V ZR 124/24
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES V ZR 124/24 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2025:160525UVZR124.24.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2025 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Brückner, die Richterin Haberkamp, die Richter Dr. Hamdorf und Dr. Malik und die Richterin Laube für Recht erkannt:
Auf die Revision wird das Urteil des Kammergerichts - 7. Zivilsenat - vom 25. Juni 2024 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 11 - vom 13. Oktober 2020 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Kläger kaufte im Jahre 2003 vergünstigt landwirtschaftliche Flächen von der beklagten BVVG, der es als Privatisierungsstelle nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) und der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) obliegt, ehemals volkseigene Flächen zu vergünstigten Konditionen an Berechtigte zu veräußern. In § 10 Abs. 5 des Kaufvertrages (nachfolgend Erlösbeteiligungsklausel) ist geregelt, dass der Erwerber von der BVVG die Zustimmung zur Nutzung der gekauften Flächen als Standort- oder Abstandsflächen für Windenergieanlagen verlangen kann, wenn er ihr einen Betrag i.H.v. 75 % des auf die Gesamtnutzungsdauer der jeweiligen Anlage kapitalisierten, von dem Betreiber der Windenergieanlage an den Erwerber gezahlten Entschädigungsbetrags, mindestens aber 75 % des marktüblichen Betrags zahlt, der auf die kaufgegenständlichen Flächen entfällt, jeweils abzüglich eines Bewirtschafter-/Pächterentschädigungsanteils von 15 % bei Windenergieanlagen, und der BVVG unverzüglich die Unterlagen zur Verfügung stellt, die für die Feststellung des ihr zustehenden Entschädigungsbetrags erforderlich und zweckdienlich sind. Im Jahr 2010 schlossen der Kläger, die BVVG und eine Betreibergesellschaft dreiseitige Gestattungsverträge, in denen die BVVG jeweils der Nutzung von Teilflächen der verkauften Grundstücke als Abstandsflächen für einen von dem Anlagenbetreiber geplanten Windpark zustimmte und die Betreiberin für das Recht, diese Flächen als Abstandsflächen zu nutzen, an den Kläger und die BVVG jeweils ein Nutzungsentgelt zahlt. Mit Urteil vom 14. September 2018 erklärte der Senat eine der hiesigen Erlösbeteiligungsklausel vergleichbare Regelung in einem von der BVVG im Jahre 2005 geschlossenen Kaufvertrag nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB für unwirksam (V ZR 12/17, ZfIR 2018, 766 Rn. 49 ff.).
Mit seiner Ende 2019 eingereichten und Anfang 2020 zugestellten Klage verlangt der Kläger von der BVVG die Auskehr der von der Anlagenbetreiberin bzw. deren Rechtsnachfolgern (nachfolgend nur Anlagenbetreiberin) an die BVVG gezahlten Nutzungsentgelte in Gesamthöhe von 1.764.393 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Kammergericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
A.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 BGB von der BVVG die Herausgabe der von der Anlagenbetreiberin an sie geleisteten Zahlungen verlangen. Die BVVG habe durch die Beteiligung an den Gestattungsverträgen und ihre dort geregelte Gläubigerstellung gegenüber der Anlagenbetreiberin eine Vermögensmehrung erfahren und somit im Sinne der genannten Vorschriften „etwas erlangt“. Die Gläubigerstellung habe die BVVG auch gerade durch eine Leistung des Klägers erlangt, denn die Beteiligten der Gestattungsverträge hätten bei objektiver Betrachtung aus Sicht des Zuwendungsempfängers mit der Beteiligung der BVVG in erster Linie den Zweck verfolgt, die vermeintliche Verpflichtung des Klägers gemäß der Erlösbeteiligungsklausel aus dem Kaufvertrag durchzuführen, zumal die nach den Gestattungsverträgen direkt an die BVVG zu zahlenden Beträge der in dem Kaufvertrag vorgesehenen Erlösbeteiligung entsprochen hätten. Eine eigenständige Leistung der BVVG an die Anlagenbetreiberin, die die Zahlungen als eigene Leistung der Anlagenbetreiberin an die BVVG erscheinen lasse, sei bei objektiver Betrachtung nicht ersichtlich. Die BVVG habe die Beteiligung an den Gestattungsverträgen und das Forderungsrecht gegenüber der Anlagenbetreiberin ohne Rechtsgrund erlangt, nachdem der Bundesgerichtshof Erlösbeteiligungsklauseln wie die vorliegende für unwirksam erklärt habe.
