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XII ZB 51/25

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 51/25 vom 30. Juli 2025 in der Betreuungssache ECLI:DE:BGH:2025:300725BXIIZB51.25.0 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juli 2025 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerden wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 7. Januar 2025 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Eine Wertfestsetzung (§ 36 Abs. 3 GNotKG) ist nicht veranlasst.

Gründe:

I. 1 Der Betroffene und die Beteiligte zu 2 wenden sich gegen die Einrichtung einer Betreuung und die Bestellung eines Berufsbetreuers für den Betroffenen. 2 Der im Jahr 1950 geborene Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen Demenz bei Verdacht auf eine Alzheimer Erkrankung mit spätem Beginn. Er hatte mit notarieller Urkunde vom 9. Juni 2022 seinen beiden Töchtern, seinem Bruder und seiner von ihm getrenntlebenden Ehefrau eine Generalvollmacht in vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten erteilt. Am 26. Januar 2024 erklärte der spätere Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen gegenüber einer der beiden Töchter, dass er namens und in Vollmacht des Betroffenen die erteilten Generalvollmachten widerrufe. Daraufhin hat diese Tochter im Februar 2024 beim Amtsgericht die Einrichtung einer Betreuung für ihren Vater angeregt. Die Beteiligte zu 2, die der Betroffene als seine Freundin bezeichnet, hat im Laufe des Verfahrens die Kopie einer Vorsorgevollmacht zur Akte gereicht, welche der Betroffene ihr am 7. September 2023 erteilt haben soll.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht eine Betreuung mit einem umfassenden Aufgabenkreis eingerichtet, den Beteiligten zu 1 zum beruflichen Betreuer für den Betroffenen bestellt und die Frist zur Entscheidung über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung auf sieben Jahre festgesetzt. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels hinsichtlich des Aufgabenbereichs „Bestimmung des Umgangs des Betroffenen“ aufgehoben und eine Überprüfungsfrist von zwei Jahren festgelegt. Hiergegen richten sich die einerseits vom Betroffenen und andererseits von der Beteiligten zu 2 sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des Betroffenen eingelegten Rechtsbeschwerden.

II.

Die Rechtsbeschwerden führen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betroffene sei aufgrund seiner dementiellen Erkrankung nicht mehr in der Lage, seine Angelegenheiten im Aufgabenkreis selbständig wahrzunehmen und seinen Willen bezüglich der Einrichtung einer Betreuung frei zu bilden. Die Bestellung eines Betreuers sei auch erforderlich. Zwar seien die den Familienangehörigen erteilten Vollmachten weiterhin wirksam, weil der Betroffene jedenfalls seit Januar 2024 geschäftsunfähig sei und daher seinen Verfahrensbevollmächtigten seinerzeit nicht wirksam mit dem Widerruf dieser Vollmachten habe beauftragen können. Die Familienangehörigen, zu denen der Kontakt des Betroffenen im Laufe des Verfahrens vollständig abgebrochen sei, würden von ihren Vollmachten aber keinen Gebrauch machen.

Die auf den 7. September 2023 datierende Vorsorgevollmacht zugunsten der Beteiligten zu 2 sei zwar als wirksam anzusehen, weil Gegenteiliges nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden könne. Allerdings sei die Beteiligte zu 2 ungeeignet, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen. Zum einen hätten die Familienangehörigen geschildert, dass ihre Versuche, Kontakt zu dem Betroffenen aufzunehmen, von der Beteiligten zu 2 unterbunden worden seien, und dass mit ihr auch Konflikte hinsichtlich der finanziellen Angelegenheiten bestünden. Zum anderen habe die Beteiligte zu 2 zu einem Zeitpunkt, als die Berufsbetreuung bereits eingerichtet gewesen sei, eine Überweisung in Höhe von rund 185.000 € vom Konto des Betroffenen auf ein Konto seines Verfahrensbevollmächtigten zu veranlassen versucht. Zu den Hintergründen habe sie sich nicht geäußert. Dieser Versuch sei nicht im Sinne des Betroffenen gewesen. Aus denselben Gründen komme die Beteiligte zu 2 auch als rechtliche Betreuerin des Betroffenen nicht in Betracht.

