5 StR 312/23
BUNDESGERICHTSHOF StR 312/23 BESCHLUSS vom 4. November 2025 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:041125B5STR312.23.0 Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Setzt die erweiterte Einziehung eines durch oder für eine andere rechtswidrige Tat erlangten Gegenstands nach § 73a Abs. 1 StGB voraus, dass dieser bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Betroffenen gegenständlich vorhanden war?
Gründe:
I.
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 7.200 Euro und die erweiterte Einziehung sichergestellten Bargelds in Höhe von 11.875 Euro angeordnet.
Auf die vom Angeklagten hiergegen erhobene und auf die Sachrüge gestützte Revision hat der Senat mit Beschluss vom 23. Mai 2024 das Verfahren gemäß § 422 Satz 1 StPO abgetrennt, soweit sich das Rechtsmittel gegen die erweiterte Einziehung von Taterträgen gerichtet hat, und die Revision im Übrigen nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte am 20. Mai 2020 im Auftrag einer dritten Person ein Kilogramm Kokain (Wirkstoffgehalt 60 % KHC) entgegen. Eine Teilmenge von 800 Gramm veräußerte er zur Unterstützung des Betäubungsmittelhandels seines Auftraggebers und auf dessen Geheiß an Abnehmer weiter. Die verbleibenden 200 Gramm verkaufte er auf eigene Rechnung, wodurch er 7.200 Euro erlöste. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 19. Mai 2022 verfügte der Angeklagte über Bargeld in Höhe von 11.875 Euro, welches er aus anderen, nicht aufklärbaren Straftaten erlangt hatte.
Auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht die erweiterte Einziehung des sichergestellten Bargelds gemäß § 73a Abs. 1 StGB angeordnet.
2. Der Senat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten auch in dem noch anhängigen Umfang zu verwerfen. Daran hat er sich durch Rechtsprechung des 2. und 4. Strafsenats gehindert gesehen, nach der die erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB voraussetze, dass die einzuziehenden Vermögenswerte bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Angeklagten gegenständlich vorhanden waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2022 – 4 StR 221/22 Rn. 6; vom 11. Oktober 2023 – 2 StR 3/23 Rn. 12; vom 8. November 2023 – 2 StR 131/23 Rn. 11; vom 27. März 2024 – 2 StR 501/23 Rn. 5; vom 18. Juni 2024 – 4 StR 450/23 Rn. 11; vom 2. Juli 2024 – 2 StR 484/23 Rn. 14).
Auf seine Anfrage gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 und 3 GVG (BGH, Beschluss vom 3. März 2025 – 5 StR 312/23, NStZ 2025, 542; vgl. dazu auch Anmerkungen Zivanic NStZ 2025, 546 und Bittmann NZWiSt 2025, 209) hat der 4. Strafsenat mit näherer Begründung erklärt, dass er an seiner Rechtsprechung festhalte (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25). Der 2. Strafsenat hingegen hat sich der Rechtsauffassung des anfragenden Senats angeschlossen und seine entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben (BGH, Beschluss vom 26. August 2025 – 2 ARs 127/25). Der 3. Strafsenat hat mit näherer Begründung der im Anfragebeschluss vertretenen Rechtsauffassung zugestimmt und erklärt, dass eigene Rechtsprechung nicht entgegenstehe (BGH, Beschluss vom 15. April 2025 – 3 ARs 2/25). Mit dem gleichen Ergebnis haben auch der 6. und der 1. Strafsenat auf die Anfrage geantwortet (BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2025 – 6 ARs 3/25; vom 17. September 2025 – 1 ARs 4/25).
II.
Der Senat hält an seiner im Anfragebeschluss dargelegten Rechtsauffassung fest und nimmt auf die dortige Begründung Bezug. Die vom 4. Strafsenat für seine Rechtsauffassung vorgebrachten Argumente geben ihm keinen Anlass für eine abweichende Bewertung.
1. Der Senat teilt nicht die im Antwortbeschluss des 4. Strafsenats vertretene Auffassung, Einschränkungen der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73a, § 73c StGB müssten notwendig auch für die erweiterte Einziehung nach § 73a StGB gelten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25 Rn. 7 ff.).
a) Entscheidungserheblich in dem der Vorlage zugrunde liegenden Verfahren ist allein die Zulässigkeit der erweiterten Einziehung eines nach Begehung der Anknüpfungstat erlangten Gegenstands. Für deren Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob in solchen Fällen die erweiterte Einziehung von Wertersatz angeordnet werden könnte.
