7 Ni 69/14 (EP)
BUNDESPATENTGERICHT Ni 69/14 (EP) (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am
8. Oktober 2015 …
In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das europäische Patent 1 643 175 (DE 50 2004 012 179)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt und Dipl.-Ing. Küest, der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 643 175 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des in deutscher Verfahrenssprache mit der Bezeichnung „Pneumatischer Ventilantrieb“ u. a. für den Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 643 175, das durch Teilung aus der (Stamm-) Anmeldung EP 1 505 325 vom 28. Juli 2004 hervorgegangen ist und die Priorität der deutschen Voranmeldung 103 36 065 vom 6. August 2003 in Anspruch nimmt. Im Deutschen Patent- und Markenamt wird das Patent unter dem Aktenzeichen 50 2004 012 179 geführt. Das Streitpatent umfasst fünf Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden. Die Ansprüche 2 bis 5 sind als Unteransprüche auf Anspruch 1 rückbezogen.
Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
1. Pneumatischer Ventilantrieb (10) mit einem Gehäuse, das eine zylindrische Laufbuchse (28) und an jedem axialen Ende der zylindrischen Laufbuchse (28) eine Stirnwand (20, 24) aufweist, einem mit einer axialen Spindel (34) verbundenen Kolben (30), der in der zylindrischen Laufbuchse (28) axial geführt und an seinem Umfang gegen die zylindrische Laufbuchse (28) abgedichtet ist, dadurch gekennzeichnet, dass eine (20) der Stirnwände auf ihrer von der zylindrischen Laufbuchse (28) abgewandten Fläche eine einheitliche Schnittstelle zum optionalen Anschließen unterschiedlicher Ausführungen von Ansteuermodulen (12) aufweist, die pneumatische und/oder elektrische Steuermittel umfassen.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift 1 643 175 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der unzureichenden Offenbarung und der unzulässigen Erweiterung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) bis c) EPÜ) geltend.
Zur Auslegung des Merkmals „einheitliche Schnittstelle“ im kennzeichnenden Teil des Anspruchs vertritt die Klägerin die Auffassung, dieser Begriff bezeichne innerhalb des Streitpatents lediglich die rein mechanische Zusammenfügung der Steuereinheit mit dem Ventilantrieb. Insbesondere die pneumatischen Luftkanäle des Ventilantriebs seien nach Abs. [0006] der Streitpatentschrift sowie entsprechend Patentanspruch 2 nur „vorzugsweise“ und damit nicht zwingend innerhalb des Gehäuses des Ventilantriebs angeordnet.
Zum Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit trägt die Klägerin vor, die Klagepatentschrift enthalte ebenso wie die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen keine Informationen, denen der Fachmann entnehmen könnte, was unter einer einheitlichen Schnittstelle, die zum Anschluss verschiedener Ausführungsformen von Steuermodulen geeignet sein müsse, zu verstehen sei.
Den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung begründet die Klägerin im Hinblick auf Anspruch 1 damit, dass das Streitpatent in Anspruch 1 die einheitliche Schnittstelle ohne eine die Laufbuchse umgebende und zwischen den beiden Stirnwänden axial verspannte zylindrische Hülle beanspruche. In der ursprünglichen (Stamm-) Anmeldung sei demgegenüber die dort in Anspruch 10 erwähnte einheitliche Schnittstelle nur in Kombination mit den Merkmalen der vorhergehenden Ansprüche 7 bis 9, also in Kombination mit jeweils einer zwischen den beiden Stirnwänden eingespannten zylindrischen Hülle offenbart gewesen.
Den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit stützt die Klägerin auf folgende Publikationen:
K1 DE 19 641 073 A1 K2 US 2001 028 049 A1 K4 WO 02/093058 A1 K5 DE 40 14 474 C1 K6 DE 39 23 063 C3 K7 DE 26 10 876 A1 K8 DE 23 03 324 K9 DE 22 52 410 K10 DE 697 15 022 T2 K11 EP 1 233 217 A1 K12 EP 1 146 270 A2 K13 GB 2 194 648 A K14 WO 02/068828 A1 K15 DE 196 42 181 A1 K16 Firmenkatalog „Express 2000/2001“ Bürkert Fluid Control Systems,
Seiten 30 bis 37 K17 Datenblatt „2-Wege-Geradsitz-Stellventil Typ 2712“, 03/2000 K18 Betriebsanleitung „VARIVENT-Doppelventil R“, GEA Tuchenhagen,
2003-01 K19 Operation Instructions „Control Module T.VIS®-AS-Interface”, GEA Tuchenhagen, 2003-01 K20 FR 2 557 252 A1 K23 DE 82 04 795 U1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber K4, K5, K6, K7, K8, K10, K12, K13, K14, K16, K17, K18 und K20. Zudem sei er dem Fachmann, ausgehend von K15, nahe gelegt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 643 175 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Fassung der Patentansprüche gemäß den mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 (Bl. 190 ff. d. A.) eingereichten, in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträgen 1 bis 5 richtet.
