfsanträge 3 bis 8, eingegangen als Anlagen zum Schriftsatz vom 18. Juli 2018 abzuweisen.
Wegen der Fassungen nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 wird auf die Anlagen zum Schriftsatz vom 4. Mai 2018 Bezug genommen. Die Fassung nach Hilfsantrag 3 ist in der Urteilsformel wiedergegeben. Wegen der weiteren Hilfsanträge 4 bis 8 wird auf die Anlagen zum Schriftsatz vom 18. Juli 2018 Bezug genommen.
Die Klägerin hält die Nichtigkeitsklage auch gegenüber der Verteidigung des Streitpatents mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen aufrecht und macht insoweit zusätzlich die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen sowie eine Erweiterung des Schutzbereichs geltend.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Der Gegenstand des Streitpatents sei ausführbar offenbart und jedenfalls in einer der verteidigten Fassungen in zulässiger Weise beschränkt und bestandsfähig. Gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik sei sein Gegenstand neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er dem Fachmann am 1. Prioritätstag nicht nahegelegen habe.
Der Senat hat die Parteien mit einem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG vom 29. März 2018 auf die Gesichtspunkte hingewiesen, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sind.
Entscheidungsgründe A.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. In der erteilten Fassung, die die Beklagte nicht mehr verteidigt, ist das Streitpatent nach ständiger Rechtsprechung ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. Schulte/Voit, PatG 10. Auflage, § 81 Rdn 127 m. w. N). In der Fassung nach dem Hauptantrag kann das Streitpatent keinen Bestand haben, da sein Gegenstand nicht patentfähig ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a, Art. 52 - 57 EPÜ). Dies gilt ebenfalls für die Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 und 2, die der Senat als nicht zulässig angesehen hat. In der Fassung nach Hilfsantrag 3 hat das Streitpatent jedoch Bestand, sodass die weitergehende Klage abzuweisen war. Die Beurteilung der weiteren Hilfsanträge 4 bis 8 konnte somit dahinstehen.
I. Zum Gegenstand des Streitpatents
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Füllen einer Kavität eines Werkzeuges zum Herstellen eines Formteiles aus einer Schmelze, insbesondere einer Kavität einer Spritzgießmaschine, wobei die Schmelze, insbesondere aus Kunststoff, Metall oder einer Keramik, unter Druck in die Kavität eingefüllt und gegen Ende oder am Ende ihres Fließweges unter Nachdruck gesetzt wird. Der Einfüllvorgang geschieht so lange, bis die Kavität gefüllt ist, danach erfolgt ein Umschalten auf die sogenannte Nachdruckphase, in der vor allem ein Schwinden des Werkstoffes in der Kavität ausgeglichen wird.
Aus dem Stand der Technik ist nach Angaben der Streitpatentschrift bekannt, zur Beeinflussung der Einheitlichkeit und der guten Qualität von Spritzgießprodukten die Temperatur der Schmelze zu ermitteln. So wird zum Beispiel gemäß der NK10a (JPS61-255825 A) die Temperatur der Schmelze oder die aktuell gemessene Temperatur der Form mit einer Vielzahl von vorgegebenen Temperaturwerten verglichen.
Wichtig sei bei diesen Verfahren eine Bestimmung des Umschaltzeitpunktes von der Einfüll- zu der Nachdruckphase. Eine manuelle Optimierung sei schwierig und zeitaufwendig, weshalb sie in der Praxis nur selten korrekt durchgeführt würde. Eine fixe Umschaltung vom Einspritzvorgang auf den Nachdruckvorgang könne nicht auf prozessbedingte Schwankungen z. B. der Viskosität reagieren, was wiederum eine große Schwankung der Qualität der Formteile zur Folge hätte.
Im Stand der Technik z. B. nach der NK7 (EP 0 707 936 A2) werden Verfahren zur Bestimmung des Umschaltzeitpunktes bei der Herstellung eines Spritzgussteils beschrieben. Sie dienten dazu, den Zeitpunkt der volumetrischen Füllung in der Werkzeugkavität automatisch zu ermitteln. Diese Verfahren basieren in der Regel auf der Messung des Innendrucks. So wird z. B. der "Knickpunkt" zwischen der Einfüll- und der Nachdruckphase, der sich automatisch ergibt, mit Hilfe künstlicher Intelligenz ermittelt. Problematisch sei in der Praxis allerdings, dass sich aufgrund der Rechenzeiten zum Teil zu große Verzögerungen ergeben, welche automatisch Druckspitzen und Verspannungen im Formteil nach sich ziehen würden. Außerdem könnten nicht alle Anwendungen universell abgedeckt werden. In einem weiteren bekannten Verfahren würden die Druckdifferenzen zwischen zwei Werkzeuginnendrucksensoren ermittelt und deren Verlauf über der Zeit analysiert, wobei über einen plötzlichen Abfall des Signals (= Knickpunkterkennung) die volumetrische Füllung ermittelt würde. Beide oben beschriebenen Verfahren benötigten relativ teure Sensorik und Elektronik und wären nicht prozesssicher.
Aus der NK4 (DE 98 03 352 A1) sei ein Verfahren zur Ermittlung des Zeitpunktes eines Druckanstiegs in einer Werkzeugform bekannt, wobei als Folge des Druckanstieges von dem Einspritzdruck auf den Nachdruck umgeschaltet würde. Dabei würde der Druckanstieg nicht mittels Drucksensoren, sondern mittels Temperatursensoren ermittelt.
Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Streitpatentschrift in Absatz [0012] als Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren der oben genannten Art zu entwickeln, mit dem auf einfache und kostengünstige Weise und dennoch relativ genau auf die Nachdruckphase umgeschaltet wird.
2. Der Gegenstand des Streitpatents richtet sich an einen Ingenieur auf dem Gebiet der Kunststoffspritztechnik, der insbesondere über Erfahrung in der Konstruktion von Spritzgießwerkzeugen sowie in der Einrichtung, Parametrisierung und im Betrieb von derartige Werkzeuge einsetzenden Spritzgießmaschinen verfügt.