Der erweiterten Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB unterliegen durch eine andere, nicht näher aufklärbare Tat (Erwerbstat) erlangte Gegenstände des Täters oder Teilnehmers einer rechtswidrigen Tat (Anknüpfungstat). Die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen ist nach § 73a, § 73c Satz 1 StGB dann anzuordnen, wenn die Anordnung der erweiterten Einziehung des erlangten Gegenstands nicht möglich ist oder von ihr abgesehen wird. Die beiden Abschöpfungsformen stehen danach in einem Verhältnis der Subsidiarität zueinander. Die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen tritt unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 73c StGB an die Stelle der vorrangigen erweiterten Einziehung des Tatertrages und ersetzt diese. Gegenstände, die der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB nicht unterliegen, können daher kein Bezugspunkt für eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73a, § 73c StGB sein.
Eine solche vom Gesetz vorgesehene Abhängigkeit gibt es in umgekehrter Richtung nicht. Vielmehr kann es zulässig sein, die Frage der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen mit Blick auf die besondere tatsächliche und rechtliche Situation sowie die dem Einziehungsrecht eigene gegenständliche Betrachtungsweise zusätzlichen Einschränkungen zu unterwerfen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2025 – 3 ARs 2/25 Rn. 8 zur Restriktion der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen – jedenfalls insofern, als es vor der Anknüpfungstat erlangte Gegenstände anbelangt).
Selbst wenn man die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen nur bei der Unmöglichkeit der erweiterten Einziehung von Gegenständen zulassen wollte, die schon zum Zeitpunkt der Anknüpfungstat im Tätervermögen vorhanden waren (so BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25 Rn. 6 mit Hinweis auf BGH, Beschlüsse vom 8. März 2022 – 3 StR 238/21 Rn. 14; vom
19. August 2021 – 5 StR 238/21 Rn. 4 [dort indes nicht tragend]; kritisch etwa Zivanic, NStZ 2025, 546 und Bittmann, NZWiSt 2025, 209), folgte daraus nicht, dass nachträglich erlangte Gegenstände, deren erweiterte Einziehung möglich ist, dem Täter belassen werden müssten.
b) Nicht zu überzeugen vermag das Argument des 4. Strafsenats, dass die Restriktion der erweiterten Einziehung von Wertersatz aus dem Wortlaut der beiden Formen der Vermögensabschöpfung zugrunde liegenden Norm des § 73a StGB hergeleitet werde und deshalb für beide Formen gleichermaßen gelten müsse (so BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25 Rn. 9). Denn eine etwaig vorzunehmende Beschränkung der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen für nach der Anknüpfungstat erlangte Gegenstände ergibt sich jedenfalls aus dem Wortlaut des § 73a StGB gerade nicht. Nach Begehung der Anknüpfungstat erlangte Gegenstände sind – sprachlich eindeutig – solche ihres Täters oder Teilnehmers (vgl. dazu bereits BGH, Beschluss vom 3. März 2025 – 5 StR 312/23 Rn. 10, NStZ 2025, 542).
c) Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die „rechtliche Ungleichbehandlung“ von erweiterter Einziehung nach § 73a StGB und erweiterter Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73a, § 73c StGB zu „eher zufälligen“ Ergebnissen führe (so BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25 Rn. 8). Zur Begründung hat der 4. Strafsenat ausgeführt, sichergestelltes Bargeld könne nach der Auffassung des Anfragebeschlusses ohne Weiteres nach § 73a StGB eingezogen werden, bei Einzahlung auf ein Justizkonto komme hingegen mangels Zulässigkeit einer erweiterten Surrogateinziehung nur eine Anordnung nach § 73a, § 73c StGB in Betracht, die dann aber den Nachweis des Vorhandenseins des Bargelds zum Zeitpunkt der Anknüpfungstat erfordere. Dies lässt außer Betracht, dass mit der Einzahlung aufgefundenen Bargelds auf ein Justizkonto der hiermit entstandene öffentlich-rechtliche Auszahlungsanspruch gegen die Staatskasse an die Stelle der körperlichen Zahlungsmittel tritt (vgl. § 111d Abs. 3 Satz 2 StPO) und damit der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB unterliegt, ohne dass eine Surrogateinziehung nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen zulässig sein muss (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2021 – 3 StR 148/21 Rn. 4 f., NStZ 2022, 405 mit zust. Anm. Bittmann). Auf das Vorhandensein des Bargelds zum Zeitpunkt der Anknüpfungstat kommt es daher auch nach Einzahlung auf ein Justizkonto nicht an.