Patentanspruch 1 ist in der Fassung der Hilfsanträge dadurch geändert, dass an den Text der erteilten Fassung folgende Passagen angefügt werden:
Hilfsantrag 1 (Anfügung an die erteilte Fassung)
„…., wobei eine mit dem Kolben (30) verbundene Koppelstange (46) vorgesehen ist, die koaxial durch die Stirnwand (20) ragt, die mit der einheitlichen Schnittstelle versehen ist“
Hilfsantrag 2 (Anfügung an die Fassung gem. Hilfsantrag 1)
„,…., wobei der Kolben (30) durch eine Druckfeder (32), die sich an der mit der einheitlichen Schnittstelle versehenen Stirnwand (20) abstützt, zur anderen Stirnwand (24) beaufschlagt wird“
Hilfsantrag 3 (Anfügung an die Fassung gem. Hilfsantrag 2)
„…, wobei die Stirnwand (20), die mit der einheitlichen Schnittstelle versehen ist, mit einer die Stirnwand (20) axial durchquerenden Bohrung (54) für Steuerluft versehen ist“
Hilfsantrag 4 (Anfügung an die Fassung gem. Hilfsantrag 3)
„…., wobei das Gehäuse des Ventilantriebs aus Kunststoff besteht und die Außenwandteile von einer zylindrischen Hülle umgeben sind, die aus einem dünnwandigen rostfreien Stahl besteht“
Hilfsantrag 5 (Anfügung an die Fassung gem. Hilfsantrag 4)
„…., wobei die Hülle im Wesentlichen spaltfrei an den beiden Stirnwänden (20, 24) anschließt“
Die Beklagte erachtet den Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung, zumindest aber in der Fassung eines seiner Hilfsanträge gegenüber sämtlichen Angriffen für bestandsfähig.
Nach ihrer Meinung bedinge eine „einheitliche Schnittstelle“ in der Stirnwand des Ventilantriebs, dass sämtliche Anschlussstellen zum Anschließen von Ansteuermodulen ausschließlich in der Schnittstelle vorhanden sind, wobei je nach dem Typ von Ansteuermodul, das am Ventilantrieb angebracht werden soll, die jeweils benötigten genutzt werden und ggf. die nicht benutzten frei bzw. verschlossen bleiben.
Die Lehre des Streitpatents könne der Fachmann, den die Beklagte als Maschinenbau-Ingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Prozessautomatisierung sowie der Steuer- und Regeltechnik definiert, ohne weiteres nacharbeiten. Für ihn sei erkennbar, was unter einer „einheitlichen Schnittstelle“ zu verstehen sei.
Auch enthalte das Streitpatent keine unzulässigen Erweiterungen. Insoweit sei auf den gesamten Offenbarungsgehalt der Anmeldungsunterlagen abzustellen. Die ursprüngliche Anmeldung enthalte keinen Hinweis darauf, dass lediglich die Kombination aus Ventilantrieb und Ansteuermodul als erfindungswesentlich betrachtet werden könne. Auch die Merkmale der Unteransprüche 3 und 4 seien ursprünglich offenbart.
Nach Meinung der Beklagten ist keiner der beanspruchten Gegenstände - sei es in der erteilten Fassung, sei es in der Fassung der Hilfsanträge - durch die Entgegenhaltungen neuheitsschädlich getroffen oder nahegelegt. Dies gelte insbesondere für das Merkmal der „einheitlichen Schnittstelle“.
Die Klägerin hält Anspruch 1 auch in der Fassung der Hilfsanträge für nicht bestandsfähig.
Hilfsantrag 1 (und damit alle weiteren Hilfsanträge) sei unzulässig, weil eine Koppelstange in der ursprünglichen (Stamm-) Anmeldung (K3) nur in Kombination mit einem Positionssensor offenbart sei. Weitere unzulässige Erweiterungen enthielten der Hilfsantrag 3, weil in K3, Spalte 3, Zeilen 35 bis 38, die axial durchquerende Bohrung nur zusammen mit einem Steuerluftkanal 56 und weiteren Komponenten offenbart sei, und der Hilfsantrag 4, weil die Außenwandteile ursprünglich immer in Zusammenhang mit den Stirnwänden erwähnt seien.
Zur mangelnden Patentfähigkeit der Gegenstände von Anspruch 1 beruft sich die Klägerin bzgl. Hilfsantrag 1 auf K4, dort rage die als Koppelstange aufzufassende Ventilstange 101a koaxial durch die Stirnwand 105, sowie auf K11 und K8.
Hilfsantrag 2 betreffend bezieht sich die Klägerin auf K4, dort auf Figur 1 mit der den Hauptkolben 105a beaufschlagenden Druckfeder, sowie unter Hinweis auf K8 auf fachmännisches Wissen und Können.
Hilfsantrag 3 betreffend verweist sie auf K4, Seite 22, zweiter Absatz. Dort bilde zudem die Ventilstangenbohrung 3a eine die Stirnwand 20 axial durchquerende Bohrung 54 für Steuerluft. Gegenüber der K8, dort Figur 1, Verlängerung des Kanals 26, sei Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 zudem nicht erfinderisch.
Hilfsantrag 4 betreffend moniert die Klägerin eine dort gegenüber einer Kombination von K8 mit K23, Seite 2, zweiter und letzter Absatz, mangelnde erfinderische Tätigkeit.
Gleiches gelte schließlich in Bezug auf Hilfsantrag 5 gegenüber einer Kombination von K8 oder K4 mit K23 (Figur 1).
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 29. Mai 2015 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG übersandt.
Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig und auch erfolgreich. Das Streitpatent hat weder in seiner erteilten Fassung, noch in einer der von der Beklagten hilfsweise beantragten Fassungen Bestand.