3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in der nunmehr mit dem Hauptantrag vom 4. Mai 2018 verteidigten Fassung ein Verfahren vor, das die Beklagte wie folgt nach Merkmalen gegliedert eingereicht hat (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):
4. Der Senat legt Anspruch 1 des geltenden Hauptantrags folgendes Verständnis zugrunde:
Die Merkmale 1.1 und 1.2 beschreiben ein herkömmliches Verfahren zum Befüllen einer Kavität eines Werkzeuges, insbesondere einer Spritzgießmaschine zum Herstellen eines Formteiles aus einer Schmelze unter Druck, wie es aus dem Stand der Technik bekannt ist und das für den Fachmann klar verständlich ist.
Die Auslegung der Merkmale 1.3 bis 1.5 kann nur im Zusammenhang betrachtet werden:
Nach Merkmal 1.5 wird anhand des „detektierten Anstiegs der Temperatur der Umschaltpunkt zur Nachdruckphase“ bestimmt. Entsprechend der Absätze [0013] bis [0015] der Beschreibung erfolgt durch die Messung der Werkzeugwandinnentemperatur ein schlagartiger Signalanstieg, wenn die Schmelze die Position eines entsprechenden Thermoelementes erreicht. Dieser Signalanstieg kann dann ohne weitere Intelligenz, z. B. als analoges Schaltsignal, verwendet werden. Dem kann der Fachmann zweifelsfrei entnehmen, dass beim Gegenstand des Anspruchs 1 vorgesehen ist, dass das Erreichen der Position der Sensoren durch die Schmelze ohne programmtechnische Zwischenschritte unmittelbar ein analoges Schaltsignal für das Umschalten auf die Nachdruckphase auslöst. Daher besteht in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten eine direkte Unmittelbarkeit zwischen der detektierten Temperaturänderung und dem Umschalten auf die Nachdruckphase. Für die Auffassung der Klägerin, das Merkmal 1.5 ließe offen, wann tat- sächlich das Umschalten erfolge bzw. wo zeitlich der Umschaltpunkt liege, bleibt mangels einer diese Sichtweise stützenden Offenbarung kein Raum.
Die Formulierungen der Merkmale 1.3 und 1.4 müssen unter Berücksichtigung dieses Verständnisses des Merkmals 1.5 ausgelegt werden. Während das Merkmal 1.3 fordert, dass die Schmelze „gegen Ende oder am Ende ihres Fließweges unter Nachdruck gesetzt wird“, wird nach Merkmal 1.4 „gegen Ende des Fließweges der Schmelze die Werkzeugwandtemperatur bestimmt“. Unter „Fließweg“ versteht der Fachmann den Weg, den die Schmelze nach Einspritzen in die Kavität des Werkzeuges bis zum vollständigen Füllen des Werkzeuges zurücklegen muss (vgl. Figur 1 und Absatz [0016]).
Daher kann der Auffassung beider Parteien, dass die Begriffe „gegen Ende des Fließweges" und „am Ende des Fließweges" räumlich auszulegen wären, zugestimmt werden.
In der Beschreibung werden die Begriffe „gegen Ende“ und „am Ende“ sowohl im Kontext mit der Position der Temperatursensoren als auch mit dem Umschaltpunkt für die Nachdruckphase ohne einen erkennbaren inhaltlichen Unterschied abwechselnd beliebig verwendet (vgl. Absätze [0013], [0014], [0021], [0025], [0027] und [0029]). Darin ist in erster Linie eine sprachliche Unsauberkeit zu sehen, da sich für den Fachmann die Bedeutung der Merkmale 1.3 und 1.4 aus der Gesamtoffenbarung zweifelsfrei ergibt.
Aus der Offenbarung der Absätze [0013] und [0014], nach denen gegen Ende des Fließweges der Schmelze die Werkzeugwandtemperatur und der Umschaltpunkt zur Nachdruckphase bestimmt werden und dabei grundlegende Überlegung die Tatsache sei, dass theoretisch immer bei ca. 97 bis 98 % des Fließweges umgeschaltet werden soll, sowie aus den Figuren schließt der Fachmann, dass das Merkmal 1.4 so auszulegen ist, dass die Temperatursensoren zwar in der Nähe, aber nicht am unmittelbaren Ende der Werkzeugform anzuordnen sind, sodass hier unter „gegen“ zu verstehen ist, dass die Temperaturbestimmung erfolgt, bevor die Schmelze die Kavität 100 % ig gefüllt hat. Eine Platzierung der Sensoren erst an Ende der Kavität würde ein Umschalten auf die Nachdruckphase vor Erreichen des Endes der Kavität durch die Schmelze nicht ermöglichen.
Allerdings entnimmt der Fachmann dem Absatz [0014] auch, dass entsprechend der grundlegenden Überlegung theoretisch immer bei ca. 97 bis 98 % des Fließweges umgeschaltet werden soll, „um aufgrund der Trägheit schließlich die angestrebten 100 % zu erreichen.“ Dem Fachmann ist bekannt, dass beim beanspruchten Verfahren sowohl die eingespritzte Schmelze als auch die verwendete Vorrichtung einer Trägheit unterworfen sind. Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass nach Umschalten auf die Nachdruckphase entsprechend Merkmal 1.5 nicht nur die Schmelze aufgrund der Trägheit noch in der Kavität weiterfließt, sondern auch die Vorrichtung beim Umschalten von Einfüll- auf Nachdruckphase einer Trägheit unterworfen ist, zumal auf dieses Problem beim bekannten Stand der Technik im Absatz [0008] des Streitpatents explizit hingewiesen wird.
