7 Ni 14/15
BUNDESPATENTGERICHT Ni 14/15 (Aktenzeichen)
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IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In der Patentnichtigkeitssache BPatG 253 08.05 betreffend das deutsche Patent 10 2006 012 424 hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts in seiner Sitzung vom 1. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, des Richters Dipl.-Ing. Hildebrandt, der Richterin Dr. Schnurr, des Richters Dipl.-Ing. Dr. Großmann und des Richters Dipl.-Ing. Univ. Richter für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 10 2006 012 424 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Ansprüche folgende Fassung erhalten:
1. Spanneinrichtung (1) an einem Ständer (2) zum Aufspannen eines stabförmigen Teiles (3), insbesondere eines Christbaumes, mit mindestens einem auf Zug belastbaren flexiblen Kraftübertragungselement (4), das endseitig auf einem verdrehbaren Spannkörper (5) zum Spannen von Halteelementen, welche um horizontale Schwenkachsen schwenkbar sind, aufwickelbar ist, wobei die dadurch bedingte Verkürzung des Kraftübertragungselementes (4) ein Festspannen des stabförmigen Teiles (3) in dem Ständer (2) bewirkt, und mit einem Rastgesperre (6), das ein selbsttätiges Zurückdrehen des Spannkörpers (5) beim Spannen des flexiblen Kraftübertragungselementes (4) in einer ersten Stellung, der Raststellung, verhindert und den Spannkörper (5) in einer zweiten Stellung, der Freigabestellung, zurückdrehen lässt, dadurch gekennzeichnet, dass zur Betätigung des verdrehbaren Spannkörpers (5) ein Treibrad (7) vorgesehen ist, dessen Durchmesser ein Vielfaches des Durchmessers des verdrehbaren Spannkörpers (5) beträgt, und das Treibrad (7) der Spanneinrichtung so in einem Gehäuse angeordnet ist, dass es mit seinem Außenumfang über dessen Gehäuseoberseite hinausragt, aus der Gehäuseoberseite in einem Quadranten von vorzugsweise 45° bis 60° herausragt und in diesem Bereich für eine Fußbetätigung frei zugänglich ist.
2. Spanneinrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) mit dem verdrehbaren Spannkörper (5) eine gemeinsame Achse (18) hat und mit ihm drehfest verbunden ist.
3. Spanneinrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) an dem verdrehbaren Spannkörper (5) angeformt ist.
4. Spanneinrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) an dem Treibrad (7) angreift.
5. Spanneinrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) im Bereich des Außenumfangs (8) des Treibrades (7) angreift.
6. Spanneinrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) im Bereich seines Außenumfangs (8) gleithemmend ausgebildet ist.
7. Spanneinrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) im Bereich seines Außenumfangs (8) gezahnt ist.
8. Spanneinrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) im Bereich seines Außenumfangs (8) nach Art eines Hemmrades eine Zahnung mit Sperrflanken (9) und mit Gleitflanken (10) aufweist.
9. Spanneinrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) am Treibrad (7) mittels Reibschlusses angreift.
10. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 7 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) als Sperrklinke (11) ausgebildet ist, die in der Raststellung an mindestens einer der Sperrflanken (9) angreift.
11. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) in Richtung auf den Außenumfang des Treibrades federnd vorgespannt ist.
12. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) als in Richtung auf den Außenumfang des Treibrades vorgespannte federnde Sperrklinke (11) ausgebildet ist.
13. Spanneinrichtung nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Sperrklinke (11) zu ihrer Überführung in die Freigabestellung ein Bedienungselement (19) angeformt ist.
14. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) gegen versehentliche Freigabe gesichert ist.
15. Spanneinrichtung nach einem der Ansprüche 13 oder 14, dadurch gekennzeichnet, dass das Bedienungselement (19) zur Sicherung gegen versehentliche Freigabe des Rastgesperres (6) von diesem lösbar ausgebildet ist.