Zwar liegen die von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung und der unzureichenden Offenbarung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) und c) EPÜ) nicht vor. Das Streitpatent ist jedoch wegen mangelnder Patentfähigkeit für nichtig zu erklären (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ).
I.
1. Nach der Beschreibung der Streitpatentschrift (Absätze 1 und 2) betrifft das Streitpatent einen pneumatischen Ventilantrieb mit einem Gehäuse, das einen Zylinder aufweist, in dem ein Kolben axial geführt und an seinem Umfang gegen die Innenwand des Zylinders abgedichtet ist.
Als Aufgabe der vorliegenden Erfindung bezeichnet die Streitpatentschrift (Beschreibung Absatz 2) die Verbesserung bekannter Ventilantriebe in mehreren Aspekten, wobei beim vorliegenden Streitpatent im Vordergrund steht, einen Ventilantrieb mit einem Gehäuse zu schaffen, das mit einem Ansteuermodul, das pneumatische und/oder elektrische Steuermittel verschiedenster Art umfassen kann, zu einem einheitlichen Gerät integriert ist (Beschreibung Absatz 7). Ausgehend von diesem Hauptaspekt ermöglichten es bevorzugte Ausführungsformen, die pneumatischen Luftkanäle für Steuerluft im Gehäuse des einheitlichen Geräts zu integrieren, so dass die üblichen Schlauchleitungen für Steuerluft entfielen (Beschreibung Absatz 6). Zudem werde ermöglicht, das Gehäuse des Ventilantriebs im Gegensatz zu herkömmlichen Gehäusen, die aus massivem, rostfreiem Stahl bestünden, aus einem relativ kostengünstigen Kunststoff herzustellen und das Gehäuse mit einer zylindrischen Hülle aus rostfreiem Stahl zu umhüllen. Beides erweise sich insbesondere bei einem Einsatz in der Pharmatechnik, Biotechnik und Lebensmitteltechnik als optisch und hygienisch vorteilhaft (Beschreibung Abs. 5).
2. Zur Lösung der Aufgabe schlägt das Patent in Anspruch 1 ein Erzeugnis mit folgenden Merkmalen vor:
a) Pneumatischer Ventilantrieb (10) mit einem Gehäuse, b) das eine zylindrische Laufbuchse (28) und c) an jedem axialen Ende der zylindrischen Laufbuchse (28) eine Stirnwand (20, 24) aufweist, d) einen mit einer axialen Spindel (34) verbundenen Kolben (30), e) der in der zylindrischen Laufbuchse (28) axial geführt und an seinem Umfang gegen die zylindrische Laufbuchse (28) abgedichtet ist, wobei f) eine (20) der Stirnwände auf ihrer von der zylindrischen Laufbuchse (28) abgewandten Fläche eine einheitliche Schnittstelle zum optionalen Anschließen unterschiedlicher Ausführungen von Ansteuermodulen (12) aufweist, die pneumatische und/oder elektrische Steuermittel umfassen.
Die Kerngedanke des Patents beruht hierbei auf der Ausgestaltung einer Schnittstelle gemäß dem Merkmal f) (Beschreibung Absatz 4).
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Ventilantrieben auf dem Gebiet der Prozessautomatisierung bzw. Automatisationstechnik.
4. Wenn der Fachmann bei der Auslegung des zwischen den Parteien umstrittenen Merkmals f) vom fachüblichen Verständnis des Begriffs „Schnittstelle“ ausgeht, so wird er darunter einen definierten Übergangsbereich verstehen, an dem der pneumatische Ventilantrieb mit einem der in Merkmal f) genannten Ansteuermodule zu einer Einheit verbunden wird, und in dem ein Austausch von pneumatischen und/oder elektrischen Impulsen stattfindet. Für diese Auslegung spricht auch die in dem genannten Merkmal enthaltene Zweckbestimmung („zum optionalen Anschließen unterschiedlicher Ausführungen von Ansteuermodulen .., die pneumatische und/oder elektrische Steuermittel umfassen“).
Hiervon ausgehend liegt es nahe, die Bezeichnung „einheitliche Schnittstelle“ entsprechend der im frühen gerichtlichen Hinweis dargelegten vorläufigen Auffassung so zu verstehen, dass an der Schnittstelle auf Seiten des Ventilantriebs stets sämtliche optional benötigten Anschlussstellen in stets derselben Position angeordnet sind, wobei je nach angeschlossenem Ansteuermodul entsprechend dessen unterschiedlicher Funktion (z. B. rein pneumatisch, rein elektrisch oder Mischformen) die am Ansteuermodul vorhandenen Anschlüsse mit denen der Schnittstelle des Ventilantriebs in Verbindung treten, während gegebenenfalls nicht belegte bzw. nicht benötigte Anschlussstellen frei bzw. verschlossen bleiben.