Demzufolge umfasst das Merkmal 1.3 auch Verfahrenszustände, bei denen trotz einer Bestimmung des Umschaltpunktes gegen Ende des Fließweges nach den Merkmalen 1.4 und 1.5 aufgrund der Trägheit der Vorrichtung die Schmelze erst unter Nachdruck gesetzt wird, wenn die Schmelze das Ende der Kavität erreicht hat bzw. die Kavität 100 % ig gefüllt hat, so dass hier unter „gegen Ende oder am Ende“ zu verstehen ist, dass die Schmelze sowohl unter Nachdruck gesetzt werden kann, bevor sie die Kavität vollständig gefüllt hat als auch erst bei Erreichen dieser vollständigen Füllung. Diese Auslegung des Merkmals 1.3 entspricht auch der Auffassung der Beklagten im vorgelagerten Prüfungsverfahren, wonach „die Einleitung der Nachdruckphase exakt so bestimmt werden kann, dass der Nachdruck in dem Augenblick erfolgt, in dem die Kavität vollständig gefüllt ist.“ (NK5b, Seite 1).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 betrifft allerdings nur ein Verfahren zur Ermittlung eines Umschaltpunktes mittels einer Werkzeugwandtemperaturbestimmung an bestimmten Punkten eines Werkzeuges. Anzahl und Ausgestaltung der Temperatursensoren an jedem Messpunkt lässt der Gegenstand des Anspruchs 1 offen.
Bezüglich der „Bestimmung der Werkzeugwandtemperatur“ nach Merkmal 1.4 sind dem Streitpatent nähere Angaben zu den Thermoelementen sowie dem Messprinzip nicht zu entnehmen. Da bei einer gefüllten Kavität die Grenztemperatur der Schmelze an der Werkzeuginnenwand mit der Temperatur der Werkzeuginnenwand selbst gleichzusetzen ist, fällt unter die Bestimmung der „Werkzeugwandtemperatur“ neben einer indirekten Messung der Temperatur der Schmelze auch, wenn mittels der Sensoren die Grenztemperatur der Schmelze an sich direkt bestimmt wird. Diese Auslegung entspricht auch der Auffassung der Beklagten, nach der die Merkmale (d) bis (f) des in den USA erteilten Patentanspruchs 1 der NK5c (Familienmitglied des Streitpatents) im Wesentlichen den Merkmalen M1.4 und M1.5 entsprechen und das Merkmal (d) in der NK5c eindeutig eine direkte Messung der Temperatur der Schmelze beinhaltet („….(d) determining when the melt contacts the temperature sensor based on a sudden change in temperature resulting from the melt contacting the temperature sensor;….“).
Unter der beanspruchten „Nachdruckphase“ versteht der einschlägige Fachmann, dass die Schmelze nach Beenden des Einfüllvorgangs in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern wie Druck oder Temperatur unter Druck gehalten wird, sodass verfahrensabhängig während der Nachdruckphase auch noch Material in die Kavität nachgefüllt wird, um eine Volumenkontraktion durch Materialabkühlung bzw. Schwindvorgänge auszugleichen. Der breiteren Auslegung der Klägerin,
dass der Begriff „Nachdruckphase“ lediglich eine beliebige vorbestimmte Phase nach Beenden des Einspritzvorganges kennzeichnet, kann hier nicht gefolgt werden.
II. Zum Hauptantrag In der Fassung nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags kann das Streitpatent mangels Patentfähigkeit keinen Bestand haben.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beruht ausgehend von der NK11 (JPH04-082723 A mit englischer Übersetzung, NK11b) und in Zusammenschau mit der NK7 (EP 0 707 936 A2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die allgemeine Beschreibung sowie die Patentansprüche der NK11 betreffen ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Einspritzen von Gummi- oder Harzinjektionsmaterial in eine Kavität eines Formwerkzeugs (vgl. Anspruch 1, S. 3 letzter Absatz – „… rubber or resin injection material…“), während das einzige Ausführungsbeispiel nur die Einspritzung eines Kautschukmaterials betrifft. Während die Klägerin die Meinung vertritt, der Fachmann würde die Figuren und die zugehörige Beschreibung des Ausführungsbeispiels der NK11 gar nicht konsultieren, weil diese nur die Vulkanisation eines Gummiwerkstoffes beträfen, ist die Beklagte der Auffassung, man müsse die allgemeine Beschreibung und das Ausführungsbeispiel separat betrachten.
Beiden Auffassungen vermag der Senat nicht zu folgen. Aufgrund der übergeordneten Aufgabenstellung zur Optimierung eines Spritzgussverfahrens und einer Formvorrichtung zum Einspritzen eines Gummi- oder Harzinjektionsmaterials berücksichtigt der Fachmann die Gesamtoffenbarung der NK11 einschließlich der Offenbarung des Ausführungsbeispiels, auch wenn sich dieses nur mit dem Einspritzen von Kautschuk beschäftigt.
Daher offenbart die NK11 unzweifelhaft ein Verfahren zum Füllen einer Kavität mit den Merkmalen 1.1 und 1.2. Die NK11 offenbart auch den Einsatz von Temperatursensoren in der Kavität des Werkzeuges, mit der die Werkzeugwandtemperatur nach Beginn des Einfüllvorgangs detektiert wird (vgl. z. B. Anspruch 1, vorletztes Merkmal). Die genaue Lage der Temperatursensoren wird in der NK11 nicht explizit thematisiert. Allerdings entnimmt der Fachmann der NK11 unmittelbar und eindeutig den Zweck der Temperaturmessung, nämlich nach Beginn des Einfüllvorgangs bei Erreichen einer vorbestimmten Änderung der Werkzeugwandtemperatur den Einfüllvorgang zu beenden (vgl. Anspruch 1, vorletztes Merkmal). Angesichts der Aufgabenstellung der NK11, ohne den Einsatz eines teuren Drucksensors zu verhindern, dass die Kavität entweder zu wenig oder überfüllt wird (NK11b, S. 3, zweiter Absatz), entnimmt der Fachmann der NK11 auch die Notwendigkeit, für das Erreichen dieser Aufgabenstellung die Temperatursensoren im Sinne des Streitpatents gegen Ende ihres Fließweges zu platzieren, um dort die Werkzeugwandtemperatur zu bestimmen. Damit kann der Fachmann der NK11 ebenfalls das Merkmal 1.4 entnehmen, auch wenn beim konkreten Ausführungsbeispiel entsprechend Figur 4 die Sensoren zwar relativ zur Gesamtausdehnung der sehr kleinen Kavität scheinbar nicht im Endbereich, aber entsprechend S. 8, zweiter Absatz nur 7 mm entfernt von Endbereich angeordnet sind.
