19 W (pat) 13/14
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 13/14 Verkündet am 17. Oktober 2016 BESCHLUSS In der Beschwerdesache
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BPatG 154 05.11 betreffend das Patent 10 2008 057 754 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. J. Müller beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 1.34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Dezember 2013 aufgehoben und das Patent 10 2008 057 754 widerrufen.
Gründe I.
Auf die am 17. November 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit der Nummer 10 2008 057 754 am 5. Juli 2012 veröffentlicht worden. Es trägt die Bezeichnung „Trennklemme“.
Gegen das Patent hat die Einsprechende am 5. Oktober 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt Einspruch mit der Begründung eingelegt, der Gegenstand des angegriffenen Patents sei nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG), insbesondere nicht neu bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Außerdem offenbare das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann diese ausführen könne (§ 21 Abs. 1 Nr. 2, PatG).
Die Einsprechende hat ihren Vortrag bezüglich der fehlenden Patentfähigkeit auf folgende Unterlagen gestützt:
(D1)
(D2)
(D3)
(D4) (D5) (D6) (D7) (D8) (D9) (D10) (D11) (D12)
Phoenix Contact: Steckbare Zugfederklemmen ST-Combi Messer- und Trennklemme, 15.03.03 TRN 5127182-01 Phoenix Contact: CLIPLINE One system 4 connection systems ©2004 TNR 5170647/01.04.2004-0.0; WAGO Kontakttechnik: Gesamtkatalog W3 Band 1, Seiten 2.20, 2.21, 2.24, 2.25, 0888-0301/0010-0101, 10.08.2001; DE 10 2006 019 160 A1; DE 196 16 516 C1; DE 44 44 551 A1; DE 1 274 715 A; DE 197 42 785 C1; DE 41 06 555 A1; DE 195 06 859 A1; DE 295 14 711 U1; EP 0 386 277 A1.
Durch einen am Ende einer Anhörung vor der Patentabteilung 1.34 des Deutschen Patent- und Markenamtes am 18. Dezember 2013 verkündeten Beschluss ist das Patent unverändert aufrechterhalten worden.
Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende mit Schreiben vom 14. Februar 2014 Beschwerde eingelegt und im Laufe des Verfahrens zwei weitere Druckschriften eingereicht:
(D13) (D14)
DE 197 48 640 C1 DE 85 31 990 U1.
Sie beantragt:
den Beschluss der Patentabteilung 1.34 des Deutschen Patentund Markenamts vom 18. Dezember 2013 aufzuheben und das Patent 10 2008 057 754 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der beschwerdeführenden Einsprechenden entgegengetreten. Sie beantragt:
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen,
hilfsweise, das angegriffene Patent aufgrund folgender Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
gemäß Hilfsantrag 1, die erteilten Patentansprüche unter Wegfall von Patentanspruch 2 und Anpassung der Nummerierung und der Rückbezüge,
gemäß Hilfsantrag 2, Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 1 vom 7. Oktober 2016,
gemäß Hilfsantrag 3, Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 2 vom 7. Oktober 2016,
übrige Unterlagen zu den Hilfsanträgen jeweils gemäß Patentschrift.
