27 W (pat) 34/11
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 34/11
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 152 08.05 betreffend die Marke 307 51 316.5 (hier: Gegenstandswert)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin Kopacek am 19. März 2013 beschlossen:
1. Der Gegenstandswert wird auf 50.000 € festgesetzt. 2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe I.
Gegen die für die Dienstleistungen „Beherbergung von Gästen; Betrieb von Hotels“ eingetragene, farbige Wort-Bild-Marke 307 51 316 hat die Widersprechende aus ihrer seit 1995 unter anderem für die Dienstleistungen „Beherbergung und Verpflegung von Gästen“ eingetragenen Wortmarke 209 06 98 „Classik“ Widerspruch eingelegt. Die Markenstelle hat mit zwei Beschlüssen den Widerspruch und die Erinnerung der Widersprechenden ausgehend von einer geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zurückgewiesen.
Dagegen wendete sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie vertrat dabei die Ansicht, die geografische Angabe „Berlin" spiele im angegriffenen Zeichen wegen ihres beschreibenden Gehalts ebenso wie „Hotel" keine Rolle. Auch die Bildelemente seien lediglich einfach dekorativ. Zumindest bestehe eine mittelbare Verwechslungsgefahr, da sie mit einer entsprechenden Markenserie auftrete.
Der Inhaber des angegriffenen Zeichens beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, und begründete dies damit, bei nur geringer Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reiche trotz Identität der Dienstleistungen die geringe Abweichung. Auch wenn das angegriffene Zeichen keine gewichtige Kennzeichnungskraft besitze und mit dem Zusatz „Klassik" an freihaltungsbedürftige Angaben angelehnt sei, stelle „Hotel Klassik Berlin" für das Publikum ein Hotel in Berlin dar, das den Namen „Klassik“ führe, der die Einschätzung als „solide" und „gediegen" vermittle. Das Hotel „Klassik" in Berlin werde nicht mit den an verschiedenen Orten existierenden Hotels der „Classic-Gruppe" verwechselt.
Mit Beschluss vom 13. September 2012 hat der Senat die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen. Dem lag die Erwägung zu Grunde, der Widerspruchsmarke komme nur minimale Kennzeichnungskraft und demzufolge nur ein sehr kleiner Schutzumfang zu. Der Schutzumfang der Widerspruchsmarke sei auf die Eigenprägung beschränkt, d. h. auf die Bestandteile, die dem Zeichen die Eintragungsfähigkeit verliehen. Eine andere Behandlung würde die an sich unzulässige Monopolisierung schutzunfähiger Angaben nachträglich ermöglichen. Eine Prägung durch „Klassik“ scheide schon aus Rechtsgründen aus, da der Begriff beschreibend sei. In solchen Fällen könne die graphische Gestaltung des Zeichens nicht außer Betracht gelassen werden.
Die Widersprechende habe nicht dargelegt, dass sie über eine Zeichenserie mit dem Bestandteil „Classik" verfüge. Die Wortfolge „Classik Hotel Collection“ habe das Deutsche Patent- und Markenamt nicht als Marke eingetragen; allein die Gemeinschaftsmarke „Classik Hotel Collection“ könne die Annahme einer Serie nicht belegen, da sich das beschreibende „Classik“ nicht als Stammbestandteil eigne. Zudem sei zu einer Benutzung und Verwendung der Widerspruchsmarke nichts vorgetragen. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit bestehe kein Anlass.
Die Bevollmächtigten des Inhabers des angegriffenen Zeichens haben zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenabrechnung Wertfestsetzung beantragt, ohne einen Vorschlag zur Höhe zu machen.
Die Widersprechende hat auf eine Stellungnahme dazu verzichtet.
II.
Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts ist zulässig, da auf beiden Seiten Anwälte mitgewirkt haben und keine Wertvorschriften bestehen. Der Geltungsbereich des Gerichtskostengesetzes (vgl. § 1 GKG) erstreckt sich nicht auf Wertfestsetzungen vor dem Bundespatentgericht zur Berechnung der Anwaltsgebühren; dies erfolgt nach § 23 Abs. 3 RVG nach billigem Ermessen.
In Widerspruchsverfahren nach § 42 richtet sich der Wert allein nach dem Interesse des Inhabers des angegriffenen Zeichens (BPatGE 11, 166 (168); BPatGE 12, 245 f.; BPatG GRUR 1995, 415; GRUR 1999, 64 f.; GRUR 2006, 704 – Markenwert); Interessen des Widersprechenden sind nicht relevant.
Anhaltspunkte für das Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke sind u.a. der Umfang der Benutzung und die sich daraus ergebende Bekanntheit einer Marke, die Übereinstimmung mit einer Geschäftsbezeichnung, die Einbindung in eine Markenfamilie, die Kosten für die Entwicklung einer Marke, der beanspruchte Waren- und Dienstleistungsbereich sowie der Schutzumfang (Kennzeichnungskraft) etc., also Kriterien, die auch sonst im Markenrecht zum Tragen kommen.
Der BGH hat zur Anmeldung der Marke „Rheinpark-Center Neuss“ (MarkenR 2012, 26) 50.000 € als Gegenstandswert angenommen, ohne dies mit einer besonderen Benutzung zu begründen. Auch sonst hat der BGH für Rechtsbeschwerdeverfahren deutlich höhere Werte als 50.000 € für Anmeldungen festgesetzt; Werte darunter sind nicht bekannt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2012 Rn. 27). Dieser Wert erscheint keinesfalls als zu hoch, gelten für Gemeinschaftsmarken doch 250.000 € als durchschnittlich angemessen (EuG GRUR-Prax 2012, 200 – Royal Appliance International GmbH).