Da das einzige Ausführungsbeispiel ein Verfahren zur Vulkanisation eines Gummiwerkstoffes betrifft, wird in der NK11 eine streitpatentgemäße Nachdruckphase entsprechend der Merkmale 1.3 bzw. 1.5 nicht erwähnt. Da es jedoch Zweck der in der NK11 offenbarten Temperaturmessungen ist, den Umschaltpunkt zu detektieren, an dem die Zufuhr der Schmelze unterbrochen wird, ist es dem Fachmann aus seinem Fachwissen, welches unter anderem in der NK7 druckschriftlich belegt ist, bekannt, dass bei einem mit einem Kunstharzinjektionsmaterial gefüllten Spritzgießwerkzeug zum Zeitpunkt, an dem der Einfüllvorgang beendet wird, die eingefüllte Kunstharzschmelze unabhängig von der Art und Weise des Steuerungsverfahrens prinzipiell unter einen Nachdruck gesetzt werden muss.
Somit gelangt der Fachmann ausgehend von NK11 unter Berücksichtigung seines Fachwissens- und Fachkönnens in naheliegender Weise zum Gegenstand der Merkmale 1.3 und 1.5 und somit zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1.
Die Beklagte argumentiert bezüglich der Merkmale 1.3 und 1.4, der NK11 sei nicht allein auf Grund ihrer Aufgabenstellung eine Notwendigkeit zu entnehmen, die Temperatursensoren am Ende des Fließwegs zu positionieren. Vielmehr leite die NK11 den Fachmann detailliert an, wie die Temperatursensoren zu positionieren und auszuwerten seien. Der allgemeinen Beschreibung sowie den Ansprüchen (Seiten 1 bis 7 der NK11b) sei kein einziger Hinweis auf eine Positionierung des Temperatursensors zu entnehmen. Der Fachmann würde daher die Figurenbeschreibung der Figuren 3 und 4 konsultieren. Dieser wären durchgehend zwei Temperatursensoren (59a, 59b) zu entnehmen. Informationen über die Positionierung der Temperatursensoren entnähme der Fachmann ausschließlich der Seite 8 (unten) und der Seite 15 (oben). Nach Ansicht der Beklagten darf der (geringe) Abstand von 7 Millimetern – welcher offensichtlich einer insgesamt sehr kleinen Kavität geschuldet sei – nicht zu der Auffassung führen, dass der Temperatursensor nahe am Endbereich der Kavität angeordnet sei. Vielmehr könne eine solche Aussage nur unter Einbeziehung aller Abmessungen des Werkzeugs getroffen werden. Den zitierten Passagen auf den Seiten 8 und 15 der NK11b sei eindeutig zu entnehmen, dass die Temperatursensoren jeweils mittig zwischen dem zentralen Angusspunkt und den Enden der Kavität anzuordnen seien. Sei der Temperatursensor 8 Millimeter von Einspritzpunkt und 7 Millimeter vom Endbereich der Kavität – und somit mittig in dieser – angeordnet, könne dies nach Auffassung der Beklagten das Merkmal M1.4 nicht nahelegen.
Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Die NK11 lehrt nach dem Erkennen einer Temperaturerhöhung durch die Thermoelemente in der Steuerung über eine Zeitgebereinrichtung den Zeitpunkt für den Stopp der Injektion des Harzmaterials zu bestimmen (vgl. Figur 1; Anspruch 3; S. 7, Absatz 1). Mit dem Zeitfaktor werden Betriebsverzögerungen des hydraulischen Systems einschließlich der Trägheit der eingespritzten Masse sowie Reaktionsverzögerung der Steuerung einschließlich der Thermoelemente berücksichtigt. (S. 13, 2. Absatz – „ The stet time….form the expected time“).
Die NK11 lehrt jedoch weiterhin die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen auf die Zeitgeberschaltung zu verzichten (S. 13, letzte 4 Zeilen):
“In a case where the delay of the control system is in agreement with the time until the rubber fills up after the detection of the temperature reduction, the time delay by the timer circuit 87 may be set at zero or the timer circuit 87 need not be provided.”
und die Injektion ausschließlich aufgrund des Signals der Thermoelemente zu stoppen, wenn die notwendige Menge des Harzes injiziert ist (S. 14, Absatz 1 und 2).
Daraus erhält der Fachmann den Hinweis auf die Möglichkeit, bei Positionierung der Thermoelemente gegen Ende des Fließweges entsprechend der zu erwartenden Trägheit des eingespritzten Materials auf die Zeitgeberschaltung gegebenenfalls verzichten zu können. Dem Fachmann ist dadurch in Kenntnis der NK11 durch sein Fachwissen nahegelegt, die Thermoelemente so gegen Ende der Kavität zu platzieren, dass sowohl die Trägheiten der Vorrichtung als auch die der Schmelze berücksichtigt werden, um sowohl ein Überfüllen als auch ein unvollständiges Füllen der Kavität zu vermeiden.
Die Beklagte argumentiert weiterhin zum Merkmal 1.5, der Fachmann könne der NK11 ab Seite 13, Zeile 1 nur entnehmen, dass am Umschaltpunkt der Zeitge- ber 87 aktiviert wird, wenn eine voreingestellte Temperaturerniedrigung durch beide Sensoren (59a/b) festgestellt wird. Somit wäre der streitpatentgemäße Temperaturanstieg gemäß Merkmal M1.5 eindeutig nicht offenbart oder auch nur nahegelegt.