Der Patentanspruch 1 erteilter Fassung (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) lautet unter Einfügung einer Gliederung:
a) Baueinheit aus mindestens zwei nebeneinander angeordneten Trennklemmen (1) und mindestens zwei miteinander verbundenen Anschlusssteckern (10),
b) wobei die Trennklemmen (1) jeweils b1) ein Klemmengehäuse (2), b2) eine aus zwei Teilstücken (3, 4) bestehende Stromschiene, b3) zwei Leiteranschlussstellen zum Anschließen von je einem Leiter an einem der Teilstücke (3, 4) der Stromschiene und b4) ein schwenkbar im Klemmengehäuse (2) gelagertes Trennmesser (5) aufweisen, b5) wobei die beiden Teilstücke (3, 4) in einer ersten Stellung des Trennmessers (5) über das Trennmesser (5) miteinander verbunden und b6) in einer zweiten Stellung des Trennmessers (5) voneinander getrennt sind, und c) wobei die Anschlussstecker (10) jeweils c1) ein Steckergehäuse (11), c2) mindestens ein darin angeordnetes Leiteranschlusselement (12) und c3) einen mit dem Leiteranschlusselement (12) elektrisch verbundenen Steckkontakt (13) aufweisen, dadurch gekennzeichnet,
d) dass jeweils mindestens eine der Leiteranschlussstellen der Trennklemmen (1) als mit einem der Teilstücke (3) der Stromschiene elektrisch verbundener Steckplatz (6) ausgebildet ist,
d1) so dass jeweils einer der Anschlussstecker (10) mit seinem Steckkontakt (13) auf das Klemmengehäuse (2) aufsteckbar ist, und e) dass die Anschlussstecker (10) jeweils ein mit dem Leiteranschlusselement (12) elektrisch leitend verbundenes federndes Kontaktelement (26) aufweisen, das derart angeordnet und ausgebildet ist, e1) dass die Kontaktelemente (26) zweier Anschlussstecker (10) einander kontaktieren, wenn die Anschlussstecker (10) nicht auf den Trennklemmen (1) aufgesteckt sind, e2) während die Kontaktelemente (26) durch eine Seitenwand (27) einer der Trennklemmen (1) voneinander getrennt sind, wenn die Anschlussstecker (10) auf den Trennklemmen (1) aufgesteckt sind.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 7. Oktober 2016 (geltender Hilfsantrag 2) lautet unter Fortführung der Gliederung (Änderungen gegenüber Hauptantrag sind durch Durch- bzw. Unterstreichung gekennzeichnet):
a) Baueinheit aus mindestens zwei nebeneinander angeordneten Trennklemmen (1) und mindestens zwei miteinander verbundenen Anschlusssteckern (10),
b) wobei die Trennklemmen (1) jeweils b1) ein Klemmengehäuse (2), b2) eine aus zwei Teilstücken (3, 4) bestehende Stromschiene, b3) zwei Leiteranschlussstellen zum Anschließen von je einem Leiter an einem der Teilstücke (3, 4) der Stromschiene und b4) ein schwenkbar im Klemmengehäuse (2) gelagertes Trennmesser (5) aufweisen,
b5) wobei die beiden Teilstücke (3, 4) in einer ersten Stellung des Trennmessers (5) über das Trennmesser (5) miteinander verbunden und b6) in einer zweiten Stellung des Trennmessers (5) voneinander getrennt sind, und c) wobei die Anschlussstecker (10) jeweils c1) ein Steckergehäuse (11), c2) mindestens ein darin angeordnetes Leiteranschlusselement (12) und c3) einen mit dem Leiteranschlusselement (12) elektrisch verbundenen Steckkontakt (13) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, und wobei d) dass jeweils mindestens eine der Leiteranschlussstellen der Trennklemmen (1) als mit einem der Teilstücke (3) der Stromschiene elektrisch verbundener Steckplatz (6) ausgebildet ist, d1) so dass jeweils einer der Anschlussstecker (10) mit seinem Steckkontakt (13) auf das Klemmengehäuse (2) aufsteckbar ist, und dadurch gekennzeichnet,
