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8 W (pat) 50/08

BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 50/08 Verkündet am 9. April 2013

…

BESCHLUSS In der Beschwerdesache betreffend das Patent 103 61 127 …

…

hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Zehendner, die Richter Kätker und Dipl.-Ing. Rippel sowie die Richterin Dr.-Ing. Prasch beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Auf die am 22. Dezember 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung, ist das Patent 103 61 127 mit der Bezeichnung „Stelleinrichtung, insbesondere Kraftfahrzeug-Feststellbremse“ mit Beschluss vom 4. April 2006 erteilt und die Erteilung am 30. November 2006 veröffentlicht worden.

Auf den Einspruch der Einsprechenden hat die Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluss vom 8. April 2008 in beschränktem Umfang aufrechterhalten. Nach Auffassung der Patentabteilung sei der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung nach dem damaligen Hilfsantrag 1 gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu und beruhe demgegenüber auf erfinderischer Tätigkeit.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie sieht den geltenden Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gegenüber den ursprünglichen Unterlagen als unzulässig erweitert an, weil die eingefügten Merkmale „mit einem mit der Hohlwelle (2) in fester Verbindung stehenden Kraftsensor-Geber (2.2) und einem dem Kraftsensor-Geber (2.2) zugeordneten Kraftsensor-Empfänger (7.1)“ in den ursprünglichen Unterlagen in allen Textstellen (Absätze [0021] und [0025]) nur in Verbindung mit weiteren gegenständlichen Merkmalen offenbart seien. Das Weglassen dieser weiteren Merkmale führe zu einer Verallgemeinerung einer Lehre, wie sie in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart gewesen sei.

Weiterhin beruhe der Gegenstand des Streitpatents gegenüber der bereits im Einspruchsverfahren geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung (O5) (Stelleinrichtung der Einsprechenden zur Verwendung im Renault Scenic gemäß den Figuren 1 und 2 sowie eine eidesstattlichen Versicherung) in Verbindung mit dem fachnotorischen Wissen des Fachmanns, belegt durch den zwischenzeitlich noch eingereichten Auszug aus dem Fachbuch Siemens: „Industrial Automotive ICs - IC für Industrie und Autoelektronik“, Siemens AG, 1990, Seiten 18, 19, 750, 751, 768 bis 771, 778, 779 (D7) oder der im Einspruchsverfahren genannten DE 101 41 246 C1 (D6) nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Einsprechende und Beschwerdeführerin stellt den Antrag,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten, die in der Anhörung vor der Patentabteilung am 8. April 2008 als Hilfsantrag 2 beantragt worden sind: Ansprüche 1 - 20, eingereicht am 8. April 2008, Beschreibung S. 2, eingereicht am 8. April 2008, im Übrigen Beschreibung gemäß der Patentschrift; Zeichnung, Fig. 1 - 18, gemäß der Patentschrift.

Sie widerspricht dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und führt aus, der im Verfahren befindliche Stand der Technik sei weder einzeln noch in einer Zusammenschau geeignet, Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- oder Hilfsantrag in Frage zu stellen.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

„Stelleinrichtung , insbesondere Kraftfahrzeug-Feststellbremse,

- mit einer einen fremdkraftbetätigten Antrieb (8) aufweisenden Stelleinheit (10),

- mit einer in einem Gehäuse (1) oder dergleichen in Längsachse der Stelleinheit axial verschiebbaren Teleskopvorrichtung (2; 3), enthaltend eine Hohlwelle (2) und eine mit dieser in axialer Dreh-Vorschubverbindung stehenden, einen Bremszug (4) betätigenden, Spindelwelle (3),

- mit einer drehfesten, axial verschiebbaren Verbindung zwischen dem fremdkraftbetätigten Antrieb (8) und der Hohlwelle (2),

- mit einer axialen Vorschubabstützung zwischen der Hohlwelle (2) einerseits und dem Gehäuse (1) andererseits über zumindest eine relativ zu der Spindelwelle (3) und dem Bremszug (4) stationäre und in Richtung der Hohlwelle (2) parallel angeordnete, durch die Vorschubabstützung axial belastete und dadurch axial längenverformbare, Schraubenfeder (5 bzw. 6),