Dem kann auch nicht gefolgt werden. Wie schon ausgeführt stellt das einzige Ausführungsbeispiel nur einen speziellen Anwendungsfall mit einem eingespritzten Gummimaterial dar, welches in der Form nach dem Einfüllvorgang vulkanisiert wird. Daher liegt in diesem Anwendungsfall bei Beginn des Einfüllvorgangs die Temperatur des Werkzeugs über der des eingefüllten Materials, sodass sich im laufenden Prozess die Werkzeugwandtemperatur verringert. In der grundlegenden Beschreibung der Erfindung auf Seite 6 der NK11b wird jedoch eindeutig zwischen zwei Varianten des beanspruchten Verfahrens unterschieden, nämlich dem entsprechend dem Ausführungsbeispiel, bei dem das Formwerkzeug auf eine höhere Temperatur erhitzt wird als eine Temperatur des Injektionsmaterials und über die Sensoren eine Verringerung der Werkzeugwandtemperatur detektiert wird und einem zweiten Fall, bei dem am Ausgangspunkt die Temperatur des Injektionsmaterial höher als die Temperatur des Formwerkzeugs ist und dort beim Anstieg der Werkzeugwandtemperatur über eine vorbestimmte Temperatur hinaus der Einfüllvorgang gestoppt wird.
Damit legt die NK11 dem Fachmann mit seinem Fachwissen über die Notwendigkeit einer Nachdruckphase auch das Merkmal 1.5 und im Ergebnis dessen den Gegenstand des Anspruchs 1 insgesamt nahe.
III. Zu den Hilfsanträgen 1 und 2 Die Verteidigung der Beklagten mit Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 führt mangels zulässiger Fassung nicht zu einer Bestandsfähigkeit des Streitpatents in diesem Umfang.
- 18 1. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 gliedert sich jeweils wie folgt (Hervorhebungen und Streichungen gegenüber der erteilten Fassung sind eingefügt). Hilfsantrag 1:
Hilfsantrag 2:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 und 2 unterscheidet sich unter anderem vom Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 dadurch, dass in Merkmal 1.5 nur noch die Verwendung eines Temperaturanstiegs zur Bestimmung des Umschaltpunktes zur Nachdruckphase beansprucht wird, während in der erteilten Fassung noch anhand eines Anstieges dieser Temperatur der Umschaltpunkt zur Nachdruckphase bestimmt wurde. Hierdurch wird der Schutzbereich des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 und 2 derart erweitert bzw. geändert, dass die Bestimmung des Umschaltpunktes selbst nun nicht mehr im Umfang des Anspruchs 1 enthalten ist, sondern lediglich die Anweisung einer Verwendung. Dadurch wurde der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 und 2 in einer Weise geändert, dass deren jeweiliger Schutzbereich erweitert ist.
III. Hilfsantrag 3 In der Fassung nach Hilfsantrag 3 hat das Streitpatent Bestand. 1. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 gliedert sich wie folgt (Hervorhebungen und Streichungen gegenüber der erteilten Fassung sind eingefügt):
2. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist zulässig. 2.1. Bezüglich des Merkmals 1.4 führt die Klägerin aus, dass gemäß Seite 3, Zeilen 20 und 21 der ursprünglichen Unterlagen die Bestimmung der Temperatur mittels eines Thermoelementes nur in Verbindung mit der Werkzeuginnenwand offenbart sei, auch wenn vorstehend in den Zeilen 15 bis 18 ausgeführt würde, dass gegen Ende des Fließweges der Schmelze die Werkzeugwandtemperatur bestimmt wird. Dadurch sei Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. In den weiteren ursprünglichen Beschreibungsunterlagen (S. 7, Absatz 2; S. 8, Absatz 1) wird die Temperaturbestimmung mittels Thermoelementen auch in Verbindung mit dem Begriff „Werkzeugwandtemperatur“ genannt, wodurch durch das geltende Merkmal 1.4 nach Hauptantrag die ursprüngliche Offenbarung nicht erweitert wird.
2.2. Nach Auffassung der Klägerin sei das Merkmal 1.5, wonach „eine Temperatur schlagartig ansteigt“ ursprünglich nicht offenbart. Der Begriff „schlagartig“ würde in den ursprünglichen Unterlagen nur einmalig auf Seite 3 in Zeile in Verbindung mit einem Signalanstieg genannt („…Erreicht die Schmelze die Position eines entsprechenden Thermoelementes, erfolgt ein schlagartiger Signalanstieg,…“), weshalb das Merkmal 1.5, wonach „eine Temperatur schlagartig ansteigt“ ursprünglich nicht offenbart sei.
Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Der Fachmann kann dem Gesamtkontext der Offenbarung auf Seite 3 unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass ein „schlagartiger Signalanstieg“ notwendigerweise Folge eines schlagartigen Temperaturanstiegs durch die Schmelze ist, zumal im selben Absatz noch explizit ausgeführt wird, dass das Thermoelement ein analoges Schaltsignal ausgibt, das sich prinzipiell proportional zum detektierten Temperaturverlauf verhält.
Weiterhin sieht die Klägerin den Begriff „schlagartig“ als unklar an. „Schlagartig“ sei eine subjektive und rein zeitbezogene Angabe, welche den Fachmann auf dem betreffenden technischen Gebiet vollkommen im Unklaren darüber ließe, was ein „schlagartiger Temperaturanstieg“ sein soll bzw. wie viel Zeit verstreichen soll, um von einer Schlagartigkeit sprechen zu können.