2. Die Rechtsbeschwerde rügt mit Recht, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht.

a) Das Landgericht hat die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen in den Schriftsätzen vom 13. und 29. Dezember 2024 bei seiner Entscheidung vom 7. Januar 2025 nicht berücksichtigt und damit den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

aa) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es verstößt gegen diesen Grundsatz, wenn es einen ordnungsgemäß eingegangenen Schriftsatz nicht berücksichtigt. Für die Begründung einer Erstbeschwerde in Betreuungssachen sieht das Gesetz eine einzuhaltende Frist nicht vor (vgl. § 65 Abs. 1 FamFG). Macht das Gericht von der durch § 65 Abs. 2 FamFG eingeräumten Möglichkeit einer Fristsetzung zur Beschwerdebegründung keinen Gebrauch, kann der Beschwerdeführer die Beschwerdebegründung bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung nachreichen. Daher sind in Betreuungssachen bis zu diesem Zeitpunkt eingegangene Schriftsätze des Beschwerdeführers grundsätzlich bei der Beschwerdeentscheidung zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung zum Zeitpunkt des Schriftsatzeingangs bereits von allen Mitgliedern des Spruchkörpers unterzeichnet, aber noch nicht gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG an die Geschäftsstelle übergeben worden ist (Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 525/14 - FamRZ 2015, 1698 Rn. 6 ff.).

bb) Nach diesen Maßstäben hätte das Landgericht, das dem Betroffenen keine Frist zur Beschwerdebegründung gesetzt hatte, die beiden Schriftsätze vom 13. und 29. Dezember 2024 bei seiner Entscheidung über die Beschwerde berücksichtigen müssen. Zwar sind diese Schriftsätze, die auch Ausführungen zur Ablehnung der zuständigen Betreuungsrichterin beinhalten, an das Amtsgericht und nicht an das Landgericht gesandt worden. Allerdings hätte das Amtsgericht, das der Beschwerde des Betroffenen durch Beschluss vom 10. Dezember nicht abgeholfen hatte, die am 13. und 29. Dezember 2024 bei ihm eingegangenen Schriftsätze im ordnungsgemäßen Geschäftsgang an das Landgericht weiterleiten müssen (zur Pflicht zur Weiterleitung elektronischer Dokumente vgl. Senatsbeschluss BGHZ 242, 112 = FamRZ 2025, 190 Rn. 18 ff.). Im Falle einer pflichtgemäßen Weiterleitung wären die beiden Schriftsätze angesichts der noch verbliebenen Zeit auch rechtzeitig vor Erlass der Beschwerdeentscheidung am 7. Januar 2025 beim Landgericht eingegangen.

Die Weiterleitung der Schriftsätze an das Landgericht war hier auch nicht etwa deshalb ausnahmsweise entbehrlich, weil darin im Wesentlichen nur eine spätere Entscheidung des Amtsgerichts über die Suspendierung der Vorsorgevollmacht der Beteiligten zu 2 nach § 1820 Abs. 4 FamFG, aber nicht explizit auch der Betreuungsbeschluss angegriffen worden ist. Denn für das Amtsgericht war ohne Weiteres erkennbar, dass der Inhalt der Schriftsätze nicht nur für die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Suspendierung der Vollmacht, sondern gleichermaßen auch für die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Betreuungsbeschluss Bedeutung hatte.

b) Diese Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist auch entscheidungserheblich. Denn die Schriftsätze enthalten u.a. Ausführungen zu den Geschehnissen und Hintergründen des Bankbesuchs, bei dem es um die Überweisung in Höhe von rund 185.000 € ging. Auf diesen Überweisungsversuch hat sich das Landgericht bei seiner Beurteilung der Eignung der Beteiligten zu 2 maßgeblich gestützt. Zwar weichen die in den Schriftsätzen enthaltenen Behauptungen erheblich von den Schilderungen des zuständigen Bankmitarbeiters ab, die Letzterer gegenüber dem Betreuer telefonisch geäußert haben soll. Allerdings kann jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei Berücksichtigung des Vortrags in den beiden Schriftsätzen und gegebenenfalls nach Durchführung weiterer Ermittlungen zu einer anderen Beurteilung der Eignung der Beteiligten zu 2 gekommen wäre.

3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht auch Gelegenheit, sich erforderlichenfalls mit den in den Schriftsätzen vom 13. und 29. Dezember 2024 geäußerten Bedenken gegen die Eignung des Beteiligten zu 1 als Berufsbetreuer zu befassen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass das Verfahren nicht die Aufhebung einer Betreuung, sondern deren erstmalige Einrichtung zum Gegenstand hat und das Landgericht zu prüfen haben wird, inwiefern weitergehende Maßnahmen (wie etwa persönliche Anhörungen) veranlasst sind.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Guhling Pernice Günter RiBGH Dr. Nedden-Boeger ist wegen Urlaubs an der Signatur gehindert.

Guhling Recknagel Vorinstanzen: AG Friedberg (Hessen), Entscheidung vom 20.09.2024 - 810 XVII S 95/24 LG Gießen, Entscheidung vom 07.01.2025 - 7 T 339/24 -

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