Setzt man dies in Relation zu den nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Anmeldegebühren, so ergäbe sich ein deutlich über 50.000 € liegender Gegenstandswert für die nationale Marke.
Die für Unterlassungsansprüche bei bloß drohender Beeinträchtigung, die sich schon aus einer Markenanmeldung (Begehungsgefahr) ergeben kann, üblichen Streitwerte gehen ebenfalls in diese Richtung (vgl. Albrecht/Hoffmann, Die Vergütung des Patentanwalts, 2. Aufl. 2012, Rn. 222, 332).
Die Befürworter niedrigerer Gegenstandswerte stellen darauf, dass Marken vor Aufnahme ihrer Benutzung überhaupt noch keinen oder allenfalls einen geringen Wert hätten, zumal Marken in relevantem Umfang als sog. Vorratsmarken angemeldet bzw. nachfolgend im Widerspruchsverfahren verteidigt würden, ohne dass bereits geklärt sei, wofür sie konkret benutzt werden sollten. In Mitt. 2012, 525 – Eye of Eden verweist das BPatG zudem zur Rechtfertigung des Abweichens vom BGH auf die unterschiedlich anzuwendenden Vorschriften (PatKostG und RVG bei DPMA und BPatG sowie GKG beim BGH), womit nur für DPMA und BPatG nach § 23 RVG Regel- bzw. Höchstbeträge gelten. Demgegenüber stellen die Befürworter höherer Streitwerte auch auf die Kosten bzw. Verluste durch Verzögerungen ab (BPatG Mitt 2012, 85 – Allflora; Beschl. v. 26.4.2010 – 27 W (pat) 146/08 – Moulin Rouge; Beschl. v. 5.8.2008 – 27 W (pat) 75/08).
Der Senat hält im markenrechtlichen Widerspruchsbeschwerdeverfahren im Regelfall und auch im vorliegenden Verfahren einen Gegenstandswert von 50.000,00 € für angemessen. Soweit der 25. Senat des Bundespatentsgerichts (vgl. BPatG GRUR 2007, 176; 25 W (pat) 16/10) einen Wert i.H.v. (nur) 20.000,00 € für ausreichend erachtet, folgt der erkennende Senat dem nicht.
Bei seiner Gegenstandswertbestimmung orientiert sich der Senat an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der von einem Regelgegenstandswert von 50.000,00 € für das Rechtsbeschwerdeverfahren ausgeht (vgl. BGH GRUR 2006, 704 – Markenwert). Da sich im Regelfall das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Erhalt seiner Marke im patentgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht von seinem entsprechenden Interesse im Rechtsbeschwerdeverfahren unterscheiden wird, sind keine unterschiedlichen Werte im Beschwerde- und im Rechtsbeschwerdeverfahren anzusetzen.
Immer ist schließlich das Interesse des Markeninhabers maßgeblich. Den unterschiedlichen Anforderungen an die Anwälte tragen die unterschiedlichen Gebührensätze ausreichend Rechnung (Albrecht/Hoffmann a.a.O. Rn. 626). Dies entspricht auch der Handhabung in der Verwaltungs-, Arbeits- und Finanzgerichtsbarkeit sowie in der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 131 KostO (BPatG GRUR 2012, 1174 – Plus).
Ein Wert von nur 20.000 € wird der tatsächlichen Bedeutung eingetragener Marken im derzeitigen Wirtschaftsleben ohne besondere Anhaltspunkte für eine Minderung des Interesses der Inhaberin des angegriffenen Zeichens nicht gerecht.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass für die Bemessung des Gegenstandswertes das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Erhalt seiner Marke und nicht der Wert der Widerspruchsmarke maßgeblich ist, kommt es auch nicht auf die Marktposition der Widersprechenden als Hotelkette an. Selbst große Konzerne können außerdem mit Marken von unterschiedlicher Bedeutung und unterschiedlichem Wert auf dem Markt auftreten.
III.
Nachdem die Rechtsprechung des BPatG zum Gegenstandswert nicht einheitlich ist, bietet sich eine Klärung über die gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i.V.m. § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassene Rechtsbeschwerde an (BPatG Beschl. v. 21.2.2011 – 29 W (pat) 39/09 – Andernacher Geysir a.A. BPatG BlPMZ 2012, 421 (423); BPatGE 22, 129 (130); Ströbele /Hacker a.a.O. Rn. 24).
Die Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen in solchen Nebenverfahren ist u.a. deswegen eingeführt worden, um die unterschiedliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Kostenrechts zu vereinheitlichen (BT-Drucks. 14/4722 S. 116). Da sich die in § 83 MarkenG geregelte Rechtsbeschwerde ausschließlich auf Beschwerden nach § 66 MarkenG in Hauptsacheverfahren (Monatsfrist gemäß § 66 Abs. 2 MarkenG) und nicht auf Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 MarkenG in Nebenverfahren bezieht, soll § 83 MarkenG nicht zur Anwendung kommen. Diese Vorschrift soll dem Umstand Rechnung tragen, dass das BPatG wie ein Verwaltungsgericht Verwaltungsakte überprüft und gegen seine Beschlüsse keine weitere Tatsacheninstanz vorgesehen ist. Einer eigenen Rechtsbeschwerderegelung für Nebenverfahren bedarf es im MarkenG nicht, weil sein § 82 MarkenG allgemein auf § 574 ZPO verweist.
IV. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).
Dr. Albrecht Kruppa Kopacek Hu