2. Der Senat teilt ferner nicht die Auffassung, eine Beschränkung des § 73a Abs. 1 StGB sei erforderlich, um die mit der erweiterten Einziehung verbundene erleichterte Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen aus rechtsstaatlichen Gründen zu begrenzen. Der Antwortbeschluss des 4. Strafsenats führt dazu aus, der Anknüpfungstat müsse Indizwirkung für die rechtswidrige Herkunft des Vermögensgegenstands zukommen. Anknüpfungs- und Erwerbstat müssten zueinander in einer „gewisse[n] Beziehung“ stehen, wie sie prototypisch etwa zwischen den Einzeltaten einer Tatserie bestehe. Die zeitliche Beschränkung des § 73a StGB diene dazu, eine solche Beziehung sicherzustellen und eine grenzenlose Abschöpfung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25 Rn. 14).
a) Die Grundannahmen, aus denen der 4. Strafsenat das Erfordernis einer Beschränkung in Form einer „gewisse[n] Beziehung“ zwischen Anknüpfungsund Erwerbstat herleitet, treffen nicht zu.
Den Vorschriften der erweiterten Einziehung ist ein solch enges Verständnis nicht zugrunde zu legen (so aber BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25 Rn. 9). Die Gewinnabschöpfung dient dazu, eine durch rechtswidrige Taten herbeigeführte Störung der Vermögensordnung zu beseitigen und so der materiellen Rechtsordnung Geltung zu verschaffen. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung kann Schaden nehmen, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögensvorteile dauerhaft behalten dürfen. Die Regelung der erweiterten Einziehung erfüllt daher die Pflicht des Staates, alles ihm rechtsstaatlich Mögliche zu tun, um die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95, NJW 2004, 2073, 2078; vgl. zu den europarechtlichen Verpflichtungen auch BGH, Beschluss vom 3. März 2025 – 5 StR 312/23 Rn. 46 ff., NStZ 2025, 542, 546). Ein enges Verständnis der Vorschrift würde diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben und dem erklärten Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 18/9525, 65; BGH, Beschluss vom 3. März 2025 – 5 StR 312/23 Rn. 40 ff., NStZ 2025, 542, 545 mwN) widersprechen.
Das Bedürfnis nach einer der gesetzgeberischen Absicht entgegenstehenden Einschränkung kann auch nicht durch den Hinweis auf besonders schützenswürdige Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen hergeleitet werden (so aber BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25 Rn. 14). Die Vermögensabschöpfung ist keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme mit kondiktionsähnlichem Charakter (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 – 2 BvL 8/19 Rn. 106, NJW 2021, 1222, 1223). Der Gesetzgeber kann deshalb weitgehend frei darüber entscheiden, ob und auf welche Weise er rechtswidrig erlangte wirtschaftliche Vorteile entziehen will (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 – 2 BvL 8/19 Rn. 109, NJW 2021, 1222, 1223).
Er hat mit der Regelung des § 73a StGB die Möglichkeit geschaffen, dies anlässlich des wegen der Anknüpfungstat geführten Strafverfahrens zu tun. Der Angeklagte ist insoweit gleichwohl lediglich in seinen wirtschaftlichen Interessen berührt und verteidigt sich nicht gegen einen mit Unwerturteil verbundenen Schuldund Strafausspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2023 – 5 StR 145/23 Rn. 16 ff., NJW 2023, 3304, 3306).
b) Ungeachtet dessen vermag das Erfordernis einer – freilich nicht näher konkretisierten – Beziehung materieller Art zwischen der Anknüpfungs- und der Erwerbstat nicht zu überzeugen.
aa) Weder der Wortlaut des Gesetzes noch dessen Geschichte, Systematik oder Normzweck stützen eine solche Annahme. Die Forderung nach einem derartigen Konnex wurde in dem Gesetzgebungsverfahren zur Vorgängerregelung des erweiterten Verfalls erhoben, vom Gesetzgeber aber gerade nicht aufgegriffen (vgl. dazu schon BGH, Beschluss vom 3. März 2025 – 5 StR 312/23 Rn. 17, NStZ 2025, 542, 543 mwN). Dem Gesetz liegt im Gegenteil die Vorstellung zugrunde, dass allein die Begehung der Anknüpfungstat den staatlichen Zugriff auf das gesamte gegenständlich vorhandene rechtswidrige Vermögen eröffnet (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2025 – 5 StR 312/23 Rn. 12 ff., NStZ 2025, 542).
bb) Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine solche Einschränkung ebenfalls nicht geboten. Zur insoweit identischen Vorgängerregelung in § 73d StGB aF (vgl. zu den Einzelheiten BGH, Beschluss vom 3. März 2025 – 5 StR 312/23 Rn. 12 ff., NStZ 2025, 542) hat das Bundesverfassungsgericht die Auslegung des Bundesgerichtshofs nicht beanstandet, wonach Voraussetzung allein ist, dass das Tatgericht die sichere Überzeugung von der deliktischen Herkunft des Vermögens gewinnt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994
– 4 StR 516/94, BGHSt 40, 371; BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95, NJW 2004, 2073, 2077).
