V ZR 61/18
BUNDESGERICHTSHOF V ZR 61/18 BESCHLUSS vom 21. Juni 2018 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2018:210618BVZR61.18.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp beschlossen:
Der Antrag des Insolvenzverwalters auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat die gegen die bisherige Beklagte gerichtete Klage auf Zahlung von 79.933,83 € und auf Zustimmung zur Auskehrung eines auf einem Notaranderkonto hinterlegten Betrages von 100.000 € abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht die Beklagte verurteilt, den Notar anzuweisen, 6.550,83 € an die Klägerin auszukehren. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde will sie insoweit die Zulassung der Revision erreichen.
Nachdem der Rechtsstreit wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten gemäß § 240 ZPO unterbrochen war, hat der Insolvenzverwalter das Verfahren aufgenommen. Er beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
II.
Die beantragte Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen.
Nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO erhält eine Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Insolvenzverwalter ist zwar Partei kraft Amtes. Er hat auch dargelegt, dass die Kosten aus der Masse nicht gedeckt werden können. Es ist aber davon auszugehen, dass es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Gläubigern (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016 - IX ZB 24/15, WM 2016, 425 Rn. 14) zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.
1. Zuzumuten sind Vorschüsse auf Prozesskosten nur Gläubigern, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und deren zu erwartender Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung durch den Insolvenzverwalter deutlich größer sein wird. Das ist auf der Grundlage einer wertenden Abwägung aller Umstände zu entscheiden, bei der insbesondere die zu erwartende Verbesserung der Quote im Fall des Obsiegens des Insolvenzverwalters, das Prozess- und das Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen sind (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2012 - V ZB 138/11, NZI 2012, 626 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 - IX ZB 63/16, NZI 2017, 546 Rn. 2, jeweils mwN). Der Insolvenzverwalter hat die Voraussetzungen für die Bewilligung darzulegen und auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dies gilt auch für die Umstände, derentwegen den wirtschaftlich beteiligten Gläubigern eine Prozessfinanzierung nicht zumutbar ist (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 - II ZR 263/14, ZInsO 2015, 1465 Rn. 4).
2. Hieran gemessen ist von der Zumutbarkeit der Kostenaufbringung auszugehen.
Nach Darstellung des Insolvenzverwalters könnte bei erfolgreicher Rechtsverteidigung eine Freigabe nicht lediglich der von der Klägerin verlangten 100.000 €, sondern des gesamten sich auf dem Notaranderkonto befindlichen Betrages von 158.796,45 € zugunsten der Masse erreicht werden. Nimmt man aufgrund des Prozessrisikos (ein Vollstreckungsrisiko besteht nicht) hiervon einen Abschlag von 20% vor, beliefe sich die Masse nach Abzug der Insolvenzverfahrenskosten (§ 54 InsO) von ca. 42.000 € auf 85.037,16 €. Dies würde zu einer Quote für die im Rang des § 38 InsO zu bedienenden Forderungen, deren Höhe nach dem Vorbringen des Insolvenzverwalters 318.319,09 € beträgt, von 26,7% führen.
Für die beabsichtigte Verteidigung gegen die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin muss der Insolvenzverwalter ausgehend von einem Streitwert von 173.383 € voraussichtlich eigene Rechtsanwaltskosten (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2015 - IX ZR 17/15, juris Rn. 5; Beschluss vom 19. Mai 2015 - II ZR 263/14, ZInsO 2015, 1465 Rn. 7) von 8.766,02 € aufwenden.
Nach dem von dem Insolvenzverwalter vorgelegten Auszug der Insolvenztabelle, gibt es drei Großgläubiger, in der Tabelle unter Nr. 7, 16 und 17 gelistet, die mit jeweils mehr als 5% an den festgestellten Forderungen beteiligt sind und denen deshalb grundsätzlich eine Vorschussleistung zumutbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 - II ZR 263/14, ZInsO 2015, 1465 Rn. 8). Diese Gläubiger haben festgestellte Forderungen in Höhe von insgesamt 287.469,94 € und könnten bei einer Quote von 26,7% insgesamt 76.754,47 € erhalten. Im Falle einer erfolgreichen Prozessführung würden sie mehr als das Achtfache des vorzuschießenden Betrags von 8.766,02 € erhalten, so dass die zu erwartenden Vorteile den Aufwand deutlich überwiegen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 - IX ZB 63/16, NZI 2017, 546).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass es dem Insolvenzverwalter in dieser Konstellation nicht zumutbar sein könnte, die Kostenaufbringung durch drei Insolvenzgläubiger zu koordinieren. Eine feste und starre Grenze hinsichtlich der Anzahl der heranzuziehenden Insolvenzgläubiger gibt es nicht. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6. März 2006 (II ZB 11/05, ZIP 2006,
Rn. 15), dem ein Fall mit fünf Großgläubigern zugrunde lag, folgt kein anderes Ergebnis. Die Annahme der Unzumutbarkeit beruhte auch dort auf einer wertenden Abwägung aller Gesamtumstände, bei der die Anzahl der Großgläubiger lediglich einen Abwägungsumstand darstellte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 - II ZR 263/14, ZInsO 2015, 1465 Rn. 9).
Stresemann Göbel Schmidt-Räntsch Weinland Haberkamp Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 24.10.2012 - 22 O 309/12 KG Berlin, Entscheidung vom 05.02.2015 - 22 U 292/12 -