- mit einem mit der Hohlwelle (2) in fester Verbindung stehenden Kraftsensor-Geber (2.2) und einem dem Kraftsensor-Geber (2.2) zugeordneten Kraftsensor-Empfänger (7.1), wobei der Kraftsensor-Empfänger integrierter Bestandteil einer, von einer Steuereinheit Leiterplatine (7) aufgenommenen Steuereinheit (7.2; 7.3) für die Stelleinheit (10) ist.“

Der geltende nebengeordnete Patentanspruch 16 gemäß Hauptantrag lautet:

„Stelleinrichtung, insbesondere Kraftfahrzeug-Feststellbremse,

- mit einer einen fremdkraftbetätigten Antrieb (8) aufweisenden Stelleinheit (10),

- mit einer in einem Gehäuse (1) oder dergleichen in Längsachse der Stelleinheit axial verschiebbaren Teleskopvorrichtung (2; 3), enthaltend eine Hohlwelle (2) und eine mit dieser in axialer Dreh-Vorschubverbindung stehenden, einen Bremszug (4) in Lösestellung einer Bremse betätigenden, Spindelwelle (3),

- mit einer drehfesten, axial verschiebbaren Verbindung zwischen dem fremdkraftbetätigten Antrieb (8) und der Hohlwelle (2),

- mit einer axialen Vorschubabstützung zwischen der Hohlwelle (2) einerseits und dem Gehäuse (1) andererseits über zumindest ein relativ zu der Spindelwelle (3) und dem Bremszug (4) stationäres, durch die Vorschubabstützung bei Blockierung des Bremszuges (4) während eines Antriebes in die Lösestellung der Bremse axial belastetes und dadurch axial längenverformbares elastisches Element (5 bzw. 6),

- mit einem mit der Hohlwelle (2) in fester Verbindung stehenden Kraftsensor-Geber (2.2) und einem dem Kraftsensor-Geber (2.2) zugeordneten Kraftsensor-Empfänger (7.1), wobei der Kraftsensor-Empfänger integrierter Bestandteil einer, von einer Steuereinheit-Leiterplatine (7) aufgenommenen Steuereinheit (7.2; 7.3) für die Stelleinheit (10) ist.“

Hinsichtlich des Wortlauts der abhängigen Unteransprüche 2 bis 15 und 17, der Anspruchsfassungen gemäß dem Hilfsantrag sowie weiterer Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.

Im Erteilungs- und Einspruchsverfahren vor dem Patentamt sind weiterhin die Druckschriften DE 101 02 685 A1 (D1), DE 44 34 401 C1 (D2), DE 100 43 739 A1 (D3) und US 4 532 462 (D4) in Betracht gezogen worden.

II.

1. Das Einspruchs- und Beschwerdeverfahren wird auf Seiten der Patentinhaberin mit der B… GmbH & Co. KG als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Patentinhaberin (S… AG) geführt, nachdem sich die Einsprechende schriftlich und mündlich zur Sache geäußert hat, ohne dem Beteiligtenwechsel zu widersprechen, so dass ihre Zustimmung dazu als erteilt gilt (§§ 265 Abs. 2 Satz 2; 267 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG; vgl. BGH GRUR 1999, 245, 246, Ziff. III. - LIBERO; vgl. a. Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 59, Rn. 212).

2. Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht erfolgreich, da der Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag patentfähig ist.

3. Der Streitpatentgegenstand betrifft nach dem Anspruch 1 eine Stelleinrichtung, insbesondere eine Kraftfahrzeug-Feststellbremse. Diese Stelleinrichtung weist eine einen fremdkraftbetätigten Antrieb aufweisende Stelleinheit auf und eine in einem Gehäuse oder dergleichen in Längsachse der Stelleinheit axial verschiebbare Teleskopvorrichtung, enthaltend eine Hohlwelle und eine mit dieser in axialer Dreh-Vorschubverbindung stehenden, einen Bremszug betätigenden Spindelwelle. Des Weiteren ist eine drehfeste, axial verschiebbare Verbindung zwischen dem fremdkraftbetätigten Antrieb und der Hohlwelle vorgesehen und eine axiale Vorschubabstützung zwischen der Hohlwelle einerseits und dem Gehäuse andererseits über zumindest ein relativ zu der Spindelwelle und dem Bremszug stationäres und in Richtung der Hohlwelle parallel angeordnetes, durch die Vorschubabstützung axial belastetes und dadurch axial längenverformbares, elastisches Element.