Weitergehende Voraussetzungen hat das Bundesverfassungsgericht nicht aufgestellt. Sie ergeben sich auch nicht aus der im Antwortbeschluss des 4. Strafsenats zitierten (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2025 – 4 ARs 3/25 Rn. 14) Passage der Entscheidung (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95, NJW 2004, 2073, 2077). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser gerade nicht verlangt, dass die Anknüpfungstat indizielle Bedeutung für die bemakelte Herkunft der Abschöpfungsgegenstände haben muss. Es hat lediglich die Begründung des Bundesgerichtshofs wiedergegeben, wonach das Tatgericht die festgestellten Anknüpfungstaten selbst dann in seine Überzeugungsbildung einzubeziehen habe, wenn aus ihnen kein Gewinn erlangt worden sei (Beschluss vom 22. November 1994 – 4 StR 516/94, BGHSt 40, 371, 373), und als von Verfassung wegen nicht zu beanstanden beurteilt (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95, NJW 2004, 2073, 2077). Dass aus der Anknüpfungstat Schlüsse auf die deliktische Herkunft des Abschöpfungsgegenstands gezogen werden können, bedeutet indes nicht, dass eine Abschöpfung ohne das Vorliegen eines solchen Indizcharakters unzulässig wäre.
c) Der vom 4. Strafsenat geforderte zeitliche Konnex zwischen Anknüpfungs- und Erwerbstat würde zu dem Normzweck widersprechenden Ergebnissen führen. So müssten nach dieser Rechtsauffassung selbst einem Serientäter solche Taterträge belassen werden, die er durch weitere nicht näher aufklärbare Taten derselben Tatserie erlangt hat, wenn diese (nicht ausschließbar) erst nach der Anknüpfungstat begangen worden sind. Dass dies zur Erfüllung eines rechtsstaatlichen Gebots erforderlich sein soll, ist nicht einzusehen.
d) Die Beantwortung der Rechtsfrage im Sinne der Auffassung des vorlegenden Senats führt – anders als befürchtet – zu keiner grenzenlosen Abschöpfung. Diese betrifft lediglich die Einziehung von Gegenständen, die in dem durch die Anknüpfungstat und ihre Aburteilung eingegrenzten Zeitraum rechtswidrig erlangt werden. Zudem zieht das Gesetz selbst in § 76b Abs. 1 StGB die maßgebliche Grenze, indem es anordnet, dass die erweiterte Einziehung 30 Jahre nach Beendigung der Erwerbstat verjährt.
Ist im Zeitpunkt der Aburteilung sogar die strafrechtliche Ahndung der Anknüpfungstat noch rechtlich zulässig (vgl. §§ 78 ff. StGB) und tatsächlich möglich, spricht nichts dafür, die Anordnung einer nur vermögensordnenden Maßnahme nach § 73a StGB für erst nach ihr begangene, also weniger lang zurückliegende Erwerbstaten für unzulässig zu halten.
3. Der vom 4. Strafsenat in seinem Antwortbeschluss vertretene Ausschluss der erweiterten Einziehung für nach der Anknüpfungstat rechtswidrig erlangte Gegenstände wäre nach alledem ein Akt richterlicher Rechtsfortbildung, der gegen den Wortlaut des Gesetzes und den erklärten Willen des Gesetzgebers eine Beschränkung implementiert, für die kein rechtsstaatliches Bedürfnis zu erkennen ist. Vielmehr liefe dies dem verfassungsrechtlichen Auftrag des Staates zuwider, die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden.
III.
Der Senat legt die streitige Rechtsfrage wegen Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vor.
Die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich, da das Landgericht nicht festgestellt hat, dass der Angeklagte das am 19. Mai 2022 aufgefundene Bargeld bereits bei Begehung der Anknüpfungstat am 20. Mai 2020 besaß.
Cirener Mosbacher Köhler Resch von Häfen Vorinstanz: Landgericht Berlin, 12.04.2023 - (527 KLs) 279 Js 105/22 (29/22)