e) dass wobei [sic] die Anschlussstecker (10) jeweils ein mit dem Leiteranschlusselement (12) elektrisch leitend verbundenes federndes Kontaktelement (26) aufweisen, das derart angeordnet und ausgebildet ist, e1) dass die Kontaktelemente (26) zweier Anschlussstecker (10) einander kontaktieren, wenn die Anschlussstecker (10) nicht auf den Trennklemmen (1) aufgesteckt sind, e2) während die Kontaktelemente (26) durch eine Seitenwand (27) einer der Trennklemmen (1) voneinander getrennt sind, wenn die Anschlussstecker (10) auf den Trennklemmen (1) aufgesteckt sind, f1) wobei die Seitenwand (27) jeder der Trennklemmen (1) jeweils in Längsrichtung (L) der Trennklemme (1) vom Steckplatz (6) beabstandet ist und zwischen dem Steckplatz (6) und der Seitenwand (27) jeweils eine Querwand ausgebildet ist.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 vom 7. Oktober 2016 (geltender Hilfsantrag 3) lautet unter Fortführung der Gliederung (Änderungen gegenüber Hauptantrag sind durch Durch- bzw. Unterstreichung gekennzeichnet):
a) Baueinheit aus mindestens zwei nebeneinander angeordneten Trennklemmen (1) und mindestens zwei miteinander verbundenen Anschlusssteckern (10),
b) wobei die Trennklemmen (1) jeweils b1) ein Klemmengehäuse (2), b2) eine aus zwei Teilstücken (3, 4) bestehende Stromschiene, b3) zwei Leiteranschlussstellen zum Anschließen von je einem Leiter an einem der Teilstücke (3, 4) der Stromschiene und b4) ein schwenkbar im Klemmengehäuse (2) gelagertes Trennmesser (5) aufweisen, b5) wobei die beiden Teilstücke (3, 4) in einer ersten Stellung des Trennmessers (5) über das Trennmesser (5) miteinander verbunden und b6) in einer zweiten Stellung des Trennmessers (5) voneinander getrennt sind, und c) wobei die Anschlussstecker (10) jeweils c1) ein Steckergehäuse (11),
c2) mindestens ein darin angeordnetes Leiteranschlusselement (12) und c3) einen mit dem Leiteranschlusselement (12) elektrisch verbundenen Steckkontakt (13) aufweisen,
dadurch gekennzeichnet, und wobei d) dass jeweils mindestens eine der Leiteranschlussstellen der Trennklemmen (1) als mit einem der Teilstücke (3) der Stromschiene elektrisch verbundener Steckplatz (6) ausgebildet ist, d1) so dass jeweils einer der Anschlussstecker (10) mit seinem Steckkontakt (13) auf das Klemmengehäuse (2) aufsteckbar ist, und dadurch gekennzeichnet, e) dass wobei [sic] die Anschlussstecker (10) jeweils ein mit dem Leiteranschlusselement (12) elektrisch leitend verbundenes federndes Kontaktelement (26) aufweisen, das derart angeordnet und ausgebildet ist, e1) dass die Kontaktelemente (26) zweier Anschlussstecker (10) einander kontaktieren, wenn die Anschlussstecker (10) nicht auf den Trennklemmen (1) aufgesteckt sind, e2) während die Kontaktelemente (26) durch eine Seitenwand (27) einer der Trennklemmen (1) voneinander getrennt sind, wenn die Anschlussstecker (10) auf den Trennklemmen (1) aufgesteckt sind, f1) wobei die Seitenwand (27) jeder der Trennklemmen (1) jeweils in Längsrichtung (L) der Trennklemme (1) vom Steckplatz (6) beabstandet ist und zwischen dem Steckplatz (6) und der Seitenwand (27) jeweils eine Querwand ausgebildet ist, f2) die zwischen dem Steckkontakt (13) und dem Kontaktelement (26) eines Anschlusssteckers (10) angeordnet ist, wenn die An- schlussstecker (10) auf den Trennklemmen (1) aufgesteckt sind.
In der Patentschrift (Absatz 0013) ist angegeben, der Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, eine Baueinheit zur Verfügung zu stellen, die den Anschluss eines elektrischen Leiters an die Trennklemme, insbesondere beim Einsatz in einem Zählerwechselschrank den elektrischen Anschluss einer Zählerwechseltafel erleichtere.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat Erfolg, da die Gegenstände der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG) und die jeweiligen Gegenstände der Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 2 und 3 über den Inhalt der Anmeldung hinausgehen, in der diese ursprünglich beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
1. Der Senat legt seiner Entscheidung als Fachmann einen Diplomingenieur (FH) oder Techniker der Fachrichtung Elektrotechnik zugrunde, der Einzelheiten elektrischer Klemmen und Stecker entwickelt, wobei dieser die bei Stromwandlern zu beachtenden Vorschriften kennt und beachtet.