Nach den Ausführungen in Absatz [0004] der geltenden Beschreibung des Streitpatents besteht die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe darin, eine Stelleinrichtung zu schaffen, die sich durch eine kompakte Bauart auszeichnet und die Möglichkeit einer Bremszug-Kraftmessung auch bei Lösung der Bremse, insbesondere im Blockierungsfall, auf einfache Weise erlaubt.

Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt gemäß den Ausführungen in Absatz [0005] der Streitpatentschrift jeweils durch die Merkmale der geltenden Patentansprüche 1 oder 16. Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lässt sich unter Weglassung fakultativer Merkmale wie folgt gliedern:

1. Stelleinrichtung

1.1 mit einer einen fremdkraftbetätigten Antrieb (8) aufweisenden Stelleinheit (10);

1.2 mit einer in einem Gehäuse (1) oder dergleichen in Längsachse der Stelleinheit axial verschiebbaren Teleskopvorrichtung (2; 3);

1.2.1 enthaltend eine Hohlwelle (2) und eine mit dieser in axialer Dreh-Vorschubverbindung stehenden, einen Bremszug (4) betätigenden, Spindelwelle (3);

1.3 mit einer drehfesten, axial verschiebbaren Verbindung zwischen dem fremdkraftbetätigten Antrieb (8) und der Hohlwelle (2);

1.4 mit einer axialen Vorschubabstützung zwischen der Hohlwelle (2) einerseits und dem Gehäuse (1) andererseits über zumindest eine relativ zu der Spindelwelle (3) und dem Bremszug (4) stationäre und in Richtung der Hohlwelle (2) parallel angeordnete, durch die Vorschubabstützung axial belastete und dadurch axial längenverformbare, Schraubenfeder (5 bzw. 6);

1.5 mit einem mit der Hohlwelle (2) in fester Verbindung stehenden Kraftsensor-Geber (2.2) und einem dem Kraftsensor-Geber (2.2) zugeordneten KraftsensorEmpfänger (7.1);

1.6 wobei der Kraftsensor-Empfänger integrierter Bestandteil einer von einer Steuereinheit Leiterplatine (7) aufgenommenen Steuereinheit (7.2; 7.3) für die Stelleinheit (10) ist.

Der nebengeordnete Patentanspruch 16 gemäß Hauptantrag lässt sich unter Weglassung fakultativer Merkmale wie folgt gliedern:

1. Stelleinrichtung

1.1 mit einer einen fremdkraftbetätigten Antrieb (8) aufweisenden Stelleinheit (10);

1.2 mit einer in einem Gehäuse (1) oder dergleichen in Längsachse der Stelleinheit axial verschiebbaren Teleskopvorrichtung (2; 3),

1.2.1 enthaltend eine Hohlwelle (2) und eine mit dieser in axialer Dreh-Vorschubverbindung stehenden, einen Bremszug (4) in Lösestellung einer Bremse betätigenden, Spindelwelle (3);

1.3 mit einer drehfesten, axial verschiebbaren Verbindung zwischen dem fremdkraftbetätigten Antrieb (8) und der Hohlwelle (2);

1.4 mit einer axialen Vorschubabstützung zwischen der Hohlwelle (2) einerseits und dem Gehäuse (1) andererseits über zumindest ein relativ zu der Spindelwelle (3) und dem Bremszug (4) stationäres, durch die Vorschubabstützung bei Blockierung des Bremszuges (4) während eines Antriebes in die Lösestellung der Bremse axial belastetes und dadurch axial längenverformbares elastisches Element (5 bzw. 6);

1.5 mit einem mit der Hohlwelle (2) in fester Verbindung stehenden Kraftsensor-Geber (2.2) und einem dem KraftsensorGeber (2.2) zugeordneten Kraftsensor-Empfänger (7.1);

1.6 wobei der Kraftsensor-Empfänger integrierter Bestandteil einer von einer Steuereinheit-Leiterplatine (7) aufgenommenen Steuereinheit (7.2; 7.3) für die Stelleinheit (10) ist.

4. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 17 gemäß Hauptantrag sind zulässig.

Der geltende Patentanspruch 1 enthält die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 5, 7 und 9. Die Ergänzung nach Merkmal 1.5, wonach der Kraftsensor-Geber mit der Hohlwelle in fester Verbindung steht, ist auf Seite 4, 2. Absatz sowie in dem Absatz [0021] der Patentschrift bzw. die Ergänzung nach Merkmal 1.6 auf Seite 4, letzter Absatz sowie in dem Absatz [0023] der Patentschrift offenbart.

Der geltende Anspruch 16 enthält die Merkmale der erteilten Ansprüche 22, 5, 7 und 9, sowie die Ergänzung nach Merkmal 1.5 entsprechend Anspruch 1, wobei aus den Figuren 15 bis 18 und den entsprechenden Textstellen, deutlich ersichtlich ist, dass die hinsichtlich des Anspruchs 1 vorgenommenen Beschränkungen auch bei dem Gegenstand nach Anspruch 16 in gleicher Weise vorgesehen sind.

Die Ansprüche 2 bis 4, 7 bis 15 und 17 stützen sich auf die ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4, 8, 13, 15 bis 21 und 23 mit redaktionellen Änderungen und zulässigen Präzisierungen, die den Inhalt der jeweiligen Ansprüche nicht verändern.

Die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 5 sind in den ursprünglichen Ansprüchen 10, 11 und auf Seite 4, 2. Absatz der ursprünglichen Beschreibung bzw. im Absatz [0021] der Patentschrift offenbart. Die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 6 sind im ursprünglichen Anspruch 6 und auf Seite 4, 2. Absatz der ursprünglichen Beschreibung bzw. im Absatz [0023] der Patentschrift offenbart.

Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene unzulässige Erweiterung hinsichtlich Merkmal 1.5 liegt nicht vor. Denn nach gefestigter Rechtsprechung hat es die Patentinhaberin in der Hand, ihr Schutzrecht durch die Aufnahme einzelner oder mehrerer Merkmale, die in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannt werden, zu beschränken, wenn und soweit diese Merkmale jedes für sich oder auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg befördern. Dabei gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts, dass ein Patentanspruch nur in der Weise beschränkt werden könne, dass sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels, die der Aufgabenlösung „förderlich" sind, insgesamt in den Patentanspruch eingefügt werden müssten. (vgl. BGHZ 110, 123 - Spleißkammer; BGH GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung m. w. N.). Auch nach der Entscheidung „Fußbodenbelag“ (BGH GRUR 2005, 316) ist die Patentinhaberin nicht genötigt, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den neuen Schutzanspruch aufzunehmen. Vielmehr kann sie sich darauf beschränken, ein oder auch mehrere Merkmale aus der Beschreibung in den Schutzanspruch aufzunehmen, wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre eingeschränkt wird und der so bestimmte Gegenstand des neu gefassten Schutzanspruchs in der Beschreibung für den Fachmann als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war. Im vorliegenden Fall wird durch das eingefügte Merkmal 1.5 die ursprünglich weitere Lehre in eindeutiger Weise beschränkt, weil nunmehr notwendigerweise der Kraftsensor-Geber in fester Verbindung mit der Hohlwelle stehen muss. Dies befördert für sich auch den durch die Erfindung erreichten Erfolg einer kompakten Bauart, weil nur auf diese Weise die notwendigerweise bewegliche Anordnung des Kraftsensor-Gebers ohne weitere Relativbewegungen möglich ist.

Auch die im Einspruchsverfahren vorgetragene Erweiterung des Schutzbereichs des Patents nach § 22 PatG durch den geltenden Anspruch 5 liegt - wie bereits die Patentabteilung zutreffend festgestellt hat - nicht vor. Denn die Merkmale dieses Anspruchs, wonach “die Hohlwelle bzw. die Spindelwelle konzentrisch umfassende Schraubenfeder (5), die als Druckfeder mit ihrem einen Ende über ein Axialdrucklager (9) an eine Schulter des Gehäuses (1) und mit ihrem anderen axialen Ende an dem Kraftsensor-Geber (2.2) anliegt“, sind sowohl aus den erteilten (vgl. Abs. [0021] der Patentschrift) als auch den ursprünglichen Unterlagen (insbesondere Seite 4, Absatz 2) entnehmbar und dort als zur Erfindung gehörig offenbart. Dass die Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung in einen Unteranspruch eine erweiterte Auslegung des Schutzbereichs zulasse, wie die Einsprechende meint, ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar, zumal die Einsprechende hierzu auch nicht im Einzelnen vorgetragen hat.

5. Der unbestritten gewerblich anwendbare Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 1 des Streitpatents gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.

Aus den Figuren 1 und 2 der von der Einsprechenden und Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen zum behaupteten Vorbenutzungsgegenstand (O5) ist eine Stelleinrichtung in Form einer Kraftfahrzeug-Feststellbremse mit einem Motor (8) als fremdkraftbetätigten Antrieb entnehmbar. In einem Gehäuse (1) ist eine in Längsachse der Stelleinheit axial verschiebbare Teleskopvorrichtung angeordnet, welche eine mit einem Innengewinde versehene Keilwelle (2) und eine mit dieser in axialer Dreh-Vorschubverbindung stehende, einen Bremszug (4) betätigende Spindelwelle (3) enthält. Zwischen dem fremdkraftbetätigten Antrieb (Motor 8) und der als Hohlwelle ausgebildeten Keilwelle (2) ist eine axial verschiebbare Verbindung vorgesehen. Die axiale Verschiebbarkeit wird entsprechend den Ausführungen in der ebenfalls vorgelegten eidesstattlichen Versicherung erreicht, indem die Hohlwelle (Keilwelle 2) innerhalb eines Abtriebsrads (21) des Getriebes drehfest, aber längsverschieblich angeordnet ist. Zwischen der Hohlwelle (Keilwelle 2) einerseits und dem Gehäuse (1) andererseits ist eine axiale Vorschubabstützung über zumindest ein relativ zu der Spindelwelle (3) und dem Bremszug (4) stationäres, elastisches Element in Form einer Schraubenfeder (5, 6) vorgesehen. Die Schraubenfeder (5, 6), die eine gehäusefeste Sensorkolbenstange umschließt, liegt mit ihrem einen Ende an einem Bund der gehäusefesten Sensorkolbenstange (13) und mit ihrem anderen Ende an einem Sensor-Gehäuse (10) an, welches zusammen mit der Hohlwelle (Keilwelle 2) axial verschiebbar ist. Somit ist die Schraubenfeder (5, 6) in Richtung der Hohlwelle (Keilwelle 2) parallel angeordnet und durch die Vorschubabstützung axial belastet und dadurch axial längenverformbar.

Darüber hinaus ist gemäß eidesstattlicher Versicherung am axial verschieblichen Sensor-Gehäuse (10) ein Hall-Sensor als Kraftsensor-Empfänger befestigt, welcher einem gehäusefesten, auf der Sensorkolbenstange (11) angeordneten Magneten (12) als Kraftsensor-Geber zugeordnet ist.

Somit sind die Merkmale 1 bis 1.4 des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag aus den vorgelegten Unterlagen zum behaupteten Vorbenutzungsgegenstand ersichtlich, nicht jedoch das Merkmal 1.5, weil der Kraftsensor-Geber (Magnet 12) anders als beim Streitpatentgegenstand nicht mit der (beweglich angeordneten) Hohlwelle (Keilwelle 2) in fester Verbindung steht, sondern mit der ortsfesten Sensorkolbenstange (11) fest verbunden ist.

Auch ist das Merkmal 1.6 des geltenden Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht verwirklicht, weil bei dem Vorbenutzungsgegenstand entsprechend den Ausführungen in der eidesstattlichen Versicherung der Kraftsensor-Empfänger (Hall-Sensor) am axial verschieblichen Sensor-Gehäuse angeordnet ist und daher nicht integrierter Bestandteil einer von einer Steuereinheit-Leiterplatine aufgenommenen Steuereinheit für die Stelleinheit sein kann.