Dieser Auffassung vermag der Senat auch nicht zu folgen. Beim Begriff „schlagartig“ bzw. dessen Synonymen abrupt, plötzlich oder schnell ist davon auszugehen, dass der Fachmann prinzipiell versteht (vgl. z. B. Fig. 3 der NK4), was unter einem „schlagartigen Anstieg der Temperatur, ausgelöst durch die das Thermoelement erreichende Schmelze,...“ zu verstehen sein soll. Die mögliche Breite dieses Merkmals ohne präzise Zeit- oder Wertangaben bezüglich des Temperaturanstiegs stellt dessen Zulässigkeit jedenfalls nicht in Frage.
2.3. Des Weiteren bemängelt die Klägerin zum Merkmal 1.5, dass der Ausdruck „ohne weitere Intelligenz“ in der Ursprungsoffenbarung lediglich ein einziges Mal, nämlich auf Seite 3 in Zeile 29, erwähnt werde, ohne dort oder an einer anderen Stelle in der Ursprungsoffenbarung zu definieren, was eine „weitere Intelligenz“ sein soll. Es würden auch keine Beispiele, aus denen sich der Fachmann wenigstens einen groben Bedeutungsgehalt herleiten könne, genannt. Daher sei dieses Merkmal nicht klar bzw. nicht ausführbar.
Auch hier vermag der Senat der Ansicht der Klägerin nicht zu folgen. Auf Seite 3 der ursprünglichen Beschreibung ist ausgeführt, dass beim Erreichen der Position eines Thermoelementes durch die Schmelze ein schlagartiger Signalanstieg erfolgt, „der ohne weitere Intelligenz, z. B. als analoges Schaltsignal, verwendet werden kann.“ Daraus entnimmt der Fachmann zweifellos die Information, dass das analoge Ausgangssignal der Thermoelemente ohne weitere Auswertung bzw. Aufbereitung in der Steuerung unmittelbar als Umschaltsignal genutzt wird.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist gegenüber dem im Verfahren genannten Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 beruht ausgehend von der NK11 (JPH04-082723 A mit englischer Übersetzung, NK11b) und in Zusammenschau mit der NK7 (EP 0 707 936 A2) auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 unterschiedet sich vom Anspruch 1 nach Hauptantrag nur in Merkmal 1.5, wonach nun anhand eines schlagartigen Anstieges dieser Temperatur, ausgelöst durch die das Thermoelement (4) erreichende Schmelze, als analoges Schaltsignal ohne weitere Intelligenz der Umschaltpunkt zur Nachdruckphase bestimmt wird.
Wie zum Gegenstand des Hauptantrags schon ausgeführt wurde, erhält der Fachmann aus der NK11 den Hinweis auf die Möglichkeit, bei Positionierung der Thermoelemente gegen Ende des Fließweges entsprechend der zu erwartenden Trägheit des eingespritzten Materials auf die Zeitgeberschaltung gegebenenfalls verzichten zu können. Dem Fachmann ist dadurch in Kenntnis der NK11 durch sein Fachwissen nahegelegt, die Thermoelemente so gegen Ende der Kavität zu platzieren, dass die Trägheiten berücksichtigt werden und sowohl ein Überfüllen als auch ein unvollständiges Füllen der Kavität zu vermeiden. Die Zeitgeberschaltung 87 ist jedoch nur ein Teil der Steuerung der in Figur 1 der NK11 offenbarten Spritzgießvorrichtung.
Auch wenn der Fachmann aus der NK11 den Hinweis darauf erhält, auf die Zeitgegeberschaltung unter den genannten Voraussetzungen verzichten zu können, erhält er aus der NK11 jedenfalls keine Anregung dazu, auch auf die weitere in der Figur 1 gezeigten Steuerungslogik zu verzichten und die Signale 61a,61b der Thermoelemente 59,a,59b als analoge Signale unmittelbar für das Beenden des Einspritzvorgangs bzw. beim Spritzgießen eines Kunstharzmaterials für das Umschalten auf die Nachdruckphase zu verwenden. Somit gelangt der Fachmann ausgehend von NK11 auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens- und Fachkönnens bzw. der NK7 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3.
3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist auch neu gegenüber der NK4 (DE 198 03 352).
NK4 lehrt in Anbetracht der Figur 3 und der zugehörigen Beschreibung definitiv nicht, dass der Umschaltpunkt zur Nachdruckphase anhand eines schlagartigen Anstieges dieser Temperatur, ausgelöst durch die das Thermoelement erreichende Schmelze, bestimmt wird. Entsprechend der Lehre der NK4 wird der streitpatentgemäße schlagartige Anstieg der Temperatur, ausgelöst durch die das Thermoelement erreichende Schmelze, gar nicht ausgewertet, sondern die nachfolgende nochmalige Erwärmung der Schmelze durch den Druckanstieg der sich verdichteten Schmelze nach Erreichen des Endes der Kavität.
Daher zeigt die NK4 nicht das Merkmal 1.5, wodurch der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 gegenüber der NK4 neu ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 beruht ausgehend von der NK4 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die NK4 offenbart ein gänzlich anderes Verfahren zur Bestimmung des Umschaltpunkts zur Nachdruckphase als das Streitpatent, da in der NK4 die vollständige Füllung der Kavität und der daraus resultierende Druckanstieg in der Kavität als Triggerpunkt für das Umschalten auf Nachdruck angesehen wird (Spalte 1, Z. 43 – 50). Die Problematik eines möglichen Überfüllens der Kavität durch nicht berücksichtigte Trägheiten wird in der NK4 überhaupt nicht angesprochen. Selbst wenn der Fachmann, wie von der Klägerin behauptet, die erforderlichen „schnell reagierenden Temperatursensoren“ als nachteilig ansehen sollte, erhielte er aus der Figur 3 der NK4 selbst keinen Hinweis darauf, von dem offenbarten Prinzip abzuweichen und den gezeigten schlagartigen Temperaturanstieg für die Bestimmung des Umschaltpunktes zu verwenden, da nach der Lehre der NK4 Trägheiten nicht berücksichtigt werden und daher zu diesem Zeitpunkt die vollständige Füllung der Kavität entsprechend des in Figur 3 dargestellten Zeitverlaufes gar nicht sichergestellt ist.