2.1 Aus der Entgegenhaltung DE 10 2006 019 160 A1 (D4) ist, in Worten des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag 1 ausgedrückt, Folgendes bekannt: eine a) Baueinheit aus mindestens zwei nebeneinander angeordneten Kupplungsteil-Modulen 4 und mindestens zwei miteinander verbundenen Anschlusssteckern 3,
c) wobei die Anschlussstecker 3 jeweils c1) ein Steckergehäuse, c2) mindestens ein darin angeordnetes Leiteranschlusselement und c3) einen mit dem Leiteranschlusselement elektrisch verbundenen Steckkontakt 17 aufweisen, wobei d) jeweils mindestens eine der Leiteranschlussstellen der Kupplungsteil-Module 4 mit einem Steckplatz 18 ausgebildet ist (vgl. Figur 1), d1) wobei jeweils einer der Anschlussstecker 3 mit seinem Steckkontakt 17 auf das Kupplungsteil-Modulgehäuse aufsteckbar ist, und e) wobei die Anschlussstecker 3 jeweils ein mit dem Leiteranschlusselement elektrisch leitend verbundenes federndes Kontaktelement 19 aufweisen, das derart angeordnet und ausgebildet ist, dass e1) die Kontaktelemente 19 zweier Anschlussstecker 3 einander kontaktieren, wenn die Anschlussstecker 3 nicht auf den Kupplungsteil-Modulen 4 aufgesteckt sind (vgl. Figur 6, Absatz 0020), e2) während die Kontaktelemente 19 durch eine Seitenwand 28 einer der Kupplungsteil-Module 4 voneinander getrennt sind, wenn die Anschlussstecker 3 auf den Kupplungsteil-Modulen 4 aufgesteckt sind (vgl. Figur 6, Absatz0021, 0022).
Davon unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 lediglich dadurch, dass das Kupplungsteil-Modul Teil einer Trennklemme sein soll, bei der ein Teil der Stromschiene als Steckplatz ausgebildet ist. Klemmen mit Trennfunktion in Längsrichtung der Klemme werden üblicherweise im Zusammenhang mit Mess- und Schutzeinrichtungen, unter anderem zum Anschluss von Stromwandlern, eingesetzt.
Eine Baueinheit mit Trennklemmen mit Steckplatz ist beispielsweise aus der Produktschrift Phoenix Contact: Steckbare Zugfederklemmen ST-Combi Messer- und Trennklemme, 15.03.03 TRN 5127182-01 (Entgegenhaltung D1) bekannt.
Dort ist, in Worten der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsanträgen ausgedrückt, Folgendes dargestellt: eine a) Baueinheit aus mindestens zwei nebeneinander angeordneten Trennklemmen b) wobei die Trennklemmen jeweils b1) ein Klemmengehäuse, b2) eine aus zwei Teilstücken bestehende Stromschiene, b3) zwei Leiteranschlussstellen zum Anschließen von je einem Leiter an einem der Teilstücke der Stromschiene und b4) ein schwenkbar im Klemmengehäuse gelagertes Trennmesser aufweisen, b5) wobei die beiden Teilstücke in einer ersten Stellung des Trennmessers über das Trennmesser miteinander verbunden und b6) in einer zweiten Stellung des Trennmessers voneinander getrennt sind, wobei d) jeweils eine der Leiteranschlussstellen jeder Trennklemme als mit einem der Teilstücke der Stromschiene elektrisch verbundener Steckplatz ausgebildet ist,
d1) so dass ein (nicht dargestellter) Anschlussstecker mit seinem Steckkontakt auf das Klemmengehäuse aufsteckbar ist.