16. Ständer (2) zum Aufspannen eines stabförmigen Teiles (3), insbesondere eines Christbaumes, mit einem Fußteil (12), mit einem an dem Fußteil befindlichen Aufnahmebereich (13) für das Befestigungsende des stabförmigen Teils (13), mit mehreren um eine Symmetrieachse (17) angeordneten Halteelementen (14), die jeweils zwischen einer Offenstellung und einer Haltestellung in einer Ebene schwenkbar sind, wobei sich die Ebenen annähernd in der Symmetrieachse schneiden, und mit mindestens einem auf Zug belastbaren flexiblen Kraftübertragungselement (4), das durch Führungsöffnungen (15) in den Halteelementen (14) oberhalb von deren Schwenkachsen (16) hindurchgeführt ist, wobei durch Spannen des flexiblen Kraftübertragungselements (4) mittels einer Spanneinrichtung (1) die Halteelemente (14) einwärts im Sinne eines Anlegens und Haltens an das stabförmige Teil (3) verschwenkt werden, aufweisend eine Spanneinrichtung (1) mit mindestens einem auf Zug belastbaren flexiblen Kraftübertragungselement (4), das endseitig auf einem verdrehbaren Spannkörper (5) aufwickelbar ist, wobei die dadurch bedingte Verkürzung des Kraftübertragungselementes (4) ein Festspannen des stabförmigen Teiles (3) in dem Ständer (2) bewirkt, und mit einem Rastgesperre (6), das ein selbsttätiges Zurückdrehen des Spannkörpers (5) beim Spannen des flexiblen Kraftübertragungselementes (4) in einer ersten Stellung, der Raststellung, verhindert und den Spannkörper (5) in einer zweiten Stellung, der Freigabestellung, zurückdrehen lässt, dadurch gekennzeichnet, dass zur Betätigung des verdrehbaren Spannkörpers (5) ein Treibrad (7) vorgesehen ist, dessen Durchmesser ein Vielfaches des Durchmessers des verdrehbaren Spannkörpers (5) beträgt, und das Treibrad (7) der Spanneinrichtung so in einem Gehäuse angeordnet ist, dass es mit seinem Außenumfang über dessen Gehäuseoberseite hinausragt, aus der Gehäuseoberseite in einem Quadranten von vorzugsweise 45° bis 60° herausragt und in diesem Bereich für eine Fußbetätigung frei zugänglich ist.
17. Ständer (2) nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) mit dem verdrehbaren Spannkörper (5) eine gemeinsame Achse (18) hat und mit ihm drehfest verbunden ist.
18. Ständer (2) nach Anspruch 16 oder 17, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) an dem verdrehbaren Spannkörper (5) angeformt ist.
19. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 18, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) an dem Treibrad (7) angreift.
20. Ständer (2) nach Anspruch 19, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) im Bereich des Außenumfangs (8) des Treibrades (7) angreift.
21. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 20, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) im Bereich seines Außenumfangs (8) gleithemmend ausgebildet ist.
22. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 21, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) im Bereich seines Außenumfangs (8) gezahnt ist.
23. Ständer (2) nach Anspruch 22, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) im Bereich seines Außenumfangs (8) nach Art eines Hemmrades eine Zahnung mit Sperrflanken (9) und mit Gleitflanken (10) aufweist.
24. Ständer (2) nach Anspruch 21, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) am Treibrad (7) mittels Reibschlusses angreift.
25. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 22 bis 23, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) als Sperrklinke (11) ausgebildet ist, die in der Raststellung an mindestens einer der Sperrflanken (9) angreift.
26. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 20 bis 25, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) in Richtung auf den Außenumfang des Treibrades (7) federnd vorgespannt ist.
27. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 20 bis 26, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) als in Richtung auf den Außenumfang des Treibrades (7) vorgespannte federnde Sperrklinke (11) ausgebildet ist.
28. Ständer (2) nach Anspruch 27, dadurch gekennzeichnet, dass der Sperrklinke (11) zu ihrer Überführung in die Freigabestellung ein Bedienungselement (19) angeformt ist.
29. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 27, dadurch gekennzeichnet, dass das Rastgesperre (6) gegen versehentliche Freigabe gesichert ist.
30. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 28 oder 29, dadurch gekennzeichnet, dass das Bedienungselement (19) zur Sicherung gegen versehentliche Freigabe des Rastgesperres (6) von diesem lösbar ausgebildet ist.
31. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 21, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) in einem Gehäuse angeordnet ist und mit seinem Außenumfang über dessen Gehäuseoberseite hinausragt.
32. Ständer (2) nach Anspruch 31, dadurch gekennzeichnet, dass das Treibrad (7) aus der Gehäuseoberseite in einem Quadranten von 45° bis 60° herausragt und dort frei zugänglich ist.
33. Ständer (2) nach einem der Ansprüche 16 bis 32, dadurch gekennzeichnet, dass die Spanneinrichtung (1) mit tangential in Bezug auf die Symmetrieachse (17) verlaufender Drehachse (18) des Spannkörpers (5) eingebaut ist.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 10 2006 012 424, das auf eine Anmeldung vom 17. März 2006 zurückgeht und mit „Spanneinrichtung an einem Ständer zum Aufspannen eines stabförmigen Teiles, insbesondere eines Christbaumes, und Ständer mit Spanneinrichtung“, bezeichnet ist. Das Patent umfasst in seiner erteilten Fassung 21 Ansprüche, wobei Anspruch 1 mit darauf rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 19 eine Spanneinrichtung und Anspruch 20 mit Unteranspruch 21 einen Ständer unter Schutz stellen.
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 20 haben in ihrer erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
1. Spanneinrichtung (1) an einem Ständer (2) zum Aufspannen eines stabförmigen Teiles (3), insbesondere eines Christbaumes, mit mindestens einem auf Zug belastbaren flexiblen Kraftübertragungselement (4), das endseitig auf einem verdrehbaren Spannkörper (5) aufwickelbar ist, wobei die dadurch bedingte Verkürzung des Kraftübertragungselementes (4) ein Festspannen des stabförmigen Teiles (3) in dem Ständer (2) bewirkt, und mit einem Rastgesperre (6), das ein selbsttätiges Zurückdrehen des Spannkörpers (5) beim Spannen des flexiblen Kraftübertragungselementes (4) in einer ersten Stellung, der Rast- stellung, verhindert und den Spannkörper (5) in einer zweiten Stellung, der Freigabestellung, zurückdrehen lässt, dadurch gekennzeichnet, dass zur Betätigung des verdrehbaren Spannkörpers (5) ein Treibrad (7) vorgesehen ist, dessen Durchmesser ein Vielfaches des Durchmessers des verdrehbaren Spannkörpers (5) beträgt.
20. Ständer (2) zum Aufspannen eines stabförmigen Teiles (3), insbesondere eines Christbaumes, mit einem Fußteil (12), mit einem an dem Fußteil befindlichen Aufnahmebereich (13) für das Befestigungsende des stabförmigen Teils (13), mit mehreren um eine Symmetrieachse (17) angeordneten Halteelementen (14), die jeweils zwischen einer Offenstellung und einer Haltestellung in einer Ebene schwenkbar sind, wobei sich die Ebenen annähernd in der Symmetrieachse schneiden, und mit mindestens einem auf Zug belastbaren flexiblen Kraftübertragungselement (4), das durch Führungsöffnungen (15) in den Halteelementen (14) oberhalb von deren Schwenkachsen (16) hindurchgeführt ist, wobei durch Spannen des flexiblen Kraftübertragungselements (4) mittels einer Spanneinrichtung (1) die Halteelemente (14) einwärts im Sinne eines Anlegens und Haltens an das stabförmige Teil (3) verschwenkt werden, gekennzeichnet durch eine Spanneinrichtung gemäß den Ansprüchen 1 bis 19.
Wegen des Wortlauts der erteilten Unteransprüche 2 bis 19 und 21 wird auf die Streitpatentschrift DE 10 2006 012 424 B4 Bezug genommen.
Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und der mangelnden Ausführbarkeit geltend (§ 22 Abs. 1 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PatG). Sie hat zunächst beantragt,
das deutsche Patent 10 2006 012 424 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4, 6 bis 9 und 11 bis 21 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat das Streitpatent zunächst in verschiedenen, als Hauptantrag bzw. als Hilfsanträge eingereichten Fassungen verteidigt. Zuletzt hat sie mit Eingabe vom 22. Mai 2017 beantragt,
das Streitpatent nach Maßgabe des mit Schriftsatz vom 14. November 2016 eingereichten Hilfsantrags 2, der somit als neuer Hauptantrag gelten solle, aufrecht zu erhalten.
Nach diesem Antrag erhalten die Patentansprüche die aus dem Urteilstenor ersichtliche Fassung.
Nach Meinung der Klägerin ist die von der Beklagten verteidigte Fassung des Anspruchs 1 in verschiedener Hinsicht unklar und somit unzulässig. Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2017 hat die Klägerin im Übrigen erklärt, dass sie die von der Beklagten nunmehr mit Hauptantrag verteidigte beschränkte Fassung des Streitpatents nicht angreife.
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 9. Juni 2016 einen frühen gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen. Am 13. Oktober 2017 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt; im Anschluss daran hat der Senat auf Antrag der Parteien den Übergang in das schriftliche Verfahren angeordnet. Beide Parteien haben ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe Die zulässige Klage führt im Umfang der beschränkten Verteidigung ohne weitere Sachprüfung zur entsprechenden teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents.
I.
Die von der Beklagten verteidigte Fassung des Streitpatents stellt eine zulässige Beschränkung dar. Da die Klägerin ihre Nichtigkeitsklage in diesem Umfang nicht weiterverfolgt, kann eine materielle Entscheidung über die Schutzfähigkeit des beschränkt verteidigten Patents nicht mehr ergehen (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1962, 294 - Hafendrehkran; GRUR 1964, 308 - Dosier- und Mischanlage; BPatGE 51, 45 - Ionenaustauschverfahren; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 81 Rn. 128; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 6. Aufl., Rn. 317, jeweils m. w. N.).
1. Die Streitpatentschrift geht nach ihrer Beschreibung von bekannten Christbaumständern aus, bei denen schwenkbare Halteelemente durch ein oder mehrere auf Zug belastbare, flexible Kraftübertragungselemente verschwenkt werden und dadurch den Christbaum einspannend umgreifen. Das flexible Kraftübertragungselement sei in der Regel ein Stahlseil, oder es bestehe aus mehreren Stahlseilen. Es werde durch Führungsöffnungen hindurch geführt, die sich in den Halteelementen meist oberhalb von deren Schwenkachsen befänden. Das mindestens eine Stahlseil werde durch die an dem Ständer befindliche Spanneinrichtung in seiner Wirklänge verkürzt, wodurch die Halteelemente einwärts im Sinne eines Anlegens an das stabförmige Teil verschwenkt würden (Beschr. Abs. 2).
Die genannten bekannten Ständer hätten sich in der Praxis bewährt. Es bestehe aber der Wunsch, die Bauhöhe dieser Ständer gering zu halten. Hierbei sei die Spanneinrichtung ein gewisses Problem. Sie umfasse neben der Wickelwalze einen beweglichen Spannhebel, der die Wickelwalze nach Art einer Ratsche schrittweise drehe. Das an der Wickelwalze befindliche Seil werde beim Betätigen der Ratsche zunehmend aufgewickelt und gespannt. Ferner bringe die Betätigung durch einen besonderen, zusätzlichen beweglichen Hebel den Nachteil einer verhältnismäßig komplizierten Mechanik mit sich; das gelte gleicherweise für die Herstellung und die Montage (Beschr. Abs. 4).