Diese Auslegung ist jedoch in der Weise klarzustellen, dass das Vorhandensein zusätzlicher Verbindungen neben der „einheitlichen Schnittstelle“ nicht ausge- schlossen ist. Die aus dem Stand der Technik bekannten, außerhalb der Gehäuse von Ventilantrieb und Steuermodul geführten Druckluftleitungen können z. B. dann entfallen, wenn die pneumatischen Luftkanäle für Steuerluft - entsprechend Anspruch 2 des Streitpatents - in dem Gehäuse des Ventilantriebs integriert sind (Streitpatentschrift Abs. [0006]). In der Patentschrift werden aber - mit Ausnahme der vorgenannten bevorzugten Ausgestaltung - keine weiteren Anschlussstellen im Bereich der anspruchsgemäßen Schnittstelle offenbart. Daher gibt die Beschreibung keinen Hinweis in der Richtung, dass sämtliche pneumatische und/oder elektrische Verbindungen in der Schnittstelle angeordnet sein müssen.
Gegen diese auf allgemeine fachmännische Vorstellungen gestützte und zu einer beschränkenden Auslegung führenden Sichtweise spricht jedoch die unvoreingenommene Interpretation der Patentschrift entsprechend der von der Klägerin vertretenen Auffassung. So kann unter dem Begriff „einheitliche Schnittstelle“ i. S. d. Streitpatents auch eine rein mechanische Verbindung des Ansteuermoduls mit dem Ventilantrieb an der in Merkmal f) genannten, von der zylindrischen Laufbuchse abgewandten Fläche der Stirnwand des Ventilantriebs (20) verstanden werden.
Für die von der Klägerin favorisierte Auslegung spricht zunächst, dass gemäß Absatz [0012] der Streitpatentschrift an der gegenüberliegenden Seite des Ventilantriebs eine weitere „einheitliche Schnittstelle“ vorgesehen ist, und zwar zum Anschließen verschiedenster Ausführungen von Ventil-Armaturen. Der Umstand, dass es sich hierbei um einen rein mechanischen Anschluss handelt, legt es nahe, den Begriff der „einheitlichen Schnittstelle“ bei Merkmal f), wo es um den Anschluss von Ansteuermodulen geht, ebenso zu interpretieren.
Dafür spricht des Weiteren, dass gemäß Absatz [0014] der Streitpatentschrift bei Ausführungen, die keinen Steuerkopf benötigen, der Deckel (72) des Steuermoduls unmittelbar an die Stirnwand (20) angesetzt werden kann. Weiter heißt es, dass die Stirnwand auch für diesen Deckel eine passende Schnittstelle bilde. Der Begriff „Schnittstelle“ wird demnach auch an dieser Stelle im Sinne einer rein mechanischen Verbindung gebraucht.
Somit wird durch die Patentschrift eher die breite Auslegung des Anspruchswortlauts gestützt, demnach der Begriff einer „einheitlichen Schnittstelle“ gemäß Merkmal f) auch lediglich mechanische Verbindungen umfasst.
Für das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits kann dahinstehen, ob das Merkmal f) in dem einen oder in dem anderen genannten Sinn auszulegen ist, da das Streitpatent - wie noch zu zeigen sein wird - unabhängig davon für nichtig zu erklären ist.
II.
Der Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung liegt im Hinblick auf die erteilte Fassung des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht vor.
Ausgehend von der Auslegung der „einheitlichen Schnittstelle“ (Merkmal f) i. S. einer rein mechanischen Zusammenfügung der Steuereinheit mit dem Ventilantrieb ist das Streitpatent ohne weiteres ausführbar.
Gleiches gilt unter Zugrundelegung einer Auslegung, bei welcher die „einheitliche“ Schnittstelle über verschiedene Anschlussstellen zum Anschließen von Ansteuermodulen verfügt, wobei je nach dem Typ von Ansteuermodul, das am Ventilantrieb angebracht wird, die jeweils benötigten genutzt werden und ggf. die nicht benutzten frei bzw. verschlossen bleiben. Dabei ist es entsprechend den Ausführungen der Beklagten als dem Fachmann bekannt anzusehen, dass Prozessventile üblicherweise modular aufgebaut sind, wobei unterschiedliche Ausführungen von Ansteuermodulen mit unterschiedlichen Ventilantrieben kombiniert werden können. Die bauliche Ausgestaltung einer „einheitlichen Schnittstelle“ liegt dabei im fachmännischen Ermessen.
III.
Im Hinblick auf die erteilte Fassung von Anspruch 1 des Streitpatents liegt auch der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung nicht vor.
Die Merkmalskombination des erteilten Anspruchs 1 geht für den Fachmann aus dem in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (vgl. Anlage K3) offenbarten Ausführungsbeispiel gemäß den dortigen Figuren 1 bis 5 sowie aus den nebengeordneten ursprünglichen Ansprüchen 10 i. V. m. 7 hervor. Bei der zylindrischen Laufbuchse handelt es sich um eine dem Fachmann bekannte und in den Anmeldungsunterlagen erwähnte Spezifizierung des Zylinders. Der Fachmann erkennt auch, dass die auf Ausgestaltungen eines „einheitlichen Geräts“ gerichteten Merkmale gemäß den ursprünglichen Ansprüchen 8 und 9 für die Anordnung einer einheitlichen Schnittstelle entbehrlich sind. Die Patentinhaberin hatte es in der Hand, bestimmte Merkmale in den Hauptanspruch aufzunehmen, solange der Fachmann die Kombination als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen konnte, was hier der Fall war (vgl. BGH GRUR 2008, 60 – Sammelhefter II m. w. N.).
IV.
In der erteilten Fassung der Streitpatentschrift erweist sich Patentanspruch 1 allerdings als nicht patentfähig.
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht neu gegenüber der Druckschrift K4.