Die Druckschriften D7 und D6 haben keine Stelleinrichtungen zum Inhalt. Während die D7 als eine Art Katalog nur einzelne elektronische Bauelemente beschreibt, zeigt die DE 101 41 246 C1 (D6) lediglich eine mechanische Schnittstellenvorrichtung für eine Antriebseinheit in Fahrzeugen, insbesondere motorische Antriebe in einer Kraftfahrzeugtür, bei der, wie aus Figur 2 und der zugehörigen Beschreibung in Absatz [0039] hervorgeht, auf einer Leiterplattenzunge (34) ein Hallsensor 37) integriert ist.

Die Druckschriften D1 bis D4 betreffen zwar jeweils Stelleinrichtungen, jedoch ohne einen Kraftsensor-Geber und einen Kraftsensor-Empfänger.

6. Die streitpatentgemäße Stelleinrichtung nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die aus den Unterlagen zur behaupteten Vorbenutzung (O5) ersichtliche, als Kraftfahrzeug-Feststellbremse ausgebildete Stelleinrichtung kommt dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 am nächsten, da sie wie das Streitpatent bereits einen Kraftsensor-Geber und einen zugeordneten Kraftsensor-Empfänger aufweist. Der Fachmann, hier ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Mechatronik oder Maschinenbau mit besonderen elektrotechnischen Kenntnissen und mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von motorisch betriebenen Stelleinrichtungen, richtet bei der Weiterentwicklung von Erzeugnissen, hier Stelleinrichtungen, stets auch sein Augenmerk auf eine kostengünstige Herstellung. Aufgrund seiner Fachkenntnis bzw. entsprechenden Fachbüchern (D7) oder entsprechenden Anwendungen (D6) sind dem Fachmann grundsätzlich sogenannte SMD-Hallsensoren als kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Hallsensoren bekannt, die üblicherweise direkt auf Leiterplatten angeordnet werden. Es liegt daher auf der Hand, dass der Fachmann ausgehend von dem behaupteten Vorbenutzungsgegenstand entsprechend den vorgelegten Figuren 1 und 2 nach der O5 auch derartige SMD-Hallsensoren grundsätzlich in Betracht zieht. Da jedoch diese SMD-Hallsensoren aufgrund ihrer Bauart notwendigerweise auf der Elektroplatine (Steuerung) anzuordnen sind, stellt der Fachmann - wie auch die Patentabteilung zutreffend festgestellt hat - ohne weiteres fest, dass aufgrund der weiten Entfernung zwischen Elektroplatine (Steuerung) und Hohlwelle das betriebsnotwendige Zusammenwirken zwischen Kraftsensor-Geber und KraftsensorEmpfänger betriebssicher nicht gewährleistet ist, so dass er möglicherweise noch eine Verlegung der Elektroplatine in die Nähe der Hohlwelle (2) und der Spindelwelle (3) in Betracht zieht. Allerdings erkennt er dabei sofort, dass aufgrund der baulichen Gegebenheiten, wie sie sich aus den vorgelegten Figuren 1 und 2 zur behaupteten Vorbenutzung ergeben, weder unterhalb noch oberhalb der Spindelund Keilwelle freier Raum für die Unterbringung der Elektroplatine (Steuerung) in unmittelbarer Nähe zur Hohlwelle zur Verfügung steht. Von einer - von der Beschwerdeführerin vorgetragenen - „einfachen Umordnung“ unter Verschiebung des Motors (8) und der Anordnung der Elektroplatine (Steuerung) zwischen Motor und Hohlwelle sieht der Fachmann nach Überzeugung des Senats schon deshalb ab, weil dann nicht nur innerhalb der Stelleinrichtung umfangreiche Änderungen, beispielsweise am Getriebe, erforderlich wären, sondern auch die außen am Gehäuse (1) liegende elektrische Anschlussbuchse zusammen mit der Platine in Bereiche verlegt werden müsste, die ersichtlich bereits durch andere Bauteile belegt sind. Schließlich wäre der Fachmann selbst dann noch nicht beim Streitgegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1, weil der innerhalb des beweglichen Sensor-Gehäuses liegende Kraftsensor-Geber in Form des Magneten (12) bereits aufgrund seiner ortsfesten Anordnung auf der Sensorkolbenstange (11) und zudem aufgrund seiner Anordnung innerhalb des Sensorgehäuses, möglicherweise abgeschirmt, gegenüber dem dann ortsfesten SMD-Hallsensor auf der Elektroplatine (Steuerung) funktionslos wäre. Es wären also weitere Untersuchungen und Analysen erforderlich, um den Kraftsensor-Geber anderweitig anzuordnen. Im Gegensatz zur vorgetragenen Auffassung der Beschwerdeführerin sind das keine Schritte, die zwangsläufig und zwingend alleine aus der Entscheidung resultieren, einen SMD-Hallsensor auf der Elektroplatine zu verwenden. Vielmehr sind - wie vorstehend beschrieben - eine Vielzahl von einzelnen Schritten erforderlich, die jeweils erhebliche bauliche Veränderungen zur Folge hätten, und für jeden einzelnen Schritt gibt es eine Vielzahl von möglichen Alternativen, deren Beschreiten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würde. Denn um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann als nahegelegt anzusehen, bedarf es - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall, in dem es für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist (vgl. BGH GRUR 2009, 936 Tz. 21 - Heizer; GRUR 2010, 814, Tz. 26 - Fugenglätter) - in der Regel vielmehr zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH GRUR 2009, 746, Tz. 20 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; GRUR 2010, 407, Tz. 17 - einteilige Öse). Diese sind vorliegend nicht ersichtlich.