Nach Überzeugung des Senats hat der Fachmann die augenfällige Eignung der Steckverbindung gemäß Entgegenhaltung D4 für den Sekundäranschluss eines Stromwandlers erkannt, der im Leerlauf zwingend kurzzuschließen ist, wenn weder ein Strommessgerät noch eine andere niederohmige Last angeschlossen ist, da ansonsten hohe Kernverluste oder sogar gefährliche Spannungen auf der Sekundärseite auftreten können (vgl. DE 44 44 551 A1 (D6), Spalte 1, Zeilen 56 bis 68; DE 197 48 640 C1 (D13), Spalte 1, Zeilen 19 bis 30; DE 85 31 990 U1 (D14), Seite 1, Zeilen 18 bis 20).
Es ist allerdings ungewöhnlich, im Verlauf der sekundären Anschlussleitungen eines Stromwandlers einen Steckverbinder vorzusehen, der nicht auf einer tragenden Unterlage – in der Regel einer Montageschiene – fixiert ist.
Der Fachmann hatte also Anlass, den Anschlussstecker gemäß Entgegenhaltung D4 auf eine Trennklemme aufzustecken, wie sie beispielsweise aus der Entgegenhaltung D1 bekannt ist, zumal bei letzterer bereits ein Steckplatz vorgesehen ist. Die dazu erforderliche Umgestaltung des Isolierstoffgehäuses der Trennklemme nimmt der Fachmann im Rahmen seines routinemäßigen Handelns derart vor, dass das Isolierstoffgehäuse der Trennklemme entsprechend dem KupplungsteilModul gemäß Entgegenhaltung D4 eine Seitenwand aufweist, mittels derer die federnde Kontaktelemente zweier benachbarter Anschlussstecker erfindungsgemäß kurzschließbar sind.
Der Einwand des Vertreters der Patentinhaberin, der Fachmann würde die Trennklemmen gemäß Entgegenhaltung D1 nicht zum sekundärseitigen Anschluss von Stromwandlern verwenden, konnte zu keiner anderen Bewertung führen.
Zum einen ist gemäß Streitpatentschrift (Absätze 0016 und 0017) eine Trennklemme mit dem in der Entgegenhaltung D1 gezeigten Trenn- und Betätigungsprinzip für den Einsatz mit Stromwandlern vorgesehen, so dass der behauptete Hinderungsgrund den Fachmann offensichtlich doch nicht davon abgehalten hat, diese Trennklemme zum Anschluss von Stromwandlern zu verwenden. Zum anderen ist unbeachtlich, dass die Patentinhaberin auch andere Trennklemmen anbietet, die nach anderen Kriterien konstruiert sind und möglicherweise einen höheren Schutz gegen Fehlbedienungen bieten.
Dadurch ergibt sich für den Fachmann die Baueinheit gemäß der Patentansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag 1, ohne dass es dazu einer erfinderischen Tätigkeit bedürfte.
2.2 Die Überlegungen der Patentabteilung in ihrer Begründung des durch die Beschwerde angegriffenen Beschlusses zur Aufrechterhaltung des Patents halten einer Überprüfung nicht stand. Es mag zwar zutreffend sein, dass durch die Trennmesser der Trennklemme gemäß Entgegenhaltung D1 der Sekundärstromkreis eines Stromwandlers aufgetrennt werden kann, ohne dass dabei die Kurzschließung des Anschlusssteckers wirksam wird, jedoch tritt dieses Problem gleichermaßen auch beim Gegenstand des Streitpatents auf, ohne dass angegeben wäre, welche überraschenden Vorteile sich daraus ergeben oder durch welche anderen Maßnahmen verhindert wird, dass die Trennklemme geöffnet wird solange der Anschlussstecker gesteckt ist.