Der Anspruch sei nicht verjährt, denn er unterliege der zehnjährigen Verjährungsfrist nach § 196 BGB. Auch Bereicherungsansprüche könnten unter diese Regelung fallen, etwa wenn bei Nichtigkeit des Vertrags die Gegenleistung zurückgefordert werde. Es komme nur darauf an, ob ein wechselbezügliches - nicht notwendig synallagmatisches - Verhältnis bestehe. Dies sei hier der Fall, denn die Einbeziehung der BVVG in die Gestattungsverträge habe der Durchführung der Erlösbeteiligungsklausel aus dem Kaufvertrag gedient und sei (bedingter) Teil der Gegenleistung des Erwerbers für die Verschaffung des Eigentums an den verkauften Flächen.
B.
Die Revision hat Erfolg. Es kann dahinstehen, ob dem Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 BGB ein Anspruch gegen die Beklagte auf Auskehr der von der Anlagenbetreiberin auf der Grundlage der Gestattungsverträge gezahlten Nutzungsentgelte zusteht. Denn ein solcher Anspruch wäre jedenfalls verjährt und damit der Beklagten gegenüber gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar.
I. Das Berufungsgericht nimmt im Ausgangspunkt zutreffend an, dass sich ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 BGB allenfalls unter dem Gesichtspunkt ergeben könnte, dass der Kläger die Beklagte an den Verhandlungen über den Gestattungsvertrag beteiligt und ihr im Ergebnis eine Stellung als Vertragspartnerin und - anteilige - Gläubigerin der von der Windkraftanlagenbetreiberin zu zahlenden Nutzungsentgelte verschafft hat (nachfolgend Gläubigerstellung). Die einzelnen von der Anlagenbetreiberin erbrachten Zahlungen kommen jeweils als unmittelbarer Gegenstand eines etwaigen Kondiktionsanspruchs, d.h. als das erlangte „Etwas“
i.S.v. § 818 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, nicht in Betracht. Sie stellen sich nicht als Leistungen des Klägers dar, weil sie von der Anlagenbetreiberin erbracht wurden, und zwar nicht auf Anweisung des Klägers, sondern zur Erfüllung der eigenen Zahlungsverpflichtungen der Anlagenbetreiberin gegenüber der BVVG aus dem Gestattungsvertrag, der seinerseits Rechtsgrundlage der Zahlungen ist. Letztere könnten daher, wie das Berufungsgericht im Ergebnis richtig sieht, allenfalls als aus der Gläubigerstellung gezogene „Nutzungen“ i.S.v. § 818 Abs. 1, § 100, § 99 Abs. 2 BGB mittelbarer Gegenstand des Herausgabeanspruchs sein (insoweit zutreffend auch Klose, AUR 2016, 168, 170 ff.; ders., AUR 2021, 322, 324 ff.).
II. Der Senat hat allerdings erhebliche Zweifel, dass ein solcher Herausgabeanspruch besteht, namentlich dass die BVVG die Gläubigerstellung in dem Gestattungsvertrag gerade durch eine Leistung des Klägers erlangt hat. Zur näheren Begründung wird insoweit auf das Urteil des Senats vom 16. Mai 2025 in der Sache V ZR 133/24 Bezug genommen (juris Rn. 7 ff.).
III. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterläge ein sich aus der Unwirksamkeit der Erlösbeteiligungsklausel ergebender Kondiktionsanspruch des Klägers gegen die BVVG hinsichtlich der Gläubigerstellung in den Gestattungsverträgen nicht der zehnjährigen Verjährungsfrist nach § 196 BGB, sondern der Regelverjährung nach § 195 BGB (hierzu ausführlich Senat, Urteil vom 16. Mai 2025 - V ZR 133/24, juris Rn. 10 ff.).