K4 offenbart in Figur 1 einen pneumatischen Ventilantrieb 105, der neben einem mit einer axialen Spindel 101a verbundenen Kolben 105a auch die weiteren Merkmale a) bis e) aufweist, und auf den ein Steuerkopf 1, der z. B. in Figur 5 gegenständlich dargestellt ist, aufgesetzt wird. Zur Realisierung unterschiedlicher Ausstattungsvarianten ist der Steuerkopf 1 modular aufgebaut, wobei je nach Funktionsumfang unterschiedlich viele Pilotventile in dem Steuerkopf angeordnet sein können (siehe Seite 9, Zeilen 18 bis 27). Hierbei ist entgegen der Auffassung der Beklagten unbeachtlich, ob die Bestückung des (in Anspruch 1 nicht beanspruchten) Steuerkopfes bereits beim Hersteller oder unmittelbar vor bzw. sogar erst nach der Montage des Steuerkopfes auf dem Ventilantrieb erfolgt. Im Ergebnis sind jedenfalls an derselben Schnittstelle des Ventilantriebs unterschiedliche Ausführungen des Ansteuermoduls, das eine eigenständige (Funktions-)Einheit darstellt (siehe Figur 5), anschließbar bzw. angeschlossen. Die mechanische Verbindung des Steuerkopfes 1 an der Schnittstelle, d. h. an der oberen Stirnwand des Ventilantriebs 105, erfolgt hierbei über ein Verbindungsmittel 22 (vgl. Figur 5 i. V. m. Figur 1 sowie Beschreibung auf Seite 21, Zeilen 14 bis 16).
Das Merkmal f) ist aber auch dann erfüllt, wenn die Schnittstelle nicht nur im Sinne einer rein mechanischen Schnittstelle aufgefasst wird, sondern diese auch pneumatische und/oder elektrische Anschlüsse bzw. Verbindungsstellen zwischen Ansteuermodul und Ventilantrieb aufweisen soll. In diesem Zusammenhang ist gemäß Figur 3 in der verlängerten Kolbenstange 3 eine Bohrung 3a vorgesehen, über die Steuerluft vom Steuerkopf 1 über die stirnwandseitige Schnittstelle des Ventilantriebs 105 in den unteren Kolbenraum des Ventilantriebs 105 geführt wird (vgl. Figur 3 i. V. m. Figur 1 sowie Beschreibung auf Seite 20, zweiter Absatz). Dieser pneumatische Anschluss kann auch in Verbindung mit verschieden bestückten Steuerköpfen verwendet werden, d. h. es liegt bei dieser Ausgestaltung eine einheitliche Schnittstelle zum Anschließen unterschiedlich ausgestatteter Ansteuermodule gemäß Merkmal f) vor.
2. Auch die Entgegenhaltung K6 ist als neuheitsschädlich zu bewerten.
Der in Figur 4 dargestellte und als Kolben-Zylinder-Aggregat ausgeführte Stellantrieb nach K6 weist die baulichen Merkmale a) bis e) auf; lediglich der Verwendungszweck zur Ventilbetätigung ist nicht ausdrücklich offenbart. Da es sich hierbei jedoch um eine reine Zweckangabe handelt und für den Fachmann offensichtlich erkennbar ist, dass der Stellantrieb nach K6 grundsätzlich auch als Ventilantrieb verwendbar ist, kann der nicht offenbarte Anwendungsfall die Neuheit des Gegenstands nicht begründen.
Des Weiteren sind in K6, Figur 4, auf einer der von der zylindrischen Laufbuchse 2 abgewandten Fläche 46 der Stirnwand 3 neben vier elektrischen Anschlussstellen 35 auch zwei Druckmittelanschlüsse 53, insbesondere für Druckluft, ausgeführt, die mit entsprechenden Anschlusskanälen 52 bzw. Steckkontakten 36 des Anschlussteiles 45 kommunizieren (siehe auch K6, Spalte 7, Zeilen 4 bis 11). Damit stellt die Stirnfläche 46 eine einheitliche Schnittstelle für sämtliche pneumatischen und elektrischen Anschlüsse auch gemäß üblichem, fachmännischem Verständnis dar, was außerdem in Spalte 7, Zeilen 60 bis 66, zum Ausdruck gebracht wird. Da das Ansteuermodul 45 wie bei K4 auf Grund unterschiedlicher Ventilbestückungen unterschiedlich ausgestattet werden kann (siehe Spalte 7, Zeilen 67, bis Spalte 8, Zeile 4), ist diese Schnittstelle auch für die optionale Aufnahme von unterschiedlichen Ausführungen von Ansteuermodulen gemäß Merkmal f) ausgebildet.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist zudem nicht neu gegenüber der Druckschrift K8.
Diese Schrift zeigt in Figur 1 einen pneumatischen Ventilantrieb gemäß Merkmal a), wobei gemäß Seite 5, erster Absatz, eine Kolben-Zylinder-Einheit 11 so ausgebildet ist, dass sie oberhalb eines Strömungsventils montiert werden kann. Der Fachmann entnimmt den vorgenannten Offenbarungsstellen auch die weiteren Merkmale b) bis e), wobei er das Merkmal der Abdichtung des Kolbens gegenüber der zylindrischen Umfangswand funktionsbedingt mitliest. Des Weiteren ist in Figur 1 ein Ansteuermodul 12 gezeigt, das mit seiner Basis 13 an der Stirnwand des Zylinders 11 mittels Schrauben befestigt ist.
Vor dem Hintergrund standardisierter Funktionseinheiten sollen bei K8 unterschiedlich ausgestattete Ansteuermodule, die sich durch die Anzahl der Steuerventile und deren Anordnung unterscheiden, den Ventilantrieb entweder doppelt oder einfach wirkend in jeder Richtung ansteuern können (vgl. Seite 1 und Seite 2, jeweils letzter Absatz, sowie Seite 5, letzter Absatz, i. V. m. Figuren 1 und 2).
Dabei weist die Kolben-Zylinder-Einheit 11 an der stirnseitigen Schnittstelle zum Ansteuermodul 12 einen pneumatischen Anschluss für die Druckluftzuführung vom Kanal 26 in der Basis 13 des Ansteuermoduls 12 zur Kolbeneinheit 11 auf. Je nach Ausführung des Ansteuermoduls 12 kann über diesen Anschluss der Kolben von oben bedrückt oder bei einer Betätigung in der anderen Richtung hierüber entlüftet werden (siehe Seite 5, zweiter Absatz, insbesondere zweiter Satz). Mit diesem pneumatischen Anschluss an der Stirnwand des Laufzylinders 11 ist somit an der Verbindungsstelle zum Ansteuermodul eine einheitliche Schnittstelle vorhanden, an die optional unterschiedliche Ausführungen von Ansteuermodulen 12 angeschlossen werden können. Damit ist auch Merkmal f) in der engeren Auslegung erfüllt.
Dem steht nicht entgegen, dass bei K8 noch zusätzliche, extern angeordnete Steuerluftanschlüsse vorhanden sind, die bei bestimmten Varianten, bei denen die Druckluftzufuhr an der Kolbenunterseite erfolgt, erforderlich sind (siehe Leitung 25, in Figur 1 fälschlicherweise mit 15 bezeichnet). Derartige zusätzliche Ausgestaltungen sind weder durch den Wortlaut des Anspruchs 1 noch durch entsprechende Hinweise in der Beschreibung der Patentschrift ausgeschlossen (s. o. I.4).
4. Die weiteren von der Klägerin als neuheitsschädlich entgegengehaltenen Druckschriften gehen über den vorgenannten Stand der Technik nicht hinaus, so dass sich ein Eingehen hierauf erübrigt.
V.
Patentanspruch 1 hat auch in der Fassung des Hilfsantrags 1 keinen Bestand.
1. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung führen die in Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 aufgenommenen Merkmale allerdings zu keiner unzulässigen Erweiterung.
Dies gilt zum einen im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs „Koppelstange“ an Stelle von „Koppelspange“ (Streitpatentschrift Spalte 3, Zeile 27). Bei der fachlich unüblichen Bezeichnung „Koppelspange“ handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit; gemeint ist - wie auch aus Figur 1 zu ersehen ist nichts anderes als die bereits in der ursprünglichen Anmeldung (vgl. K3, Spalte 3, Zeile 23) so bezeichnete „Koppelstange“, weshalb sich die Anspruchsformulierung des Hilfsantrags 1 insoweit der Sache nach nicht vom erteilten Patent unterscheidet.
Zum anderen ist es auch nicht unzulässig, dass in der Anspruchsfassung des Hilfsantrags 1 die Koppelstange nicht in Kombination mit einem Positionssensor beansprucht wird. Zwar hat die Koppelstange gemäß der ursprünglichen Anmeldung die Aufgabe, eine Koppelung des Kolbens mit dem Positionssensor 44 bzw. dessen Positionsgeber herzustellen (vgl. K3, Abs. [0008], i. V. m. Figur 1). Da aber nunmehr weder das Ansteuermodul 12 noch der darin befindliche Positionssensor beansprucht werden und der Fachmann die Koppelstange 46 sowohl den Anmeldungsunterlagen als auch der Streitpatentschrift eindeutig als zum Ventilantrieb gehöriges und auch notwendiges Führungsteil entnehmen kann, bestehen keine Bedenken gegen die isolierte Übernahme dieses Merkmals. Dies gilt umso mehr, als in Figur 5 die Koppelstange auch ohne Positionsgeber für den Positionssensor als Bestandteil des Ventilantriebs offenbart ist.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird jedoch durch die Entgegenhaltungen K4 und K8 neuheitsschädlich vorweggenommen.
a) K4 zeigt in Figur 1 eine über die Stirnwand des Ventilantriebs 105 hinaus verlängerte Ventilstange 3, die der Positionsermittlung des Kolbens 105 dient. Hierzu trägt die am Kolben 105 befestigte Ventilstange 3 an ihrem Ende einen Magnet 4 als Positionsgeber, der mit der Sensoreinheit 5.1a zusammenwirkt. Damit kann die Ventilstange 3 ebenfalls als Koppelstange im streitpatentgemäßen Sinn angesehen werden.