Nach Überzeugung des Senats kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht mit dem angeblichen Nachteil einer Lösung begründet werden, die sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, sofern mit der vermeintlichen Erfindung demgegenüber keine Verbesserung eintritt. Eine die Patentfähigkeit begründende Überwindung einer technischen Fehlvorstellung liegt nicht vor, wenn gegenüber der vorgeschlagenen Lösung zu Recht bestehende Bedenken lediglich ignoriert und mit ihr tatsächlich und vorhersehbar verbundene Nachteile einfach in Kauf genommen werden. (BGH, Urteil vom 4. Juni 1996 – X ZR 49/94, GRUR 1996, 857 – Rauchgasklappe).
3. Gegenüber der erteilten Fassung ist gemäß geltendem Hilfsantrag 2 an den Wortlaut des Patentanspruchs 1 angefügt:
f1) wobei die Seitenwand (27) jeder der Trennklemmen (1) jeweils in Längsrichtung (L) der Trennklemme (1) vom Steckplatz (6) beabstandet ist und zwischen dem Steckplatz (6) und der Seitenwand (27) jeweils eine Querwand ausgebildet ist.
Soweit der Vertreter der Anmelderin in der Verhandlung ausgeführt hat, es sei für den Fachmann der zeichnerischen Darstellung des Streitgegenstandes, insbesondere der Figur 6 zu entnehmen, dass zwischen dem Steckplatz 6 und der Kammer, die der Aufnahme des Kontaktelementes 26 des Anschlusssteckers 10 dient, eine Isolierstoffwand angeordnet ist, die quer zur Seitenwand 27 orientiert ist, mag dieses Detail zwar in der besagten Figur 6 dargestellt sein. Allein aufgrund der zeichnerischen Wiedergabe dieser Ausgestaltung konnte jedoch der Fachmann nicht erkennen, dass es darauf ankommt und dies als Merkmal zu werten ist, das für die Erfindung wesentlich ist und zu einem späteren Zeitpunkt Aufnahme in den Hauptanspruch finden könnte.
Vielmehr durfte er darauf vertrauen, dass Merkmale, die zu einem tragenden Merkmal eines Patents werden könnten, nicht nur zeichnerisch dargestellt, sondern auch in einem Patentanspruch oder zumindest in der Beschreibung genannt sind. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, zumal die Figuren 5 und 6 derart detailreich sind, dass auch der Fachmann selbst die in den erteilten Patentansprüchen genannten Einzelheiten erst nach intensiver Beschäftigung mit den Figuren zuordnen kann (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1984 – X ZR 30/79, GRUR 1985, 214 – Walzgut-Kühlbett). Der von der Beschwerdegegnerin zitierten Entscheidung „Teilreflektierende Folie“ (BGH, Urteil vom 15. September 2015 –
X ZR 112/13, GRUR 2016, 50), liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde, da dort durchaus in der Beschreibung auf die fragliche Eigenschaft eingegangen wurde, wie im Punkt III.1.b der dortigen Entscheidungsgründe (Rdn. 26) erörtert ist.
Somit geht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 über den Inhalt der Anmeldung hinaus, in der diese ursprünglich beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht worden ist. Deshalb ist der Hilfsantrag 2 nicht zulässig.
4. Da der Patentanspruch 1 gemäß geltendem Hilfsantrag 3 ebenfalls auf die Querwand Bezug nimmt, die den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend zu entnehmen war, ist auch der Hilfsantrag 3 aus den zum Hilfsantrag 2 dargelegten Gründen nicht zulässig.
Somit war der Beschwerde der Einsprechenden stattzugeben und das Patent zu widerrufen.
Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt. 2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. 3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102 Abs. 1 PatG).
Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).
Kleinschmidt Kirschneck RiBPatG Dr.-Ing. Scholz ist wegen Eintritts in den Ruhestand gehindert, seine Unterschrift beizufügen Kleinschmidt J. Müller Ko