Die D6 kann zur streitpatentgemäßen Anordnung eines Kraftsensor-Gebers und eines Kraftsensor-Empfänger innerhalb einer Stelleinrichtung keinen Beitrag leisten, der über das durch die D7 dokumentierte fachnotorische Wissen des Fachmanns hinausgeht, weil sie lediglich eine mechanische Schnittstelleneinrichtung für eine Antriebseinheit mit einem auf einer Leiterplatte angeordneten Hall-Sensor zum Inhalt hat.

Auch die Stelleinrichtung nach der D4, die keinen Kraftsensor-Geber und Kraftsensor-Empfänger hat, sowie die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen Druckschriften D1 bis D3, die von der Beschwerdeführerin nicht aufgegriffen worden sind, liegen weiter ab vom Streitgegenstand des Patentanspruchs 1 und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.

Somit gelangt der Fachmann ausgehend von dem behaupteten Vorbenutzungsgegenstand auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens dokumentiert durch das Fachbuch D7 oder selbst unter Berücksichtigung der DE 101 41 246 C1 (D6) nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag des Streitpatents.

Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob der behauptete Vorbenutzungsgegenstand tatsächlich vorbenutzt worden und offenkundig geworden ist.

7. Auch die unstrittig gewerblich anwendbare Stelleinrichtung nach dem nebengeordneten Patentanspruch 16 gemäß Hauptantrag ist neu gegenüber dem angeführten Stand der Technik sowie der behaupteten Vorbenutzung und beruht demgegenüber auf erfinderischer Tätigkeit.

Wie bereits bei der Beurteilung der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands nach dem Patentanspruch 1 ausgeführt ist, sind weder aus dem Stand der Technik noch durch den behaupteten Vorbenutzungsgegenstand Stelleinrichtungen, mit einem mit der Hohlwelle in fester Verbindung stehenden Kraftsensor-Geber und einem dem Kraftsensor-Geber zugeordneten KraftsensorEmpfänger beschrieben oder nahe gelegt, bei denen der Kraftsensor-Empfänger integrierter Bestandteil einer von einer Leiterplatine aufgenommenen Steuereinheit für die Stelleinheit ist. Da die Stelleinrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 16 gemäß Hauptantrag im Wesentlichen auch diejenigen Merkmale 1.5 und 1.6 umfasst, die auch die Stelleinrichtung nach Patentanspruch 1 aufweist, ist das Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Patentanspruch 1 wird verwiesen.

8. Die geltenden Unteransprüche 2 bis 15 und 17 betreffen jeweils zweckmäßige Ausgestaltungen der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 16, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen. Sie haben daher ebenfalls Bestand.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Einsprechenden und Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Dr. Zehendner Kätker Rippel Dr. Prasch Cl

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