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V ZR 3/23

BUNDESGERICHTSHOF V ZR 3/23 BESCHLUSS vom 28. September 2023 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2023:280923BVZR3.23.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2023 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterinnen Haberkamp, Laube und Dr. Grau beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 6. Dezember 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 118.094,17 €.

Gründe:

I.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Oktober 2018 verkauften die Beklagten zu 1 und 3 an den Kläger ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zu einem Preis von 661.000 €. In Ziffer VII. Nr. 4 des Vertrages heißt es: „Der Käufer hat den Kaufgegenstand eingehend besichtigt; er kauft ihn in seinem derzeitigen gebrauchten und altersbedingten Zustand. Der Verkäufer hat jedoch vor Besitz- übergabe noch folgende Mängel fachgerecht auf seine Kosten zu beheben: Verkleidung des Oberlichtes, Behebung Wasserschaden Dach (…). Rechte des Käufers wegen Mängeln des Gebäudes sowie von Grund und Boden sind ansonsten (bis auf Fälle des Vorsatzes oder der Arglist) ausgeschlossen.“

Das Gebäude, das 1978 errichtet wurde, und die daran angebaute Garage haben ein Flachdach. Der Kläger hatte das Kaufobjekt vor Vertragsschluss mehrmals besichtigt, wobei Feuchtigkeitsspuren in der Garage und Wasserränder im Bereich der Attika, die das Dach des Wohngebäudes umrandet, sichtbar geworden waren. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Verkäufer vor Übergabe des Kaufobjekts den Wasserschaden an der Attika behoben haben. Eine Sanierung des Dachs des Gebäudes und der Garage haben sie nicht durchgeführt. Nach Regenfällen im Mai/Juni 2019 trat Wasser durch das Garagendach ein und aus der Attika aus. Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte zu 1 ließ der Kläger die gesamte Dachfläche sanieren. Mit der Klage verlangt er von den Beklagten zu 1 und 3 Ersatz der Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 118.094,17 €.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die damit verbundene Nichtzulassung der Revision wenden sich die Beklagten zu 1 und 3 mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Das Berufungsgericht bejaht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 1 und 3 in Höhe von 118.094,17 € gemäß § 437 Nr. 3,

§ 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB. Im Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe ein Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung vorgelegen. Die Parteien hätten eine Beschaffenheit dahingehend vereinbart, dass die Verkäufer unter anderem den Mangel „Wasserschaden Dach“ fachgerecht auf ihre Kosten zu beheben hätten. Die Zusage der Beseitigung des Wasserschadens am Dach umfasse sämtliche Schäden und Schadensursachen am Haupthaus und an der Garage und nicht nur die Feuchtigkeitsspuren im Bereich der Attika. Das ergebe die Auslegung der Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB. Für die Beseitigung der Ursache der Feuchtigkeitsschäden sei nach den Feststellungen des Gutachtens in dem selbständigen Beweisverfahren eine vollständige Sanierung des betroffenen Dachrandbereichs und der Dachflächen notwendig, wofür Kosten in Höhe von insgesamt 118.094,17 € entstünden. Der Kläger habe den Verkäufern erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung im Sinne des § 281 Abs. 1 BGB gesetzt. Der Haftungsausschluss (§ 444 BGB) gelte für die vereinbarte Beschaffenheit nicht. Ein Abzug neu für alt sei nicht vorzunehmen.

III.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten zu 1 und 3 auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

1. a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Vorschrift verlangt auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Dazu gehört der Antrag einer Partei auf mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen, und zwar auch des Sachverständigen aus einem vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren (vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2017 - V ZR 170/16, juris Rn. 5; Beschluss vom 22. Mai 2007 - VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294 Rn. 2). Denn dieses Recht ist den Parteien nicht nur einfach-rechtlich nach §§ 397, 402 ZPO gewährt, sondern Teil ihres Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Juli 2015 - V ZR 214/14, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - IV ZR 47/14, NJW-RR 2015, 510 Rn. 8). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2017 - V ZR 170/16, juris Rn. 5 mwN; BGH, Beschluss vom 20. November 2019 - VII ZR 204/17, NJW 2020, 1141 Rn. 15). So liegt es hier.

b) Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen Dipl.-Ing. K. nicht mündlich angehört, obwohl die Beklagten zu 1 und 3 seine Vernehmung („sachverständiges Zeugnis“) beantragt haben. Mit dem Beweisantritt aus der Klageerwiderung, den die Beklagten zu 1 und 3 in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts wiederholt haben, befasst sich das Berufungsgericht nicht. Es erwähnt ihn nicht und ist ihm nicht nachgegangen. Diese Vorgehensweise findet im Prozessrecht keine Stütze.

aa) Der Beweisantritt der Beklagten zu 1 und 3 ist erheblich. Zwar kann ein Sachverständiger gemäß § 414 ZPO nur zum Beweis vergangener Tatsachen oder Zustände, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, als sachverständiger Zeuge vernommen werden. Wird dagegen - wie hier ein Gutachten im Wege des Sachverständigenbeweises verwertet und soll der Sachverständige sein Gutachten erläutern, richtet sich seine Befragung nach

§ 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Der Antrag der Beklagten zu 1 und 3 auf Vernehmung des Sachverständigen als sachverständiger Zeuge unterliegt aber - wie auch sonstige Prozesshandlungen - der Auslegung, die der Senat selbst vornehmen kann. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht (vgl. Senat, Beschluss vom 22. März 2023 - V ZR 128/22, NJW-RR 2023, 718 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - VIII ZB 64/09, juris Rn. 7; Beschluss vom 24. Februar 2021 - VII ZB 8/21, BauR 2021, 1008 Rn. 11). Daran gemessen ist der Antrag der Beklagten zu 1 und 3 dahingehend auszulegen, dass sie die Anhörung des Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO beantragen, damit dieser die zur Beseitigung des Wasserschadens erforderlichen Maßnahmen und die damit verbundenen Kosten auf ihre Einwendungen hin überprüft und erläutert.

bb) Die Anhörung des Sachverständigen kann insbesondere nicht, wie in dem Zurückweisungsbeschluss ausgeführt, deshalb unterbleiben, weil sich nach dem Verständnis des Berufungsgerichts die Erforderlichkeit der Überarbeitung der gesamten Dachfläche aus dem Gutachten ergibt und das Berufungsgericht dieses Ergebnis angesichts der festgestellten Schädigung von Attika und Dachabdichtung als überzeugend ansieht. Dem steht entgegen, dass eine Partei dem Sachverständigen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen darf. Auch wenn das Gericht selbst das schriftliche Gutachten für überzeugend hält und keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht, dürfen diese Fragen nicht zurückgewiesen werden, da ansonsten eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vorliegt (vgl. etwa BGH, Urteil vom

22. Mai 2007 - VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294 Rn. 2 f.; Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 273/13, r + s 2015, 44 Rn. 6; jeweils mwN). Im Hinblick darauf hätte das Berufungsgericht den Sachverständigen anhören müssen.

cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Gutachten des Sachverständigen, dessen Anhörung die Beklagten zu 1 und 3 beantragt haben, nicht in dem Hauptsacheprozess, sondern in einem selbständigen Beweisverfahren erstattet worden war.

(1) Nach § 493 Abs. 1 ZPO steht in Fällen, in denen sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen beruft, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich, soweit die jeweiligen Verfahrensbeteiligten identisch sind (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2007 - VI ZR 233/06, NJW-RR 2007, 1294 Rn. 2; Beschluss vom 14. November 2017 - VIII ZR 101/17, NJW 2018, 1171 Rn. 13). Die vorgezogene Beweisaufnahme wirkt zwischen den Beteiligten des selbständigen Beweisverfahrens wie eine unmittelbar im Hauptsacheverfahren selbst durchgeführte Beweiserhebung; die Beweiserhebung des selbständigen Beweisverfahrens wird deshalb im Hauptsacheprozess verwertet, als sei sie vor dem Prozessgericht selbst erfolgt.

(2) Sind an dem Hauptsacheprozess weitere Parteien beteiligt - wie hier der Beklagte zu 3 -, so treten die Wirkungen des § 493 ZPO zwar ihnen gegenüber nicht ein. Das Sachverständigengutachten kann aber nach § 411a ZPO verwertet werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2015 - VII ZB 57/12, NZBau 2016, 158 Rn. 22; BecKOK ZPO/Kratz [1.9.2023], § 493 Rn. 1; MüKoZPO/Zimmermann, 6. Aufl., § 411a Rn. 3; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 493 Rn. 8), wie es hier erfolgt ist. Die Verwertung des Gutachtens stellt einen Sachverständigenbeweis dar. Auf das weitere Verfahren sind die Regeln des Sachverständigenbeweises und damit § 411 Abs. 3 ZPO anzuwenden.

2. Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei der Beurteilung der Frage, ob für die Beseitigung des Wasserschadens (Schaden und Schadensursache am Dach des Haupthauses und am Garagendach) eine vollständige Sanierung dieser Bereiche erforderlich und die Beklagten zu 1 und 3 die dafür erforderlichen Kosten zu ersetzen haben (§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB), zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn es den Sachverständigen angehört hätte.

3. Die weiteren mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Brückner Laube Göbel Grau Haberkamp Vorinstanzen:

LG Kiel, Entscheidung vom 05.08.2022 - 3 O 93/21 OLG Schleswig, Entscheidung vom 06.12.2022 - 5 U 198/22 -

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