XI ZR 186/21
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES XI ZR 186/21 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 26. Juli 2022 Schwaninger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2022:260722UXIZR186.21.0 Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 12. Juli 2022 eingereicht werden konnten, durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, den Richter Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Derstadt, Ettl und Dr. Allgayer für Recht erkannt:
Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt. Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. März 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Streitwert: bis 22.000 €
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärung des Klägers.
Der Kläger erwarb im Jahre 2017 einen gebrauchten PKW vom Typ BMW 320d zum Kaufpreis von 18.500 €, ohne eine Anzahlung zu leisten. Zur Finanzierung des Kaufpreises und der Prämie einer Ratenschutzversicherung in Höhe von 1.686,33 € schlossen die Parteien am 13. Februar 2017 einen Darlehensvertrag. Das Darlehen sollte in 60 Monatsraten zu je 388,68 € zurückgezahlt werden. Der Darlehensvertrag enthält auf der Seite 1 folgenden "Warnhinweis":
"Bei ausbleibenden Zahlungen kann die Bank ihren Verzugsschaden gem. Ziffer A.6., insbesondere gesetzliche Verzugszinsen geltend machen." In der Ziffer "6. Verzugsschaden" der in den Darlehensvertrag einbezogenen "Allgemeinen Vertragsbedingungen für den privaten Raten-Darlehensvertrag" der Beklagten heißt es unter anderem:
"Für ausbleibende Zahlungen wird die Bank den ihr dadurch entstandenen Schaden konkret in Rechnung stellen. Nach einer Vertragskündigung wird die Bank dem DN den gesetzlichen Zinssatz für Verzugszahlungen in Rechnung stellen. Dieser beträgt 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz." Der Darlehensvertrag enthält eine "Widerrufsinformation", nach der die Widerrufsfrist erst beginnt, "nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat." Im Abschnitt "Besonderheiten zu weiteren Verträgen" heißt es unter anderem:
"Widerruft der Darlehensnehmer diesen Darlehensvertrag, so ist er auch an den Warenkaufvertrag und - soweit abgeschlossen Ratenschutzversicherungsvertrag, Kaufpreisversicherungsvertrag, GAP Plus-Versicherungsvertrag (im Folgenden: verbundener Vertrag) nicht mehr gebunden." Der Kläger zahlte sechs Raten à 388,68 € und erbrachte zur vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrages am 25. September 2017 eine Zahlung in Höhe von 18.500 €. Die Beklagte rechnete daraufhin das Darlehensverhältnis ab und gab nach Begleichung des von ihr ermittelten Saldos in Höhe von 302,12 € den ihr sicherungsübereigneten PKW frei.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung und kündigte an, dass er der Beklagten "nach der Bestätigung der Wirksamkeit des Widerrufs ... das finanzierte Fahrzeug in einer den Annahmeverzug begründenden Weise" anbieten werde. Nachdem die Beklagte den Widerruf als verfristet zurückgewiesen hatte, erklärten die Instanzbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 23. August 2019 erneut den Widerruf und forderten die Beklagte auf, diesen anzuerkennen, woraufhin der Kläger "das mit dem hiesigen Darlehen finanzierte Fahrzeug in einer den Annahmeverzug begründenden Weise anbieten" werde.
Mit der Klage hat der Kläger (1.) die Zahlung von 21.134,20 € nebst Zinsen nach Herausgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren, (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befinde, sowie (3.) die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat im Hinblick auf den Zahlungsantrag zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger habe seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Ihm sei eine ordnungsgemäße Widerrufsinformation erteilt worden und die Vertragsunterlagen hätten sämtliche erforderlichen Pflichtangaben in der gebotenen Deutlichkeit enthalten. Die Beklagte habe sich - bis auf die Angaben zu den verbundenen Verträgen - an den Wortlaut des Musters für die Widerrufsinformation gemäß der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB gehalten. Soweit die Widerrufsinformation der Beklagten eine Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB" enthalte und auch vom Kläger nicht abgeschlossene Versicherungsverträge als Verbundverträge benenne, sei die Berufung des Klägers hierauf rechtsmissbräuchlich.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB unter anderem mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrages nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrages gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, ordnungsgemäß erfüllt hat. Desweiteren hat es zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte den Kläger gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung ordnungsgemäß unterrichtet hat.
1. Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB" zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.v. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist, dies aber im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009,
L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46; im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge bei einer richtlinienkonformen Auslegung zu verneinen ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 13 ff. und vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 14 ff.).
Die Beklagte kann sich - anders als das Berufungsgericht meint - nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB (in der vom 21. März 2016 bis zum 14. Juni 2021 geltenden Fassung, künftig: aF) entspricht. Dies ist jedoch, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 26), nicht der Fall.
In der Widerrufsinformation hat die Beklagte bei der Unterüberschrift "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" als mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nicht nur den Fahrzeugkaufvertrag, sondern - zu Unrecht - auch Verträge über eine Kaufpreisversicherung und eine GAP Plus-Versicherung angegeben. Solche Verträge hat der Kläger nicht abgeschlossen. Zwar sind optionale Bestandteile in der Widerrufsinformation zulässig, wenn hinreichend konkret angegeben ist, ob sie einschlägig sind (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2016 - XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 Rn. 42 ff.), ohne dass dadurch die Musterkonformität in Frage steht. An einer solchen Angabe fehlt es hier aber (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 18 f.).
Nach dem Wortlaut des Gestaltungshinweises 2a zu dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF hat der Darlehensgeber nur den von dem Darlehensnehmer konkret abgeschlossenen, mit dem Darlehensvertrag verbundenen weiteren Vertrag anzugeben. Dies entspricht auch dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Willen des Gesetzgebers, wonach "an der gekennzeichneten Einfügestelle der verbundene Vertrag im Mustertext hinreichend konkret anzugeben" sei (BT-Drucks. 17/1394, S. 27, linke Spalte) und "die Gestaltungshinweise stets an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden" müssten (vgl. BT-Drucks. 17/1394, S. 30, linke Spalte). Die Gesetzlichkeitsfiktion soll nur eintreten, wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt und wie für den betreffenden Vertrag vorgegeben verwendet (vgl. BT-Drucks. 17/1394, S. 22, linke Spalte; Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 496/19, BGHZ 227, 253 Rn. 19). Diese Anpassung an den Einzelfall ist hier nicht erfolgt.
2. Desweiteren hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte den Kläger gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung unterrichtet hat. Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
III.
Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).
Der vom Kläger mit der Revision verfolgte Klageanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB (in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung; künftig: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger die Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs begehrt, setzt dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 29). Dies ist indes nicht der Fall. Zwischen den Parteien steht aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrags des Klägers auf Feststellung des Annahmeverzugs fest, dass sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden hat (§ 322 Abs. 1 ZPO).
Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des Rückgewähranspruchs als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - XI ZR 193/20, BKR 2021, 371 Rn. 18 mwN).
IV.
Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg vom 8. Januar 2021 (2 O 160/20, juris) und vom 19. März 2021 (2 O 282/19, 2 O 384/19, 2 O 474/20, 2 O 480/20, juris) hat keinen Erfolg, weil sich die dort aufgeworfenen Fragen vorliegend nicht stellen oder - im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers und eine diesbezügliche Vorlagepflicht - vom Senat bereits beantwortet worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2021 - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 19 f.).
Ellenberger Matthias Ettl Allgayer Vorinstanzen: LG Wuppertal, Entscheidung vom 25.03.2020 - 3 O 344/19 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.03.2021 - I-16 U 200/20 - Derstadt