Figur 3 der NK4
3.3. Auch die weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen stehen der Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 nicht entgegen. 3.3.1. Der der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht ausgehend von der NK6 (JP S51-056868 A2) und in Zusammenschau mit der NK7 (EP 0 707 936 A2) auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zwar offenbart die NK6 ein Verfahren mit den Merkmale 1.1 und 1.2, bei dem die Temperatur der Schmelze bzw. die Werkzeugwandtemperatur (NK6b, S. 3, letzte Zeile bis S. 4, Z. 1) bestimmt wird. Auch wenn die NK6 zu einer Nachdruckphase nichts offenbart, ist es dem Fachmann bekannt, dass bei einem Spritzgießwerkzeug zu diesem Zeitpunkt die eingefüllte Schmelze unabhängig von der Art und Weise des Steuerungsverfahrens prinzipiell unter einen Nachdruck gesetzt werden muss (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0003] oder NK7, Sp. 1, Z. 7 bis 37). Allerdings offenbart die NK6 im Endbereich 11 nur eine Temperaturmessung, die sich direkt am Ende der Kavität befindet. Daher zeigt die NK6 nicht das Merk- mal 1.4 im Sinne des Streitpatents, das dem Fachmann auch nicht aus der NK7 nahegelegt wird.
3.3.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht ausgehend von der NK8 (US 5 556 582 A) in Zusammenschau mit der NK9 (DE 197 09 609 A1) ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die NK8 offenbart ein Verfahren zum gesteuerten Befüllen der Kavität eines Spritzgießwerkzeuges mit mindestens zwei Anbindungen bzw. Anspritzpunkten. Ziel des gezeigten Verfahrens ist es, durch Beeinflussung des Drucks bzw. der Fließgeschwindigkeit in den verschiedenen Anspritzpunkten den Grenzbereich, an dem sich die Schmelzfronten der durch die beiden Anspritzpunkte eingefüllten Schmelze treffen und eine Grenzfläche bzw. eine „krit line“ bilden, in einen Bereich zu legen, an dem keine hohen Spannungen im fertigen Werkstück auftreten. Dazu werden jeweils in der Nähe der Anspritzpunkte (vgl. Fig. 1, Sp. 6, Z. 61-66) Drucksensoren eingesetzt, die den Druck in der Kavität im Bereich der Anspritzpunkte ermitteln, wobei die Auswertung der Drucksignale in der Steuerung durch verschiedene Programmroutinen detailliert erläutert wird. Nur in Spalte 5, Z. 18 bis 25 wird allgemein erwähnt, dass anstelle der Drucksensoren auch Temperatursensoren eingesetzt werden können und der Prozess auf Basis der Hohlraumtemperaturen gesteuert werden kann. Die NK8 gibt dem Fachmann jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass diese Temperatursensoren am bzw. gegen Ende des Fließweges positioniert werden könnten, um die Füllung der Kavität zu detektierten und einen Umschaltpunkt für die Nachdruckphase zu bestimmen. Die Klägerin verweist hierzu auf Spalte 7, Z. 47 ff. Dort wird aber nur erläutert, wie während der dem Fachmann bekannten und im Verfahrensablauf hier schon gestarteten Nachdruckphase der Nachdruck in Abhängigkeit vom Hohlraumdruck an den Messpunkten der beiden Anspritzpunkte gesteuert werden kann, um zum Beispiel die Werkstückschrumpfung lokal differenziert zu beeinflussen.
Somit offenbart die NK8 nicht die kennzeichnenden Merkmale 1.4 und 1.5 und gibt dem Fachmann auch keine Anregungen bzw. Hinweise auf eine entsprechende Gestaltung des streitpatentgemäßen Verfahrens.
Diese erhält der Fachmann auch nicht aus der NK9 (DE 197 09 609 A1). Entsprechend Absatz [0005] der NK9 ist es deren Aufgabe, eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Messung einer Messgröße bei einem Kunststoff-Spritzgießverfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem die Messung der gewünschten Messgröße optimal durchgeführt werden kann, das an die beengten Raumverhältnisse in Spritzgießwerkzeugen angepasst ist, und das trotzdem hinsichtlich der Kosten in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen bleibt. Gelöst wird dies dadurch, dass mindestens zwei zueinander beabstandet angeordnete Sensoren zur jeweiligen Messung der Messgröße vorgesehen werden, wodurch die Messgröße an mindestens zwei zueinander beabstandet angeordneten Messstellen gemessen wird.
Daher ist es äußerst fraglich, ob der Fachmann zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem auf einfache und kostengünstige Weise und dennoch relativ genau auf die Nachdruckphase umgeschaltet werden kann, die NK9 überhaupt zu Rate gezogen hätte.
Für den Fall, dass der Fachmann die NK9 in Betracht gezogen hätte, würde er dieser nur konkret entnehmen, an jeder Messstelle zwei Sensoren vorzusehen, deren Messdaten in einem komplexen Auswerteprozess verarbeitet werden, wobei die Ermittlung der Messwerte der Sensoren separat und/oder unter Berücksichtigung der Messwerte des jeweils anderen Sensors erfolgt (vgl. Spalte 3, Zeilen 32 ff.). Daher entnimmt der Fachmann der NK9 keinen Hinweis darauf, einen Temperatursensor gegen Ende des Fließweges vorzusehen, dessen Signal in der Steuerung nicht separat ausgewertet wird, sondern direkt als analoges Signal die Umschaltung auf die Nachdruckphase bewirkt.
3.3.3. Der Gegenstand von Anspruch 1 war dem Fachmann auch nicht ausgehend von NK9 in der Zusammenschau mit der NK7 nahegelegt.
Wie vorstehend ausgeführt offenbart die NK9 nur die Möglichkeit, Messwerte speziell gestalteter Temperatursensoren zur Regelung der Prozessparameter des Kunststoff-Spritzgießverfahrens heranzuziehen und weiterhin mittels zweier zueinander beabstandet angeordneter Messstellen zu detektieren, wann der geschmolzene Kunststoff den Bereich des Endes einer Kavität erreicht hat und wann die Kavität vollständig von dem geschmolzenen Kunststoff gefüllt ist. Damit liegt die NK9 weiter ab von Gegenstand des Anspruchs 1 als die NK6.
Grundproblematik der NK9 ist jedoch die gänzlich anders gelagerte Aufgabenstellung, ein Verfahren zur Messung einer Messgröße bei einem KunststoffSpritzgießvorfahren zur Verfügung zu stellen, mit der die Messung der gewünschten Messgröße optimal durchgeführt werden kann und das an die beengten Raumverhältnisse in Spritzgieß-Werkzeugen angepasst ist, sodass fraglich ist, ob die NK9 einen geeigneten Ausgangspunkt für die streitpatentgemäße Aufgabe darstellt, vom dem aus sich der Fachmann überhaupt mit der Frage des Umschaltpunkts für eine Nachdruckphase beschäftigt, da die NK9 auf die Problematik einer Nachdruckphase nicht eingeht.
Daher weist die Lehre der NK9 in eine andere Richtung, da die Thermoelemente stets paarweise verwenden werden und nicht unmittelbar die Ausgabe eines einzelnen Sensors erfasst wird. Die NK9 enthält keine Anregung dazu, warum der Fachmann ausgehend von den paarigen Sensoren der NK9, unabhängig davon, ob diese separat ausgewertet werden, einen einzelnen Sensor zu verwenden und dessen analoges Ausgangssignal direkt für das Umschalten auf die Nachdruckphase zu verwenden. Diese Ausgestaltung wird dem Fachmann auch nicht aus der NK7, die nur die Verwendung von Drucksensoren innerhalb einer Steuerung mittels aufwendiger Logik-Methoden offenbart, nahegelegt.
3.3.4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 war dem Fachmann auch ausgehend von der NK10 (JPS61-255825 A) und in Zusammenschau mit der NK7 (EP 0 707 936 A2) oder der NK9 (DE 197 09 609 A1) nicht nahegelegt.
Die NK10 offenbart unstrittig ein Verfahren mit den Merkmalen 1.1 bis 1.3. Weiterhin zeigt die NK10 einen Temperatursensor 31, der in bzw. in der Nähe der Kavität die Temperatur der Schmelze oder die Werkzeugwandtemperatur detektiert (N10b, S. 4). Die NK10 macht jedoch keine Aussagen zur Positionierung des Sensors 31 innerhalb des Werkzeuges bzw. im Verhältnis zum Fließweg des Harzes. Aus der Figur 1 kann der Fachmann, entgegen der Auffassung der Klägerin, auch nicht zweifelsfrei entnehmen, dass gegen Ende des Fließweges der Schmelze die Werkzeugwandtemperatur bestimmt wird, zumal eine derartige Positionierung für die in der NK10 offenbarten temperaturabhängigen Drucksteuerungen auch keine Rolle spielt. Der Umschaltpunkt zur Nachdruckphase wird auch nicht über den Anstieg der gemessenen Werkzeugwandtemperatur bestimmt, sondern in Abhängigkeit von einem Sensor zur Schraubenpositionserkennung und einem Timer. Daher zeigt die NK10 weder das Merkmal 1.4 noch das Merkmal 1.5.
Im Verfahren nach der NK10 werden die Ergebnisse der Temperaturmessung ausschließlich für eine Drucksteuerung während der Nachdruckphase herangezogen, bei der die Messergebnisse als Ist-Werte mit Soll-Werten verglichen werden, um mögliche Störungen realisieren und durch eine Änderung des Drucks ausgleichen zu können. Aus der Figur 2 ist zwar erkennbar, dass auch schon vor dem Umschaltzeitpunkt die Werkzeugwandtemperatur bestimmt wird. Die NK10 selbst gibt dem Fachmann aber keine Hinweise bzw. keine Anregung, für die Bestimmung des Umschaltpunkts auf die Temperaturmesswerte zurückzugreifen. Einerseits wird die offenbarte Bestimmung des Umschaltpunkts mittels Schraubenpositionserkennung und Timer als unproblematisch bzw. bewährt dargestellt (NK10b, S. 4+5, seitenübergreifender Satz). Anderseits legt der Verlauf der detektierten Temperatur (Fig. 2) dem Fachmann auch nicht nahe, den Umschaltpunkt zur Nachdruckphase mittels des Temperaturverlaufs zu bestimmen. Wie aus Fig. 2 ersichtlich, erreicht die Werkzeugwandtemperatur kurz vor oder am Scheitelpunkt der Temperaturkurve ihren Höhepunkt. Damit ist die Steigung der Kurve bzw. die Temperaturänderung je Zeiteinheit in diesem Bereich am geringsten, was den Fachmann davon abhält, den konkreten Umschaltpunkt in Abhängigkeit dieses Temperaturanstieges der Werkzeugwandtemperatur zu bestimmen.
Damit ist es auch nicht von Bedeutung, ob der Fachmann aus seinem Fachwissen bzw. der NK7 oder der NK9 Kenntnisse über die Bestimmung von Umschaltpunkten der Nachdruckphase (NK7) bzw. temperaturabhängige Druckregelungen in Spritzgießwerkzeugen (NK9) hat, da er aus der NK10 keine Anregung dazu erhält, dass der Temperaturanstieg während der Einspritzphase und vor dem vollständigen Füllen der Kavität der Auslösepunkt für das Umschalten auf die Nachdruckphase sein könnte.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
C.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 110 PatG gegeben.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 110 Abs. 3 PatG).
Die Berufung wird nach § 110 Abs. 2 PatG durch Einreichung der Berufungsschrift beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe eingelegt.
Voit Dr. Huber Martens Rippel Brunn Fi