Den im Stand der Technik bekannten Spanneinrichtungen bzw. Ständern mit Spanneinrichtung sei im Übrigen gemeinsam, dass sie mit dem Spannhebel, sei er nun nach Art einer Ratsche oder anders ausgebildet und im Ständer fest integriert oder im Bedarfsfalle aufsteckbar, und mit den komplexen Sperrvorrichtungen eine recht aufwendige und dementsprechend kostspielige, darüber hinaus aber auch - durch Verschleiß, vor allem auch bei Verschmutzung - nicht ganz störungsfreie Konstruktion gewählt hätten (Beschr. Abs. 7).
Der Erfindung liege dementsprechend die Aufgabe zugrunde, eine Spanneinrichtung der eingangs genannten Art und einen Ständer mit einer solchen Spanneinrichtung derart auszubilden, dass sie bei leichter Bedienbarkeit und zuverlässiger Betriebsweise insbesondere hinsichtlich des Spannens kostengünstig hergestellt und montiert werden könnten (Beschr. Abs. 8).
2. Diese Aufgabe soll nach der Streitpatentschrift durch eine Spanneinrichtung und einen Ständer gemäß den erteilten Ansprüchen 1 und 20 gelöst werden. An deren Stelle treten die nebengeordneten Ansprüche 1 und 16 in der von der Beklagten zuletzt verteidigten Fassung. In Anspruch 1 der geänderten Fassung sind folgende, durch Unterstreichung kenntlich gemachte Merkmale hinzugekommen (gemäß der von der Beklagten als Anlage FROH08a vorgelegten Gliederung).
C Das Kraftübertragungselement (4) ist endseitig auf einem verdrehbaren Spannkörper (5) zum Spannen von Halteelemen- ten, welche um horizontale Schwenkachsen schwenkbar sind, aufwickelbar.
H1 Das Treibrad (7) der Spanneinrichtung ist so in einem Gehäuse angeordnet, dass es mit seinem Außenumfang über dessen Gehäuseoberseite hinausragt,
H2 aus der Gehäuseoberseite in einem Quadranten von vorzugsweise 45° bis 60° hinausragt, und H3 in diesem Bereich für eine Fußbetätigung frei zugänglich ist.
Während im erteilten Patent der nebengeordnete Anspruch 20 Bezug nimmt auf „eine Spanneinrichtung gemäß den Ansprüchen 1 bis 19“, sind in der Fassung gemäß Hauptantrag der Beklagten die Merkmale der Spanneinrichtung gemäß Anspruch 1 in den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 16 aufgenommen. Zudem sind in der verteidigten Fassung eigenständig formulierte, auf Anspruch 16 rückbezogene Unteransprüche 17 bis 33 enthalten; die Merkmale der Unteransprüche 31 und 32 liegen dabei bezüglich des zugehörigen Nebenanspruchs 16 redundant vor.
II.
Die gemäß dem Antrag der Patentinhaberin geänderte Fassung der Patentansprüche ist zulässig.
a) Das in Anspruch 1 in der verteidigten Fassung zusätzlich enthaltene Teilmerkmal C, wonach das Kraftübertragungselement (4) endseitig auf einem verdrehbaren Spannkörper (5) „zum Spannen von Halteelementen, welche um horizontale Schwenkachsen schwenkbar sind“, aufwickelbar ist, betrifft die körperliche Ausgestaltung der Spanneinrichtung insoweit, als diese zu dem angegebenen Zweck funktionell geeignet sein muss. Somit dient die endseitige Aufwickelbarkeit des Kraftübertragungselements auf einem Spannkörper dem Spannen der um horizontale Schwenkachsen schwenkbaren Halteelemente, und die Spanneinrich- tung muss so ausgelegt und konstruiert sein, dass sie diesen Zweck erfüllt. Als solches ist dieses Merkmal sowohl in der Streitpatentschrift als auch in der ursprünglichen Anmeldung (vgl. Offenlegungsschrift DE 10 2006 012 424 A1) offenbart (jeweils in Absatz [0036] der Beschreibung i. V. m. Figur 1 und Beschr. Abs. [0030]) und somit zulässig.
b) Auch die weiteren in dem Antrag der Beklagten enthaltenen Anspruchsergänzungen führen nicht zur Unzulässigkeit dieser Fassung. Insbesondere kann den geänderten Ansprüchen 1 und 16 nicht mangelnde Klarheit entgegengehalten werden.
Eine Prüfung der Klarheit des beschränkten Patentanspruchs ist jedenfalls insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (BGH GRUR 2016, 361 - Fugenband). Dies betrifft die den erteilten Ansprüchen 18 und 19 entnommenen Teilmerkmale des geänderten Anspruchs 1, wonach - das Treibrad in einem Gehäuse angeordnet ist und mit seinem Außenumfang über dessen Gehäuseoberseite hinausragt, und - das Treibrad aus der Gehäuseoberseite in einem Quadranten von 45° bis 60° herausragt und dort frei zugänglich ist.
Auch das weitere Teilmerkmal, wonach das Treibrad in diesem Bereich für eine Fußbetätigung frei zugänglich ist, erscheint nicht unklar, wobei dadurch andere (z. B. händische) Betätigungen des Treibrads nicht ausgeschlossen werden. Entscheidend ist allein, dass eine Fußbetätigung möglich ist. Der Fachmann hat auch keine Schwierigkeiten, das Treibrad so auszubilden, dass dieses Erfordernis erfüllt ist.
Ebenso ist nicht unklar, was unter einer Gehäuseoberseite im Sinne des Merkmals H1 zu verstehen ist. So ist nach diesem Merkmal das Treibrad der Spannvorrichtung im Wesentlichen innerhalb eines Gehäuses angeordnet, wobei gemäß allgemeinem Verständnis unter der Gehäuseoberseite die nach oben weisende Seite bzw. Fläche des Gehäuses, d. h. die dem Fußteil abgewandte Seite, verstanden wird; im Gegensatz hierzu wäre die Gehäuseunterseite dem Boden bzw. Fußteil zugewandt (siehe auch Figur 1).
Ferner ragt das Treibrad gemäß Merkmal H1 mit seinem Außenumfang über die Gehäuseoberseite hinaus. Entsprechend dem fakultativen Merkmal H2 kann dies in einem Quadranten und dort in einem Winkelbereich von 45° bis 60° geschehen, wobei bei den Winkelangaben bzw. bei der Orientierung auf Grund der gewählten mathematischen Begriffe eines Koordinatensystems von einer (mathematischen) Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn auszugehen ist. Der Fachmann kann diese Lehre ohne Aufwand auch bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 anwenden, indem er einen Gehäusedurchbruch im ersten Quadranten des Treibrades in dem vorteilhaften Winkelbereich vorsieht.
III.
Da die im Antrag der Beklagten vorgesehenen Beschränkungen des Streitpatents zulässig sind, ist dem Streitpatent durch rechtsgestaltendes Urteil die von beiden Parteien gewollte Fassung zu geben.
Die mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffenen Patentansprüche 5 und 10 der erteilten Fassung bleiben im Übrigen mit ihrem Rückbezug auf Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung in Kraft. Entsprechendes gilt, soweit erteilte Ansprüche auf die Patentansprüche 5 und 10 Bezug nehmen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO. Soweit die Beklagte das Streitpatent nur beschränkt verteidigt, hat sie sich in die Rolle der Unterlegenen begeben und ist im Umfang der Beschränkung kostenpflichtig. Soweit die Klägerin ihren Angriff beschränkt und damit die Klage der Sache nach teilweise zurücknimmt, muss sie nach der Wertung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten tragen. Insgesamt entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
V.
Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch Hildebrandt Dr. Schnurr Dr. Großmann Richter Pr