5 StR 287/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 287/24 BESCHLUSS vom 27. Februar 2025 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Bankrott u.a.
ECLI:DE:BGH:2025:270225B5STR287.24.1 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Februar 2025 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 7. November 2023, soweit es ihn betrifft,
a) mit den Feststellungen aufgehoben,
aa) soweit er wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott in drei Fällen (II.1.1, 1.4, 1.5 der Urteilsgründe) und wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in vier Fällen (II.1.1, 1.2, 1.3, 1.6 der Urteilsgründe) verur teilt worden ist,
bb) im Gesamtstrafausspruch,
b) im Ausspruch über die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass der Einziehungsbetrag auf 6.529,41 Euro reduziert wird und der Angeklagte als Gesamtschuldner haftet.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott in drei Fällen (II.1.1, 1.4, 1.5 der Urteilsgründe), Beihilfe zur vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in vier Fällen (II.1.1, 1.2, 1.3, 1.6) und wegen Betruges in fünf Fällen (II.2.1.1, 2.1.2, 2.2.1, 2.2.2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
1. Die Fälle II.1.1 bis 1.6 der Urteilsgründe betreffen Taten des Bankrotts und der Insolvenzverschleppung.
a) Zu diesen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
Der mehrfach wegen Wirtschaftsdelikten vorbestrafte Angeklagte war bereits in der Vergangenheit als „Firmenbestatter“ in Erscheinung getreten, indem er sanierungsbedürftige Betriebe in seine Verfügungsgewalt gebracht, sich das noch vorhandene Firmenvermögen rechtswidrig angeeignet und teilweise als faktischer Geschäftsführer unter Einschaltung eines geschäftsunerfahrenen Strohgeschäftsführers agiert hatte.
Zur Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Taten verschaffte er sich ebenfalls die Kontrolle über Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage. Hierfür nutzte er eine Ein-Mann-GmbH bulgarischen Rechts, deren Geschäftsführer er war und die die Geschäftsanteile der Zielgesellschaften erwarb (Fälle II.1.1 und 1.2). Hatte die übernommene Firma Tochterunternehmen, brachte der Angeklagte diese ebenfalls unter seine Kontrolle (Fälle II.1.3 und 1.4). In weiteren Fällen ließ der Angeklagte durch eine bereits übernommene Gesellschaft weitere Gesellschaften erwerben (Fälle II.1.5 und 1.6).
Im Anschluss an die Übernahme der Anteile durch eine von ihm beherrschte Gesellschaft organisierte der Angeklagte die sofortige Abberufung der alten Geschäftsführer und veranlasste die Bestellung eines neuen Geschäftsführers oder Vorstands, der jedoch die Geschäfte – wie von vornherein beabsichtigt – nicht leitete und auch nicht fortführte. Strohgeschäftsführer oder Vorstand war in allen Fällen der gesondert Verfolgte V. , der über keine gesellschaftsrechtliche Erfahrung verfügte und vom Angeklagten als Entlohnung Gefälligkeiten wie Essenseinladungen oder geringe Geldbeträge erhielt. Eine eigene Entscheidungskompetenz in Bezug auf die Unternehmen kam ihm – wie geplant – nicht zu. Die Handlungen des gesondert Verfolgten als Geschäftsführer waren dementsprechend rein formaler Natur; es sollte so verschleiert werden,
dass der Angeklagte die Geschicke der Gesellschaften bestimmte. Der gesondert Verfolgte, der sich dem Angeklagten bereitwillig unterordnete, kümmerte sich dementsprechend auch nicht um die Geschäfte der betroffenen Unternehmen.
Die Unternehmen wurden nach – nur im Fall II.1.1 vor – der jeweiligen Übernahme zahlungsunfähig, wobei ihnen teilweise noch vorhandene Vermögenswerte wie Forderungen, Bankguthaben oder Kraftfahrzeuge auf Veranlassung des Angeklagten entzogen wurden.
In der Folge versäumte es der gesondert Verfolgte V. entweder, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen (Insolvenzverschleppungsfälle II.1.1, 1.2, 1.3, 1.6) oder er gefährdete die Interessen aller Gläubiger an einer gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer geldwerten Ansprüche gegen die jeweils betroffene Gesellschaft auf andere Weise (Bankrottfälle II.1.1, 1.4, 1.5).
b) Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Beihilfe zu den Taten des gesondert Verfolgten V. gewürdigt. Eine Täterschaft komme nicht in Betracht, weil der Angeklagte weder faktischer Geschäftsführer noch faktischer Vorstand oder faktischer Liquidator der Gesellschaften gewesen sei.
2. Die Strafkammer hat zu den Betrugstaten (Fälle II.2.1.1, 2.1.2, 2.2.1, 2.2.2) folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte und der gesondert verfolgte V. kamen im Juni 2017 überein, sich durch die wiederholte Begehung von Straftaten gegenüber Mobilfunkanbietern eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu erschließen.
Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan schloss V.
als Geschäftsführer der zuvor genannten oder auch anderen Gesellschaften unter Vortäuschung der Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit von Juni 2017 bis März 2018 an fünf verschiedenen Tagen Mobilfunkverträge ab und erhielt Endgeräte, welche anschließend verwertet wurden.
II.
1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift angeführten Gründen ohne Erfolg.
2. In den Fällen II.1.1 bis 1.6 der Urteilsgründe hält die Verurteilung des Angeklagten der revisionsgerichtlichen Nachprüfung nicht stand. Denn die Ausführungen des Landgerichts sind derart widersprüchlich, dass sie keine ausreichende Grundlage für den Schuldspruch darstellen.
a) Nach dem Tenor des Urteils müsste es sich um sieben Straftaten des Angeklagten handeln. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht zu den Taten II.1.1, 1.2, 1.3 „mit“ 1.4 sowie 1.5 „mit“ 1.6 indes nur vier Einzelstrafen festgesetzt.
In der rechtlichen Würdigung bei den Ausführungen zum Konkurrenzverhältnis der festgestellten Taten zu II.1.1 bis 1.6 wird dieser Widerspruch nicht aufgelöst. Vielmehr hat die Strafkammer mit nicht nachvollziehbaren Formulierungen angenommen, dass der Angeklagte sich „wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Insolvenzverschleppung (II.1.2) und wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, diese tateinheitlich verbunden mit vorsätzlichem Bankrott in drei Fällen (II.1.1, 1.3 mit 1.4, 1.5 mit 1.6), dabei bei der Tat II.1.3 mit 1.4 wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, diese tateinheitlich verbunden mit vorsätzlichem Bankrott in vier tateinheitlichen Fällen“ strafbar gemacht habe. Damit bilden die Urteilsausführungen insgesamt keine Grundlage für eine Nachprüfung des Schuldspruchs durch das Revisionsgericht.
b) Hinzu kommt Folgendes:
aa) Das Landgericht hat einerseits festgestellt, dass es dem Angeklagten jeweils darauf angekommen sei, die Haupttat des gesondert verfolgten V. „zu erleichtern und diese zu fördern“. Andererseits hat es ausgeführt, der Angeklagte habe durch die Einschaltung des gesondert Verfolgten seine eigene beherrschende Stellung in den Gesellschaften verschleiern und die „Fäden“ in der Hand halten wollen. Dieses Spannungsverhältnis in der Beschreibung der Stellung des Angeklagten wird ebenfalls nicht aufgelöst.
bb) Zu den Haupttaten, den vom gesondert verfolgten V. begangenen Bankrotthandlungen durch Verschleiern (§ 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB), hat das Landgericht festgestellt, dieser habe den Tatbestand erfüllt, indem er als „(Schein-) bzw. (Stroh-) Geschäftsführer“ die Gläubiger über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens getäuscht und „seine Bestellung zum Geschäftsführer der jeweiligen GmbH nur zum Schein“ angemeldet habe. Diese Ausführungen legen nahe, dass sich das Landgericht des Unterschieds zwischen einem „Scheingeschäftsführer“ und einem „Strohgeschäftsführer“ (der formell wirksam bestellt wird) nicht bewusst war. Durch die Formulierung, der gesondert Verfolgte habe „nur zum Schein“ seine Bestellung zum Geschäftsführer angemeldet, könnte zum Ausdruck kommen, dass die Bestellung zum Geschäftsführer letztlich unwirksam war. Dann käme der gesondert Verfolgte mangels Schuldnereigenschaft aber nicht mehr als Täter eines Bankrotts und mangels Organstellung nicht mehr als Täter einer Insolvenzverschleppung in Betracht und es würde an einer Haupttat fehlen, zu der der Angeklagte Beihilfe geleistet haben könnte. Sollte das Landgericht „Scheingeschäftsführer“ rechtsirrig mit „Strohgeschäftsführer“ gleichgesetzt haben und deswegen die Bestellung des gesondert Verfolgten zum Geschäftsführer als Verschleierungshandlung im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB gewertet haben, weil er die Geschäfte tatsächlich nicht geführt habe, bliebe offen, wer sie dann tatsächlich führte. Das stünde wiederum im Widerspruch zu der Feststellung, dass der Angeklagte den gesondert Verfolgten als formellen Geschäftsführer unterstützt habe.
cc) Bei der Strafzumessung hat das Landgericht die angewendeten Strafrahmen der § 283 Abs. 1 StGB, § 15a Abs. 4 InsO jeweils wegen Beihilfe nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert, eine weitere Milderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB aber abgelehnt, weil sie allein wegen des Fehlens „der Sondereigenschaft (Geschäftsführer)“ Beihilfe statt Täterschaft angenommen habe. Nur wenn nicht allein schon wegen des Fehlens des strafbegründenden persönlichen Merkmals Beihilfe statt Täterschaft angenommen werde, sei der Strafrahmen für den Teilnehmer ein weiteres Mal gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Auch damit bleibt letztlich offen, ob die Strafkammer die Tatbeiträge des Angeklagten als täterschaftlich oder lediglich als Beihilfehandlung angesehen hat.
3. Die Rechtsfehler entziehen wegen der aus den aufgezeigten Widersprüchen folgenden Unklarheiten dem Schuldspruch wegen der Bankrott- und Insolvenzstraftaten die Grundlage. Aus der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs wiederum resultiert der Wegfall der in den betroffenen Fällen verhängten Einzelstrafen und des Gesamtstrafenausspruchs.
4. Zur Einziehungsanordnung gilt Folgendes:
a) Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.1.5 entzieht der Anordnung der Einziehung des in diesem Fall erlangten Betrages von 9.496,84 Euro die Grundlage. Insoweit sind vom neuen Tatgericht auch neue Feststellungen zu treffen.
b) Wie der Beschwerdeführer und der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt haben, belegen die Feststellungen zu den Betrugstaten in den Fällen II.2.1.2, 2.2.1 und 2.2.2. zudem nicht, dass der Angeklagte insoweit die tatgegenständlichen Endgeräte im Gesamtwert von 4.209,60 Euro erlangt hat. Es lässt sich damit lediglich ein Betrag von 6.529,41 Euro als vom Angeklagten Erlangtes im Sinne der § 73 Abs. 1, § 73c StGB feststellen, für den er als Gesamtschuldner haftet. Nur in diesem Umfang hat die Einziehungsanordnung Bestand. Der Senat schließt aus, dass insoweit weitere Feststellungen getroffen werden können und hat den Einziehungsbetrag entsprechend reduziert.
Cirener von Häfen Gericke Werner RiBGH Köhler ist im Urlaub und kann nicht unterschreiben.
Cirener Vorinstanz: Landgericht Leipzig, 07.11.2023 - 11 KLs 281 Js 35309/18