b) K8 weist gemäß Figur 1 zwei Positionsschalter 17 auf, die über Nocken 19, die auf einer „Nockenstange“ sitzen, betätigt werden. Diese als Positionsgeber dienende „Nockenstange“ wird gemäß Seite 2, erster Absatz, zweite Hälfte, „durch eine Verlängerung21 der Kolbenstange der Einheit 11 getragen“. In Figur 1 ist hierbei zu beachten, dass sich das Bezugszeichen 21 auf die obere Stellung des rechteckigen, mit Punkt-Strichlinie gezeichneten Endes der Verlängerung der Kolbenstange und nicht auf die hieran befestigte Nockenstange für die Nocken 19 bezieht. Diese „Verlängerung 21“ der Kolbenstange ist selbstverständlich mit dem Kolben verbunden, ragt, - wie der Figur 1 unmittelbar entnehmbar ist -, koaxial durch die Stirnwand der Kolben-Zylinder-Einheit 11 und dient, wie die patentgemäße Koppelstange, zur Verbindung bzw. Koppelung des Kolbens mit dem Positionsgeber zur Positionsermittlung. Damit nimmt K8 die letzte Merkmalsgruppe des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 sowohl baulich als auch funktionell vorweg.
VI.
Ebenso beinhaltet die mit Hilfsantrag 2 verteidigte Fassung des Patentanspruchs 1 keinen patentfähigen Gegenstand.
1. Die Druckschrift K4 zeigt bereits in Figur 1 eine Anordnung, bei der der Kolben durch eine Druckfeder, die sich an der mit der einheitlichen Schnittstelle versehenen Stirnwand abstützt, zur anderen Stirnwand hin beaufschlagt wird. Damit wird das neu in den Hilfsantrag 2 aufgenommene Merkmal durch die K4 vollständig vorweggenommen.
2. Aber auch ausgehend von K8 kann diese Ausgestaltung zumindest keine erfinderische Tätigkeit begründen. Die Anordnung der bei einfach wirkenden Ventilantrieben bekanntermaßen erforderlichen Druckfeder ergibt sich auf Grund der funktionellen Vorgabe, in welcher Stellung der Kolben im drucklosen Zustand durch die Druckfeder vorgespannt sein soll. In dieser Hinsicht werden in K8 neben der „doppelt wirkenden“ Betätigung auch die beiden Ausführungsvarianten genannt, bei denen die Kolben-Zylinder-Einheit „einfach wirkend“ sowie „in jeder Richtung“ arbeiten soll (siehe Seite 1, zweiter Absatz, erster Satz). In der auf Seite 5, zweiter Absatz, erste Zeile, beschriebenen und in Figur 1 gezeigten Variante erfolgt die Druckmittelzufuhr über die Leitung 25 (bzw. 15) in den Raum unterhalb des Kolbens. Hieraus folgt für den Fachmann funktionsbedingt die Anordnung der Druckfeder auf der gegenüberliegenden Seite, d. h. zwischen Kolben und oberer Stirnwand, an der sich auch die einheitliche Schnittstelle befindet.
Damit ergibt sich die Anordnung der Druckfeder gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 für den Fachmann bei K8 auf Grund fachmännischer Überlegungen, soweit er diese Merkmale nicht bereits auf Grund der in dieser Schrift offenbarten Wirkungsweise implizit mitliest.
VII.
Patentanspruch 1 hat auch in der Fassung des Hilfsantrags 3 keinen Bestand.
1. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist nicht unzulässig erweitert. Der Fachmann entnimmt sowohl der Figur 1 als auch dem zugehörigen Beschreibungsabsatz [0009] der Anmeldungsunterlagen (vgl. K3) eine axial die Stirnwand durchquerende Bohrung (54) für Steuerluft. Hierbei kommt es dem Fachmann im vorliegenden Kontext allein auf die Positionierung der Bohrung in der als Schnittstelle fungierenden Stirnwand an, nicht aber auf die dem Steuerluftkanal vor- oder nachgeschalteten Elemente bzw. Ausführungsdetails.
2. Das neu in den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 aufgenommene Merkmal, wonach die Stirnwand mit einer die Stirnwand axial durchquerenden Bohrung für Steuerluft versehen ist, ist der Schrift K4 nicht zu entnehmen. Diese weist zwar in der Stirnwand des Ventilantriebs 105 eine axiale Bohrung für die Ventilstange 3 auf, jedoch keine Bohrung in der Stirnwand, die unmittelbar für die Steuerluft vorgesehen ist. Eine derartige separate Bohrung in der als Schnittstelle ausgebildeten Stirnwand ist bei K4 auch nicht nahegelegt, da die Zuführung der Steuerluft bereits im Steuerkopf 1 auf eine Luftführung innerhalb der Ventilstange 3 ausgerichtet ist, siehe auch Figur 3.
3. Das Merkmal einer axial die Stirnwand durchquerenden Bohrung kann jedoch der Druckschrift K8 unmittelbar entnommen werden. Dort zeigt die Figur 1 in Verlängerung des Kanalabschnitts 26, der in der Basis 13 des Steuerkopfs 12 angeordnet ist, eine derartige Bohrung in der Stirnwand des Ventilantriebs bzw. der Kolben-Zylinder-Einheit 11. Damit wird das neu in den Hilfsantrag 3 aufgenommene Merkmal durch die K8 neuheitsschädlich vorweggenommen.
VIII.
Patentanspruch 1 erweist sich auch in der Fassung des Hilfsantrags 4 als nicht patentfähig.