IV. Die für einen etwaigen Anspruch des Klägers gegen die BVVG auf Herausgabe der in den Gestattungsverträgen eingeräumten Gläubigerstellung geltende Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB war bei Erhebung der Klage bereits abgelaufen.
1. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es bis zur objektiven Klärung der Rechtslage an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (st. Rspr., vgl. zum Ganzen etwa Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 309/12, NJW 2015, 1007 Rn. 15; BGH, Urteil vom 9. Juli 2024 - XI ZR 44/23, NJW 2024, 2751 Rn. 41 mwN).
2. Nach diesen Maßstäben setzt der Beginn der Verjährung etwaiger Ansprüche der Erwerber von Flächen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz auf Herausgabe der Gläubigerstellung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht deren Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Unwirksamkeit der jeweiligen Erlösbeteiligungsklausel (hier § 10 Abs. 5 KV) voraus. Denn rechtlich zutreffende Schlüsse muss der Anspruchsinhaber für die Ingangsetzung der Verjährung nicht ziehen. Der Lauf der Verjährungsfrist wird daher mit dem Abschluss des jeweiligen Gestattungsvertrags in Gang gesetzt, hier also mit dem Schluss des Jahres 2010.
3. Der Verjährungsbeginn ist auch nicht ausnahmsweise hinausgeschoben. Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag, lag bei Abschluss des Gestattungsvertrages nicht vor (vgl. Senat, Urteil vom 16. Mai 2025 - V ZR 133/24, juris Rn. 36 ff.).
4. Wann die Anlagenbetreiberin die nach dem Gestattungsvertrag an die BVVG zu leistenden Zahlungen erbracht hat, ist für den Verjährungsbeginn unerheblich. Das erlangte „Etwas“ i.S.v. § 818 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann allenfalls in der der BVVG in den Gestattungsverträgen eingeräumten Gläubigerstellung hinsichtlich der Nutzungsentgelte liegen; die von den Anlagenbetreibern geleisteten Zahlungen kommen als selbständiger Kondiktionsgegenstand - mit dann jeweils gesonderter Verjährungsfrist - nicht in Betracht (siehe oben Rn. 6). Die Gläubigerstellung hätte der Kläger unmittelbar nach Vertragsschluss herausverlangen und die BVVG hätte einen diesbezüglichen Herausgabeanspruch durch Abtretung der entsprechenden Forderung gegen den Anlagenbetreiber erfüllen können. Somit hätte die Verjährung eines etwaigen Anspruchs des Klägers gegen die BVVG aus §§ 812, 818 BGB auf Herausgabe der Gläubigerstellung mit Ablauf des Jahres zu laufen begonnen, in dem der Gestattungsvertrag geschlossen wurde. Da der Gestattungsvertrag vorliegend im Jahre 2010 geschlossen wurde, wäre der Anspruch mit Schluss des Jahres 2013 verjährt und seither nach § 214 BGB nicht mehr durchsetzbar.
V. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere kann, was das Berufungsgericht nur kursorisch angesprochen und offengelassen hat, der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch nicht auf § 823 BGB stützen mit der Folge, dass zumindest ein sog.
Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 BGB nicht verjährt wäre (vgl. Senat, Urteil vom 16. Mai 2025 - V ZR 133/24, juris Rn. 40 ff.).
C.
I. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts ist zurückzuweisen, weil die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden ist; der geltend gemachte Klageanspruch, wenn er denn bestehen sollte, ist jedenfalls verjährt und damit nicht mehr durchsetzbar.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Brückner Malik Haberkamp Laube Hamdorf Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 13.10.2020 - 11 O 308/19 KG, Entscheidung vom 25.06.2024 - 7 U 1109/20 - Verkündet am: 16. Mai 2025 Weschenfelder, Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle