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4 StR 413/22

BUNDESGERICHTSHOF StR 413/22 BESCHLUSS vom 13. April 2023 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2023:130423B4STR413.22.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. April 2023 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster – große Strafkammer bei dem Amtsgericht Bocholt ‒ vom 5. April 2022 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.

2. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bocholt vom 25. Februar 2019 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.

Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

Nach den Feststellungen ging der Angeklagte hinter der Geschädigten die Treppe hinauf und „piekste“ ihr dabei mindestens zweimal mit der Spitze eines Küchenmessers in den Rücken, was jeweils einen stechenden Schmerz hervorrief, der sich nach den Angaben der Geschädigten „wie Nadelstiche“ anfühlte (Tat II.1. der Urteilsgründe).

Zwei Tage später legte der Angeklagte ein Handykabel um den Hals der Geschädigten und zog es derart zu, dass die Geschädigte ein Würgemal im vorderen Halsbereich davontrug. Im weiteren Verlauf schlug er der Geschädigten mindestens einmal mit der Faust gegen den Oberschenkel, wodurch die Geschädigte ein ca. vier bis fünf Zentimeter großes Hämatom an der Außenseite des linken Oberschenkels erlitt (Tat II.2. der Urteilsgründe).

Der Angeklagte hat sich zu den Tatvorwürfen in der Hauptverhandlung nicht eingelassen. Im Rahmen seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren hat er die ihm vorgeworfenen Taten bestritten. Die getroffenen Feststellungen stützt die Strafkammer maßgeblich auf die Angaben einer Zeugin vom Hörensagen, die die von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht in der Hauptverhandlung Gebrauch machende Geschädigte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens richterlich vernommen hat.

II.

Die Verurteilung des Angeklagten hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Beweiswürdigung und deren Darlegung in den Urteilsgründen den rechtlichen Anforderungen nicht genügen.

1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Dabei müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht bloße Vermutungen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. August 2021 ‒ 3 StR 441/20, NJW 2021, 2896 Rn. 29 f.; Beschluss vom 6. Juli 2021 ‒ 2 StR 3/20, juris Rn. 5; Urteil vom 14. Januar 2021 ‒ 3 StR 124/20, NStZ-RR 2021, 113, 114; Urteil vom 13. Oktober 2020 ‒ 1 StR 299/20, NStZ-RR 2021, 24).

Erhöhte Anforderungen sind an die Sorgfalt und Vollständigkeit der vom Tatgericht vorzunehmenden und in den Urteilsgründen darzulegenden Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse zu stellen, wenn ‒ wie hier ‒ ein nichtgeständiger Angeklagter überwiegend durch Angaben eines Zeugen überführt werden soll und dessen Bekundungen nur mittelbar über eine Vernehmungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2021 ‒ 5 StR 223/21, juris Rn. 3, 8; Beschluss vom 12. Mai 2020

‒ 1 StR 596/19, NStZ 2021, 183 Rn. 7; Beschluss vom 15. Januar 2020 ‒ 2 StR 352/18, StV 2020, 805 Rn. 23 f.; Beschluss vom 9. Januar 2020 ‒ 2 StR 355/19, juris Rn. 11; Urteil vom 19. Februar 2015 ‒ 3 StR 597/14, juris Rn. 6 mwN). Denn das Tatgericht kann in derartigen Fällen die Glaubwürdigkeit der unmittelbaren Beweisperson und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben nicht originär, sondern nur vermittelt durch den Bericht der Vernehmungsperson beurteilen.

Auf die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen kann eine Feststellung jedenfalls regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn sie durch andere wichtige und im unmittelbaren Bezug zum Tatgeschehen stehende Gesichtspunkte bestätigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 ‒ 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158; Urteil vom 16. Mai 2002 ‒ 1 StR 40/02 Rn. 13; Beschluss vom 9. April 2013 ‒ 5 StR 138/13 Rn. 4).