1. Diese Anspruchsfassung ist zwar nicht unzulässig. In der ursprünglichen Anmeldung (vgl. K3, Spalte 1, Zeilen 35 ff.) sind die für den Fachmann wesentlichen Aspekte der beanspruchten Ausführungsform ursprünglich offenbart. Danach kann das Gehäuse des Ventilantriebs aus einem relativ kostengünstigen Kunststoff hergestellt werden, obwohl die gesamte Mantelfläche des Ventilantriebs mit optischen und hygienischen Eigenschaften ausgestattet ist, die hohen Ansprüchen genügen. Letzteres bezieht sich darauf, dass gemäß K3, Spalte 1, Zeilen 23 bis 25, die Außenwandteile von einer zylindrischen Hülle aus einem dünnwandigen rostfreien Stahl umgeben sind, womit die Mantelfläche gemeint ist. Damit sind die neu hinzugekommenen Merkmale ursprünglich offenbart.
2. Die neuen Merkmale sind dem Fachmann aber, ausgehend von dem Gegenstand der Entgegenhaltung K8 in Verbindung mit K23, nahegelegt.
Der Figur 1 von K8 ist - insbesondere auf Grund der aufgebrochenen Darstellung zu entnehmen, dass das Gehäuse der Kolben-Zylinder-Einheit bzw. des Ventilantriebs mehrteilig aufgebaut ist und aus Stahl besteht. Da der Fachmann immer bestrebt ist, kostengünstige Lösungen und insbesondere auch Herstellungsverfahren zu finden, bei denen es möglichst zu keiner Beeinträchtigung der Brauchbarkeit kommen soll, wird er im Rahmen seiner Tätigkeit nach diesbezüglichen alternativen Ausgestaltungen Ausschau halten. In diesem Zusammenhang bietet sich ihm mit der auf dem einschlägigen Gebiet angesiedelten Entgegenhaltung K23, welche die Ausgestaltung eines Arbeitszylinders für pneumatische Druckmedien betrifft, eine passende Lösung an. K23 lehrt, den Arbeitszylinder bzw. das Gehäuse wegen der geringen Herstellkosten aus Kunststoff herzustellen, was auch beim Streitpatent im Vordergrund steht (vgl. Spalte 1, Zeilen 43 bis 45, der Streitpatentschrift). Hierbei werden die nachteiligen Gebrauchseigenschaften von Kunststoffgehäusen, konkret die geringere Festigkeit und Stabilität, durch eine metallische Umhüllung kompensiert (siehe auch K23, Figuren 1 und 2, sowie Beschreibungstext auf Seite 2, vorletzter und letzter Absatz).
Damit ist dem Fachmann die beanspruchte bauliche Ausgestaltung nahegelegt, wobei die Verwendung eines geeigneten Stahlbleches im seinem Ermessen liegt bzw. von den äußeren Rahmenbedingungen abhängt. Müssen Bauteile in der geplanten Einsatzumgebung leicht zu reinigen sein und in Bezug auf Korrosionsbeständigkeit und Hygiene erhöhten Anforderungen genügen, so stellt die Verwendung von Edelstahl bzw. nichtrostendem Stahl eine übliche fachmännische Maßnahme dar, die keine erfinderische Tätigkeit begründen kann (vgl. BGH GRUR 2010, 814 - Fugenglätter, v. a. Rn. 24 - 26). Der Einwand der Beklagten, dass in K23 aus Kostengründen billiges Stahlblech vorgeschlagen wird (Seite 6, letzter Teilsatz), steht dem nicht entgegen, da der Fachmann trotz des Strebens nach günstigen Lösungen selbstverständlich immer eine Lösung wählen wird, die den gestellten Anforderungen gerecht wird.
IX.
Patentanspruch 1 hat schließlich auch in der Fassung des Hilfsantrags 5 keinen Bestand.
Die Ausgestaltung, wonach die Hülle im Wesentlichen spaltfrei an den beiden Stirnwänden anschließt, stellt bereits im Hinblick auf hygienische Anforderungen eine selbstverständliche und daher naheliegende Maßnahme dar. Dieses Merkmal ergibt sich aber auch direkt aus der Schrift K23, weil dort die axiale Länge des äußeren Zylinderelements 8 im Wesentlichen dem Abstand der beiden endseitig angeordneten Zylinderstirnwände 2, 3 entspricht (vgl. Figur 1 i. V. m. Beschreibung Seite 5, Zeilen 17 bis 21, sowie Anspruch 6). Damit gelangt der Fachmann ausgehend vom Ventilantrieb nach K8 in Kombination mit K23 in naheliegender Weise auch zum Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 5.
X.
Somit erweist sich Patentanspruch 1 weder in der geltenden Fassung gemäß der Streitpatentschrift noch in einer der mit den Hilfsanträgen vorgelegten Fassungen als bestandsfähig, weshalb der Klage in Bezug auf diesen Anspruch stattzugeben war.
Eine Abweisung der Klage im Umfang der erteilten Patentansprüche 2 bis 5 bzw. im Umfang einzelner dieser Ansprüche hat die Beklagte nicht beantragt; eine Prüfung der Gegenstände dieser Ansprüche auf ihre Patentfähigkeit ist daher nicht veranlasst. Entsprechendes gilt für die in den Hilfsanträgen enthaltenen Unteransprüche, nachdem das Streitpatent von der Beklagten hilfsweise nur in Gestalt geschlossener Anspruchssätze verteidigt worden ist.
XI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
XII.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch Hildebrandt Küest Dr. Schnurr Richter Pr