2. Diesen Maßstäben wird das Urteil nicht gerecht, da es an einer Würdigung der Glaubwürdigkeit der sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO berufenden und daher nicht in der Hauptverhandlung vernommenen Geschädigten und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben gänzlich fehlt. Die Urteilsgründe beschränken sich darauf, die von der Zeugin H. in der Hauptverhandlung wiedergegebenen Aussageinhalte der Geschädigten im Rahmen der von der Zeugin H. durchgeführten ermittlungsrichterlichen Vernehmung wiederzugeben.

Zudem sind weitere, außerhalb der Angaben der Geschädigten liegende Beweisanzeichen, auf die die Kammer ihre Überzeugungsbildung stützt, hinsichtlich der Tat zu II.1. der Urteilsgründe der Beweiswürdigung nicht zu entnehmen.

Hinsichtlich der Tat zu II.2. der Urteilsgründe bleibt unklar, worauf die Überzeugungsbildung der Kammer zu der Feststellung beruht, dass der Angeklagte der Geschädigten einen Faustschlag gegen den Oberschenkel versetzt habe. Den in den Urteilsgründen wiedergegebenen Angaben der Vernehmungsperson ist insoweit nur zu entnehmen, dass die Geschädigte von „einem Schlag“ berichtet habe und auf weitere Nachfrage angegeben habe, dass ein Schlag auf den linken Oberschenkel erfolgt sei. Die von der Strafkammer nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Bezug genommenen Lichtbilder, die Hämatome – darunter auch ein Hämatom am linken oberen Oberschenkel – am Körper der Geschädigten fünf Tage nach dem Tatgeschehen zeigen, sind angesichts des Umstands, dass ausweislich der Urteilsgründe auf von Teilen des Tatgeschehens erstelltem Videomaterial zur Tatzeit am Körper der Geschädigten bereits vorhandene, nicht näher im Hinblick auf Größe und Lokalisation beschriebene Hämatome erkennbar waren, als Beleg für den festgestellten Faustschlag auf den Oberschenkel am Tattag nicht ohne weiteres ergiebig. Entsprechendes gilt auch für den in den Urteilsgründen mitgeteilten Inhalt des am Tattag erstellten ärztlichen Untersuchungsberichts, wonach sich ein „4 bis 5 cm großes, strichförmiges, bläulich-rötliches Hämatom neben dem linken äußeren Gesäß“ der Geschädigten befunden habe.

Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zudem auf Folgendes hin.

Die Kammer hat das nach den Feststellungen zu Tat II.1. der Urteilsgründe ohne festgestellte Verletzungsfolgen gebliebene Geschehen („Pieksen“ in den Rücken) als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB bewertet. Hierzu hat sie ausgeführt, dass der Angeklagte die Geschädigte durch das „Pieksen“ i.S.d. § 223 StGB körperlich misshandelt habe. Diese Körperverletzung habe der Angeklagte auch mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangen.

Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist jeder (feste) Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Benutzung im Einzelfall dazu geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2014 – 2 StR 275/13; Beschluss vom 15. Mai 2002 ‒ 2 StR 113/02, NStZ 2002, 594). Mit einer erheblichen Verletzung ist eine nach Dauer oder Intensität gravierende, jedenfalls nicht nur ganz leichte Verletzung oder Gesundheitsschädigung gemeint (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2014 – 2 StR 275/13). Der Einsatz eines abstrakt gefährlichen Werkzeugs in konkret ungefährlicher Weise erfüllt den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB danach nicht. Ob der hier festgestellte konkrete Einsatz des Küchenmessers geeignet war, erhebliche Verletzungen hervorzurufen, bedarf – sollte die zur neuen Entscheidung berufene Kammer zu ähnlichen Feststellungen gelangen – der näheren Darlegung.

Quentin Messing Maatsch Scheuß Momsen-Pflanz Vorinstanz:

Landgericht Münster bei dem Amtsgericht Bocholt, 05.04.2022 ‒ 10 KLs-540 Js 1782/18-7/19

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